LVwG-601069/2/KH/MP

Linz, 19.11.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin         Mag. Katja Hörzing über die Beschwerde der Frau K C F, W, T, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 03. September 2015, GZ: VerkR96-28876-2015, betreffend Übertretungen des Kraftfahrgesetzes 1967 (KFG 1967)

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß §§ 27 und 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird das bekämpfte Straferkenntnis ersatzlos aufgehoben.

 

 

II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat die Beschwerdeführerin keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

 

 

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.             Mit Straferkenntnis vom 03. September 2015, GZ: VerkR96-28876-2015 der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land (im Folgenden: belangte Behörde) wurde Frau K C F (im Folgenden: Beschwerdeführerin - Bf), W, S, wegen Verwaltungsübertretungen nach § 36 lit. a Kraftfahrgesetz 1967 (KFG 1967) und § 103 Abs. 1 Z. 1 KFG i.V.m.     § 36 lit. d KFG jeweils gemäß § 134 Abs. 1 leg.cit. zu einer Geldstrafe von 150 Euro bzw. 110 Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 72 bzw. 48 Stunden verurteilt.

 

Gegen dieses Straferkenntnis erhob die Bf schriftlich Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Darin wird insbesondere vorgebracht, dass keine Verwaltungsübertretung begangen wurde. Begründet wurde die Beschwerde damit, dass das betreffende Fahrzeug einige Meter auf die Straße geschoben und nicht gefahren worden sei. Das Fahrzeug sei gemäß § 57a Abs. 4 KFG ordnungsgemäß überprüft und verkehrssicher. Die Bf habe daher keine Verwaltungsübertretung begangen und verlange eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht, um zu beweisen, dass sie keine Rechtsvorschriften verletzt habe. Sie ersuche um Aufhebung der Strafverfügung (gemeint: des Straferkenntnisses), da es nicht notwendig sei, sie von Übertretungen abzuhalten, welche sie nicht begangen habe.

Des Weiteren verweist die Bf im Anschreiben nochmals darauf, dass bereits im Einspruch vom 27. Juli 2015 um Rücknahme der Strafverfügung VerkR96-28876-2015 ersucht wurde und die Gründe dafür erläutert und dokumentiert worden seien.   

 

Die belangte Behörde hat die Beschwerdeschrift unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsaktes ohne Erlassung einer Beschwerdevorent-scheidung  dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt.

 

 

II. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt erhoben. Eine mündliche Verhandlung wurde beantragt, jedoch entfällt diese gemäß § 44 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), wenn bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist. Dies ist gegenständlich der Fall.

 

 

III.  Aus Sicht des Landesverwaltungsgerichtes steht folgender Sachverhalt fest:

 

Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 22. Juli 2015, GZ: VerkR96-28876-2015, wurden der Bf die im Spruch erwähnten Verwaltungsübertretungen angelastet. Gegen diese Strafverfügung hat die Bf rechtzeitig Einspruch erhoben. Im Einspruch ersuchte die Bf, die Strafverfügung zurückzunehmen. Begründet wurde dies damit, dass das Auto aus der Einfahrt nur einige Meter vor das Haus auf die Straße geschoben worden sei, da nässeempfindliches Isoliermaterial in der Garage zwischengelagert werden musste. Das Fahrzeug sei zu diesem Zeitpunkt seit fast einem Jahr nicht mehr in Betrieb gewesen, entspreche aber gemäß beiliegendem Prüfbericht der Verkehrs- und Betriebssicherheit.

 

In weiterer Folge erließ die belangte Behörde ein Straferkenntnis, in welchem im Spruch „dem Einspruch gegen das Strafausmaß“ Folge gegeben und die verhängte Strafe herabgesetzt wurde. Die begründenden Ausführungen beziehen sich nur auf die Strafbemessung bzw. die Höhe der verhängten Strafen. Die belangte Behörde hat somit mit dem im vorliegenden Beschwerdeverfahren angefochtenen Straferkenntnis vom 03. September 2015 nur über das Ausmaß der verhängten Strafen entschieden.

 

Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus dem vorgelegten Verwaltungsakt.

 

 

IV. In rechtlicher Hinsicht hat das Landesverwaltungsgericht wie folgt erwogen:

 

§ 27 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG (Prüfungsumfang) lautet:

„Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.“

 

§ 49 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) lautet:

„(1) Der Beschuldigte kann gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.

 

(2) Wenn der Einspruch rechtzeitig eingebracht wird, dann ist das ordentliche Verfahren einzuleiten. Der Einspruch gilt als Rechtfertigung im Sinne des § 40. Wenn im Einspruch ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten wird, dann hat die Behörde, die die Strafverfügung erlassen hat, darüber zu entscheiden. In allen anderen Fällen tritt durch den Einspruch die gesamte Strafverfügung außer Kraft. In dem auf Grund des Einspruches ergehenden Straferkenntnis darf keine höhere Strafe verhängt werden als in der Strafverfügung.

 

(3) Wenn ein Einspruch nicht oder nicht rechtzeitig erhoben wird, dann ist die Strafverfügung zu vollstrecken.“

 

 

Für die Beurteilung der Frage, ob im gegen eine Strafverfügung gerichteten Einspruch nur das Strafausmaß angefochten wird, kommt es auf den Inhalt des Einspruchs in seiner Gesamtheit an. Maßgebend ist, ob bei objektiver Betrachtungsweise davon ausgegangen werden kann, dass der Beschuldigte auch den Schuldspruch bekämpft hat (VwGH 22.4.1999, 99/07/0010; 24.10.2002, 99/15/0172).

 

Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich unzweifelhaft, dass der Einspruch der Bf  gegen die Strafverfügung vom 22. Juli 2015 in ihrer Gesamtheit gerichtet ist und die Bf mit ihrem Einspruch auch den Schuldspruch bekämpfen wollte. Sie hat die Behörde ausdrücklich darum ersucht, die Strafe „zurückzunehmen“ und argumentierte begründend in der Sache (Auto wurde nicht gestartet; nur einige Meter vor das Haus auf die Straße geschoben; ist verkehrs- und betriebssicher). Der Einspruch enthält keine wie immer geartete Aussage zur Strafhöhe, insbesondere wurde nicht ausdrücklich nur das Ausmaß der Strafe bekämpft     (§ 49 Abs. 2 VStG).

 

Mit Einbringung ihres Einspruches hat die Bf die Strafverfügung vollends außer Kraft gesetzt. Die Strafverfügung war demnach nicht mehr existent. Die belangte Behörde wäre gehalten gewesen, gemäß § 49 Abs. 2 VStG das ordentliche Verfahren einzuleiten; „insb. das bisher unterbliebene Ermittlungsverfahren durchzuführen, und soweit nicht die Einstellung des Verfahrens zu verfügen ist, ein Straferkenntnis zu erlassen“ (Weilguni in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG § 49 Rz11 (Stand 1.7.2013, rdb.at).   

 

Aufgrund des ex-lege Außer-Kraft-Tretens der Strafverfügung und des Umstandes, dass diese zum Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde nicht mehr existent war, hat die belangte Behörde mit ihrer Entscheidung nur über die Höhe der Strafe eine Zuständigkeit wahrgenommen, die ihr nicht zukam (vgl. VwGH 23.3.1979, 1103/78; 21.9.1988, 88/03/0161).

 

Tatsächlich hätte die Behörde nach vollständiger Abführung des ordentlichen Verfahrens in der Sache zu entscheiden gehabt.

 

Das Verwaltungsgericht hat die Unzuständigkeit der belangten Behörde gemäß    § 27 VwGVG in jeder Lage des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens von Amts wegen, also nicht ausschließlich aufgrund der Beschwerde oder der Erklärung über den Umfang der Anfechtung aufzugreifen.    

 

Das bekämpfte Straferkenntnis, mit welchem nur über die Höhe der verhängten Strafe abgesprochen wurde, war demnach aufzuheben. Die belangte Behörde wird sich mit dem Vorbringen der Bf inhaltlich auseinanderzusetzen haben.

 

 

V. Da im verwaltungsgerichtlichen Verfahren keine Strafe verhängt wurde, war kein Beitrag zu den Verfahrenskosten vor dem Landesverwaltungsgericht vorzuschreiben.

 

 

VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Katja Hörzing