LVwG-300702/10/Kl/BD

Linz, 03.11.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Ilse Klempt über die Beschwerde des Herrn R. B., S., vertreten durch Rechtsanwalt Dr. P. F., x, W., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 2.4.2015, Ge96-32-2015 und Ge96-32-1-2015 (Punkte A) 2) bis 4)), wegen Verwaltungsübertretungen nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 1. Juli 2015

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird die Beschwerde gegen Punkt A) 2. bis 4. des angefochtenen Straferkenntnisses hinsichtlich der Schuld als unbegründet abgewiesen; hinsichtlich der Strafe wird der Beschwerde insofern stattgegeben als die Ersatzfreiheitsstrafe zu Punkt A) 4. auf 6 Stunden herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die verhängte Strafe bestätigt.

 

II.      Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG hat der Beschwerdeführer einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von 264  Euro (zu Punkt A) 2. und 3.) zu leisten; hinsichtlich Punkt A) 4. entfällt ein Kostenbeitrag zum Beschwerdeverfahren gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG.

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 2.4.2015, Ge96-32-2015 und Ge96-32-1-2015, wurden über den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) zu den angefochtenen Punkten A) 2. bis 4. Geldstrafen von  660 Euro (für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden) in zwei Fällen und zu A) 4) 330 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Stunden) wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß 2) §§ 7 Abs. 1 und 7 Abs. 2 Z4 BauV iVm §§ 118 Abs. 3 und 130 Abs. 5 Z1 ASchG, 3) §§ 7 Abs. 1 und 7 Abs. 2 Z3 und Z4 BauV iVm §§ 118 Abs. 3 und 130 Abs. 5 Z1 ASchG und 4) § 8 Abs. 2a letzter Satz BauV iVm §§ 118 Abs. 3 und 130 Abs. 5 Z1 ASchG verhängt, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer der M. GmbH und damit zur Vertretung nach außen berufenes Organ zu verantworten hat, dass am 24.2.2015 auf der Baustelle x, E., mehrere Arbeitnehmer der Firma M. GmbH mit Sitz in M., x, mit Bauarbeiten beschäftigt waren, wobei

A) 2. am Balkon des Doppelwohnhauses Top 3 und 4, x, trotz einer Absturzhöhe von ca. 3,0 m keine Absturzsicherungen oder Abgrenzungen angebracht waren.

 

3. beim Zugang zum Stiegenabgang bei Haus Top 2, x, vom Erdgeschoß in das Untergeschoß stirnseitig trotz einer Absturzhöhe von ca. 2,7 m keine Absturzsicherung angebracht war.

 

4. bei den Wehren aus Brettern der Laufbrücken zum Haus Top 3 und 2, x, bzw. der Absturzsicherung der Außenwandöffnung beim Haus Top 2, x, der Querschnitt ca. 10 cm x 2,4 cm betrug.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde eingebracht und die Spruch­punkte A) 2.-4. angefochten. Es wurde die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens beantragt. Begründend wurde ausgeführt, dass nicht richtig sei, dass sowohl beim Haus Top 4, x, als auch beim Balkon des Doppelwohnhauses Top 3 und Top 4, x, sowie beim Haus Top 2, x , gleichzeitig Arbeiten stattgefunden hätten. Außer Streit gestellt werde lediglich, dass im Haus Top 4, x, im Erdgeschoß gearbeitet worden sei. Es wurden Innenwände versetzt. Diesbezüglich werde auch anerkannt, dass die Laufbrücke über die Baugrube nur 50 cm breit und mit 2 Pfosten abgesichert gewesen sei, sodass Punkt A) 1. des Straferkenntnisses unangefochten bleibe. Bestritten werde jedoch, dass am Balkon des Doppelwohnhauses Top 3 und Top 4 sowie beim Zugang zum Stiegenabgang beim Haus Top 2, ebenso Haus Top 3 und 4 Arbeiten durch­geführt worden wären. Vielmehr seien am 24.2.2015 lediglich zwei Mitarbeiter der Firma M. GmbH auf der gegenständlichen Baustelle tätig gewesen, und zwar ausschließlich mit dem Versetzen der Innenwände im Haus Top 4. Abgrenzungen seien nicht erforderlich gewesen, weil weder im Objekt Top 2 noch Top 3 sowie im Bereich des Balkons des Top 4 Arbeiten ausgeführt worden seien.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land als belangte Behörde hat die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Landesver­waltungsgericht Oberösterreich vorgelegt und unter Hinweis auf die Begründung des angefochtenen Bescheides die Abweisung der Beschwerde beantragt.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme, insbesondere in die im Akt aufliegenden und während der mündlichen Verhandlung vorgelegten Fotos. Weiters wurde eine öffentliche mündliche Verhandlung für den 1. Juli 2015 anberaumt und an diesem Tage durchgeführt, zu welcher die Verfahrensparteien geladen wurden und mit Ausnahme der belangten Behörde erschienen sind. Weiters wurde der Zeuge AI DI A. H. geladen und einvernommen.

 

4.1. Im Grunde des durchgeführten Beweisverfahrens steht folgender Sach­verhalt als erwiesen fest und wird der Entscheidung zu Grunde gelegt:

 

Der Bf ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der M. GmbH mit Sitz in M.. Am 24. Februar 2015 wurden auf der Baustelle in E., x, fünf Arbeitnehmer der Firma M. GmbH bei Bauarbeiten angetroffen. Bei der Baustelle handelte es sich um die Errichtung von zwei Doppelhäusern, nämlich Top 1 und 2, x und 11, und Top 3 und 4, x. Bei Annäherung des Arbeitsinspektors an die Baustelle, Zufahrt zum Top 4 beim ersten Doppelhaus, wurden zwei Arbeitnehmer auf der Garagendecke bei Arbeiten gesehen, gleichzeitig wurden drei weitere Arbeitnehmer sowie ein LKW-Fahrer beim Doppelhaus x bei Arbeiten zum Abladen von Ziegeln gesehen, wobei der LKW-Fahrer die Ziegel auf das Haus 13 abgeladen hat. Die Errichtung des Hauses x wurde erst begonnen. Bei der Kontrolle wurde bemerkt, dass nur eine Laufbrücke mit nur einem Pfosten sichtbar war, welche auch benutzt wurde, und zwar mehrmals vom dortigen Vorarbeiter. Dieser Vorarbeiter sah auch nicht ein, warum er diesen Pfosten nicht benutzen dürfe. Bei der Kontrolle war auch Bauleiter W. dabei und wurde in der Folge der Pfosten weggegeben und dieser Vorfall dann nicht zur Anzeige gebracht. Es wurde bei der Kontrolle festgestellt, dass außer diesem (beanstandeten) Pfosten an der Rückseite ein weiterer Zugang zu dem Doppelhaus x möglich war, nämlich über eine Laufbrücke zum Haus x, Top 2, und von dort aus über eine Über­brückungshilfe (an der Hausrückseite) zum TOP 1, x. Beim Haus x war der Stiegenabgang zum Untergeschoß nicht gesichert. Bei diesem Haus x waren zumindest die Außenmauern auf der Erdgeschoßdecke errichtet. Beim Haus x wurden gerade die Ziegel auf die Decke des Untergeschoßes abgeladen. Hier waren drei Arbeitnehmer der M. mit dem Abladen beschäftigt sowie der LKW-Fahrer. Im Doppelhaus x, Top 3 und 4, wurden zwei Arbeitnehmer im Erdgeschoß­bereich beschäftigt angetroffen. Bei den Balkonen der Top 3 und 4 war weder eine Abgrenzung zur Absturzkante vorhanden noch eine Abgrenzung oder Abschrankung vom Gebäude zum Balkon an den Zugängen zur Balkonplatte. Der Balkon zu Top 3 und 4 konnte insofern erreicht und begangen werden, als aufgrund der Geländegegebenheit das erste Geschoß praktisch ein Untergeschoß ist und daher auf jener Ebene, auf der sich auch der Balkon befindet, ebenerdig hineingegangen werden kann. Der Balkon befindet sich von der Straße aus gesehen auf der Hausrückseite. Dies bedeutet, dass straßenseitig jenes Geschoß, dem der Balkon zugeordnet ist, als Erdgeschoß gilt. Weiters wurde festgestellt, dass es für jedes Doppelhaus eine Laufbrücke gab, wobei die Wehren der Laufbrücke nur eine Stärke von 10 cm anstelle von gesetzlich vorgeschriebenen 15 cm aufwiesen. Die Garagendecke beim Haus x (TOP 4) ist vom Gebäude aus nicht erreichbar, man muss unbedingt die Laufbrücke zur Überwindung der Baugrube benutzen. Die Laufbrücke war ohne Geländer und bestand nur aus zwei Pfosten. Die Doppelhäuser waren jeweils mit solchen Laufbrücken erreichbar, nämlich zu Haus x, Top 2, und x, Top 3. Die Wehren bzw. Bretter der Wehren waren zu schwach dimensioniert. Der Zugang zum Haus x ist straßenseitig im Erdgeschoß. Ein Durchgang zu Haus x ist nicht möglich. An der Hausrückseite des Hauses x konnte über eine Brücke zur Erdgeschoßdecke des Hauses x gelangt werden. Da im Haus­inneren zwischen Top 3 und 4 keine Verbindung bestand, musste die Laufbrücke zum Haus x, Top 3, benutzt werden, um über den Balkon in das Haus x, Top 4, zu gelangen. Schließlich war auch die Außen­wandöffnung beim Haus Top 2, x, mit zu schwachen Brettern gesichert, diese wiesen eine Stärke von ca. 10 cm auf. Die Stärke der Bretter bzw. Pfosten wurde mit Maßband gemessen. Sie betrug an verschiedenen Stellen verschiedene Werte. Die Schwankung lag zwischen 8,7 cm und 11 cm.

Der Bf kommt etwa alle zwei Wochen auf die Baustelle, zuletzt etwa 1 oder 2  Tage vor dem 24. Februar 2015. Am Tattag war der Bf nicht auf der Baustelle. Bei den Baustellenbesuchen ist dem Bf hinsichtlich Absicherungen nichts aufgefallen.

 

4.2. Der Sachverhalt ist aufgrund der erhobenen Beweise eindeutig und erwiesen. Insbesondere ist auf die auch in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Fotos, die auch beschriftet wurden, hinzuweisen und ist die örtliche Situation darin dokumentiert. Darüber hinaus wurde in der Verhandlung auch vom Bf zugestanden, dass in Top 4 und in Top 1 gearbeitet wurde. Entgegen den Beschwerdeausführungen und Behauptungen des Bf hat dann das Verfahrens­ergebnis, insbesondere die Einvernahme des Zeugen, gezeigt, dass mehr als zwei Arbeitnehmer auf der Baustelle beschäftigt waren. Neben zwei Arbeit­nehmern in Top 4 waren jedenfalls auch drei Arbeitnehmer in Top 1 mit dem Abladen der Ziegel beschäftigt, sowie auch noch ein LKW-Fahrer. Dies wurde auch vom Bf dann zugestanden. Der einvernommene Zeuge machte einen glaubwürdigen Eindruck und erläuterte seine Wahrnehmungen anhand der vorgelegten Fotos. Es ergab sich für das Landesverwaltungsgericht kein Anhaltspunkt, an der Glaubwürdigkeit des Zeugen zu zweifeln. Auch handelt es sich beim Zeugen um einen sachverständigen Zeugen. Auch wurden seine Ausführungen durch die vorgelegten Fotos bestens dokumentiert.

Hingegen war eine weitere Beweisaufnahme, insbesondere die Einvernahme der vom Bf beantragten Zeugen nicht mehr erforderlich, weil einerseits bereits am Schluss der Verhandlung vom Bf zugestanden wurde, dass nicht nur in Top 4 gearbeitet wurde, und andererseits der Umstand, ob im Haus x oder im Haus x gearbeitet wurde, für die Beurteilung nicht relevant ist.

 

5. Hierüber hat das Landesverwaltungsgericht erwogen:

 

5.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Bauarbeiterschutzverordnung – BauV sind bei Absturz­gefahr Absturzsicherungen (§ 8), Abgrenzungen (§ 9) oder Schutzeinrichtungen (§ 10) anzubringen.

Gemäß § 7 Abs. 2 BauV liegt Absturzgefahr vor:

Z3 3. an Wandöffnungen, an Stiegenläufen und –podesten, sowie an Stand­flächen zur Bedienung oder Wartung von stationären Maschinen bei mehr als 1,00 m Absturzhöhe,

4. an sonstigen Arbeitsplätzen, Standplätzen und Verkehrswegen bei mehr als 2,00 m Absturzhöhe.

Gemäß § 8 Abs. 2a letzter Satz BauV müssen, sofern Brust- und Mittelwehren aus Brettern verwendet werden, diese einen Mindestquerschnitt von 15 x 2,4 cm aufweisen.

 

Gemäß § 118 Abs. 3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG gilt die Bau­arbeiterschutzverordnung als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

Gemäß § 130 Abs. 5 Z1 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 166 bis 8.324 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 333 bis 16.659 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weiter geltenden Bestimmungen zuwiderhandelt.

 

Die zitierten Regelungen der §§ 7 und 8 BauV wurden verletzt, zumal beim Balkon des Doppelwohnhauses Top 3 und 4 (x) trotz einer Absturzhöhe von ca. 3,00 m keine Absturzsicherungen oder Abgrenzungen an der Absturzkante oder an den Zugängen zur Balkonplatte vorhanden waren, beim Haus x, Top 2, der Zugang zum Stiegenabgang vom Erdgeschoß in das Untergeschoß trotz einer Absturzhöhe von ca. 2,7 m keine Absturzsicherung aufwies, und die Absturzsicherung aus Brettern der Außenwandöffnung beim Haus Top 2, x, sowie die Wehren aus Brettern der Laufbrücken zum Top 3, x, und Top 2, x, nur einen Querschnitt von ca. 10 cm x 2,4 cm aufwiesen. Es wurde daher zu den Fakten 2, 3 und 4 der objektive Tatbestand der Verwaltungs­übertretung eindeutig erfüllt. Als handelsrechtlicher Geschäftsführer der M. GmbH hat der Bf die Verwaltungsübertretungen verwaltungsstrafrechtlich gemäß § 9 Abs. 1 VStG zu verantworten. Es haben von der M. GmbH zum Tatzeitpunkt mindestens fünf Arbeitnehmer Bauarbeiten durchgeführt. Es wurden nämlich beim Top 4, x, zwei Arbeitnehmer und beim Top 1, x, drei Arbeitnehmer angetroffen.

Dem im Zuge des Verfahrens geäußerten Vorbringen des Bf, dass nur in Top 4 gearbeitet wurde und daher die Übertretungen nach Punkt 2. bis 4. des Straferkenntnisses nicht gesetzt wurden, ist entgegenzuhalten, dass – wie auch auf dem Foto ersichtlich – auch der Balkon im Haus Top 4 nicht gesichert war und  Absturzgefahr bestand; weiters konnte Top 4 nur über die Laufbrücke zu Top 3 und den Balkon von Top 3 betreten werden, bei dem ebenfalls keine Absturzsicherung vorhanden war. Es war daher auch die mangelhafte Ausführung der Laufbrücke zu Top 3 insofern relevant, als nur über diese Laufbrücke dieses Doppelhaus Top 3 und 4 erreicht werden konnte und dann über den Balkon in das Haus Top 4 gelangt werden konnte. Letzteres gilt auch für das Doppelhaus Top 1 und 2, weil auch hier eine unzulängliche Laufbrücke zu Top 2 dazu benutzt werden konnte, um auf die Decke des Top 1 zu gelangen, wo erwiesenermaßen Ziegel abgeladen wurden und daher gearbeitet wurde. Aus diesem Grund ist auch der ungesicherte Stiegenabgang vom Erdgeschoß ins Untergeschoß in Haus Top 2, x, relevant.

Im Übrigen ist aber dem Bf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entgegenzuhalten, wonach Schutzeinrichtungen an allen Gefahrenstellen anzubringen sind, bei denen jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, dass Arbeitnehmer sie im Zuge der Durchführung ihres Auftrages betreten können (VwGH vom 31. Juli 2007, Zl. 2006/02/0237-6 mit weiteren Judikatur­nachweisen). Für Absturzsicherungen ist auch dann zu sorgen, wenn zwar an der Absturzstelle gerade nicht gearbeitet wird, aber jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, dass Arbeiten im Bereich der Absturzstelle durchgeführt werden (VwGH vom 24.9.2010, Zl. 2009/02/0097-5). Weiters weist der Verwaltungs­gerichtshof darauf hin, dass in den Tatbeständen der BauV jene Voraussetzungen auf Baustellen normiert sind, bei deren Vorliegen der Verordnungsgeber jedenfalls von einer Absturzgefahr ausgeht. Ob im Einzelfall zusätzlich eine „konkrete“ Gefahr gegeben ist, ist nicht entscheidend (VwGH vom 5.8.2009, Zl. 2008/02/0128-5). Da jedenfalls an den Häusern Top 1 und 4 gearbeitet wurde, war auch nicht auszuschließen, dass auch die daran anschließenden Doppelhaushälften Top 2 und 3 betreten wurden. Aus diesem Grunde erübrigten sich auch weitere Beweisaufnahmen, da aus dem Gesamtzusammenhang des Sachverhaltes nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Arbeitnehmer die jeweils anschließende Doppelhaushälfte betreten bzw. in dieser wenn auch nur kurzfristige Arbeiten aufnehmen. Es obliegt nämlich dem Arbeitgeber, dafür zu sorgen, dass die in der BauV geforderten Schutzvorrichtungen während der gesamten Arbeitszeit angebracht sind (obcit. Erkenntnis des VwGH vom 31.7.2007, Zl. 2006/02/0237).

 

5.2. Zum Verschulden führte der Bf aus, dass er grundsätzlich alle zwei Wochen auf die Baustelle kommt, konkret ein oder zwei Tage vor dem Tatzeitpunkt auf der Baustelle war und ihm hinsichtlich Absturzsicherungen bei dem Baustellenbesuch nichts aufgefallen ist. Am Kontrolltag war der Bf nicht auf der Baustelle. Dieses Vorbringen kann den Bf jedoch nicht entlasten.

 

Auch die ggst. Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar, weshalb gemäß § 5 Abs. 1 VStG zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten ausreicht und Fahrlässigkeit ohne weiteres vermutet wird, sofern der Bf keinen Entlastungs­nachweis erbringt. Dies hat er durch geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringen von Beweismitteln und die Stellung konkreter Beweisanträge zu machen.

Beweismittel hinsichtlich Verschulden wurden nicht vorgelegt und konkrete Beweisanträge nicht gestellt. Hinsichtlich des Vorbringens des Bf ist der Bf auf die in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichts­hofes hinzuweisen. Insbesondere reichen die bloße Erteilung von Weisungen und die Wahrnehmung einer „Oberaufsicht“ nicht aus. Entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle über die Einhaltung der vom Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgte. Der Hinweis auf die Betrauung Dritter mit Kontrollaufgaben, auf die Erteilung entsprechender Weisungen und auf stichprobenartige Überprüfungen genügt nicht den Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem (VwGH v. 23.5.2006, 2005/02/0248). Insbesondere bemängelt der Verwaltungs­gerichtshof, dass der Bf nicht geltend gemacht hat, dass er etwa die Einhaltung der erteilten Aufträge und Weisungen während deren Ausführung überprüft hätte. „Gerade für den Fall, dass die Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb auf Grund eigenmächtiger Handlungen gegen die Arbeitnehmer­schutzvorschriften verstoßen, hat das entsprechende, vom Arbeitgeber eingerichtete Kontrollsystem Platz zu greifen. Im Beschwerdefall zeigt jedoch das eigenmächtige Verhalten des verunfallten Arbeitnehmers zum Tatzeitpunkt, dass kein wirksames Kontrollsystem im Sinn der hg. Judikatur vorhanden war.“

Im Sinn dieser Judikatur hat der Bf nicht Maßnahmen aufgezeigt und nachgewiesen, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. So verlangt der Verwaltungsgerichtshof, dass für die Darstellung eines wirksamen Kontroll­systems es erforderlich ist, aufzuzeigen, welche Maßnahmen im Einzelnen der unmittelbar Übergeordnete im Rahmen des Kontrollsystems zu ergreifen verpflichtet war, um durchzusetzen, dass jeder in dieses Kontrollsystem eingebundene Mitarbeiter die arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften auch tatsächlich befolgt und welche Maßnahmen schließlich der an der Spitze der Unternehmenshierarchie stehende Anordnungsbefugte vorgesehen hat, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten, d.h. sicherzu­stellen, dass die auf der jeweils übergeordneten Ebene erteilten Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Hierarchieebene gelangen und dort auch tatsächlich befolgt werden (VwGH v. 30.9.2014, Ra 2014/02/0045).

Es war daher von schuldhaftem, zumindest fahrlässigem Verhalten auszugehen.

 

5.3. Gemäß § 19 Abs. 1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40-46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32-35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist.

 

Die belangte Behörde hat bei ihrer Strafbemessung einschlägige rechtskräftige Vorstrafen als erschwerend gewertet, Strafmilderungsgründe traten nicht hervor. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse wurden mangels Angaben auf ein monatliches Nettoeinkommen von 3.000 Euro und keinen Sorgepflichten sowie das Vorliegen von Betriebsvermögen geschätzt. Die verhängte Strafe war aus spezial- und generalpräventiven Gründen angemessen und aufgrund des erheblichen Gefährdungspotenzials erforderlich.

 

Auch in der Beschwerde wurden keine geänderten Umstände vorgebracht und traten auch keine zusätzlichen Strafbemessungsgründe hervor. Zu Recht ist die belangte Behörde von der erheblichen Verletzung des geschützten Rechtsgutes von Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer ausgegangen und fand dies in der Strafbemessung bzw. in der Höhe der verhängten Geldstrafen den Niederschlag. Es kann daher nicht gefunden werden, dass die belangte Behörde bei dem ihr bei der Strafbemessung zukommenden Ermessen in gesetzwidriger Weise vorge­gangen wäre. Zudem liegen die verhängten Geldstrafen je Delikt im unteren Bereich des gesetzlichen Strafrahmens, welche im Wiederholungsfall eine Höchststrafe von 16.659 Euro vorsieht. Auch ist die jeweils verhängte Geldstrafe im Hinblick auf die Einkommens- und persönlichen Verhältnisse angepasst. Es konnten daher die verhängten Geldstrafen bestätigt werden. Hinsichtlich der Ersatzfreiheitsstrafen war im Hinblick auf Faktum 4 bei Berücksichtigung der Bestimmung des § 16 VStG eine verhältnismäßige Herabsetzung vorzunehmen.

Erhebliches Überwiegen von Milderungsgründen konnte mangels Vorliegens von Milderungsgründen nicht festgestellt werden und daher mit § 20 VStG nicht vorgegangen werden. Auch liegen die wesentlichen Voraussetzungen für das Absehen von einer Strafe gemäß § 45 Abs. 1 Z4 VStG nicht vor.

 

6. Weil die Beschwerde hinsichtlich der Fakten 2 und 3 keinen Erfolg hatte, hat der Bf gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens iHv 264 Euro zu leisten. Hinsichtlich Faktum 4 hatte der Bf teilweise Erfolg und entfällt ein Kostenbeitrag zum Beschwerdeverfahren gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG.

 

7. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzu­bringen.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Ilse Klempt