LVwG-410862/10/Wg

Linz, 16.11.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Wolfgang Weigl über die Beschwerde der V. N., vertreten durch Rechtsanwalt Dr. F. M., x, W., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 30. Juni 2015, Pol96-78-2015, betreffend eine Übertretung des Glücksspielgesetzes (GSpG), nach Durchführung einer öffentlichen Verhandlung,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben. Das bekämpfte Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungs­strafverfahren bezüglich des Tatvorwurfes, Frau N. habe es unterlassen, den Organen der Abgabenbehörde umfassende Überprüfung oder Testspiele mit den Geräten Nummer 3, 4, 5, 8, 9, 10, 11 und 12 zu ermöglichen, gemäß § 45 Abs. 1 VStG eingestellt.  

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

1.1.      Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land (im Folgenden: belangte Behörde) warf der Beschwerdeführerin (Bf) mit Straferkenntnis vom 30. Juni 2015, GZ: Pol96-78-2015, eine Verwaltungsübertretung des § 50 Abs 4 iVm § 52 Abs 1 Z 5 GSpG vor und sah es als erwiesen an, dass sie es als verantwortliche Person, die gemäß § 50 Abs 4 GSpG Glücksspieleinrichtungen bereithält, am 11.2.2015 um 10.25 Uhr im Lokal mit der Bezeichnung „S.“ in A., x, unterlassen habe, den Organen der Abgabenbehörde, Finanz­amt Linz, umfassende Überprüfungen und Testspiele mit den Geräten FA Nr 3, 4, 5, 8, 9, 10, 11 und 12 zu ermöglichen. Die belangte Behörde verhängte gemäß § 52 GSpG eine Geldstrafe in der Höhe von 1.000 Euro, für den Fall der Unein­bringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 15 Stunden. Als Verfahrenskosten­beitrag wurden 100 Euro vorgeschrieben.

 

1.2.      Dagegen richtet sich die Beschwerde vom 21. Juli 2015, über die das LVwG am 12. November 2015 eine öffentliche Verhandlung durchführte. Als Beweis­mittel wurde der Inhalt des vorgelegten Verfahrensaktes der belangten Behörde einschließlich aller darin befindlicher Beweismittel verwertet. Der Zeuge L. (Finanzpolizei) wurde einvernommen.   

 

 

2.           Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht folgender Sachverhalt fest:

 

2.1.      Finanzpolizisten führten am 11. Februar 2015 im Lokal „S.“ der P. GmbH im Standort A., x, eine Glücksspielkontrolle durch. Finanzpolizist L. kündigte die Kontrolle der Bf – der einzigen Bediensteten im Lokal – gegenüber an. Gleichzeitig gingen zwei andere Finanzpolizisten schon zu den Geräten. Während Finanzpolizist L. die Bf noch über die Kontrolle belehrte, kam ein Kollege zu ihm, der schon bei den Spielgeräten gewesen war. Er sagte ihm, dass die Geräte mit der FA Nr 3, 4, 5, 8, 9, 10, 11 und 12 heruntergefahren worden waren. Es handelte sich dabei um die im Spruch des Straferkenntnisses angeführten Geräte.

 

2.2.      Es steht nicht fest, dass die Bf eine Handlung gesetzt hat, die für das Herunterfahren der Geräte ursächlich war. L. richtete an die Bf die Frage „Können Sie uns Testspiele ermöglichen?“, woraufhin die Bf antwortete: „Dazu sage ich nichts. Ich habe eine Dienstanweisung unterschrieben.“ Die Finanz­polizisten forderten die Bf aber nicht auf, die Geräte wieder hochzufahren. Die Geräte mit der Nr 1 und 2 (Hundewetten) funktionierten noch, weshalb L. die Bf aufforderte, ihnen Testspielgeld für die Hundewetten zu geben. Dem ist sie auch nachgekommen und gab den Finanzpolizisten Testspielgeld für die Hunde­wetten.

 

2.3.      Da die Bf auf sämtliche Fragen des Finanzpolizisten L. antwortete: „Ich sage dazu nichts. Ich habe eine Dienstanweisung unterschrieben.“ zeigte das Finanzamt mit Strafantrag vom 23. Februar 2015 bei der belangten Behörde an, die Bf habe die geforderten Auskünfte nicht erteilt und dadurch die Duldungs- und Mitwirkungspflicht gemäß § 50 Abs 4 GSpG verletzt. Die belangte Behörde lastete der Bf in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 12. März 2015 noch an, sie habe bei der erwähnten Kontrolle jegliche Auskünfte verweigert. In weiterer Folge erließ die belangte Behörde das bekämpfte Straferkenntnis.

 

 

3.           Beweiswürdigung:

 

Einleitend (1.) werden Beschwerdegegenstand und Ablauf des verwaltungs­gerichtlichen Ermittlungsverfahrens zusammen­fassend wiedergegeben. In der Sache selbst (2.) stützen sich die Feststellungen auf den Akteninhalt und die Aussage des Zeugen L.. Dieser gab an, ihm sei nichts Verdächtiges aufgefallen, was darauf hinweisen würde, dass die Bf das Herunterfahren der Geräte verursacht hätte. Es steht daher nicht fest, dass die Bf das Herunterfahren verursacht hat. Der Zeuge L. fragte die Bf unter anderem, ob sie Testspiele ermöglichen kann. Eine ausdrückliche Aufforderung ist lt Akten­lage aber nicht erfolgt.

 

 

4.           Rechtliche Beurteilung:

 

4.1.      Die maßgeblichen Rechtsvorschriften des GSpG ergeben sich aus folgen­den Rechtsvorschriften:

 

§ 50 Abs 4 GSpG idF BGBL I Nr 70/2013 lautet:

 

(4) Die Behörde nach Abs. 1 und die in Abs. 2 und 3 genannten Organe sind zur Durchführung ihrer Überwachungsaufgaben berechtigt, Betriebsstätten und Betriebsräume sowie Räumlichkeiten zu betreten, auch wenn dies sonst der Allgemeinheit untersagt ist, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes erforderlich ist. Veranstalter und Inhaber sowie Personen, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten, haben der Behörde nach Abs. 1, dem Amtssachverständigen (§ 1 Abs. 3) und den Organen der öffentlichen Aufsicht umfassend Auskünfte zu erteilen, umfassende Über­prüfungen und Testspiele unter Bereitstellung von Geld oder Spieleinsätzen zu ermöglichen und Einblick in die geführten Aufzeichnungen, in die Aufzeichnungen der Glücksspieleinrichtungen und in die nach diesem Bundesgesetz aufzu­legenden Spielbeschreibungen zu gewähren sowie dafür zu sorgen, dass eine anwesende Person diesen Verpflichtungen gegenüber Kontrollorganen nach­kommt.

 

§ 52 Abs 1 Z 5 GSpG lautet:

(1) Es begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde in den Fällen der Z 1 mit einer Geldstrafe von bis zu 60 000 Euro und in den Fällen der Z 2 bis 11 mit bis zu 22 000 Euro zu bestrafen,

          5. wer gegen eine Bestimmung der in § 2 Abs. 3, § 12a Abs. 4 und § 21 Abs. 10 vorgesehenen Verordnung, gegen die Auflageverpflichtung von Spielbe­schreibungen, die Anzeigeverpflichtung gemäß § 4 Abs. 6 oder eine Duldungs- oder Mitwirkungspflicht nach § 50 Abs. 4 verstößt;

 

Es ist zwischen der in § 50 Abs 4 GSpG normierten Auskunftspflicht und der Verpflichtung, Testspiele zu ermöglichen, zu unterscheiden.

 

4.2.      Die Bf verweigerte bei allen Fragen der Finanzpolizei die Auskunft und hat damit unter Umständen in objektiver Hinsicht entgegen der Bestimmung des § 50 Abs 4 GSpG keine Auskunft erteilt. Der Spruch des Straferkenntnisses beschränkt sich aber auf den Vorwurf, die Bf habe umfassende Überprüfungen und Testspiele nicht ermöglicht. In der Begründung des Straferkenntnisses wird dazu die Anzeige des Finanzamtes, wonach die Bf die geforderten Auskünfte nicht erteilt habe, auszugsweise wiedergegeben. Den Kontrollorganen sei es – so die belangte Behörde – ohne Internetzugang nicht möglich gewesen, Testspiele durchzuführen. Die Bf habe es unterlassen, dafür Sorge zu tragen, dass der Internetzugang wieder hergestellt werde, vielmehr habe sie zur Frage der Finanzpolizei, ob sie Testspiele ermöglichen könne, ausgesagt, dass sie dazu nichts sagen werde bzw eine Dienstanweisung unterschrieben habe.

 

4.3.      Nun steht nicht fest, dass die Bf für das Herunterfahren ursächlich war oder dieses verschuldet hat. Sie wurde auch nicht ausdrücklich aufgefordert, die Geräte wieder hochzufahren. Die Frage, ob sie Testspiele ermöglichen könne, stellt jedenfalls keine Aufforderung dar. Es kann ihr daher nicht angelastet werden, sie habe die Testspiele auf den betroffenen Geräten mit der FA Nr 3, 4, 5, 8, 9, 10, 11 und 12 nicht ermöglicht. 

 

4.4.      Sache des Berufungsverfahrens war nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs des Bescheids der Unterbehörde bildete. Wechselte die Berufungsbehörde die von der Erstbehörde angenommene Tat aus, so nahm sie eine ihr nicht zustehende Befugnis in Anspruch und es lag eine inhaltliche Rechtswidrigkeit vor. Die Bestimmung des § 66 Abs. 4 AVG berechtigte die Berufungsbehörde nämlich nicht zur Auswechslung der dem Beschuldigten zur Last gelegten Tat, sondern nur dazu, beispielsweise die Strafzeit auf der Grundlage der unbedenklichen Sachverhaltsannahme der Behörde erster Instanz näher zu umschreiben. Eine Befugnis des Verwaltungsgerichtes zur Ausdehnung des Gegenstands des Verfahrens über die Sache des Verwaltungsstrafverfahrens im Sinn des § 50 VwGVG hinaus, etwa durch Ausdehnung des Tatzeitraums, wurde nicht geschaffen (vgl VwGH vom 31. Juli 2014, GZ Ro 2014/02/0099 und VwGH vom 5. November 2014, GZ 2014/09/0018).

 

4.5.      Den Tatvorwurf auf eine „Auskunftsverweigerung“ abzuändern, würde eine gemäß § 44a Z 1 VStG unzulässige Auswechslung der im Straferkenntnis vorge­worfenen Tat bedeuten. Die der Bf angelastete Tat kann nicht erwiesen werden, weshalb das Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren hinsichtlich der vorgeworfenen Tat gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen ist.

 

 

5.           Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurtei­len. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Rechtslage ist durch die angeführte Recht­sprechung des VwGH geklärt.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsge­richtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsge­richtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsan­walt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240,- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzu­bringen.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Wolfgang Weigl