LVwG-650523/2/Bi

Linz, 24.11.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin        Mag. Karin Bissenberger über die Beschwerde des Herrn V G, x, vertreten durch Herrn RA Dr. M B, x, vom 9. November 2015 gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom            12. Oktober 2015, VerkR21-375-2015-Hol, wegen Entziehung der Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit,

 

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

I.

Gemäß § 28 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.  

 

 

II.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungs­gerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Bescheid wurde dem Beschwerdeführer (in Folge: Bf) gemäß §§ 7, 24 Abs. 1 und 3, 25 Abs. 1 und 3, 29 Abs. 3 FSG die Lenkberechtigung für die Klassen AM und B – Führerschein ausgestellt von der BH Schärding am 9.11.2003 zu VerkR20-1474-2003/SD – wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit für die Dauer von drei Monaten ab Rechtskraft des Bescheides entzogen und ihm das Recht aberkannt, für die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung von einer allfällig bestehenden ausländischen Lenk­berechtigung in Österreich Gebrauch zu machen.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte laut Rückschein am 14. Oktober 2015.  

2. Dagegen hat der Bf fristgerecht Beschwerde gemäß § 7 VwGVG iVm Art.130 Abs. 1 Z1 B-VG eingebracht, die von der belangten Behörde ohne Beschwerde­vorentscheidung dem Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wurde, das darüber gemäß Art. 131 B-VG zu entscheiden hat. Die Durchführung einer (nicht beantragten) öffentlichen mündlichen Verhandlung erübrigte sich gemäß § 24 VwGVG.

3. Der Bf macht im Wesentlichen geltend, die belangte Behörde sei der Ansicht, dass eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen sei und nur mit einer derartigen Mindestentziehungsdauer das Auslangen gefunden werden könne, zumal die Tat bereits vor 9 Monaten gesetzt worden sei. Sie habe sich aber nicht mit dem Sachverhalt auseinandergesetzt und die zitierten Entscheidungen ­seien mit seinem Fall nicht zu vergleichen. Er wolle den Vorfall nicht bagatellisieren, aber er sei hinsichtlich § 89 StGB freigesprochen worden, wobei festgestellt worden sei, dass die „Tat“ keine Folgen gehabt habe.

Die rechtlich maximale Entziehungsdauer von 6 - 9 Monaten sei jedoch verstrichen, er habe sich in den letzten 9 Monaten wohlverhalten und es werde auch einen weiteren Vorfall nicht mehr geben, sodass ein Entzug nicht gerechtfertigt sei. Die von der belangten Behörde zitierten Entscheidungen des VwGH seien mit dem ggst Fall nicht vergleichbar, weil ihnen ein völlig anderer Sachverhalt zugrunde liege. Die Annahme seiner Verkehrsunzuverlässigkeit sei daher nicht mehr gerechtfertigt, weshalb die ersatzlose Aufhebung des Bescheides beantragt wird.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der belangten Behörde.

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Der Bf wurde mit Urteil des Landesgerichtes Ried/Innkreis vom 17. April 2015,   9 Hv 21/15p, des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, die unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Er hat demnach am 3. Jänner 2015 zwischen Schärding und der Autobahnabfahrt Ried/I. auf der A8 Innkreisautobahn in Fahrtrichtung Wels A.H. mit Gewalt zu einer Handlung, nämlich zwei ungewollten Ausweichmanövern, genötigt, indem er seinen Pkw Nissan X-Trail, Kz. X, auf der Überholspur der Autobahn zweimal abrupt nach rechts in die Fahrlinie des von A.H. gelenkten Pkw Audi, Kz. X, lenkte bzw. verriss, wodurch A.H. zweimal in die Nähe bzw. auf den Pannenstreifen ausweichen musste, um einen Zusammenstoß zu vermeiden.

Vom weiteren Vorwurf des Vergehens der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 StGB dergestalt, er habe durch die im Schuldspruch dargestellten Handlungen unter gefährlichen Verhältnissen (§ 81 Abs. 1 Z1 StGB), wenn auch nur fahrlässig, eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit des A.H. und der S.H. herbeigeführt, wobei für sie die konkrete Gefahr bestanden habe, dass A.H. durch diese Ausweichmanöver die Kontrolle über sein Fahrzeug verliert und es zu einem Unfall mit Personenschaden kommt, wurde der Bf freigesprochen.

Mit Urteil des OLG Linz vom 6. August 2015, 10 Bs 96/15m, wurde der Berufung keine Folge gegeben. Das Urteil ist rechtskräftig.

 

Laut Urteilsbegründung ereignete sich der Beginn der Tätlichkeiten bei einer Geschwindigkeit von 120 bis 130 km/h, es herrschte Tageslicht und die Fahrbahn war vermutlich trocken. Der Bf hat es ernstlich für möglich gehalten und sich billigend damit abgefunden, dass er durch die beschriebene aggressive Handlungsweise Gewalt einsetzte und dadurch den Lenker des gegnerischen Fahrzeuges, nämlich A.H., zu einer Handlung und zwar dem seinerseitigen zweifachen Verlenken und Verlassen der bisherigen Fahrspur bestimmte und veranlasste. Das Abdrängen eines fahrenden Kraftfahrzeuges durch ein anderes zwecks Erzwingung wiederholten Ausweichens ist als Gewalt gegen eine Person im Sinne des § 105 StGB anzusehen. Durch die Tathandlung des Bf ergab sich eine Situation, die erkennen ließ, dass er von einer Kollision der Fahrzeuge nicht zurückschreckte, was angesichts des herrschenden vergeistigten Gewaltbegriffs als (versuchte) Gewalt anzusehen ist. Mildernd gewertet wurde der bisher ordentliche Lebenswandel des x geborenen Bf, erschwerend war nichts. Von einer Diversion wurde aufgrund der fehlenden Verantwortungsübernahme des Bf abgesehen. Eine Geldstrafe kam aus spezialpräventiven Erwägungen aufgrund des zutage tretenden hohen Aggressionspotentials des Bf, der offenkundig auch weitaus schlimmere Folgen in Kauf nahm, nicht in Betracht.

Die für eine Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 StGB geforderten besonders gefährlichen Verhältnisse wurden als nicht gegeben erachtet, weil bei trockener Fahrbahn die vorgeschriebene (gemeint wohl: erlaubte) Höchstgeschwindigkeit eingehalten bzw. unterschritten wurde und die Gefährdung des A.H. nicht über das bei der Nötigung mit Gewalt typische Maß hinausging, sodass § 89 StGB als durch § 105 StGB konsumiert anzusehen war.

 

Das Landesverwaltungsgericht hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

Gemäß § 24 Abs.1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit 1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder 2. die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diesfalls ist gemäß § 13 Abs. 5 ein neuer Führerschein auszustellen.

Gemäß § 3 Abs. 1 Z2 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die verkehrszuverlässig sind (§ 7).

Gemäß § 7 Abs. 1 Z1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird.

Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat gemäß § 7 Abs. 3 Z3 FSG insbesondere zu gelten, wenn jemand als Lenker eines Kraftfahrzeuges durch Übertretung von Verkehrsvorschriften ein Verhalten setzt, das an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften verstoßen hat.

 

Basierend auf den Ausführungen in den oben zitierten Urteilen ist das Verhalten des Bf zweifelsohne als – in Bezug auf A.H. und seine Beifahrerin – rücksichts­loses Verhalten im Straßenverkehr zu werten, auch wenn seitens des Gerichtes  das Vorliegen besonders gefährlicher Verhältnisse verneint wurde.

Der Bf hat durch sein im Schuldspruch des Urteiles des Landesgerichtes Ried/I. beschriebenes Verhalten zweifelsohne eine bestimmte Tatsache verwirklicht, die gemäß § 7 Abs. 4 FSG einer Wertung zu unterziehen ist – gemäß Abs. 4 sind für die Wertung der in Abs. 1 genannten und in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend. 

 

Die seither verstrichene Zeit umfasst den Zeitraum vom 3. Jänner 2015 bis zum Ende der voraussichtlichen Entziehungsdauer, die gemäß § 25 Abs. 3 FSG bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit iSd § 7 mit „mindestens 3 Monaten festzusetzen“ ist. Da die dreimonatige Entziehungsdauer ab Rechtskraft des Bescheides zu berechnen ist, wäre mit einem Ende der Verkehrsunzuverlässigkeit bei einer Zustellung des Erkenntnisses Anfang Dezember 2015 frühestens mit Anfang März 2016 zu rechnen, dh eine Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit für mehr als 1 Jahr anzunehmen. Dieser Zeitraum ist angesichts der bedingten Strafnachsicht zu lang, auch wenn der Bf die Straftat, für die er verurteilt wurde, mit einem Kraftfahrzeug im Straßenverkehr begangen hat und die plötzliche objektiv grundlose Herbeiführung einer bedrohlichen Verkehrslage gegenüber einem ihm völlig unbekannten Lenker, der der Ungeduld des Bf durch den eigenen Fahrspurwechsel entgegengekommen war, mehr als befremdlich anmutet.

 

Die im in Beschwerde gezogenen Bescheid zitierte VwGH-Rechtsprechung ist für den ggst Fall nicht heranziehbar, weil es darin um wesentlich höhere Freiheitsstrafen wegen zB Freiheitsentziehung bzw Sexualdelikten geht, die die Frage nach der Rechtfertigung einer Entziehungsdauer über oder unter 18 Monaten aufwerfen.

Der Bf ist bislang unbescholten, die erstmalige dreimonatige Freiheitsstrafe wurde zur Gänze zur Bewährung ausgesetzt, dh auch die Zukunftsprognose, wann er die Verkehrszuverlässigkeit wiedererlangt haben wird, ist angesichts seines seither unauffälligen Verhaltens positiv zu beantworten und rechtfertigt die Annahme einer über ein Jahr hinausgehenden Verkehrsunzuverlässigkeit nicht. Damit wäre zwar eine geringere Entziehungsdauer als drei Monate noch zu verantworten, die aber der Mindestentziehungsdauer des § 25 Abs. 3 FSG widersprechen würde. 

 

Anordnungen im Sinne einer Prüfung, ob nach seinem am 3. Jänner 2015 auffällig gewordenen Verhalten beim Bf überhaupt noch von einer ausreichenden Bereitschaft zur Verkehrsanpassung im Hinblick auf die gesundheitliche Eignung des Bf zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausgegangen werden kann, wurden nicht getroffen.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

 

Zu II.:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungs­gerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Mag. Bissenberger