LVwG-050056/9/GS/CG

Linz, 01.12.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin         Mag.a Gabriele Saxinger über die Beschwerde von Frau H K, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 20. Juli 2015, GZ: SanRB01-98-2015, wegen Vorschreibung von Pflege-(Sonder-)Gebühren nach Oö. Krankenanstaltengesetz 1997 (Oö. KAG)

 

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs.1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck aufgehoben.

 

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck (im Folgenden: belangte Behörde) vom 20. Juli 2015, GZ: SanRB01-98-2015, wurde dem von der Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bf) gegen die Pflegegebührenvorschreibung vom 9.2.2015 erhobenen Einspruch keine Folge gegeben und die Bf zur Zahlung der Pflege-(Sonder-)Gebührenrechnung Nr. 9006875594 betreffend den Klinikaufenthalt ihrer verstorbenen Tochter in der Höhe von 3.902,60 Euro verpflichtet.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass sich Frau R S vom 30.12.2014 bis zu ihrem Tod am 4.1.2015 in stationärer Behandlung des Landeskrankenhauses Vöcklabruck befunden habe. Die Zahlung der dafür angefallenen Kosten von 3.902,60 Euro wären von der Versicherungsanstalt der öffentlich Bediensteten Oberösterreich und von der OÖ. Gebietskrankenkasse abgelehnt worden. Deshalb wären die Kosten der Mutter der Verstorbenen, Frau H K, zur Zahlung vorgeschrieben worden. Dagegen habe Frau K fristgerecht Einspruch erhoben. Frau K habe mitgeteilt, dass die Erbschaft noch nicht abgewickelt und die zuständige Notarin Dr. G in Bad Ischl sei. Außerdem wäre sie nicht erbberechtigt, da noch zwei Kinder vorhanden seien. Außerdem habe sie mit ihrer verstorbenen Tochter jahrelang keinen Kontakt gehabt und sie könne die Krankenhausrechnung nicht leisten, weil sie Mindestpension beziehe.

Laut Beschluss des Bezirksgerichtes von Bad Ischl vom 13.6.2015 (Anm: richtig 13.5.2015), 8 A 10/15y-12, sei mangels den Wert von 4.000 Euro übersteigenden Aktiven die Abhandlung gemäß § 153 AußStrG unterblieben, wobei festgehalten worden wäre, dass Frau K wegen der von ihr bezahlten Begräbniskosten das alleinige Verfügungsrecht über kleinere Guthaben eingeräumt worden sei. Nachdem keine andere physische oder juristische Person aufgrund sozialversicherungsrechtlicher Bestimmungen, sonstiger gesetzlicher Vorschriften oder vertraglich ganz oder teilweise zum Kostenersatz verpflichtet wäre und diese Kosten auch beim Nachlass der Patientin keine Deckung fänden, wären die für sie unterhaltspflichtigen Personen heranzuziehen. Im Hinblick auf den Beschluss des Bezirksgerichtes Bad Ischl vom 13.5.2015 sei von einer Zahlungsunfähigkeit der Verstorbenen bzw. deren Nachlasses auszugehen.

Da Eltern bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes Unterhalt zu leisten hätten, wären wohl auch aus diesem Grund die Begräbniskosten von der Mutter übernommen worden. Frau K habe auch nicht vorgebracht, dass es andere unterhaltspflichtige Personen gäbe oder dass die Selbsterhaltungsfähigkeit doch gegeben gewesen wäre. Es wäre daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

 

I.2. In der gegenständlichen Beschwerde, eingegangen bei der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck am 12. August 2015, wird von der Bf begründend im Wesentlichen vorgebracht, dass es nicht rechtens sein könne,  dass sie die Spitalskosten ihrer verstorbenen Tochter bezahlen müsse. Wie bereits im ersten Einspruch klar dargelegt, habe ihrerseits und seitens ihrer Familie jahrelang kein Kontakt zu ihrer Tochter bestanden. Sie wäre vom Krankenhaus über ihr Ableben unterrichtet worden. Nachdem sie sich in den letzten Jahren offensichtlich selbst erhalten habe, bestehe für sie keine Begründung, warum sie Unterhalt für eine Tote leisten solle.

 

I.3. Mit Schreiben vom 14. August 2015, eingegangen beim Oö. Landesverwaltungsgericht (LVwG) am 20. August 2015, übermittelte die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck dem Oö. LVwG die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakt.

 

I.4.       Das Oö. LVwG hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde sowie durch Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 29. Oktober 2015, zu der die Bf in Begleitung einer Tochter, ein Vertreter der belangten Behörde und eine Vertreterin der Oö. Gesundheits- und Spitals-AG erschienen sind.

 

 

II. Nachfolgender Sachverhalt steht fest:

 

Frau R S (geb. 15.8.1971) befand sich vom 30.12.2014 bis zu ihrem Tod am 4.1.2015 in stationärer Behandlung des Landeskrankenhauses Vöcklabruck. Für diesen stationären Aufenthalt sind Kosten von insgesamt 3.902,60 Euro entstanden. Die Krankenhauskosten wurden von keinem Versicherungsträger übernommen, da für diese Zeit für Frau R S keine Krankenversicherung bestand.

 

Mit Schreiben des Salzkammergut-Klinikums vom 1.6.2015 wurden der Mutter von Frau R S, Frau H K, diese Kosten (Rechnung Nr. 9006875594 vom 9.2.2015) zur Zahlung vorgeschrieben. Dagegen hat Frau H K mit Schreiben vom 2.6.2015 Einspruch erhoben.

 

Mit Schreiben vom 8.6.2015 wurde die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck von der Oö. Gesundheits- und Spitals-AG um bescheidmäßige Vorschreibung der offenen Krankenhauskosten ersucht.

 

Mit Beschluss vom 13. Mai 2015, 8 A 10/15 y-12, entschied das Bezirksgericht Bad Ischl in der Verlassenschaftssache R S, dass gemäß § 153 AußStrG mangels den Wert von 4.000 Euro übersteigenden Aktiven die Abhandlung unterbleibt. Weiters wurde der erblichen Mutter H K, geb. x 1946, in teilweiser Abgeltung der von ihr bezahlten Begräbniskosten das alleinige freie Verfügungsrecht über kleinere Guthaben eingeräumt.

 

Aus dem Versicherungsdatenauszug von Frau R S geht hervor, dass sie die letzten Jahre sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnissen nachging, Arbeitslosengeld, Wochengeld oder Kinderbetreuungsgeld bezog. Zuletzt war Frau R S von 3.10.2014 bis zum 4.1.2015 als geringfügig beschäftigte Arbeiterin bei der E KG gemeldet.

 

Finanzielle Unterstützung erhielt R S von ihrer Mutter die letzten Jahre vor ihrem Tod nicht. Die letzten vier Jahre vor ihrem Tod bestand kein Kontakt zwischen der Beschwerdeführerin und ihrer Tochter. Frau S war jedenfalls von Dezember 2014 bis zu ihrem Ableben am 4.1.2015 in der Lage, für ihren Unterhalt selbst aufzukommen.

 

 

III. Beweiswürdigung:

 

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und den Aussagen der Bf in der mündlichen Verhandlung vor dem Oö. LVwG.

 

Aufgrund der glaubwürdigen Aussage der Bf ist nachvollziehbar, dass die Bf ihrer Tochter die letzten Jahre vor ihrem Tod keinen Unterhalt leistete und davon auszugehen ist, dass die Tochter der Bf  vor ihrem Tod in der Lage war, für ihren Unterhalt selbst aufzukommen. Da die Bf nämlich mit ihrer verstorbenen Tochter vor ihrem Ableben jahrelang keinen Kontakt hatte, nicht wusste, wovon diese ihren Unterhalt bestritt, war Frau S offensichtlich nicht auf den Unterhalt der Bf angewiesen. Außerdem war die Verlassenschaft laut dem genannten Beschluss des Bezirksgerichtes Bad Ischl nicht überschuldet. Die Tochter war daher jedenfalls im Dezember 2014 bis zu ihrem Ableben am 4.1.2015 selbsterhaltungsfähig.

 

 

IV. Rechtliche Beurteilung:

 

§ 55 Abs 1 und 2 des Oö. Krankenanstaltengesetzes 1997 (Oö. KAG) lauten:

 

                                                § 55

 

                      Pflegegebühren, Sondergebühren; Verpflichtete

 

(1) Zur Bezahlung der in einer Krankenanstalt aufgelaufenen Pflege-(Sonder-) gebühren ist in erster Linie der Patient selbst verpflichtet, sofern nicht eine andere physische oder juristische Person auf Grund sozialversicherungsrechtlicher Bestimmungen, sonstiger gesetzlicher Vorschriften oder vertraglich ganz oder teilweise dazu verpflichtet ist oder dafür Ersatz zu leisten hat.

(2) Können die Pflege-(Sonder-)gebühren nicht beim Patienten selbst oder bei den sonstigen im Abs. 1 genannten Personen hereingebracht werden, sind zum Ersatz die für ihn unterhaltspflichtigen Personen heranzuziehen. § 47 Abs. 3 Z. 1 und 2 des Oö. Sozialhilfegesetzes 1998 gilt sinngemäß.

...

 

Nach § 56 Abs. 1 Oö KAG sind die Pflege-(Sonder-)gebühren mit dem Entlassungstag abzurechnen und ohne Verzug zur Zahlung vorzuschreiben.

 

 

Für die Auslegung des § 55 Abs.2 Oö. KAG sind die Erkenntnisse des VwGH vom 9. Mai 1967, GZ: 1747/66, und vom 25. Februar 1975, GZ: 0959/73, maßgeblich. Der VwGH hat sich in diesen Entscheidungen zur mittlerweile außer Kraft getretenen Bestimmung des § 35 Oö. KAG 1958 geäußert. Der Wortlaut des § 35 Oö. KAG 1958 entspricht inhaltlich § 55 Abs.2 erster Satz Oö. KAG 1997. Demzufolge legt § 55 Abs.2 Oö. KAG nicht nur den Kreis der aus dem Grunde ihrer Unterhaltspflicht gegenüber dem Pflegling zum Ersatz der Pflegekosten Verpflichteten fest. Er begrenzt auch das Ausmaß der Leistungspflicht und zwar so, dass der Pflegegebührenersatz den konkreten Umfang der Unterhaltspflicht nicht übersteigen darf.

 

§ 231 ABGB regelt unter der Überschrift „Kindesunterhalt“ Folgendes:

 

(1) Die Eltern haben zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes unter Berücksichtigung seiner Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten nach Kräften anteilig beizutragen.

(2) Der Elternteil, der den Haushalt führt, in dem er das Kind betreut, leistet dadurch seinen Beitrag. Darüber hinaus hat er zum Unterhalt des Kindes beizutragen, soweit der andere Elternteil zur vollen Deckung der Bedürfnisse des Kindes nicht im Stande ist oder mehr leisten müsste, als es seinen eigenen Lebensverhältnissen angemessen wäre.

(3) Der Anspruch auf Unterhalt mindert sich insoweit, als das Kind eigene Einkünfte hat oder unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse selbsterhaltungsfähig ist.

 

Die belangte Behörde stützt ihre Entscheidung darauf, dass die Selbsterhaltungsfähigkeit von Frau R S nicht gegeben gewesen wäre, da aufgrund des Beschlusses des Bezirksgerichtes Bad Ischl vom 13.5.2015 von einer Zahlungsunfähigkeit der Verstorbenen bzw. deren Nachlass auszugehen sei. Die belangte Behörde stellt die Vermutung auf, dass aus diesem Grund wohl auch die Begräbniskosten von der Mutter übernommen worden wären.

 

Aus diesen von der Behörde angeführten Gründen kann jedoch nicht geschlossen werden, dass die Tochter der Bf zum Zeitpunkt der Entstehung bzw. der Fälligkeit der Gebührenschuld, also am 4.1.2015, nicht selbsterhaltungsfähig war und die Bf damit konkret zur Unterhaltsleistung verpflichtet war. Ganz im Gegenteil ist aufgrund der glaubwürdigen Aussagen der Bf in der Verhandlung davon auszugehen, dass die verstorbene Tochter der Bf ihren Unterhalt selbst bestritten hat. Die Bf eruierte erst nach dem Tod der Tochter, welchem Beschäftigungsverhältnis die Tochter vor ihrem Tod nachging.  Die Tochter war offensichtlich nicht auf den Unterhalt der Bf angewiesen.

Zum Beschluss des Bezirksgerichtes Bad Ischl, 8 A 10/15y-12, vom 13. Mai 2015 wird überdies festgehalten, dass die Verlassenschaft der verstorbenen Tochter der Bf nicht überschuldet war, sondern ein kleines Guthaben aufwies. Dass das Konto der verstorbenen Patientin an ihrem Sterbetag ein nicht beträchtliches Minus aufwies, ist im Hinblick auf die angeführten Gründe nicht entscheidungsrelevant. Auf eine Zahlungsunfähigkeit der Verstorbenen und eine mangelnde Selbsterhaltungsfähigkeit kann alleine aus diesem Beschluss nicht geschlossen werden.

Lässt sich eine Tatsache nicht feststellen („non liquet“ [Fasching Rz 878]), dann hat die Behörde grundsätzlich von deren Nichtvorliegen auszugehen (VwGH 16.06.1992, 92/08/0062; 29.06.2000, 2000/07/0024; Hengstschläger/Leeb, AVG [2. Ausgabe 2014] § 45 Rz 2).

Aus den angeführten Gründen ist daher davon auszugehen, dass Frau S zu ihrem Todeszeitpunkt selbsterhaltungsfähig war. Sie hatte zu diesem Zeitpunkt keinen Unterhaltsanspruch gegenüber ihrer Mutter. Die Bf ist daher gemäß § 55 Abs.2 Oö. KAG nicht verpflichtet, für die Pflege-(Sonder-)Gebühren aufzukommen.

 

Es war daher der Beschwerde Folge zu geben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

 

 

V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Gabriele Saxinger