LVwG-150550/2/DM/WP

Linz, 27.11.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Doris Manzenreiter über die Beschwerde des J H, vertreten durch Rechtsanwalt x, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 7. November 2014, GZ: Verk-960260/6-2014-Ba/Eis, betreffend Enteignung in einer Straßenangelegenheit

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.             Bisheriger Verfahrensgang

 

1. Das Land Oberösterreich, Landesstraßenverwaltung (im Folgenden kurz: Antragstellerin), beabsichtigt an der L X X Straße von km X bis km X einen Geh- und Radweg – „Radweg S – Erweiterung“ im Gebiet der Gemeinde E zu errichten. Zur Planung beauftragte die Antragstellerin die K GmbH Ziviltechniker für Bauwesen, K X, X L, und erarbeitete diese ein straßenbauliches Detailprojekt für das Baulos „Radweg S – Erweiterung“ von km X bis km X (Technischer Bericht vom 19. August 2014, Detailpläne vom 24. Juli 2014).

 

2. Im Hinblick auf die Inanspruchnahme fremder Grundstücke erarbeitete die Antragstellerin einen Grundeinlöseplan und ein Grundeinlöseverzeichnis (jeweils vom 4. Dezember 2013).

 

3. Mit Eingabe vom 25. August 2014, GZ: GeoL-C-370746/5-2014-Po, beantragte die Antragstellerin unter Vorlage von Grundeinlöseplänen, Grund­einlöseverzeichnissen und Grundbuchsauszügen bei der Oö. Landes­regierung (im Folgenden kurz: belangte Behörde) die Durchführung eines Grundeinlöse- bzw Enteignungsverfahrens zur Verwirklichung des eingangs erwähnten Straßenbauvorhabens Radweg S. Die Antragstellerin weist darin auf die bisherigen Bemühungen um eine gütliche Einigung mit dem Bf hin.

 

4. Mit Erledigung vom 2. September 2014 wurde von der belangten Behörde eine mündliche Verhandlung „zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts und zur Wahrung der Interessen der Parteien und Beteiligten“ für den 7. Oktober 2014 anberaumt. In der Kundmachung wurde darauf hingewiesen, dass das Einreichprojekt sowie ein Grundeinlöseplan und ein Grundeinlöseverzeichnis bis zum Tage vor Beginn der jeweiligen mündlichen Verhandlung beim Amt der Oö. Landesregierung während der Amtsstunden zur öffentlichen Einsichtnahme aufliege. Auf die Folgen des Unterlassens der Erhebung von Einwendungen iSd § 42 Abs 1 und 2 AVG wurde hingewiesen.

 

5. Am 7. Oktober 2014 fand unter Teilnahme des Bf sowie seines rechtsfreundlichen Vertreters die mündliche Verhandlung über den verfahrenseinleitenden Enteignungsantrag der Antragstellerin zur Einlösung der betroffenen Grundstücksteile des Bf statt. Da der Bf einem nochmaligen (gütlichen) Angebot nicht näher trat, wurde die mündliche Verhandlung als Enteignungsverfahren fortgeführt. Der beigezogene straßenbautechnische Amtssachverständige erläuterte das Projekt und stellte in seinem Gutachten ausdrücklich fest:

Der geplante Geh- und Radweg ist gemäß § 2 Punkt 2.a, Oö. Straßengesetz 1991 i.d.g.F, eine unmittelbar dem Verkehr dienende Anlage und damit Bestandteil der L X X Straße. [...] Im Anschluss [an den Trennstreifen] wird der Geh- und Radweg mit einer Breite von 2,50 m errichtet; das entspricht der Mindestbreite für gemischte Geh- und Radwege. [...] Die Notwendigkeit der Baumaßnahme ergibt sich insbesondere zur Ermöglichung einer Trennung des Fußgänger- und Radverkehrs vom Kfz-Verkehr auf der L X X Straße. [...] Ohne Geh- bzw. Radfahranlage müssen Fußgänger und Radfahrer für Wege die Fahrbahn benützen, es ergibt sich daraus ein mögliches Gefahrenpotential. Die Trennung der Verkehrsflächen für den Fußgänger- und Radfahrverkehr mit jenen für den Straßenverkehr ist daher zur Verbesserung der Verkehrssicherheit geboten.

 

Im Bereich der beiden Kreisverkehre der Anschlussstelle A X W A-E ist an der L X ein begleitender Geh- und Radweg vorhanden. Mit dem gegenständlichen Geh- und Radweg sind diese bestehenden Anlagen aus dem Sekundärstraßennetz der Gemeinde E (Ortschaften W, M, H; südlich der A X) erreichbar. Für Fußgänger und Radfahrer wird damit in weiterer Folge auch eine Verbindung zum Ortszentrum von E und zum überörtlichen Radweg R X, xweg, geschaffen. [...]

 

Es kann auf Grund der getätigten Aussagen die Notwendigkeit der Enteignung - für die plangemäße Durchführung des Projektes ist die dauernde Grundinanspruchnahme von 660 m² für Flächen der neuen Anlage aus dem Grundbesitz [des Bf] unbedingt erforderlich – bestätigt werden. Dieser Umfang der in Anspruch zu nehmenden Grundflächen wird bestätigt.“

 

Darüber hinaus ist der Verhandlungsschrift das Bewertungsgutachten zur Ermittlung der Entschädigungshöhe beigefügt.

 

6. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 7. November 2014 wurde dem Enteignungsantrag der Antragstellerin betreffend die Grundstücksteile des Bf stattgegeben (Spruchpunkt I.). In Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde die Entschädigung für die Grundinanspruchnahme festgesetzt; im Spruchpunkt III. wurde ausgesprochen, dass die Inbesitznahme der enteigneten Grundflächen durch die Antragstellerin vom Bf nach Rechtskraft dieses Bescheides und Auszahlung bzw gerichtlicher Hinterlegung der Entschädigung jederzeit zu dulden sei.

 

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird ausgeführt, hinsichtlich der Notwendigkeit der gegenständlichen Baumaßnahme komme der straßenbautechnische Amtssachverständige zum Ergebnis, dass sich diese zur Ermöglichung einer Trennung des Fußgänger- und Radfahrverkehrs vom Kfz-Verkehr auf der X Landesstraße ergebe. Die L X weise im Streckenabschnitt eine eher gestreckte Linienführung auf, der motorisierte Verkehr fahre im Freilandbereich mit entsprechenden Geschwindigkeiten (v< 100 km/h). Ohne Geh- bzw Radfahranlage müssten die Fußgänger und die Radfahrer die Fahrbahn benützen. Daraus ergebe sich ein mögliches Gefährdungspotential. Die Trennung der Verkehrsflächen für den Fußgänger- und Radfahrverkehr mit jenen für den Straßenverkehr sei daher zur Verbesserung der Verkehrssicherheit geboten.

 

Auf Grundlage dieses Gutachtens könne daher die Notwendigkeit des geplanten Straßenbauvorhabens zweifellos bejaht werden. Diese für eine Enteignung notwendige Voraussetzung sei auf Grund der Aussagen des Amtssachverständigen für Straßenbautechnik, der sich in schlüssiger und nachvollziehbarer Weise zu dem ihm gestellten Beweisthema geäußert habe, eindeutig gegeben, zumal nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Notwendigkeit einer Enteignung und somit das öffentliche Interesse auch dann gegeben sei, wenn durch Baumaßnahmen ungünstige Verkehrsverhältnisse beseitigt werden könnten (Hinweis auf VwGH vom 27.3.1980, 1123/77; ua). Eine Verbesserung für den Fußgänger- und Fahrradverkehr sei aber im vorliegenden Fall zweifellos gegeben, da bei Umsetzung des vorliegenden Projektes in Zukunft Gefahren für die Fußgänger und Radfahrer auf dieser Landesstraße ausgeschaltet werden könnten. Nach den unbedenklichen Ausführungen des Amtssach­verständigen könne durch die geplanten Baumaßnahmen die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer verbessert werden, wobei nicht nur die gegenwärtige, sondern vor allem auch die künftige Verkehrsentwicklung maßgebend sei.

 

Somit sei im Enteignungsverfahren lediglich zu prüfen, ob die Notwendigkeit der Inanspruchnahme der enteigneten Liegenschaften (bzw Liegenschaftsteile) als erwiesen anzusehen sei, dh ob diese im beantragten Umfang tatsächlich für die plangemäße Durchführung des Projektes erforderlich seien. Diesbezüglich wurden vom betroffenen Grundeigentümer keinerlei Ausführungen dahingehend getätigt, dass die von der Enteignung erfassten Grundflächen nicht für die Umsetzung dieses Projektes notwendig wären. Zudem ergäbe sich aus dem Gutachten des straßenbautechnischen Amtssachverständigen mit hinlänglicher Deutlichkeit, dass die im Spruch dieses Bescheides umschriebene Grundfläche für die Realisierung dieses Bauvorhabens im Sinne des § 36 Abs 2 Oö. Straßen­gesetz 1991 unbedingt notwendig sei.

 

Der Bescheid wurde dem Bf zuhanden seines rechtsfreundlichen Vertreters am 11. November 2014 nachweislich zugestellt.

 

7. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Bf erachtet sich in seinem einfachgesetzlich gewährleisteten subjektiven Recht, nicht entgegen §§ 35 Abs 1 und 36 des Oö. Straßengesetz 1991 in Verbindung mit den einschlägigen Bestimmungen des Eisenbahn-Enteignungsent­schädigungsgesetzes enteignet zu werden, sowie in seinem verfassungs­gesetzlich gewährleisteten subjektiven Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt. Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Der Bf beantragt, das Landesverwaltungsgericht möge (1) eine öffentliche mündliche Verhandlung durchführen, (2) in der Sache selbst erkennen und den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde ersatzlos aufheben, (3) in eventu, den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverweisen. Nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensganges bringt der Bf auf das Wesentliche zusammengefasst vor:

 

(1) Zur Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensrechten führt der Bf aus, die belangte Behörde habe es unterlassen, zur Feststellung des straßenbautechnischen Amtssachverständigen, die Trennung zwischen Geh- und Radweg sowie Fahrbahn würde zu einer Verbesserung der Verkehrssicherheit beitragen, „Erhebungen zu der bzw. den behaupteten Gefahrenstellen durchzuführen“. (2) Nach der Rsp der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts sei eine Enteignung nur dann zulässig, wenn ein konkreter Bedarf (= Notwendigkeit) nach Verwirklichung des im öffentlichen Interesse liegenden Vorhabens bestehe. Im gegenständlichen Fall fehle es allerdings am öffentlichen Interesse. Es handle sich bei der Gemeinde E um eine Gemeinde mit X Einwohnern und damit um keine Wirtschafts- und Wohngemeinde von besonderer Bedeutung. Es existiere auch keine offizielle Bedarfsstudie für einen Radweg im verfahrensgegenständlichen Bereich. Da auch keine offiziellen Daten über das tatsächliche Verkehrsaufkommen im verfahrensgegenständlichen Straßenab­schnitt vorlägen, habe der Bf selbst eine Verkehrszählung durchgeführt, aus der deutlich hervorgehe, „dass der Radverkehrsanteil de facto nicht vorhanden sei“. Es sei „aus wirtschaftlichen Gründen nicht zu verstehen, warum eine vollkommen neue Radfahrtrasse geschaffen werden soll. Um den bestehenden Radfahrverkehr zu bewältigen, reich[e] die vorhandene Landesstraße völlig aus und hand[le] es sich bei dem geplanten Geh- und Radweg um einen überflüssigen Ersatzweg für Radfahrer. Dieser [könne] daher sicherlich nicht im öffentlichen Interesse liegen. [...] Es gäbe keine Unfallhäufungspunkte und könnten etwaige Gefahrenstellen auch ohne Enteignung gesichert werden“. Zudem bilde die Errichtung eines Geh- und Radwegs und somit die Enteignung nicht die ultima ratio im Sinne der Rsp der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts, da das im öffentlichen Interesse gelegene Ziel der Verkehrssicherheit auch durch andere Mittel, nämlich durch Verordnung einer Geschwindigkeitsbeschränkung, erreichbar sei. Weiters führt der Bf die Möglichkeit der Verschwenkung der gesamten Straßentrasse ins Treffen.

 

Dem Beschwerdeschriftsatz ist kein Kostenverzeichnis angeschlossen.

 

8. Mit Schreiben vom 11. Dezember 2014, am darauffolgenden Tag beim Landesverwaltungsgericht eingelangt, legte die belangte Behörde die Beschwerde samt bezughabendem Verwaltungsakt dem Landesverwaltungs­gericht zur Entscheidung vor. Es werde keine mündliche Verhandlung beantragt und ausdrücklich auf die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung verzichtet.

 

 

II.            Beweiswürdigung und festgestellter Sachverhalt

 

1. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde, insbesondere in die darin befindliche Verhandlungsschrift samt Befund und Gutachten des straßenbautechnischen Amtssachverständigen, sowie durch Einsichtnahme in die Schriftsätze (Einwendungsschriftsatz im Verwaltungsverfahren, Beschwerde­schriftsatz) des Bf. Die Notwendigkeit der Inanspruchnahme der im Enteignungsantrag (vgl Grundeinlöseverzeichnis und Grundeinlöseplan) näher bezeichneten Grundstücksteile des Bf ergibt sich eindeutig und unstrittig aus dem Gutachten des straßenbautechnischen Amtssachverständigen. Der unten wiedergegebene entscheidungserhebliche Sachverhalt ergibt sich aus den genannten Beweismitteln widerspruchsfrei.

 

2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht von folgendem unstrittigen und entscheidungserheblichen Sachverhalt aus:

 

2.1. Die Antragstellerin beabsichtigt entlang der L X X Straße von km X bis km X im Gebiet der Gemeinde E die Errichtung eines Geh- und Radwegs – „Radweg S – Erweiterung“.

 

2.2. Da für dieses Straßenbauvorhaben auch Flächen des Bf beansprucht werden müssen, führte die Antragstellerin am 13. Mai 2014 eine mündliche Verhandlung mit dem Bf zur gütlichen Einigung. Das letzte Angebot der Antragstellerin beinhaltete eine Entschädigung für die in Anspruch genommenen Flächen idHv € x / m2 (vgl ON 6 des vorgelegten Aktes; Einwendungsschriftsatz des Bf). Da diese Verhandlung zu keiner Einigung führte (vgl ebenda), die Flächen also durch die Antragstellerin nicht erworben werden konnten, hat diese unter Vorlage der Projektunterlagen die Durchführung eines straßenrechtlichen Grundeinlösungs- bzw Enteignungs­verfahrens beantragt.

 

2.3. Über diesen Antrag hat die belangte Behörde eine mündliche Verhandlung am 7. Oktober 2014 durchgeführt. Im Zuge der Verhandlung mit dem Bf wurde diesem von der Antragstellerin nochmals ein Kaufangebot unterbreitet. Dieses Angebot wurde vom Bf abgelehnt, da keine – wie vom Bf gefordert – Ersatzflächen angeboten wurden. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung erstattete der straßenbautechnische Amtssach­verständige ein Gutachten. Im Hinblick auf die straßenbautechnische Notwendigkeit des geplanten Bauvorhabens führt dieser aus:

 

Der geplante Geh- und Radweg ist gemäß § 2 Punkt 2.a, Oö. Straßengesetz 1991 i.d.g.F, eine unmittelbar dem Verkehr dienende Anlage und damit Bestandteil der L X  X Straße. [...] Im Anschluss [an den Trennstreifen] wird der Geh- und Radweg mit einer Breite von 2,50 m errichtet; das entspricht der Mindestbreite für gemischte Geh- und Radwege. [...] Die Notwendigkeit der Baumaßnahme ergibt sich insbesondere zur Ermöglichung einer Trennung des Fußgänger- und Radverkehrs vom Kfz-Verkehr auf der L X X Straße. [...] Ohne Geh- bzw. Radfahranlage müssen Fußgänger und Radfahrer für Wege die Fahrbahn benützen, es ergibt sich daraus ein mögliches Gefahrenpotential. Die Trennung der Verkehrsflächen für den Fußgänger- und Radfahrverkehr mit jenen für den Straßenverkehr ist daher zur Verbesserung der Verkehrssicherheit geboten.

 

Zur Notwendigkeit der Flächeninanspruch­nahme führt der straßenbautechnische Amtssachverständige Folgendes aus:

 

Es kann auf Grund der getätigten Aussagen die Notwendigkeit der Enteignung - für die plangemäße Durchführung des Projektes ist die dauernde Grundinanspruchnahme von 660 m² für Flächen der neuen Anlage aus dem Grundbesitz [des Bf] unbedingt erforderlich – bestätigt werden. Dieser Umfang der in Anspruch zunehmenden Grundflächen wird bestätigt.“

 

Die Flächeninanspruch­nahme stellt sich wie folgt dar:

 

Grundeigentümer

EZ.

KG

Grundstücks-Nr.

beanspruchte Fläche für

das Land Oö

in

Bf

x

x

x

 

660

 

 

Die zur Feststellung der Entschädigungshöhe beigezogene Sachverständige für Liegenschaftsbewertung ermittelte für die verfahrensgegenständliche Fläche des Bf einen Grundpreis (Entschädigungs­summe) idHv € x / m2 zzgl 7,5% Wiederbeschaffungskosten. Dem Bf wurde daher für die dauernde Inanspruchnahme der oben genannten Fläche eine Entschädigung idHv € x zugesprochen.

 

 

 

 

 

III.           Maßgebliche Rechtslage

 

Dem gegenständlichen Beschwerdefall liegt eine auf §§ 35 und 36 Oö. Straßengesetz 1991 gestützte Enteignung von Teilen von Grundstücken des Bf zu Grunde. Die maßgeblichen Bestimmungen des Oö. Straßengesetzes 1991, LGBl 84, zuletzt geändert durch LGBl 2015/42, haben folgenden Wortlaut:

 

§ 35

Enteignung

(1) Für den Bau einer öffentlichen Straße kann das Eigentum an Grundstücken oder die dauernde oder zeitweilige Einräumung, Einschränkung oder Aufhebung von dinglichen und obligatorischen Rechten an solchen im Wege der Enteignung in Anspruch genommen werden. Auch die für Grundflächen gemäß § 11 Abs. 1a, die Anlage von Ablagerungsplätzen, Zufahrten, Bauhöfen und anderen Baulichkeiten, wie Streumaterialsilos, sowie die zur Aufrechterhaltung von Verkehrsbeziehungen und zur Entnahme von Straßenbaumaterial notwendigen Grundstücke können im Wege der Enteignung erworben werden. Für den Bau einer Straße, die einer Bewilligung nach § 32 bedarf, darf die Enteignung nur nach Maßgabe dieser Bewilligung erfolgen. Auch für die Übernahme von bestehenden öffentlichen Straßen können das Eigentum und die erforderlichen Dienstbarkeiten (§ 5 Abs. 1) durch Enteignung in Anspruch genommen werden.

 

(2) Bei der Inanspruchnahme des Grundeigentums im Sinn des Abs. 1 auf der Grundlage einer gemäß § 11 Abs. 2 erlassenen Widmungsverordnung bleibt für den Enteignungsgegner der Einwand des fehlenden öffentlichen Interesses zulässig.

 

(3) Abs. 1 gilt sinngemäß auch für die Beseitigung von Bauten und Anlagen, die den Vorschriften des § 18 Abs. 1 und 2 widersprechen und die gefahrlose Benützbarkeit der Straße wesentlich beeinträchtigen, jedoch im Zeitpunkt ihrer Errichtung keinen straßenrechtlichen Bestimmungen widersprochen haben.

 

(4) Zu Enteignender ist der Eigentümer des Gegenstandes der Enteignung, weiters ein anderer dinglich Berechtigter, wenn das dingliche Recht mit einem nicht der Enteignung unterworfenen Gegenstand verbunden ist sowie der dinglich und obligatorisch Berechtigte, sofern dieses Recht für sich allein Gegenstand der Enteignung ist.

 

§ 36

Enteignungsverfahren

(1) Um die Enteignung ist unter Vorlage der zur Beurteilung der Angelegenheit erforderlichen Pläne und sonstigen Behelfe, insbesondere eines Verzeichnisses der hievon betroffenen Personen, der beanspruchten dinglichen Rechte und des voraussichtlichen Ausmaßes der beanspruchten Grundfläche sowie der erforderlichen Grundbuchsauszüge, die nicht älter als drei Monate sind, bei der Behörde anzusuchen. Zudem hat die antragstellende Straßenverwaltung glaubhaft zu machen, daß sie in offensichtlich geeigneter Weise, aber erfolglos, versucht hat, eine entsprechende privatrechtliche Vereinbarung über die Grundabtretung zu erwirken.

 

(2) Über die Notwendigkeit, den Gegenstand und den Umfang der Enteignung sowie die Kosten des Enteignungsverfahrens entscheidet die Behörde unter sinngemäßer Anwendung des Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetzes, wobei auch auf die Wirtschaftlichkeit der Bauausführung Bedacht zu nehmen ist.

 

(3) Wird ein Teil eines Grundstückes enteignet und sind alle oder einzelne verbleibende Grundstücksreste unter Berücksichtigung der bisherigen Verwendung nicht mehr zweckmäßig nutzbar, so sind über Antrag des Eigentümers die nicht mehr zweckmäßig nutzbaren Reste miteinzulösen.

 

(4) Der Enteignungsbescheid hat zugleich die Höhe der Entschädigung festzusetzen. Diese ist auf Grund des Gutachtens wenigstens eines allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen in Anwendung der in den §§ 4 bis 8 des Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetzes aufgestellten Grundsätze zu ermitteln.

 

(5) Die Höhe der festgesetzten Entschädigung kann im Verwaltungsweg nicht angefochten werden. Jede der Parteien kann aber, wenn sie sich durch die festgesetzte Entschädigung benachteiligt erachtet, innerhalb von drei Monaten nach Rechtskraft des Bescheides die Entscheidung über die Höhe der Entschädigung bei jenem Landesgericht begehren, in dessen Sprengel sich der Gegenstand der Enteignung befindet. Mit der Anrufung des Gerichtes tritt die verwaltungsbehördliche Entscheidung über die Höhe der Entschädigung außer Kraft. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung kann nur mit der Zustimmung des Antragsgegners zurückgezogen werden. Bei Zurückziehung des Antrages gilt mangels anderweitiger Vereinbarung die ursprünglich behördlich festgesetzte Entschädigung als vereinbart. Für das gerichtliche Verfahren zur Ermittlung der Entschädigung, für deren Feststellung im Wege eines Übereinkommens sowie für die Wahrnehmung der Ansprüche auf Befriedigung aus der Entschädigung, die dritten Personen auf Grund ihrer dinglichen Rechte zustehen, ist das Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetz sinngemäß anzuwenden.

 

(6) Der Vollzug des rechtskräftigen Enteignungsbescheides kann nicht gehindert werden, sobald die von der Behörde ermittelte Entschädigung oder eine Sicherheit für die erst nach Vollzug der Enteignung zu leistende Entschädigung an den Enteigneten ausbezahlt oder gerichtlich erlegt ist.

 

 

IV.          Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat über die rechtzeitige und zulässige Beschwerde im Rahmen des § 27 VwGVG durch seine gem § 2 VwGVG zuständige Einzelrichterin erwogen:

 

1. Verfassungsrechtlich ist eine Enteignung dann zulässig, wenn ein konkreter Bedarf nach Verwirklichung des im öffentlichen Interesse liegenden Vorhabens besteht, wenn weiters das Objekt der Enteignung geeignet ist, diesen Bedarf unmittelbar zu decken, und es schließlich unmöglich ist, den Bedarf anders als durch Enteignung zu decken (vgl VwGH vom 21.3.2007, 2005/05/0297; 18.11.2003, 2001/05/0327 mwN). Die innere Rechtfertigung des in der Enteignung liegenden Eingriffes in das grundsätzlich als unverletzlich geschützte Eigentum liegt darin, dass die Erfüllung bestimmter, dem allgemeinen Besten – dem öffentlichen Interesse, dem öffentlichen Wohl – dienender und als solche gesetzlich festgelegter Aufgaben nur unter der Voraussetzung möglich ist, dass eine Sache dem Eigentümer entzogen und auf die öffentliche Hand übertragen wird. Das Institut der Enteignung führt zwangsläufig zu einer Vermögensverschiebung, diese ist jedoch nicht der Zweck der Enteignung; die Enteignung hat von ihrer Anlage her nicht die Beschaffung von Vermögenswerten durch die öffentliche Hand zum Gegenstand, sondern ist ein Mittel, um der öffentlichen Hand die Erfüllung einer dem allgemeinen Besten dienenden öffentlichen Aufgabe zu ermöglichen, denn das öffentliche Interesse erfordert nur die Sache, nicht aber den Wert.

 

2. Der Bf wendet sich mit seinem gesamten Vorbringen allein gegen die Feststellung der belangten Behörde, die Verwirklichung des verfahrens­gegenständlichen Straßenbauvorhabens liege im öffentlichen Interesse. Diesbezüglich führt der Bf Wirtschaftlichkeitsüberlegungen ins Treffen, die er insbesondere an die (von ihm selbst eingeschätzte) wirtschaftliche Bedeutung der Gemeinde E und an das Ergebnis einer von ihm selbst durchgeführten Verkehrszählung knüpft. Zudem bringt der Bf alternative Lösungsansätze (Verordnung einer Geschwindigkeitsbegrenzung, Verschwenkung der gesamten Straßentrasse) vor. Die Ausführungen des – rechtsfreundlich vertretenen – Bf lassen eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Aufbau eines Sachverständigengutachtens erkennen: Einerseits wird ein Befund aufgenommen (Verkehrszählung, Einwohnerzahl, wirtschaftliche Bedeutung der Gemeinde/der Straße) und andererseits aufgrund dieses Befundes der Schluss gezogen, dass kein öffentliches Interesse an der Errichtung des verfahrensgegenständlichen Straßenbauvorhabens bestehe. Soweit dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich bekannt, handelt es sich weder beim Bf noch bei seinem rechtsfreundlichen Vertreter um eine sachverständige Person, die über die Befugnis zur Erstellung straßenbautechnischer Gutachten verfügt. Insofern stellen die bezüglichen Ausführungen lediglich laienhafte Behauptungen, keinesfalls aber gutachterliche Schlussfolgerungen dar, denen ein besonderer Beweiswert zukäme. Zudem zielt der Bf mit seinen Behauptungen nicht darauf ab, die Schlüssigkeit des straßenbautechnischen Gutachtens zu erschüttern, sondern versucht der Bf mit Gegenthesen die Schlussfolgerungen des Amtssachverständigen auf fachlicher Ebene zu widerlegen. Damit ist der Bf aber dem vorliegenden – schlüssigen und nachvollziehbaren – Gutachten des straßen­bautechnischen Amtssachver­ständigen nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Der belangten Behörde kann damit keine Rechtswidrigkeit zur Last gelegt werden, wenn sie im Hinblick auf das vorliegende Sachver­ständigengutachten trotz der – bereits in der mündlichen Enteignungs­verhandlung erhobenen – Einwendungen sowie alternativen Vorschläge des Bf vom Vorliegen des öffentlichen Interesses ausging.

 

3. Aber selbst bei Berücksichtigung der Behauptungen des Bf zur Frage des Vorliegens eines öffentlichen Interesses an der Verwirklichung des Straßenbauvorhabens und somit zur Notwendigkeit der Bauführung würde sich nichts an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ändern: Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach – und insbesondere in vergleichbaren Sachverhalts­konstellationen – ausgesprochen, dass „die Notwendigkeit einer Straßenbau­führung zumindest schon dann gegeben ist, wenn durch Baumaßnahmen (hier: der Straßenverwaltung) ungünstige Verkehrsverhältnisse verbessert werden können“ (VwGH vom 20.4.2004, 2002/06/0192 uHa VwGH 27.3.1980, 1123/77 und 31.1.2002, 2000/06/0086). In einem weiteren Fall (VwGH 28.2.2006, 2004/06/0190) bezüglich der Errichtung eines (getrennten) Geh- und Radweges an einer Landesstraße hat der VwGH ausgeführt: „Im angesprochenen, im Bescheid wiedergegebenen straßenbautechnischen Gutachten wurde das Projekt als im öffentlichen Interesse gelegen beurteilt, da die Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs, insbesondere auch für die Fußgänger und Radfahrer, verbessert werde. Die Notwendigkeit des vorliegenden Straßenbauvorhabens wurde damit nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes ausreichend begründet“. Dass die Errichtung eines getrennten Geh- und Radweges zu einer Verbesserung der Verkehrssicherheit beitragen werde, wurde vom straßenbautechnischen Amtssachverständigen allerdings nachvollziehbar bestätigt („Die Trennung der Verkehrsflächen für den Fußgänger- und Radfahrverkehr mit jenen für den Straßenverkehr ist daher zur Verbesserung der Verkehrssicherheit geboten“). Vor dem Hintergrund der wiedergegebenen höchstgerichtlichen Rsp ist unzweifelhaft von der Notwendigkeit des Straßenbauvorhabens und damit vom Vorliegen eines öffentlichen Interesses auszugehen.

 

4. Ist aber von der straßenbaulichen Notwendigkeit des Bauvorhabens auszugehen, ist lediglich zu prüfen, ob die Notwendigkeit der Inanspruchnahme der enteigneten Liegenschaften (bzw Liegenschaftsteile) als erwiesen anzusehen ist, das heißt, ob diese tatsächlich für die plangemäße Durchführung des Projekts erforderlich ist. Die Notwendigkeit der Inanspruchnahme der im Enteignungsantrag (vgl Grundeinlöseverzeichnis und Grundeinlöseplan) näher bezeichneten Grundstücksteile des Bf ergibt sich eindeutig und unstrittig aus dem Gutachten des straßenbautechnischen Amtssachverständigen. Dass die im Eigentum des Bf stehenden Liegenschaftsteile nicht zur plangemäßen Verwirklichung des Straßenbauprojekts erforderlich seien, bringt er selbst nicht vor, sondern wendet sich lediglich gegen die straßenbauliche Notwendigkeit im oben dargestellten Sinne.

 

5. Eine grundlegende – allerdings vom Bf im Beschwerdeschriftsatz nicht weiter problematisierte – Voraussetzung der Enteignung bildet das vorherige Bemühen der Antragstellerin um eine gütliche Einigung zur Grundabtretung. Diese Verhandlungspflicht zum Erwerb der für das Straßenbauvorhaben erforderlichen Grundstücksflächen wurzelt in der durch den Verfassungs­gerichtshof entwickelten stRsp zur Erforderlichkeit (Notwendigkeit) der Enteignung (vgl mit weiteren Hinweisen auf Judikatur und Literatur: VfSlg 13.579/1993). Im öffentlichen Interesse gelegen und in diesem Sinn erforderlich ist eine Enteignung nach dieser Rsp insbesondere dann, wenn ernsthafte Bemühungen des Enteignungswerbers misslungen sind, das für einen öffentlichen Zweck benötigte Grundstück privatrechtlich zu angemessenen Bedingungen zu erwerben. Derartige ernsthafte Bemühungen des Enteignungswerbers stellen sohin eine von der Enteignungsbehörde zu prüfende Bedingung der Zulässigkeit einer Enteignung dar.

 

Die Antragstellerin hat sich nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichts  ernsthaft bemüht, die entsprechenden Grundstücksflächen des Bf zu erwerben. Sie hat dem Bf – unbestritten – Angebote zur gütlichen Grundabtretung unterbreitet und mit dem Bf auch eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Das (letzte) Angebot der Antragstellerin erweist sich auch jedenfalls als angemessen iSd des § 36 Abs 1 Oö. Straßengesetz 1991, da der angebotene Ablösepreis von € X weit über dem – durch die Sachverständige für Liegenschaftsbewertung ermittelten – Verkehrswert von € x zzgl 7,5% Wiederbeschaffungskosten liegt. Dass dieses Bewertungsgutachten unschlüssig oder unrichtig sei, wird vom Bf nicht einmal behauptet. Im Ergebnis ist das ernsthafte Bemühen der Antragstellerin um eine privatrechtliche Einigung misslungen, weshalb sich die Enteignung – in dieser Hinsicht – als erforderlich (notwendig) iSd oben dargelegten Rsp erweist.

 

6. Da somit feststeht, dass durch die geplanten Baumaßnahmen im hier maßgeblichen Bereich bestehende ungünstige Verkehrsverhältnisse verbessert werden, der geplanten Baumaßnahme eine Ausführungsvariante zu Grunde liegt, welche den Bf nur im unbedingt notwendigen Maße beeinträchtigt und sich die Antragstellerin auch ernsthaft bemüht hat, eine privatrechtliche Einigung herbeizuführen, erweist sich die ausgesprochene Enteignung als frei von Rechtsirrtum.

 

Zum Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung:

 

7. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen. Eine Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist daher durchzuführen, wenn es um „civil rights“ oder „strafrechtliche Anklagen“ im Sinne des Art 6 EMRK oder um die Möglichkeit der Verletzung einer Person eingeräumter Unionsrechte (Art 47 GRC) geht und eine inhaltliche Entscheidung in der Sache selbst getroffen wird (vgl VwGH 21.4.2015, Ra 2015/09/0009; 9.9.2014, Ro 2014/09/0049, zu § 24 VwGVG, mit Hinweis auf 23.1.2013, 2010/15/0196).

 

Mit einer Entscheidung über einen Antrag auf Enteignung wird nach stRsp des Verfassungsgerichtshofes (siehe die bei Hengstschläger/Leeb, Grundrechte2 [2013] Rz 24/9 wiedergegebene stRsp) in der Regel eine Entscheidung über „civil rights“ (Randbereich) im Sinne des Art 6 Abs 1 EMRK getroffen.

 

8. Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rsp dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal habe, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigen würden. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder „hoch-technische“ Fragen („exclusively legal or highly technical questions“) betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten („rather technical nature of disputes“) auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige.

 

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein), hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (vgl zum Ganzen etwa VwGH 18.11.2014, 2013/05/0022, mwN; 9.9.2015, Ra 2015/03/0050 und Senft, Verhandlungspflicht der Verwaltungsgerichte aus grundrechtlicher Perspektive, ZVG 2014, 523, [533ff]).

 

9. Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof zur vergleichbaren Bestimmung des § 39 Abs 2 Z 6 VwGG bisher ausgesprochen, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sei dann nicht erforderlich, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt geklärt und die Rechtsfragen durch die bisherige (höchstgerichtliche) Rsp beantwortet seien und in der Beschwerde keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen wurden, deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte (vgl VwGH 17.2.2015, Ra 2014/09/0007 uHa 23.2.2006, 2003/16/0079; 28.2.2011, 2007/17/0193, mwN; 14.12.2004, 2004/05/0079).

 

10. Im Sinne der oben dargelegten Rsp des EGMR respektive des VwGH ist im Hinblick auf die Klärung des Sachverhalts die Durchführung einer Verhandlung nicht geboten, da keine Fragen der Beweiswürdigung aufgetreten sind und die Tatsachenfeststellungen vom Bf nicht substanziell bestritten wurden. Soweit der Bf Umstände vorbringt, die das Fehlen des öffentlichen Interesses am verfahrensgegenständlichen Straßenbauvorhaben vermuten lassen, so handelt es sich dabei lediglich um laienhafte Behauptungen, die die schlüssigen und nachvollziehbaren Feststellungen des straßenbautechnischen Amtssach­verständigen nicht zu erschüttern vermögen. Auf Basis des straßenbau­technischen Gutachtens konnte die Rechtsfrage, ob die Verwirklichung des Straßenbauvorhabens im öffentlichen Interesse liegt, eindeutig beantwortet werden. Nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichts war der Sachverhalt aufgrund der Aktenlage geklärt, und konnte auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entschieden werden.

 

In der Beschwerde wurden aber auch keine Rechtsfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Die für den Ausgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens entscheidende Rechtsfrage, ob die Verwirklichung des verfahrensgegenständlichen Straßenbau­vorhabens im öffentlichen Interesse liegt, konnte unzweifelhaft anhand des Ergebnisses des Gutachtens des straßenbautechnischen Amtssachverständigen und unter Heranziehung der eindeutigen und stRsp des Verwaltungsgerichtshofes beantwortet werden. Sonstige Rechtsfragen wurden vom Bf nicht aufgeworfen.

 

11. Im Ergebnis wurden in der Beschwerde keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher abgesehen werden.

 

 

V.           Im Ergebnis erweist sich die in Beschwerde gezogene Entscheidung der belangten Behörde als frei von Rechtsirrtümern. Das Vorbringen des Bf war nicht geeignet, Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides zu begründen.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

VI.          Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Im Zentrum der gegenständlichen Entscheidung steht die Frage nach der straßenbautechnischen Notwendigkeit des verfahrensgegenständlichen Bauvorhabens, also nach dem Vorliegen eines öffentlichen Interesses an dessen Verwirklichung. Zu dieser – im straßenrechtlichen Enteignungsverfahren nicht selten vorkommenden – Rechtsfrage besteht eine – in der Entscheidung näher dargelegte – stRsp des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Notwendigkeit der Straßenbauführung zumindest schon dann gegeben ist, wenn durch Baumaßnahmen ungünstige Verkehrsverhältnisse verbessert werden können. Dass eine derartige Verbesserung durch die Verwirklichung des verfahrensgegenständlichen Straßenbauvorhabens eintreten wird, wurde aber vom straßenbautechnischen Amtssachverständigen unzweifelhaft festgestellt und konnte diese Feststellung vom Bf nicht erschüttert werden. Die Rechtsfrage wurde somit vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich anhand der stRsp des Verwaltungsgerichtshofes beantwortet.

 

Die ordentliche Revision ist daher unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Doris Manzenreiter

Beachte:

Die Behandlung der Beschwerde wurde abgelehnt.

VfGH vom 19. Februar 2016, Zl.: E 70/2016-7