LVwG-840074/3/HW/Rd

Linz, 24.11.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Dr. Harald Wiesinger über den Antrag der S & N GmbH, C B P, S, vertreten durch W T Rechtsanwälte GmbH & Co KG, S, W, vom 19. November 2015 auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Vergabeverfahren der O. G u S AG betreffend die Lieferung von "A inkl. Verbrauchsmaterial",

zu Recht    e r k a n n t :

I.         Dem Antrag wird gemäß §§ 1, 2, 8 und 11 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 – Oö. VergRSG 2006, LGBl. Nr. 130/2006 idF LGBl. Nr. 90/2013, stattgegeben und der Auftraggeberin O. G- u S AG die Erteilung des Zuschlags bis zur Entscheidung in diesem Nachprüfungsver­fahren, längstens aber bis 19. Jänner 2016, untersagt.

 

II.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. 1. Mit Eingabe vom 19. November 2015 hat die S & N GmbH (im Folgenden: Antragstellerin) einen Antrag auf  Nichtigerklärung der Zuschlagsent­scheidung sowie auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, der Auftraggeberin die Zuschlagserteilung bis zur Entscheidung im Nachprüfungsverfahren, zu unter­sagen, gestellt. Im Übrigen wurde die Zuerkennung der entrichteten Pauschal­gebühren in Höhe von insgesamt 3.000 Euro beantragt.

 

Begründend führte die Antragstellerin eingangs hiezu aus, dass die Auftrag­geberin mit EU-weiter Bekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union vom 6.6.2015, 2015/S 108-195471 ein offenes Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Lieferauftrages betreffend A inkl. Verbrauchs­material eingeleitet habe.

 

Gemäß Pkt. 3 der Ausschreibungsunterlage (kurz: AU) werde der Zuschlag dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt. Als Zuschlagskriterien wurden der Preis mit einer Gewichtung von 60 % und die Qualität mit einer Gewichtung von 40 %, festgelegt.

 

Die Antragstellerin habe fristgerecht ein ausschreibungskonformes Angebot abgegeben. Die Angebotsöffnung habe am 29. Juli 2015 stattgefunden.

 

Mit Schreiben vom 9. November 2015 sei der Antragstellerin mitgeteilt worden, dass beabsichtigt sei, der Fa. S GmbH den Zuschlag zu erteilen. Es sei aber nicht mitgeteilt worden, welchen Platz das Angebot der Antragstellerin belegt habe, sodass angenommen werde, dass ihr Angebot an zweiter Stelle gereiht worden sei. 

 

Die Antragstellerin sei ein renommiertes Unternehmen mit langjähriger Erfahrung auf dem Gebiet des Medizinproduktehandels und der Medizintechnik. Der gegenständliche Auftrag stelle in Anbetracht der Markt- und Wettbewerbs­verhältnisse in Österreich sowie der mit einer Auftragserteilung verbundenen Publizitätswirkung ein wesentliches Referenzprojekt dar. Durch die Teilnahme am Vergabeverfahren sowie durch Abgabe eines Angebots ergebe sich unzweifelhaft das Interesse am Vertragsabschluss.

 

Als Schaden würde der Verlust des lukrierten Deckungsbeitrages, die frustrierten Kosten für die Angebotslegung sowie die Kosten für die rechtliche Vertretung, aber auch der Verlust eines maßgeblichen Referenzprojektes, drohen.

 

Die Antragstellerin erachte sich in ihrem generellen Recht auf Durchführung eines vergaberechtskonformen Vergabeverfahrens sowie insbesondere im Recht auf

- Durchführung eines transparenten und dem freien und lauteren Wettbewerb entsprechendes Vergabeverfahren,

- Gleichbehandlung aller Bieter,

- vergaberechtskonforme Zuschlagskriterien,

- vergaberechts- und ausschreibungskonforme Angebotsprüfung und Bestbieterermittlung,

- transparente und vergaberechtskonforme Angebotsbewertung,

- Ausscheiden eines nicht ausschreibungskonformen Angebots,

- Ausscheiden des Angebots eines nicht geeigneten Bieters,

- Zuschlagserteilung an den tatsächlichen Bestbieter,

- vertiefte Angebotsprüfung,

- Vergabe zu angemessenen Preisen,

- rechtskonforme Zuschlagsentscheidung,

- rechtskonforme Begründung der Zuschlagsentscheidung und

- Zuschlagsentscheidung zugunsten der Antragstellerin,

verletzt.

 

Hinsichtlich der Zuständigkeit LVwG Oö., der Zulässigkeit und Rechtzeitigkeit des Antrages sowie der Pauschalgebühr, wurde im Antrag näher ausgeführt. 

 

Zur rechtswidrigen Zuschlagsentscheidung wurde nach Zitierung des § 131 BVergG 2006 ausgeführt, dass in der Zuschlagsentscheidung alle die Zuschlags­entscheidung tragenden Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebots vollständig genannt sein müssen und nach der Rechtsprechung des BVA ein Begründungsmangel der Zuschlagsentscheidung nicht saniert werden könne.

 

Gemäß Pkt. 3.3. der AU musste die Qualitätsbeurteilung anhand einer Test­stellung erfolgen. Dabei sei die Bewertung anhand der im Anwendungsbeur­teilungsbogen festgelegten sechs Subkriterien vorzunehmen gewesen. Die Bewertung sei durch eine Bewertungskommission vorzunehmen gewesen, die eine Gesamtbewertung und eine gemeinsame verbale Begründung abzugeben hatte. Die festgelegten sechs Subkriterien (A bis G) seien gemäß AU wiederum in zahlreiche Sub-Subkriterien untergliedert gewesen. Für jedes Sub-Subkriterium seien gemäß einer Punktescala Punkte zu vergeben und die Bewertung entsprechend verbal zu begründen gewesen.

 

Gemäß Pkt. 1.7 der AU hätten Bieter in die Angebotsprüfung – in jene Teile der Angebotsniederschrift, die die Prüfung des Angebots des jeweiligen Bieters betreffen – Einsicht nehmen dürfen. Bei diesem Termin sei der Antragstellerin mitgeteilt worden, dass im Rahmen der Angebotsbewertung kein Protokoll erstellt worden sei. Weiters seien keine (ausgefüllten) Anwenderbögen, also keinerlei (verbalen) Begründungen vorgelegen. Da daher keinerlei Nachweise vorliegen würden, die die Angebotsprüfung ausreichend dokumentieren bzw. nachvoll­ziehbar darstellen würden, sei die Zuschlagsentscheidung für nichtig zu erklären.

 

Weiters würde die Zuschlagsentscheidung zahlreiche Begründungsmängel aufweisen, welche von der Antragstellerin im Antrag detailliert (unter Pkt. 6.1.4 bis 6.1.14) dargelegt wurden.

 

Im Übrigen erfülle die präsumtive Zuschlagsempfängerin nicht die in den AU festgelegten Eignungskriterien und wäre deshalb auszuscheiden gewesen.

 

Der Antragstellerin sei bekannt, dass die präsumtive Zuschlagsempfängerin selbst über keine ausreichenden Referenzprojekte wie in Pkt. 2.4.4. der AU festgelegt, verfüge. Für diese Leistungen habe die präsumtive Zuschlagsempfängerin daher einen geeigneten Subunternehmer namhaft machen müssen.

 

Ausgehend davon, dass der Antragstellerin keine Akteneinsicht in das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin gewährt werde, möge überprüft werden, ob die präsumtive Zuschlagsempfängerin entsprechend geeignete Subunterneh­mer bereits mit dem Angebot namhaft gemacht habe bzw. die präsumtive Zuschlagsempfängerin geeignet sei. Insbesondere solle geprüft werden, ob die geforderten Eignungsnachweise vorgelegt worden seien.

 

Sollte die präsumtive Zuschlagsempfängerin – entgegen der Vermutung der Antragstellerin – dennoch entsprechend geeignete (notwendige) Subunterneh­mer namhaft gemacht haben, so wäre wiederum zu prüfen, ob die Verfügbar­keitserklärungen dieser notwendigen Subunternehmer vor dem Zeitpunkt der Angebotslegung datieren.

 

Gemäß Pkt. 1.15 der AU habe der Bieter in seinem Angebot jene Subunter­nehmer, die er zum Nachweis der eigenen Eignung benötige sowie jene Sub­unternehmer, die wesentliche Teile des Auftrages erbringen werden, zu nennen. Wesentliche Teile des Auftrages seien dabei insbesondere die Lieferung und Installation von A, von Einzelkomponenten, von Verbrauchs­material samt Anwendertraining.

 

Aufgrund der Marktgegebenheit sei der Antragstellerin bekannt, dass die präsumtive Zuschlagsempfängerin die Wartung und Instandhaltung selbst nicht vornimmt bzw. vornehmen könne; gleiches gelte für Installation bzw. das Anwendertraining und die Schulung. Für diese Leistungen habe die präsumtive Zuschlagsempfängerin daher jedenfalls einen Subunternehmer namhaft machen müssen.

 

Weiters wurde von der Antragstellerin ausgeführt, dass der von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin angebotene Gesamtpreis in Höhe von 181.346,40/Jahr um mehr als 58.461 Euro unter jenem der Antragstellerin liege. Zudem liege er um 98.000 Euro unter dem Preis des (preislich) Drittgereihten.

 

Allein diese massiven Preisunterschiede würden auf eine unangemessene bzw. spekulative Preisgestaltung hinweisen. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass bereits das Angebot der Antragstellerin äußerst kompetitiv kalkuliert worden sei. Die Antragstellerin selbst habe ihr Angebot bzw. die einzelnen Preise in nahezu sämtlichen Positionen praktisch an den Gestehungskosten kalkuliert, um diesen wichtigen Referenzauftrag zu erhalten. Es sei daher fast auszuschließen, dass ein anderes Unternehmen einen kostendeckenden billigeren Preis anbieten könne. Ein Preisunterschied von beinahe 25 % sei vor diesem Hintergrund unerklärlich. Bereits aus diesem Grund sei das Angebot der Antragstellerin als unterpreisiges Angebot nicht plausibel und daher zwingend auszuscheiden gewesen.

 

Im gegenständlichen Leistungsverzeichnis hätten sowohl Investitionsgüter als auch Verbrauchsmaterialien ausgepreist werden müssen.

Zur Bewertung des Zuschlagskriteriums "Preis" sei der Nettogesamtpreis herangezogen worden. Die Berechnung des Nettogesamtpreises ergebe sich lediglich aus dem kaufmännischen Leistungsverzeichnis. Dort seien Berechnungen bereits im Formblatt programmiert und für die Bieter nicht veränderbar gewesen. Die Bieter haben lediglich die Einheitspreise ausfüllen können.

 

Die Antragstellerin habe die Berechnung des Nettogesamtpreises rechnerisch nachvollzogen und im Antrag entsprechend dargestellt. Sämtliche Investitions­güter würden aufgrund der hinterlegten Verzinsung mit einem fixen Zinssatz von 2 % "indexiert" werden. Die Verbrauchsgüter hingegen würden einer Indexierung nach VPI unterliegen. Für Investitionsgüter und Verbrauchsmaterial komme daher jeweils eine andere Indexierung zur Anwendung.

 

Schon aus dem Grund, dass die Auftraggeberin eine Verzinsung der Investitions­güter mit 4 % pro Jahr festgelegt habe, die im zwingend vorgegebenen Leistungsverzeichnis hinterlegte Formel zur Verzinsung der Investitionsgüter aber 2 % berechnet, sei eine nachvollziehbare Bewertung aufgrund der bestand­festen Zuschlagskriterien unmöglich. Die Zuschlagsentscheidung sei daher schon aus diesem Grund für nichtig zu erklären. In diesem Zusammenhang sei auch hervorzuheben, dass aufgrund des "Formelfehlers" der Auftraggeberin unrichtige Gesamtpreise verlesen worden seien. Derartige Verlesungsfehler seien jedoch keinesfalls sanierbar und müssten zu einem Widerruf der Ausschreibung führen.

 

Angesichts des extrem niedrigen Gesamtpreises im Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin, wäre die Auftraggeberin jedenfalls zur Durchführung einer vertieften Angebotsprüfung verpflichtet gewesen. Sofern die Auftraggeberin eine solche vertiefte Angebotsprüfung unterlassen habe, sei die Zuschlagsent­scheidung bereits wegen nicht zu Ende geführter Angebotsprüfung zu beheben. Im Zuge einer allenfalls durchgeführten vertieften Angebotsprüfung hätte die Auftraggeberin bei rechtskonformem Vorgehen feststellen müssen, dass die von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin angebotenen Preise unterpreisig bzw. spekulativ seien und ihr Angebot daher auszuscheiden gewesen wäre.

 

Im Übrigen liege der Verdacht nahe, dass die präsumtive Zuschlagsempfängerin unzulässige Kostenverschiebungen bzw. Mischkalkulationen vorgenommen habe. Eine Kostenumlagerung in andere Positionen (hier: eine Umlagerung der Kosten für Investitionsgüter in die Verbrauchsmaterialien oder umgekehrt) sei jedoch unzulässig.

 

Die Art der Ausschreibung selbst zeige, dass die Auftraggeberin keine Kostenumlagerung in andere Positionen zulassen wollte. Es sei bestandsfest fest­gelegt worden, dass jeweils die Investitionsgüter getrennt von den Verbrauchs­materialien auszupreisen seien. Eine Umlage­rung von Kosten in andere Positionen würde daher auch einen Ausschreibungs­widerspruch darstellen.

 

Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung wurde zunächst auf die Ausführungen zum Hauptantrag verwiesen. Weiters wurde zur Interessensab­wägung zusammenfassend ausgeführt, dass ein großes öffentliches Interesse an der Erlassung einer einstweiligen Verfügung bestehe, besondere öffentliche Interessen an der Fortführung des Vergabeverfahrens demgegenüber nicht gegeben seien. Auftraggeberinteressen sowie allfällige Interessen von Mitbietern, die durch die Verzögerung des Vergabeverfahrens geschädigt werden könnten, seien nicht ersichtlich bzw. zumindest unbeachtlich. Auch sei ein besonderes Dringlichkeitsinteresse an der raschen Durchführung des Vergabeverfahrens jedenfalls nicht gegeben. Die Interessensabwägung habe daher zu Gunsten der Antragstellerin auszufallen, da ihre Interessen bei der Fortführung des Vergabeverfahrens wesentlich bedroht seien. Überdies stelle die einstweilige Verfügung auch die gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme dar.

 

2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat die O. G- u S AG als Auftraggeberin am Nachprüfungs­verfahren beteiligt. Von der Auftraggeberin wurde bis zum Entscheidungszeitpunkt keine Stellungnahme hinsichtlich der Erlassung einer einstweiligen Verfügung abgegeben.

 

3.  Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 1 Abs. 1 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 (Oö. VergRSG 2006) regelt dieses Landesgesetz den Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Auftraggeber in Verfahren nach den bundesrechtlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesen (Vergabeverfahren), die gemäß Art.14b Abs. 2 Z 2 B-VG in den Vollzugsbereich des Landes fallen.

 

Die O. G- u S AG steht im Eigentum der O. L GmbH, wobei letztere im Eigentum des Landes Oberösterreich steht. Das gegenständliche Nachprüfungsverfahren unterliegt den Bestimmungen des Oö. VergRSG 2006.   

 

Gemäß § 2 Abs. 1 Oö. VergRSG 2006 obliegt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die Gewährung von Rechtsschutz gemäß § 1 Abs. 1 leg.cit.

 

3.2. Gemäß § 2 Abs. 3 Oö. VergRSG 2006 ist das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich bis zur Zuschlagsentscheidung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen die bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens und die dazu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht zuständig zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen (§ 2 Z 16 lit.a BVergG 2006) des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw. der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte.

 

Der gegenständliche Antrag ist rechtzeitig und zulässig.

 

3.3. Gemäß § 8 Abs. 1 Oö. VergRSG 2006 hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich auf Antrag durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet scheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin zu beseitigen oder zu verhindern.

 

Gemäß § 11 Abs. 1 leg.cit. hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vor Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin, der sonstigen Bewerber oder Bieter bzw. Bewerberinnen oder Bieterinnen und des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf ihre Erlassung abzuweisen.

 

Gemäß § 11 Abs. 3 leg.cit. ist in einer einstweiligen Verfügung die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung über den Antrag auf Nichtigerklärung, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird, außer Kraft.

 

3.4. Bereits zu der vorausgegangenen sinngemäßen Regelung des Bundes­vergabe­gesetzes 1997 führte Elsner, Vergaberecht (1999), auf Seite 86 aus: Die Entscheidung hängt von einer Abwägung der möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers und einem allfälligen besonderen öffentlichen Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens ab. Dabei muss es sich um ein "besonderes" öffentliches Interesse handeln. Es wird nämlich (hoffentlich) bei jeder öffentlichen Auftragsvergabe ein öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens und Vergabe eines Auftrages bestehen. Aber auch daran, dass Vergabeverfahren fehlerfrei ablaufen, besteht öffentliches Interesse. Eine Nichterlassung einstweiliger Verfügungen wird daher nur bei sonstiger Gefahr für Leib und Leben und besonderer Dringlichkeit zulässig sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn besondere Interessen der Daseinsvorsorge gefährdet würden.

 

Art. 2 Abs. 4 Satz 1 (entspricht nunmehr Art. 2 Abs. 5) der Rechtsmittelrichtlinie darf nicht fälschlicherweise so ausgelegt werden, dass der vorläufige Rechtsschutz regelmäßig leerläuft. Mit diesem Interesse ist nicht das bei jeder Auftragsvergabe bestehende öffentliche Interesse an der zügigen Abwicklung gemeint. Nach der Beschlusspraxis des EuGH kommt es in der Interessensabwägung maßgeblich darauf an, wer durch sein Verhalten die besondere Dringlichkeit der Auftragsvergabe verursacht hat. Für die öffentlichen Auftraggeber ergibt sich daraus eine echte Obliegenheit zu rechtzeitig geplanten und durchgeführten Beschaffungsvorgängen. Das Rechtsschutzinteresse des diskriminierten Bieters kann insoweit nur vom vorrangigen Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter der Allgemeinheit zurückgedrängt werden (vgl. Schenk, Das neue Vergaberecht, 1. Auflage 2001, S. 172f).

 

Auch der Verfassungsgerichtshof hat insbesondere in seiner Entscheidung zu Zl. B 1369/01 vom 15.10.2001 ein öffentliches Interesse im Hinblick auf das Postulat effizienten Einsatzes öffentlicher Mittel in der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter gesehen, dem die Nachprüfung des Vergabe­verfahrens letztlich dienen soll.

 

3.5. Es trifft die Auftraggeberin im Hinblick auf die Rechtsnatur des Provisorial­verfahrens und auf die allgemeine Mitwirkungspflicht der Parteien im Verwaltungsverfahren die Behauptungslast betreffend die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen. Die Auftraggeberin hat im Verfahren konkrete, mit der Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung drohende Nachteile nicht dargelegt, sodass davon auszugehen ist, dass die nachteiligen Folgen des vorläufigen Zuschlagsverbotes nicht überwiegen und daher dem Antrag stattzugeben ist (vgl. BVA 1.12.2000, N-56/00-9).

 

Die Antragstellerin hat denkmöglich ausgeführt, dass ihr durch die behauptete Rechtswidrigkeit der Entgang des Auftrages droht, sohin ein Schaden, der nur durch die vorläufige Untersagung der Zuschlagserteilung abgewendet werden kann. Abgesehen von dem vorausgesetzten öffentlichen Interesse an der Vergabe des gegenständlichen Auftrages ist aber ein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens weder durch die Auftraggeberin vorgebracht worden noch dem Landesverwal­tungsgericht Oberösterreich zur Kenntnis gelangt. Vielmehr ist bei der Interessensabwägung iSd Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu berück­sichtigen, dass die Auftraggeberin ein Interesse an einem rechtmäßigen Vergabeverfahren haben muss. Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Vergabe­kontrollinstanzen, dass ein öffentlicher Auftraggeber bei der Erstellung des Zeitplanes für eine Auftragsvergabe die Möglichkeit von Nachprüfungsver­fahren und die damit einhergehende Verzögerung ins Kalkül zu ziehen hat, zu verweisen. Dass sich durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung eine Verzögerung der Bedarfsdeckung und ein organisatorischer und finanzieller Mehraufwand ergeben können, liegt in der Natur der Sache. Da – wie bereits erwähnt – kein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an einem möglichst raschen Vertragsabschluss geltend gemacht wurde und auch nicht auf der Hand liegt, war dem Antrag stattzugeben.

 

Die im Vorbringen der Antragstellerin behaupteten Rechtswidrigkeiten sind zumindest denkmöglich. Eine Überprüfung, ob die behaupteten Rechtswidrig­keiten auch tatsächlich vorliegen, war im Rahmen des Provisorialverfahrens nicht durchzuführen.

 

Die Dauer der Aussetzung der Zuschlagserteilung ergibt sich aus § 11 Abs. 3 Oö. VergRSG 2006 iVm § 20 Abs. 1 Oö. VergRSG 2006.

Gemäß § 20 Abs. 1 Oö. VergRSG 2006 ist über Anträge auf Nichtigerklärung von Entscheidungen eines Auftraggebers bzw. eine Auftraggeberin unverzüglich, spätestens aber zwei Monate nach Einlangen des Antrages zu entscheiden.

 

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass für das Landesverwaltungs­gericht Oberösterreich somit die Möglichkeit besteht, die Aussetzung der Zuschlags­erteilung für zwei Monate, auszusprechen.

 

Die einstweilige Verfügung ist gemäß § 11 Abs. 4 Oö. VergRSG 2006 sofort vollstreckbar.

 

 

II. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art.133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen  durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt oder eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Dr. Harald Wiesinger