LVwG-350170/13/Py/PP

Linz, 27.11.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr.in Andrea Panny über die Beschwerde der Frau M. L., vertreten durch Rechtsanwalt Mag. M. W., x, E., gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 31. Juli 2015, GZ: 0038505/2010 SJF, betreffend Änderung einer zuerkannten Leistung nach dem Oö. Mindestsicherungsgesetz (Oö. BMSG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 22. Oktober und 20. November 2015

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 31. Juli 2015, GZ: 0038505/2010 SJF, behoben.

 

 

II.      Das Kostenersatzbegehren der Beschwerdeführerin wird gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG iVm § 35 VwGVG als unzu­lässig zurück­gewiesen.

 

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.          1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 31.7.2015, GZ: 0038505/2010 SJF, wurde der Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 13.5.2013, mit dem der Beschwerdeführerin (in der Folge: Bf) eine Leistung nach dem Oö. BMSG zuerkannt wurde, insofern abgeändert, als ab 1.8.2015 (nur mehr) die Deckung des unmittelbaren Bedarfs der Beschwerdeführerin (Bf) gemäß § 7 Abs. 3 Oö. BMSG in Höhe von 449,99 Euro zuerkannt wird.

 

Begründend führt die belangte Behörde dazu unter Wiedergabe des Verfahrens­ganges und der Rechtsgrundlagen zusammengefasst aus, dass von der Bf nicht schlüssig begründet wurde, weshalb eine Anspruchsübertragung ihrer Unterhaltsansprüche gegenüber ihren Eltern auf die BMS-Behörde für sie unzumutbar ist. Ein zentraler Grundsatz für die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung ist das Subsidiaritätsprinzip. Demnach sind Ansprüche gegen Dritte, wozu auch eine mögliche Unterhaltsleistung der Eltern zählt, zu verfolgen. Die hilfebedürftige Person muss bereit sein, in angemessener, ihr möglicher und zumutbarer Weise zur Abwendung, Milderung bzw. Überwindung der sozialen Notlage beizutragen. Zur Überprüfung einer allfälligen Unterhaltsverpflichtung sind auch die Bestimmungen des ABGB zu Unterhaltsrecht, nämlich § 231 ABGB anzuwenden, wonach eine Unter­haltspflicht der Eltern gegenüber Kindern nicht von der Erreichung eines bestimmten Alters abhängig ist. Voraussetzung ist vor allem die Selbsterhaltungsfähigkeit eines Kindes und die finanzielle Leistungs­möglichkeit der Eltern. Da nach der Aktenlage die Eltern der Bf eine relativ hohe Pension beziehen und die Bf selbst nicht selbsterhaltungsfähig ist, liegen beide Voraussetzungen vor. Da die Bf jedoch ihre Ansprüche gegenüber Dritten nicht verfolgt, ist der Bescheid vom 13.5.2013 abzuändern, wobei die unmittelbar erforderliche Bedarfsdeckung gemäß § 7 Abs. 3 Oö. BMSG sicherzustellen ist. Ein Überwälzen des Risikos der Notlage vom eigentlichen Verpflichteten auf die Solidar­gemeinschaft wäre mit der Subsidiarität der Mindestsicherung nicht vereinbar. Die Möglichkeit einer Übertragung der Ansprüche zur Unterhalts­verfolgung an den zuständigen Träger der bedarfsorientierten Mindestsicherung wurde vom Gesetz gerade für jene Fälle geschaffen, wo die Zumutbarkeit der eigenen Anspruchsverfolgung fehlt. Jedwede Aufforderung zur Anspruchs­übertragung würde andernfalls ins Leere führen. Aufgrund der Tatsache, dass die Bf trotz bestehender Notlage auf den Unterhalt ihrer Eltern verzichtet, ist dieser Verzicht vorwerfbar zu berücksichtigen und die Leistung gemäß § 34 Abs. 4 Oö. BMSG mit Bescheid neu zu bemessen. Im Hinblick auf die monatlichen Aufwendungen sowie eines Betrages iHv 200 Euro angelehnt an die Grundver­sorgungshöhe ist der festgesetzte Betrag zur unmittelbaren Bedarfs­deckung als angemessen zu betrachten.

 

2.         Dagegen richtet sich die rechtzeitig von der Bf im Wege ihrer rechtsfreundlichen Vertretung eingebrachte Beschwerde vom 27.8.2015.

 

Eingangs begründet die Bf ihre Beschwerde zusammengefasst damit, dass mangels Kenntnis des Einkommens bzw. der Pensionshöhe der Eltern von vornherein eine gesetzliche Unterhaltspflicht zugunsten der Bf nicht anzunehmen ist.

 

Des Weiteren wird vorgebracht, dass sich die Feststellungen, wonach eine Verfolgung ihrer Unterhaltsansprüche der Bf zumutbar ist, aufgrund der Aktenlage als rechtswidrig darstellen. Aus den vorgelegten und in der Beschwerde zitierten fachärztlichen Stellungnahmen und/oder Gutachten ergibt sich vielmehr, dass eine finanzielle Abhängigkeit der Bf von ihren Eltern die Erkrankung der Bf begründet bzw. negativ verstärkt. Ein Genesungsprozess würde dadurch negativ beeinflusst werden. Die Ursache der Erkrankung der Bf liegt im Elternhaus, Abhängigkeiten zu den Eltern sind unter allen Umständen zu vermeiden, wozu erneut auf die ausführlichen ärztlichen Stellungnahmen verwiesen wird. Eine schlüssige Darlegung, weshalb der Bf die Verfolgung von Unterhaltsansprüchen zumutbar wäre, liegt daher nicht vor und sprechen sämtliche eingeholten medizinischen Unterlagen und Gutachten dagegen. Die belangte Behörde hat es auch unterlassen, ein allenfalls gleichartiges Gegengutachten in zumindest gleicher Qualität einzuholen, vielmehr reduziert sich die belangte Behörde auf die „eigene freie Beweiswürdigung“. Die Entscheidung der belangten Behörde ist daher nicht überprüfbar, geschweige denn nachvollziehbar.

 

Abschließend wird zusammengefasst ausgeführt, dass in rechtlicher Hinsicht die belangte Behörde den Anspruch der Bf auf bedarfsorientierte Mindestsicherung verkennt. Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit handelt es sich nicht ausschließlich um eine Rechtsfrage, sondern auch um eine Tatsachenfeststellung, bei der die Frage einer konkret vorliegenden Unzumut­barkeit allenfalls durch Einbeziehung einer Sachverständigenmeinung zu klären ist. Auf Tatsachenebene bieten aber die eingeholten Gutachten bereits hinreichend Aufklärung. Demnach ist die Verfolgung der Unterhaltsansprüche gegenüber den Eltern der Bf nicht zumutbar. Die generelle Annahme, dass die Verfolgung von Unterhalts­ansprüchen innerhalb der Familie unzumutbar sei, ist im Gesetz nicht gedeckt. Liegen abnorme psychosoziale Umstände vor, dann kann vermutet werden, dass durch die Konfrontation mit dem Unterhalts­verpflichteten eine derart erhebliche Belastung entsteht bzw. wieder auflebt, die die Zumutbarkeit der Auseinandersetzung mit der Unterhaltsverpflichtung ausschließt. Auch hier wird der Nachweis über aktenkundige Vorgänge und Krankengeschichten oder durch Vorlage entsprechender ärztlicher Gutachten und Dokumentationen von der Bf hinreichend erbracht. Die Bemühungen der Bf, sich aus der ohnehin krank­heitsbedingten Situation zu befreien, würden durch das Bestehen auf dem Elternunterhalt negativ torpediert werden. Durch die tatsächliche Einforderung des Unterhalts würde sich der Gesundheitszustand erheblich verschlechtern und die Intension des BMSG dadurch unterlaufen werden.

 

3.         Mit Schreiben vom 4.9.2015 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt bezughabenden Verfahrensakt dem Oö. Landesverwaltungsgericht vor, das gemäß § 2 VwGVG zur Entscheidung durch seine nach der Geschäfts­verteilung zuständige Einzelrichterin berufen ist.

 

4.         Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Aktenein­sicht und Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 22.10. und 20.11.2015. An dieser nahmen die Bf mit ihrem Rechtsvertreter und einer Vertrauensperson sowie Vertreter der belangten Behörde teil. In der Forstsetzungsverhandlung vom 20.11.2015 wurde Herr HR Prim. Dr. A. T. zudem als sachverständiger Zeuge einvernommen.

 

4.1.      Das Oö. Landesverwaltungsgericht geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

 

Die Bf, geb. x, ist österreichische Staatsbürgerin und wohnhaft in L., x.

 

Nach ersten Selbstverletzungen mit dem x. Lebensjahr wurde bei der Bf ab dem x. Lebensjahr eine psychische Erkrankung diagnostiziert. Mit x ist die Bf von zu Hause in eine betreute Wohnform ausgezogen, es folgte eine antidepressive Medikation sowie zahlreiche Krankenhausaufenthalte und stationäre Behandlungsversuche.

 

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 21.1.2011, GZ: 0038505/2010 ASJF, wurde der Bf subsidiäres Mindesteinkommen nach dem Oö. ChG zugesprochen, das mit Bescheid des Bürgermeisters der Landes­hauptstadt Linz vom 13. Mai 2013 aufgrund der Änderung der Gesetzeslage in eine Leistung nach dem Oö. BMSG umgewandelt wurde. Mit dem gegen­ständlichen Bescheid wurde die bisher zuerkannte Leistung nach dem Oö. BMSG mit 31.7.2015 eingestellt und ab 1.8.2015 die unmittelbare Bedarfsdeckung festgelegt.

 

Die Bf ist als chronisch psychisch krank einzustufen, was sich in der Form äußert, dass sie nicht arbeitsfähig ist und nicht belastbar, wobei eine Besserung dieser Symptomatik erfolgen kann. Behandlungsziel ist etwa die Erreichung einer Erwerbsfähigkeit.

 

Ein wesentlicher Faktor für die Verbesserung des psychischen Krankheitsbildes der Bf ist es, zu einer Ablösung von den Eltern zu gelangen. Umstände, die diese Lösung behindern oder erschweren, verhindern einen therapeutischen Behandlungserfolg. Der Umstand, dass die Eltern - wenn auch nicht direkt gegenüber ihrer Tochter - für deren Unterhalt aufkommen müssen, würde eine für den Gesundheitszustand der Bf ungünstige Dynamik ergeben, da durch das Bewusstsein, dass die Eltern für ihren Unterhalt – an wen auch immer – Zahlung leisten, das Abhängigkeitsverhältnis für die Bf aufrecht bleibt. Dadurch würde ein allfälliger Therapieerfolg gestört, wobei sich diese Befundaufnahme auf den jetzigen Zeitpunkt bezieht. Bei fortschreitendem Therapieerfolg könnte eine derartige Vorgangsweise seitens der Bf allenfalls auch nicht mehr als dermaßen belastend empfunden werden.

 

Die Verfolgung von Unterhaltsansprüchen der Bf gegenüber ihren Eltern sowie die Übertragung der Ansprüche zur Rechtsverfolgung an den zuständigen Träger der bedarfsorientierten Mindestsicherung sind der Bf daher derzeit nicht zumutbar.

 

4.2.      Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt, insbesondere der psychotherapeutischen Stellungnahme von Frau DSA M. H. vom 17.5.2013, der psychiatrischen Stellungnahme der Abteilung für Psychiatrie 1 der Landes-Nerven-Klinik Wagner-Jauregg vom 6.5.2013, der fachärztlichen Stellungnahme des Dr. K. S., Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, vom 24.3.2014, sowie dem Gutachten des HR Prim. Dr. A. T., Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, Psychotherapeut sowie der Frau Dr. A. A., Assistenzärztin für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin am Institut für Psychotherapie der Oö. Landes-Nerven-Klink Wagner Jauregg vom 21.3.2014 sowie dem Ergänzungsgutachten vom 9.12.2014, den Aussagen der Bf in der mündlichen Verhandlung vom 22.10.2015 sowie vom 20.11.2015 und den ergänzenden Ausführungen des sachverständigen Zeugen HR Prim. Dr. T. zu den Gutachten in der mündlichen Verhandlung vom 20.11.2015.

 

Zunächst konnte die Bf bei ihrer Befragung glaubhaft ihre Gefühle und Ängste im Zusammenhang mit einer (finanziellen) Abhängigkeit von den Eltern darlegen. Der Zeuge HR Prim. Dr. T. bestätigte in seiner Aussage in der mündlichen Verhandlung aus fachlicher Sicht den dabei gewonnenen Eindruck, indem er nachvollziehbar und schlüssig darlegte, weshalb eine Ablösung der Bf vom Elternhaus einen so wesentlichen Therapiefaktor bildet und weshalb in diesem konkreten Fall jede Form der Unterhaltsleistung durch die Eltern für ihre Tochter deren Genesungserfolg massiv beeinträchtigen würde. Aus der bisherigen aktenkundigen Krankengeschichte der Bf ist zudem ebenfalls erkennbar, dass die Bestreitung des Lebensunterhalts der Bf losgelöst von den Eltern erste Therapieerfolge brachte. In der Zusammenfassung des fachärztlichen Gutachtens vom 21.3.2014 wird dazu auf S. 24 ausgeführt: „Die langjährige Psychothera­peutin der Betroffenen beschreibt, dass es Fr. L. aufgrund der finanziellen Abhängigkeit lange Zeit nicht möglich war sich vom schädigenden Einfluss des Elternhauses zu distanzieren. ... Für die Betroffene ergeben sich dadurch innere Zwänge, die es ihr unmöglich machen, sich hinsichtlich der Aufnahme eines Kontaktes mit den Eltern frei entscheiden zu können, wobei sie emotional keinen Unterschied bilden könne, ob sie direkt die Unterhaltszahlungen von den Eltern bekommt oder diese über Dritte eingehoben werden. ... Durch das im Jänner 2011 bewilligte subsidiäre Mindesteinkommen und der damit entstandenen finanziellen Unabhängigkeit erscheint rückblickend eine Stabilisierung der psychosozialen Situation erreicht worden zu sein.“ Des Weiteren führt der psychiatrische Gutachter auf S. 25 aus: „Unter Berücksichtigung der aktuellen Untersuchungsergebnisse sowie aller vorliegenden Befunde und Unterlagen ist der Schluss nicht von der Hand zu weisen, dass die Aberkennung des Subsidiären Mindesteinkommens bzw. der Switch auf Unterhaltszahlungen der Eltern für die Betroffene negative Konsequenzen haben wird, nämlich im konkreten Fall eine Destabilisierung der psychischen Situation, eine neuerliche Verschlechterung der psychischen Erkrankung sowie eine Unterbrechung der bereits bemerkbaren positiven Entwicklung.“ Hinsichtlich der bisherigen Therapieerfolge geht aus der Aktenlage hervor, dass die stationären Aufnahmen seit Zuerkennung der subsidiären Mindestsicherung weniger geworden sind und seit 2013 überhaupt keine stationäre Aufnahme mehr erfolgte und es seither auch zu keinen weiteren Selbstverletzungen durch die Bf gekommen ist.

 

Für das Oö. Landesverwaltungsgericht bestehen daher keine Zweifel daran, dass die Geltendmachung der Unterhaltsansprüche der Bf bei den Eltern den Genesungsprozess der Bf unzumutbar negativ beeinflusst.

 

5.         Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

5.1.      Gemäß § 5 Oö. Mindestsicherungsgesetz – Oö. BMSG, LGBl. Nr. 74/2011 idgF, ist Voraussetzung für die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung, dass eine Person im Sinn des § 4

1. von einer sozialen Notlage (§ 6) betroffen ist

2. bereit ist, sich um die Abwendung, Milderung bzw. Überwindung der sozialen Notlage zu bemühen (§ 7).

 

Gemäß § 7 Abs. 1 Oö. BMSG setzt die Leistung bedarfsorientierter Mindest­sicherung die Bereitschaft der hilfebedürftigen Person voraus, in angemessener, ihr möglicher und zumutbarer Weise zur Abwendung, Milderung bzw. Überwindung der sozialen Notlage beizutragen. Eine Bemühung ist jedenfalls dann nicht angemessen, wenn sie offenbar aussichtslos wäre.

 

Gemäß § 7 Abs. 2 Oö. BMSG gelten als Beitrag der hilfebedürftigen Person im Sinn des Abs. 1 insbesondere

  1. der Einsatz der eigenen Mittel nach Maßgabe der §§ 8 bis 10;
  2. der Einsatz der Arbeitskraft nach Maßgabe des § 11;
  3. die Verfolgung von Ansprüchen gegen Dritte, bei deren Erfüllung die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung nicht oder nicht in diesem Ausmaß erforderlich wäre sowie

die Umsetzung ihr von einem Träger bedarfsorientierter Mindestsicherung oder einer Behörde nach diesem Landesgesetz aufgetragenen Maßnahmen zur Abwendung, Milderung bzw. Überwindung der sozialen Notlage.

 

Gemäß § 8 Abs. 4 Oö. BMSG sind Ansprüche hilfebedürftiger Personen, die zur zumindest teilweisen Bedarfsdeckung nach diesem Bundesgesetz geeignet sind, auf Verlangen des zuständigen Trägers der bedarfsorientierten Mindestsicherung diesem zur Rechtsverfolgung zu übertragen.

 

5.2.      Die verfahrensgegenständliche Entscheidung der belangten Behörde, mit dem die der Bf mit Bescheid vom 13.5.2013 zuerkannte Leistung nach dem Oö. BMSG mit 31.7.2015 auf die Höhe der unmittelbaren Bedarfsdeckung abgeändert wurde, wird im Wesentlichen damit begründet, dass die Bf im Rahmen ihrer Bemühungspflicht gemäß § 7 Oö. BMSG gehalten wäre, ihre Unterhaltsansprüche gegenüber den Eltern zu verfolgen bzw. im Hinblick auf die Bestimmung des § 8 Abs. 4 Oö. BMSG gehalten wäre, ihre Ansprüche zur Unterhaltsverfolgung an den zuständigen Träger der bedarfsorientierten Mindest­sicherung zu übertragen. Diese Regelung sei vom Gesetzgeber gerade für jene Fälle geschaffen worden, wo die Zumutbarkeit der eigenen Anspruchsverfolgung fehlt.

 

Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass wesentlicher Grundsatz für Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung die Bedachtnahme auf die besonderen Umstände des Einzelfalls ist. Dazu gehören insbesondere Eigenart und Ursache der drohenden, bestehenden oder noch nicht dauerhaft überwundenen sozialen Notlage, weiters der körperliche, geistige und psychische Zustand der hilfebe­dürftigen Person sowie deren Fähigkeiten, Beeinträchtigungen und das Ausmaß ihrer sozialen Integration. Gemäß § 1 Abs. 2 Z 2 Oö. BMSG ist eines der Ziele der bedarfsorientierten Mindestsicherung, dass Personen befähigt werden, soziale Notlagen aus eigener Kraft abzuwenden und dauerhaft zu überwinden (Hilfe zur Selbsthilfe). Diese im Oö. BMSG normierten Aufgaben und Ziele sowie Grundsätze für die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung sind bei der Beurteilung der Rechtsfrage, ob eine Maßnahme der Bezieherin/dem Bezieher bedarfsorientierter Mindestsicherung zur Abwendung ihrer/seiner Notlage zumutbar ist, heranzuziehen, wobei die Auswirkungen eines solchen Verlangens gegebenenfalls – wie im vorliegenden Fall – durch Einbeziehung von Sachver­ständigen zu beurteilen ist.

 

Das Ergebnis der Beweisaufnahme im gegenständlichen Verfahren lässt keinen Zweifel daran, dass der Umstand, dass die Eltern der Bf – in welcher Weise auch immer – zum Lebensunterhalt der Bf finanziell beizutragen haben, zum derzeitigen Zeitpunkt eine derartige Belastung für die Bf darstellen würde, dass ihr gesundheitliches Fortkommen, insbesondere der ins Auge gefasste Therapie­erfolg, droht vereitelt zu werden und eine erhebliche Verschlechterung der gesundheitlichen Situation der Bf zu befürchten wäre. Im Hinblick auf diese Auswirkungen der von der belangten Behörde geforderten Maßnahmen konnte die Bf daher schlüssig nachweisen, dass ihr eine solche Vorgangsweise zum derzeitigen Zeitpunkt nicht zumutbar ist. Da bei der Einschätzung der Zumutbarkeit neben den faktischen Gegebenheiten auch die Aufgaben, Ziele und Grundsätze bedarfsorientierter Mindestsicherung Beachtung zu finden haben (vgl. dazu den Ausschussbericht zu § 7 Oö. BMSG, Beilage 434/2011 zu den Wortprotokollen des Oö. Landtags, XXVII. GP) war im Hinblick auf die besonderen Umstände des Einzelfalls (Individualitätsprinzip des § 2 Abs. 1 Oö. BMSG) sowie des Ziels bedarfsorientierter Mindestsicherung, Personen zu befähigen soziale Notlagen aus eigener Kraft abzuwenden und dauerhaft zu überwinden (§ 1 Abs. 2 Z 2 Oö. BMSG) und eine nachhaltige soziale Stabilisierung anzustreben (§ 1 Abs. 2 Z 4 Oö. BMSG) spruchgemäß zu ent­scheiden und der Bescheid der belangten Behörde, mit dem die mit Bescheid vom 13.5.2013 zuerkannte Leistung mit 31.7.2015 auf die unmittelbare Bedarfsdeckung abgeändert wurde, zu beheben.

 

 

II.         Der Rechtsvertreter der Bf beantragt in der mündlichen Verhandlung unter Bezugnahme auf § 1 VwG-Aufwandsverordnung – VwG-AufwErsV die Zuer­kennung eines Schriftsatzaufwandes sowie des Verhandlungsaufwandes als obsiegende Partei. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass gemäß § 74 Abs. 1 AVG jeder beteiligte die ihm im Verwaltungsverfahren erwachsenen Kosten selbst zu tragen hat und gemäß § 35 VwGVG ein Anspruch der obsiegenden Partei auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei lediglich im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Maßnahmenbeschwerde) festgelegt ist sowie gegen Rechtswidrigkeit eine Verhaltens einer Behörde in Vollziehung des Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG. Da es sich im gegenständlichen Verfahren nicht um eine Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder Behördenverhalten iSd Art. 130 Abs. 2 Z 1
B-VG handelt, war das Kostenersatzbegehren als unzulässig zurückzuweisen.

 

 

III.        Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechts­frage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzu­bringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr.in Andrea Panny