LVwG-850401/3/Wei/BZ

Linz, 04.12.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

 

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Wolfgang Weiß über die Beschwerde der Frau Mag. C Ö, vertreten durch Mag. K F L, Rechtsanwalt in L, x, gegen den Bescheid des Plenums des Ausschusses der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 11. März 2015, GZ: 651/ 14, betreffend die Ablehnung der Anerkennung eines Seminars zum Schaden-ersatz- und Privatversicherungsrecht als Ausbildungsveranstaltung

zu Recht    e r k a n n t :

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Teilnahme der Beschwerde­führerin an dem von Hon.-Prof. Mag. Dr. J S veranstalteten Seminar „Schadenersatz- und Privatversicherungs­recht“ am 6. und 7. November 2014 im K in L als Ausbildungs-veranstaltung im Sinne der Kriterien des § 2 der Richtlinie für die Ausbildung von Rechtsanwaltsanwärtern (RL-RAA) im Ausmaß von vier Ausbildungshalbtagen anerkannt.

 

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Schriftsatz vom 13. November 2014 stellte die Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bfin) den Antrag auf Anerkennung ihrer Teilnahme am Seminar zum Schadenersatz- und Privatversicherungsrecht am 6. und 7. November 2014 im K L als Ausbildungsveranstaltung im Sinne des § 2 RL-RAA im Ausmaß von vier Halbtagen. Diesem Antrag schloss die Bfin eine Teilnahme­bestätigung, das Seminarprogramm sowie ausführliche Seminarunterlagen an.

 

I.2. Mit Bescheid des Ausschusses der Oberösterreichischen Rechtsanwalts­kammer, Abteilung III, vom 19. Jänner 2015, GZ: 651/14, wurde der Antrag der Bfin auf Anerkennung des Seminars zum Schadenersatz- und Privatversiche­rungs­recht als Ausbildungsveranstaltung für Rechtsanwaltsanwärter abgewiesen.

 

Begründend wurde ausgeführt, dass inhaltlicher Schwerpunkt des von
Hon.-Prof. Mag. Dr. J S veranstalteten Seminars die Judikatur des Obersten Gerichtshofes vom September 2013 bis zum Herbst 2014 zu Fragen des Schadenersatzrechtes und des Privatversicherungsrechtes gewesen sei. Vortragende wären Univ.-Prof. Dr. C H, Dr. W R und Ass.-Prof. Dr. A G gewesen. Rechtsanwaltskammern hätten gemäß § 28 Abs. 1 RAO nur solche Veranstaltungen als Ausbildungsver­anstaltungen anzuerkennen, die den Kriterien des § 2 RL-RAA entsprechen. Die inhaltliche Prüfung der vorgelegten Seminarunterlagen hätte ergeben, dass diese Voraussetzungen nicht gegeben seien. Da insbesondere Spezialfragen zum Privatversicherungsrecht nicht zu den Prüfungsgegenständen der Rechtsan­waltsprüfung zählen würden, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

 

I.3. Gegen diesen Bescheid erhob die Bfin mit Schriftsatz vom 4. Februar 2015 das Rechtsmittel der Vorstellung und beantragte die Abänderung des angefochtenen Bescheides dahingehend, dass ihrem Antrag stattgegeben werde. Begründend führte die Bfin aus, dass die Oberösterreichische Rechtsan­waltskammer im bekämpften Bescheid ausführe „Da insbesondere Spezialfragen zum Privatversicherungsrecht nicht zu den Prüfungsgegenständen der Rechts­anwaltsprüfung zählen, war spruchgemäß zu entscheiden“. Hierbei würde die Oberösterreichische Rechtsanwaltskammer übersehen, dass Ausbildungsveran­staltungen gemäß § 2 RL-RAA neben der Vorbereitung auf die Rechtsan­waltsprüfung auch der Ausbildung zum Rechtsanwalt dienen. Ausbildungsver­anstaltungen hätten die Fähigkeiten und Kenntnisse im Sinne der Erfordernisse des § 1 RAPG - sohin die für die Ausübung des Rechtsanwaltes berufs­notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse des Prüfungswerbers - zu vermitteln. Das Privatversicherungsrecht zähle unzweifelhaft zu den wesentlichen Bereichen des Rechtsanwaltsberufes. Zwar sei gemäß § 2 RL-RAA auch auf die Prüfungs­gegenstände Bedacht zu nehmen, dies stelle aber nicht das einzige Kriterium bei der Beurteilung der Anerkennung einer Ausbildungsveranstaltung dar. Selbst wenn das Privatversicherungsrecht nicht unmittelbar prüfungsrelevant wäre, würde eine Ausbildungsveranstaltung, die das Privatversicherungsrecht behandelt, Fähigkeiten und Kenntnisse im Sinne des § 1 RAPG vermitteln. Die Oberösterreichische Rechtsanwaltskammer würde überdies außer Acht lassen, dass das Schadenersatzrecht einen Schwerpunkt der Ausbildungsveranstaltung bildete. Gegenstand des Seminars seien sechs Stunden Schadenersatzrecht (mit den Schwerpunkten Verkehrsunfallrecht, Wegehalterhaftung und Verkehrs­sicherungspflicht, Ärztliche Kunstfehler, Haftung von Freiberuflern, Amtshaftung, Produkthaftung, Kinderunfälle, Sportunfälle, Umfang des Sach- und Personen­schadens, Bezüge zum Sozialversicherungsrecht), fünf Stunden Privatver­sicherungsrecht (Verjährung von Schadensersatzansprüchen, Kfz-Versicherung, Allgemeine Haftpflichtversicherung, Vermögenshaftpflichtversicherung, Rechts­schutzversicherung, Sachversicherung, Personenversicherung) und eine Stunde Zivilprozessrecht (Zivilprozessrecht: Zulassungsrevision im österreichischen Zivilprozess) gewesen. Die Ausbildungsveranstaltung hätte daher - wegen der Behandlung des Schadenersatzrechtes und Privatversicherungsrechtes - nicht nur Fähigkeiten und Kenntnisse im Sinne der Erfordernisse des § 1 RAPG vermittelt; das Schadenersatzrecht würde überdies einen Teil der Prüfungs­gegenstände der Rechtsanwaltsprüfung bilden.

 

I.4. Mit dem angefochtenen Bescheid des Plenums des Ausschusses der Ober­österreichischen Rechtsanwaltskammer (im Folgenden: belangte Behörde) vom 11. März 2015, GZ: 651/14, wurde die Vorstellung der Bfin gegen den Bescheid der Abteilung III der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom
19. Jänner 2015 als unbegründet abgewiesen.

 

Nach Darstellung des unstrittigen Sachverhaltes und Gang des Verfahrens führt die belangte Behörde zur rechtlichen Begründung ihrer Entscheidung wie folgt aus:

 

„Ausbildungsveranstaltungen sollen daher zum einen die Inhalte der Kernbereiche der österreichischen Rechtsordnung, welche durch die Prüfungsgegenstände determiniert sind, und zum anderen die praktische Umsetzung dieses Wissens vermitteln. Der Aus­bildung zum Rechtsanwalt dienen darüber hinaus auch jene Veranstaltungen, die bestimmte Kenntnisse in Bereichen abseits der Gesetze vermitteln, die für eine erfolgreiche Tätigkeit, unabhängig vom zu behandelnden Rechtsgebiet, von Bedeutung sind. Kurz gesagt sollen Ausbildungsveranstaltungen im Gegensatz zu Fortbildungs­veranstaltungen die Grundlagen für das anwaltliche Arbeiten, sozusagen das Hand­werkszeug, vermitteln.

Unter dem Begriff Ausbildung ist eine breit angelegte berufliche Grundbildung und die Vermittlung von für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit notwendigen fachlichen Fertigkeiten und Kenntnissen zu verstehen, während der Begriff Fortbildung zusätzlich zur Erweiterung des fachlichen Wissens den Erhalt des bisherigen Wissens (Auffrischung) sowie die Anpassung an fachliche Entwicklungen enthält. Der Begriff Weiterbildung wiederum hat Lernen mit dem Ziel der Spezialisierung der vorhandenen Berufsqualifikation und damit der Befähigung zur Tätigkeit in spezifischen Bereichen zum Inhalt und setzt eine berufliche Vorbildung voraus.

 

Bei diesen Definitionen handelt es sich um eine aus Deutschland stammende Unter­scheidung der Begriffe im Sinne des Berufsausbildungsgesetzes, die auch in Österreich Anwendung findet. Eine amtliche Regelung des Wortgebrauches gibt es zwar nicht. Vielmehr handelt es sich bei den hier verwendeten Definitionen um eine Empfehlung und werden diese Definitionen in den Gremien verschiedenster Berufsordnungen so verwendet (Quelle: www.bdp-klinische-psychologie.de).

 

Wie aus dem Seminarprogramm ersichtlich ist, wurde bei der gegenständlichen Veranstaltung ausschließlich die Judikatur des OGH vom Herbst 2013 bis Herbst 2014 zu den von der Vorstellungswerberin angeführten Themen referiert, sodass selbst in den grundlegend prüfungsrelevanten Rechtsbereichen auf dem Gebiet des Schaden­ersatzrechtes bei dieser Veranstaltung Spezialwissen vermittelt wurde, sodass die Veranstaltung als klassische Fort- bzw. im Hinblick auf das Privatversicherungsrecht als Weiterbildungsveranstaltung zu sehen ist.

 

Nachdem es sich beim gegenständlichen Seminar um keine Veranstaltung handelt, welche Fähigkeiten und Kenntnisse im Sinne der Erfordernisse des § 1 RAPG unter Bedachtnahme auf die Prüfungsgegenstände der Rechtsanwaltsprüfung gemäß § 13 RAPG sowie § 20 RAPG vermittelt, war eine Anerkennung der Veranstaltung als verbindliche Ausbildungsveranstaltung gemäß § 2 RL-RAA nicht möglich. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.“

 

 

II.1. Gegen diesen Bescheid des Ausschussplenums, der der Bfin am
10. Juni 2015 zugestellt wurde, richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde vom 8. Juli 2015, mit der die Abänderung und Anerkennung der Ausbildungs­ver­anstaltung im Ausmaß von vier Halbtagen, in eventu die Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde beantragt wird.

 

Die Beschwerde hält den Ausführungen der belangten Behörde unter Vorlage von Ausdrucken zum Seminarangebot der Anwaltsakademie wie folgt entgegen:

 

„Die belangte Behörde führt in dem angefochtenen Bescheid aus:

 

‚Wie aus dem Seminarprogramm ersichtlich ist, wurde bei der gegenständlichen Veran­staltung ausschließlich die Judikatur des OGH vom Herbst 2013 bis Herbst 2014 zu den von der Vorstellungswerberin angeführten Themen referiert, sodass selbst in den grund­legend prüfungsrelevanten Rechtsbereichen auf dem Gebiet des Schadenersatzrechtes bei dieser Veranstaltung Spezialwissen vermittelt wurde, sodass die Veranstaltung als klassische Fort- bzw. im Hinblick auf das Privatversicherungsrecht als Weiterbildungs­veranstaltung zu sehen ist.‘

 

Die belangte Behörde bringt damit pauschal zum Ausdruck, ‚Spezialwissen‘ (selbst in grundlegend prüfungsrelevanten Bereichen wie im Schadenersatzrecht) diene nicht der Vorbereitung auf die Rechtsanwaltsprüfung und der Ausbildung zum Rechtsanwalt im Sinne des § 2 RL-RAA.

 

Das gegenständliche Seminar vermittle Spezialwissen zum (unter anderem) Schaden­ersatzrecht und daher nicht die Fähigkeiten und Kenntnisse im Sinne der Erfordernisse des § 1 RAPG, sohin die für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes notwendigen Fähig­keiten und Kenntnisse (wie etwa die Eignung zur Abfassung von Rechtsurkunden und Rechtsgutachten sowie zum geordneten schriftlichen und mündlichen Vortrag einer Rechts- und Sachlage).

 

Folgte man den Ausführungen der belangten Behörde, wonach die ‚Ausbildung‘ im Sinne des § 2 RL-RAA lediglich Grundlagen umfasse, hieße dies, dass für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes lediglich ‚Basics‘ notwendig sind.

 

Zwar ist richtig, dass man für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes gewisse Fähig­keiten und Kenntnisse benötigt und alles darüber hinaus nicht mehr unter den Begriff der ‚Ausbildung‘, sondern unter jenen der ‚Weiterbildung‘ fällt.

 

‚Grundwissen‘ mit ‚Ausbildung‘ und ‚Spezialwissen‘ mit ‚Weiterbildung‘ gleichzusetzen, ist aber verfehlt.

 

Im Übrigen rechnet die belangte Behörde selbst AWAK-Seminare, die nicht nur als ‚Fortbildungsveranstaltung‘ tituliert, sondern auch ausschließlich aktuelle Rechtsprechung zum Inhalt haben, mit der entsprechenden Anzahl an Halbtagen für die Rechtsan­waltsprüfung an.

 

Beweis: Ausdruck www.awak.at ‚Rechtsentwicklung im Schadenersatz- und Versicherungsrecht‘;

Ausdruck www.awak.at ‚Aktuelle Entwicklungen im Gesellschaftsrecht - Judikatur und Gesetzgebung‘

 

Darüber hinaus schließt die Tatsache, dass Judikatur des OGH aus 2013 und 2014 referiert wurde, die Vermittlung von ‚Grundwissen‘ nicht aus. Tatsächlich wurde auch kein ‚Spezialwissen‘ vermittelt, sondern das Schadenersatzrecht lediglich praxisnah und anhand von konkreten Fällen - wie bei einem jeden Seminar üblich - besprochen.

 

Gleiches gilt für das Privatversicherungsrecht. Das Privatversicherungsrecht zählt unzweifelhaft zu den wesentlichen Bereichen des Rechtsanwaltsberufes. Zwar ist gemäß § 2 RL-RAA auch auf die Prüfungsgegenstände Bedacht zu nehmen, dies stellt aber nicht das einzige Kriterium bei der Beurteilung der Anerkennung einer Ausbildungs­ver­anstaltung dar. Selbst wenn das Privatversicherungsrecht nicht unmittelbar prüfungs­relevant wäre, vermittelt eine Ausbildungsveranstaltung, die das Privatversiche­rungs­recht behandelt, Fähigkeiten und Kenntnisse im Sinne des § 1 RAPG.

 

Schließlich führt die belangte Behörde selbst im angefochtenen Bescheid aus ‚Der Ausbildung zum Rechtsanwalt dienen darüber hinaus auch jene Veranstaltungen, die bestimmte Kenntnisse in Bereichen abseits der Gesetze vermitteln, die für eine erfolg­reiche Tätigkeit, unabhängig vom zu behandelnden Rechtsgebiet, von Bedeutung sind.‘.

 

Zusammengefasst diente die Veranstaltung der Vorbereitung auf die Rechtsan­waltsprüfung und der Ausbildung zum Rechtsanwalt. Sie hat die Fähigkeiten und Kenntnisse im Sinne der Erfordernisse des § 1 RAPG, sohin die für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse vermittelt.

 

Da gemäß § 2 Abs. 2 RL-RAA ein anrechenbarer Ausbildungshalbtag mindestens drei Stunden zu umfassen hat und die Veranstaltung am 6. November 2014 von 09:45 Uhr bis 18:30 Uhr und am 7. November 2014 von 09:00 Uhr bis 15:30 Uhr dauerte (wobei
zwölf Stunden lang vorgetragen wurde), ist das Seminar als Ausbildungsveranstaltung im Sinne des § 2 RL-RAA im Ausmaß von vier Halbtagen anzuerkennen.

 

Beweis: Teilnahmebestätigung;

Seminarprogramm;

Seminarunterlagen

... .“

 

II.2. Mit Schreiben vom 22. Juli 2015, eingelangt am 5. August 2015, hat die belangte Behörde diese Beschwerde gemeinsam mit dem Verfahrensakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Dieses hat gemäß § 2 VwGVG durch einen Einzelrichter zu entscheiden.

 

 

III.1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat nach Einsichtnahme in die Beschwerde und den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass der Sach­verhalt unstrittig erscheint und daher im Wesentlichen nur über gegensätzliche Rechtsauffassungen zu entscheiden ist. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte schon gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteienantrages abgesehen werden, da die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und dem auch nicht Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 GRC (kein civil right) entgegensteht. Im Übrigen hat die belangte Behörde im Vorlageschreiben ausdrücklich auf eine mündliche Verhandlung verzichtet und auch die rechts­kundige Bfin hat keine mündliche Verhandlung in der Beschwerde beantragt.

 

III.2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von folgendem  S a c h v e r h a l t  aus:

 

III.2.1. Die Bfin nahm als Rechtsanwaltsanwärterin am Seminar zum Schaden­ersatz- und Privatversicherungsrecht am 6. und 7. November 2014 in Linz im K teil (Teilnahmebestätigung vom 7. November 2014). Veranstaltet wurde dieses Seminar von Hon.-Prof. Mag. Dr. J S. Die Vorträge (insgesamt zwölf Stunden) fanden am Donnerstag, dem 6. November 2014, von 09:45 bis 18:30 Uhr und am Freitag, dem 7. November 2014, von 09:00 bis 15:30 Uhr statt. Die insgesamt zwölf Stunden Vortrag gliederten sich in sechs Stunden Schadenersatzrecht, fünf Stunden Privatversicherungsrecht und eine Stunde Zivilprozessrecht. Referenten waren Univ.-Prof. Dr. C H (x A), Dr. W R (Vienna Insurance Group) und Ass.-Prof. Dr. A G (Institut für Zivilrecht) von der J Kepler U L.

 

Die Inhalte des Seminars werden durch aktenkundige Seminarunterlagen im Einzelnen dokumentiert. Es handelt sich im Wesentlichen um folgende Fachbereiche:

 

Der Vortrag zum Schadenersatzrecht von Univ.-Prof. Dr. C H, behandelte anhand von OGH-Judikaten aus 2013/2014 folgende Themen: Prozessuale Frage zur Berichtigung der Parteienbezeichnung, Straßen­verkehrsrecht, Verkehrs-sicherungspflicht, Mitverschulden, Schutzgesetz, Schnee­räumung, Wintersport, Tierhalter, Produkthaftung, Erfüllungsgehilfe und Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, Anwaltshaftpflicht, Arzthaftung, Verwah­rungsvertrag, Nachbarrecht und Amtshaftung.

 

Der Vortrag des Versicherungsjuristen Dr. W R zum Privat­versicherungsrecht behandelte versicherungsrechtliche Judikatur aus 2013/2014 zu folgenden Themen: Allgemeines Versicherungsrecht, Vermögensversicherung (Kfz-Haftpflichtversicherung, Allgemeine Haftpflichtversicherung, Rechtsschutz­ver­sicherung), Sachversicherung, Personenversicherung und Obliegenheiten.

 

Der dritte Teil des Seminars bestand aus einem Vortrag von
Ass.-Prof. Dr. A G über den Zugang zum OGH in Zivilsachen. Es wurden Fragen der Zulassungsrevision und der Gesetzesprüfung im Zivil­ver­fahren thematisiert.

 

Der Einladung zum Seminar ist unter dem Punkt „Seminarbeitrag“ zu entneh­men, dass Rechtsanwälte und andere Berufsgruppen 490 Euro zuzüglich
20 % USt und Versicherungsmakler, Rechtsanwaltsanwärter und Rechtsanwälte im 1. Jahr nach der Eintragung 300 Euro zuzüglich 20 % USt zu entrichten hatten. Zielgruppe sind somit primär Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, während von den anderen Berufsgruppen ausdrücklich nur Versicherungsmakler genannt werden.

 

III.2.2. Die Anwaltsakademie (AWAK) ist eine im Zusammenhang mit dem ÖRAK-Arbeitskreis Berufsaus- und Fortbildung gegründete Gesellschaft mbH zur Förderung anwaltlicher Aus- und Fortbildung (vgl. Impressum zu www.awak.at). Die Homepage der AWAK gliedert sich in die Bereiche „Ausbildung“ und „Fortbildung“, wobei zur besseren Unterscheidung der Bereich Ausbildung in Blau und der Bereich Fortbildung in Grün gehalten ist.

 

In grüner Schrift, direkt neben dem Button „Fortbildung“ ist dieser Internetseite der Hinweis zu entnehmen: „für die RAA-Ausbildung approbiert“ (vgl. Ausdruck vom 27.11.2015).

 

Das auf der Website „About us“ allgemein beschriebene Angebot unterscheidet zwischen Ausbildung und Fortbildung und nennt die empfohlenen Seminartypen. Danach dienen die Ausbildungsseminare (fünf Seminartypen: Basic, Series, Special, Key qualifications, Checkup) der Vorbereitung auf die Rechtsanwalts­prüfung und sind durch die zuständigen Rechtsanwaltskammern approbiert. Die Fortbildungsseminare (sechs Seminartypen: Infopill, Intensive, Update, Awake, Privatissimum, Extra) dienen der Aktualisierung und Intensivierung des bereits erworbenen Wissens nach erfolgter Eintragung als Rechtsanwalt. Für inter­essierte Rechtsanwaltsanwärter seien diese Fortbildungsseminare ebenfalls approbiert.

 

Nach dem aktuellen Ausbildungsseminarkalender für die Zeit von Dezember 2015 bis Dezember 2016 (vgl. Internet-Ausdruck vom 01.12.2015) werden insgesamt 99 Seminare angeboten, wobei ausschließlich empfohlene Seminartypen dem Ausbildungsangebot zu entnehmen sind. Der offenbar für spezielle Inhalte der Ausbildung vorgesehene Seminartyp „special“ kommt dabei sogar 45 Mal vor.

Der aktuelle Fortbildungsseminarkalender bietet für die Zeit von Dezember 2015 bis April 2016 insgesamt nur neun Seminare an.

 

Unter der Rubrik „Ausbildung“ findet man beispielsweise Seminare vom Typ „special“ wie folgt (vgl. Internet-Ausdrucke vom 23.11.2015):

 

„Versicherungsvertragsrecht“ (zwei Halbtage am 04.03.2016 in Wien, Referentin ao. Univ.-Prof Dr. E P) mit dem erklärten Seminarziel, die Grundlagen und Besonderheiten der Spezialmaterie Vertragsversicherung anhand aktueller Judikaturbeispiele zu vermitteln, oder

 

„Verkehrsunfall und Schadenersatzrecht“ (drei Halbtage am 09. und 10.09.2016 in Dornbirn, Referenten: Hon-Prof. Dr. K-H D und Dr. R F) mit folgender Angabe des Seminarziels (Hervorhebungen nicht im Original):

 

„Ziel dieses Seminars ist es, im Schadenersatzrecht tätigen und daher mit soliden Grundkenntnissen versehenen Parteienvertretern die aktuelle Rechtsprechung und Literatur zu den wichtigsten Themen der Haftpflicht für Verkehrsunfälle nahezubringen, damit es ihnen möglich ist, auf der Höhe der aktuellen Rechtsentwicklung zu argumentieren und die Chancen auf einen Prozesserfolg optimal einzuschätzen. Daher bleiben auch Themen des nationalen und des Europäischen Zivilverfahrens nicht ausgespart, soweit diese ebenfalls für den Erfolg im Haftpflichtprozess essentiell sind.“

 

III.2.3. Die von der Bfin zum Beweis für anrechenbare Fortbildungsveran­staltungen der AWAK vorgelegten Internet-Ausdrucke vom 8. Juli 2015 (www.awak.at/Awak_2009/Fortbildung/Suche/detail.php?method=D&nummer=) betreffen ein Angebot zur Fortbildung für Rechtsanwälte und andere Berufs­gruppen. Zum Seminar „Rechtsentwicklung im Schadenersatz- und Versiche­rungsrecht“ (drei Halbtage am 20. und 21.11.2015 in Wien; Referenten:
Hon-Prof. Dr. K-H D und em. o. Univ.-Prof Dr. A F; Seminarbeitrag für Rechtsanwälte und andere Berufsgruppen 900 Euro zuzüglich 20 % USt und Rechtsanwälte im 1. Jahr nach der Eintragung sowie Rechtsan­waltsanwärter 540 Euro zuzüglich 20 % USt) waren als Zielgruppe Rechtsanwälte, Rechtsanwaltsanwärter und andere Berufsgruppen erwähnt. Als Seminarziel ist diesem Angebot Folgendes (Hervorhebungen nicht im Original) zu entnehmen:

 

Ich darf Ihnen dieses Seminar besonders empfehlen, vor allem im Hinblick auf die neuen höchstgerichtlichen Entscheidungen und die Wichtigkeit dieses Rechtsgebietes, da sich unabhängig vom jeweiligen Tätigkeitsschwerpunkt in der Praxis immer wieder Berührungspunkte zum Schadenersatz- und Versicherungsrecht ergeben und besonders in diesem Bereich das „Up-to-date-Sein” zum täglichen Handwerk des nicht nur aus-, sondern vor allem auch des fortgebildeten Rechtsanwaltes gehören muss.“

 

Der zweite Ausdruck von der oben genannten Website betrifft das von der AWAK angebotene Fortbildungsseminar „Aktuelle Entwicklungen im Gesellschaftsrecht - Judikatur und Gesetzgebung“ (ein Halbtag am 23.09.2015 in Linz; Referent
o. Univ.-Prof Dr. M K) für Rechtsanwälte, Rechtsanwaltsanwärter und andere Berufsgruppen. Das Seminarziel lautet (Hervorhebungen nicht im Original):

 

„Holen Sie sich von einem der führenden Experten des Gesellschaftsrechts ein umfassendes Update zu den gesetzlichen Neuerungen & der aktuellen Judikatur - inklusive der für die Praxis wesentlichen Fragen.

Das Seminar bietet sowohl eine Auffrischung als auch vertiefende Information über die wesentlichsten Problemstellungen und Entwicklungslinien. ...“

 

III.2.4. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich schlüssig und widerspruchsfrei aus der Aktenlage in Verbindung mit dem unbestrittenen Tatsachenvorbringen in der Beschwerde. Dazu ist auf die Urkunden im Verwaltungsakt der belangten Behörde, insbesondere auf die von der Bfin vorgelegten Seminarunterlagen und Ausdrucke über AWAK-Seminare und ergänzend auf den oben dargestellten Internetauftritt der Anwaltsakademie (Homepage www.awak.at) hinzuweisen.

 

Dass auch die von der AWAK unter „Fortbildung“ angebotenen Seminare in der Praxis als Ausbildungsveranstaltung im Sinne des § 2 RL-RAA anerkannt werden, ergibt sich für das erkennende Gericht aus dem schlüssigen Beschwerde­vorbringen und den bezogenen Quellen. So findet man auf der AWAK-Homepage bei „Fortbildung“ den ausdrücklichen Hinweis „für die RAA-Ausbildung appro­biert“ sowie in weiterer Folge bei den empfohlenen Fortbildungsseminartypen (vgl. Angebot auf website „About us“) einen positiven Approbationshinweis für interessierte Rechtsanwaltsanwärter. Ferner sprechen auch die beim jeweiligen Seminar angeführten Halbtage für eine Anrechenbarkeit.

 

Im Übrigen ist es auf Grund der aktenkundigen Internet-Ausdrucke zum Seminar­angebot der AWAK erwiesen, dass auch bei den von der AWAK angebotenen Seminaren die Inhalte mit Hilfe von meist höchstgerichtlicher Judikatur vermittelt werden. Dies geht sowohl aus den erklärten Seminarzielen in den von der Bfin vorgelegten Ausdrucken zu den Fortbildungsseminaren „Rechtsentwicklung im Schadenersatz- und Versicherungsrecht“ und „Aktuelle Entwicklung im Gesellschaftsrecht - Judikatur und Gesetzgebung“ (vgl. oben III.2.3.), als auch aus den Angaben zum Seminarziel bei aktuell angebotenen Ausbildungsseminaren, wie beispielsweise „Verkehrsunfall und Schadenersatz­recht“ oder „Versicherungsvertragsrecht“, klar hervor (vgl. oben III.2.2.).

 

 

IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat rechtlich erwogen:

 

IV.1. Rechtsgrundlagen:

 

Gemäß § 1 Rechtsanwaltsprüfungsgesetz - RAPG (BGBl. Nr. 556/1985, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 190/2013) soll die Rechtsanwaltsprüfung die für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse des Prüfungswerbers, im besonderen seine Gewandtheit bei der Einleitung und Besorgung der einem Rechtsanwalt übertragenen öffentlichen und privaten Angelegenheiten sowie seine Eignung zur Abfassung von Rechtsurkunden und Rechtsgutachten sowie zum geordneten schriftlichen und mündlichen Vortrag einer Rechts- und Sachlage nachweisen.

 

Nach § 2 Abs. 2 RAPG ist Voraussetzung für die Ablegung der Rechtsanwalts­prüfung überdies die Teilnahme an den für Rechtsanwaltsanwärter verbindlichen Ausbildungsveranstaltungen.

 

Gemäß § 13 leg. cit. hat der Prüfungswerber bei der schriftlichen Prüfung auszuarbeiten:

1.   im Zivilrecht auf Grund einer schriftlichen Information Klage, Klage­beantwortung und Entscheidung oder Antrag, allfällige Gegenäußerung und Entscheidung im außerstreitigen Verfahren oder an Hand von Gerichtsakten eine Rechtsmittelschrift gegen eine Entscheidung erster Instanz,

2.   im Verwaltungsrecht (mit Einschluss des Abgabenrechtes) auf Grund eines Bescheides eine Rechtsmittelschrift oder eine Beschwerde an den Verfas­sungs- oder an den Verwaltungsgerichtshof,

3.   im Strafrecht an Hand von Gerichtsakten eine Rechtsmittelschrift gegen eine Entscheidung erster Instanz.

 

Nach § 20 leg. cit. sind bei der mündlichen Prüfung die Kenntnisse und Fähig­keiten des Prüfungswerbers in den folgenden Bereichen zu überprüfen:

1.        Falllösung im Rahmen der Rechtsberatung, Rechtsdurchsetzung und Rechts­verteidigung im Bereich des österreichischen bürgerlichen Rechtes einschließlich von Fällen mit Auslandsbezug und Fällen aus dem Arbeits- und Sozialrecht,

2.        Vertretung vor österreichischen Gerichten im zivilgerichtlichen Verfahren einschließlich von Verfahren nach dem AußStrG und der EO,

3.        Falllösung im Rahmen der Rechtsberatung, Rechtsdurchsetzung und Rechts­verteidigung im Bereich des österreichischen Strafrechtes sowie Verteidigung und Vertretung vor Österreichischen Strafgerichten,

4.        Vertretung im Anwendungsbereich des österreichischen Strafvollzugs­gesetzes,

5.        Falllösung im Rahmen der Rechtsberatung, Rechtsdurchsetzung und Rechts­verteidigung im Bereich des österreichischen Unternehmens- und Gesell­schaftsrechtes einschließlich des Wertpapier- und des Immaterial­güterrechtes sowie Vertretung in Verfahren über den gewerblichen Rechtsschutz,

6.        Vertretung im österreichischen Insolvenzverfahren,

7.        Falllösung im Rahmen der Rechtsberatung, Rechtsdurchsetzung und Rechts­verteidigung im Bereich des österreichischen öffentlichen Rechtes sowie Vertretung im Verwaltungsverfahren einschließlich der Vertretung vor den österreichischen Gerichten des öffentlichen Rechtes und internationalen Gerichtshöfen,

8.        Falllösung und Vertretung im österreichischen Abgabenrecht einschließlich des Finanzstrafverfahrens,

9.        Vertragsgestaltung und Urkundenverfassung und

10.     Berufs- und Standesrecht der Rechtsanwälte, Pflichten als Unternehmer und Dienstgeber, Maßnahmen zur Verhinderung von Geldwäscherei (§ 165 StGB) oder Terrorismusfinanzierung (§ 278d StGB) sowie Kostenrecht.

 

§ 1 der Richtlinie für die Ausbildung von Rechtsanwaltsanwärtern (Ausbildungs­richtlinie - RL-RAA; kundgemacht am 28.04.2008 und 09.11.2009 auf der ÖRAK- Homepage www.rechtsanwaelte.at) lautet:

 

(1) Rechtsanwaltsanwärter haben an Ausbildungsveranstaltungen im Ausmaß von mindestens 42 Halbtagen teilzunehmen.

(2) Ausbildungsveranstaltungen von mindestens 24 Halbtagen sind als Voraussetzung für die Ablegung der Rechtsanwaltsprüfung gemäß § 2
Abs. 2 RAPG zu besuchen.

(3) Die Rechtsanwaltskammern werden die Teilnahme eines Rechtsanwaltsan­wärters an Ausbildungsveranstaltungen im Ausmaß von mindestens zwölf Halbtagen als rücksichtswürdigen Grund nach § 15 Abs. 2 RAO werten.

 

§ 2 RL-RAA besagt:

 

(1) Ausbildungsveranstaltungen dienen der Vorbereitung auf die Rechtsan­waltsprüfung und der Ausbildung zum Rechtsanwalt. Sie haben die Fähig­keiten und Kenntnisse im Sinne der Erfordernisse des § 1 RAPG zu vermitteln, wobei auf die Prüfungsgegenstände der Rechtsanwalts­prüfung gemäß § 13 RAPG sowie § 20 RAPG Bedacht zu nehmen ist.

(2) Ein anrechenbarer Ausbildungshalbtag hat mindestens drei Stunden zu umfassen.

 

Nach § 3 RL-RAA haben Rechtsanwaltskammern gemäß § 28 Abs. 1 RAO nur solche Veranstaltungen als Ausbildungsveranstaltungen anzuerkennen, die den Kriterien des § 2 entsprechen und in ihrem Sprengel stattfinden.

 

Gemäß § 26 Abs. 2 Rechtsanwaltsordnung - RAO (StF RGBl. Nr. 96/1868 idF StGBl. Nr. 95/1919, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 40/2014) sind, sofern der Ausschuss aus mindestens zehn Mitgliedern besteht, die in § 28 Abs. 1 lit. b, d, f, g, h, i und m aufgezählten Aufgaben, ferner die Aufsicht über Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, die Beschlussfassung nach § 16 Abs. 5 sowie die Zuer­ken­nung von Leistungen aus der Versorgungseinrichtung für den Ausschuss durch eine seiner Abteilungen zu erledigen, soweit dies ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens möglich ist. Die Abteilungen setzen sich aus zumindest drei Mitgliedern des Ausschusses zusammen; ferner sind jeweils zumindest zwei Mitglieder des Ausschusses als Ersatzmitglieder vorzusehen. Der Ausschuss hat die Abteilungen zusammenzusetzen und die Geschäfte unter die Abteilungen zu verteilen.

 

Gemäß § 26 Abs. 5 RAO kann gegen den von einer Abteilung für den Ausschuss gefassten Beschluss binnen 14 Tagen nach Zustellung des Beschlusses Vorstellung an den Ausschuss erhoben werden.

 

Nach § 28 Abs. 1 lit. m RAO gehören zu dem Wirkungskreise des Ausschusses die Durchführung, gegebenenfalls die Anerkennung von für Rechtsanwalts­anwärter verbindlichen Ausbildungsveranstaltungen gemäß den vom Öster­reichischen Rechtsanwaltskammertag erlassenen Richtlinien.

 

IV.2. Die verfahrensrechtliche Zulässigkeit der Sachentscheidung durch die belangte Behörde wurde bereits im hg. Erkenntnis vom 27. Juli 2015,
GZ: LVwG-850319/9/HW/MD, näher behandelt. Der erkennende Richter schließt sich den Rechtsausführungen in diesem Erkenntnis vollinhaltlich an. Sie gelten auch für den vorliegenden Fall und lauten wie folgt:

 

„Die gegenständliche Verwaltungssache wurde gemäß § 26 Abs. 2 RAO zunächst durch die Abteilung III des Ausschusses der Oberösterreichischen Rechtsan­waltskammer erledigt. Die Abteilung III hat dabei für die belangte Behörde und nicht als selbständiges Organ der Rechtsanwaltskammer gehandelt (vgl.
ErlRV 2357 BlgNR XXIV. GP 13). Gegen den von der Abteilung III des Aus­schusses erlassenen Bescheid ergriff die Bfin das in § 26 Abs. 5 RAO vorge­sehene Rechtsmittel der Vorstellung an das Plenum des Ausschusses. Sowohl beim Bescheid der Abteilung III als auch beim (verfahrensgegenständlichen) Bescheid des Plenums handelt es sich um Erledigungen ein- und derselben Behörde, weshalb die Vorstellung kein aufsteigendes Rechtsmittel darstellt. Erst gegen die Entscheidung des Plenums des Ausschusses ist eine Beschwerde nach Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG zulässig (vgl. ErlRV 2357 BlgNR XXIV. GP 13).

 

Die Erlassung eines Bescheides durch eine Abteilung des Ausschusses setzt nach § 26 Abs. 2 RAO voraus, dass ‚dies ohne Durchführung eines Ermittlungs­verfahrens möglich ist‘. Damit sind die Absätze 2 und 5 des § 26 RAO insofern mit § 57 AVG vergleichbar, als auch nach dieser Bestimmung gegen einen ohne vorangegangenem Ermittlungsverfahren erlassenen Bescheid (‚Mandat‘) bei der bescheiderlassenden Behörde binnen zwei Wochen das remonstrative Rechts­mittel der Vorstellung (und keine Beschwerde an das Verwaltungsgericht) erhoben werden kann (zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer solchen Konstruktion vgl. Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10
Rz 518; Herbst, Das Verfahren der Verwaltungsgerichte, ZVR 2012/235, 435; Hengstschläger/Leeb, Verwaltungsverfahrensrecht5 Rz 1025; B. Raschauer, Auswirkungen der Reform auf die Verwaltung, in ÖJK [Hrsg], Justizstaat: Chance oder Risiko 237).

 

Die Entscheidungsmöglichkeiten des Ausschusses aufgrund einer Vorstellung hat der Gesetzgeber nicht ausdrücklich normiert. Nach Ansicht des Landesver­waltungsgerichtes Oberösterreich ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Bescheid der Abteilung III bis zur Erlassung der ihn ersetzenden Entscheidung des Plenums weiterhin dem Rechtsbestand angehört (auch ein Mandat im Sinne des § 57 Abs. 1 AVG bleibt - sofern die Behörde binnen zwei Wochen nach Einlangen der Vorstellung das Ermittlungsverfahren einleitet - so lange aufrecht, bis der Vorstellungsbescheid an seine Stelle tritt (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 57 Rz 37 mwN). Analog zu den Entscheidungsmöglichkeiten der Behörde im Falle einer Vorstellung nach § 57 Abs. 2 AVG ist weiters anzunehmen, dass das Plenum des Ausschusses aufgrund der Vorstellung über die Verwaltungssache bescheidmäßig neu zu entscheiden und dabei den Bescheid der Abteilung zu beheben, abzuändern oder zu bestätigen hat, wobei eine Bestätigung des Mandats auch durch eine ‚Abweisung‘ der Vorstellung zum Ausdruck gebracht werden kann (vgl. Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10
Rz 588). Durch die vollständige Abweisung der Vorstellung hat die belangte Behörde daher eine neuerliche Sachentscheidung getroffen, indem sie einen mit dem Bescheid der Abteilung III inhaltsgleichen Vorstellungsbescheid erlassen hat (vgl. in diesem Sinne zum Berufungsverfahren Pabel, Der Umfang der Entschei­dungsbefugnis der Berufungsbehörde, RFG 2011/10, 40). Das verfahrens­einleitende Ansuchen der Bfin wurde daher durch den angefochtenen Bescheid auf zulässige Weise einer inhaltlichen Erledigung zugeführt (gegenteilig allerdings VwG Wien 16.01.2015, VGW-162/076/32738/2014 [mit Zulassung der ordent­lichen Revision]).“

 

IV.3. Verfahrensgegenständlich ist zu prüfen, ob das von der Bfin besuchte Seminar zum Schadenersatz- und Privatversicherungsrecht den Kriterien des § 2 RL-RAA entspricht und somit nach § 3 RL-RAA als Ausbildungsveranstaltung anzuerkennen ist. Eine Voraussetzung gemäß § 2 Abs. 1 RL-RAA ist zunächst, dass die in Frage stehende Veranstaltung auf die Prüfungsgegenstände der Rechtsanwaltsprüfung gemäß § 13 RAPG sowie § 20 RAPG Bedacht nimmt.

 

Das Seminar gliederte sich in sechs Stunden Schadenersatzrecht, fünf Stunden Privatversicherungsrecht und eine Stunde Zivilprozessrecht.

 

Der Vortrag zum Schadenersatzrecht von Univ.-Prof. Dr. C H bein­haltete Ausführungen zu folgenden Bereichen: Prozessuale Frage zur Berich­tigung der Parteienbezeichnung, Straßenverkehrsrecht, Verkehrssicherungs­pflicht, Mitverschulden, Schutzgesetz, Schneeräumung, Wintersport, Tierhalter, Produkthaftung, Erfüllungsgehilfe und Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, Anwaltshaftpflicht, Arzthaftung, Verwahrungsvertrag, Nachbarrecht und Amtshaftung.

 

Damit wurden neben der prozessualen Frage (Prüfungsgebiet §§ 13 Z 1 und 20
Z 2 RAPG) praxisrelevante zivilrechtliche Themen erörtert, die sich fachlich dem Prüfungsgebiet „Bürgerliches Recht“ zuordnen lassen (vgl. §§ 13 Z 1 und 20 Z 1 RAPG). Dieser Vortrag hat somit im Wesentlichen prüfungsrelevantes Wissen im Fachgebiet „Bürgerliches Recht“ vermittelt.

 

Der Vortrag von Dr. W R zum Privatversicherungsrecht gliederte sich in Allgemeines Versicherungsrecht, Vermögensversicherung (Kfz-Haftpflicht­ver­sicherung, Allgemeine Haftpflichtversicherung, Rechtsschutzversicherung), Sachversicherung, Personenversicherung und Obliegenheiten. Damit wurden praxis­relevante zivilrechtliche Themen erörtert, die dem Fachbereich „Bürgerliches Recht“ zuzuordnen sind (§§ 13 Z 1 und 20 Z 1 RAPG).

 

Der dritte Teil des Seminars bestand aus einem Vortrag von
Ass.-Prof. Dr. A G zum Zivilprozessrecht, konkret wurde die Zulassungsrevision und Gesetzesbeschwerde im Zivilverfahren erörtert. Bei diesen Themen handelt es sich ebenfalls um relevantes Wissen für die Rechtsanwaltsprüfung in einem der in den §§ 13 und 20 RAPG genannten Fächern (konkret: §§ 13 Z 1 und 20 Z 2 RAPG).

 

Sämtliche referierte Themen der Veranstaltung weisen somit den von § 2 RL-RAA geforderten Bezug zu den Prüfungsfächern der Rechtsanwaltsprüfung auf.

 

IV.4. Als weitere Voraussetzung für die Anrechnung normiert § 2 Abs. 1 RL-RAA, dass die besuchten Vorträge auch der Ausbildung zum Rechtsanwalt dienen bzw. Fähigkeiten und Kenntnisse im Sinne des § 1 RAPG zu vermitteln haben.

 

IV.4.1. Wie bereits im hg. Erkenntnis vom 27. Juli 2015,
GZ: LVwG-850319/9/HW/MD, ausgeführt worden ist, spricht schon der Wortlaut des § 2 Abs. 1 RL-RAA dafür, dass für die Qualifikation einer Veranstaltung als „Ausbildungsveranstaltung“ der Umstand, dass sich die bei der Veranstaltung behandelten Themen den in den §§ 13, 20 RAPG aufgezählten Prüfungsfächern zuordnen lassen, alleine nicht ausreichend ist. Andernfalls wäre aufgrund der umfangreichen Aufzählung des § 20 RAPG nahezu jede Veranstaltung, in der juristische Fachthemen behandelt werden, anrechenbar, sofern sie eine Dauer von zumindest drei Stunden erreicht. Vielmehr kommt es auch darauf an, dass bei der in Frage stehenden Veranstaltung die für die Ausübung des Rechts­anwaltsberufes notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse im Sinne des § 1 RAPG vermittelt werden, also insbesondere die Gewandtheit bei der Einleitung und Besorgung der einem Rechtsanwalt übertragenen öffentlichen und privaten Angelegenheiten sowie die Eignung zur Abfassung von Rechtsurkunden und Rechtsgutachten sowie zum geordneten schriftlichen und mündlichen Vortrag einer Sach- und Rechtslage. Damit entspricht die Ausbildungsrichtlinie auch den Vorgaben des Gesetzgebers des RAPG, der die Ausbildungsveranstaltungen in einen Zusammenhang mit der Rechtsanwaltsprüfung stellt, indem nach § 2
Abs. 2 RAPG die Teilnahme an den für Rechtsanwaltsanwärter verbindlich vorge­sehenen Ausbildungsveranstaltungen Voraussetzung für die Ablegung der Rechts­anwaltsprüfung ist, welche wiederum die vorgenannten Fähigkeiten und Kenntnisse nachweisen soll.

 

Die gegenständlichen Vorträge können vor diesem Hintergrund daher nur dann als  Ausbildungsveranstaltung anerkannt werden, wenn sie dazu beitragen, die im § 1 RAPG beschriebenen, für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes notwen­digen Fähigkeiten und Kenntnisse zu vermitteln. Sie müssen folglich neben der rein abstrakten Vermittlung von Fachwissen auch die Umsetzung des theore­tischen Wissens in die praktische Anwendung durch den Rechtsanwalt(sanwärter) erleichtern bzw. die Behandlung von Rechtsfragen in einen Zusammenhang mit den anwaltlichen Berufsaufgaben stellen, wie der anwaltlichen Beratung, der Vertragsverfassung oder der Prozessführung (vgl. dazu Zitta, Konzept eines Ausbildungsprogrammes für die österreichischen Rechtsanwaltsanwärter,
AnwBl 1986, 516).

 

IV.4.2. Auch diese Voraussetzung ist hinsichtlich der besuchten Vorträge als erfüllt zu betrachten. Sämtliche Vorträge haben Fachwissen, insbesondere auch mit Bezug zu den beruflichen Aufgaben eines Rechtsanwaltes, durch ausreichend qualifizierte Referenten geboten. Als Zielgruppe waren in erster Linie Rechts­anwälte und Rechtsanwaltsanwärter angesprochen.

 

Der Umstand, dass ausschließlich oder vorwiegend höchstgerichtliche Judikatur zur Vermittlung des Fachwissens herangezogen wurde, schließt nach Ansicht des erkennenden Gerichtes eine Anerkennung der besuchten Veranstaltung keines­falls aus. Im Gegenteil! Diese Lehrmethode unter Einbeziehung und Besprechung der maßgeblichen Judikatur ist der Ausbildung zum Rechtsanwalt besonders dienlich und gehört zum guten Standard von praxisrelevanten Ausbildungs­veranstaltungen. Dadurch wird dem Rechtsanwaltsanwärter die Umsetzung des theoretischen Wissens in der praktischen Anwendung erleichtert und werden ihm Grundlagen für das anwaltliche Arbeiten vermittelt. Insofern geht es auch um das im Bescheid der belangten Behörde betonte sogenannte „Handwerkszeug“, das der Rechtsanwalt zur Bewältigung seiner Berufsaufgaben benötigt. Die Auslegung höchstgerichtlicher Judikatur ist für die realistische Einschätzung der Chancen auf einen Prozesserfolg im Einzelfall sehr wichtig und stellt eine für den Anwaltsberuf grundlegende Fähigkeit dar. Somit ist die Vermittlung von Fach­wissen anhand von Judikaten als wichtiger Beitrag in der Ausbildung zum Rechts­anwalt zu werten.

 

Die pauschale Ansicht der belangten Behörde, dass beim Seminar zum Schaden­ersatz- und Privatversicherungsrecht durch die ausschließliche Behandlung der Themen anhand von Judikatur des Obersten Gerichtshofes aus 2013 und 2014 nur Spezialwissen vermittelt worden sei, das nicht zu den Grundlagen des anwaltlichen Arbeitens bzw. der beruflichen Grundbildung gehöre, kann nicht geteilt werden. Ein Vortrag zum Schadenersatz- und Privatversicherungsrecht mit besonderem Bezug zur jüngeren höchstgerichtlichen Judikatur schließt nicht aus, dass damit auch Grundbildung vermittelt wird. Auch die Falllösung in der höchstgerichtlichen Judikatur beruht nicht selten auf Grundlagenwissen, weshalb nicht immer Spezialwissen erforderlich ist. Außerdem lässt sich der unscharfe Begriff „Spezialwissen“ nicht einfach nur den von der belangten Behörde angeführten Kategorien der Fortbildung (im Sinne von Erweiterung des fach­lichen Wissens sowie Anpassung an fachliche Entwicklungen) oder der Weiter­bildung (im Sinne von Spezialisierung der vorhandenen Berufsqualifikation) zuordnen. Ohne auf diese nicht unmittelbar relevante Begrifflichkeit näher eingehen zu müssen, scheint dem erkennenden Richter der von der belangten Behörde dargelegte Begriff der „Weiterbildung“ noch einigermaßen plausibel von dem der „Ausbildung“ abgrenzbar, während der vorgetragene Begriff der „Fortbildung“ diese Grenzziehung nicht zu leisten vermag, zumal das angegebene Kriterium der Erweiterung des fachlichen Wissens (inklusive der Anpassung an fachliche Entwicklungen) im Wesentlichen auch ein Ziel jeder Ausbildung über einen längeren Zeitraum, im Besonderen auch der jahrelangen Ausbildung zum Rechtsanwalt, sein wird.

 

Dass der mehrdeutige Begriff „Spezialwissen“ für sich allein kein geeignetes Unterscheidungsmerkmal sein kann, verdeutlicht schon das Seminarangebot der AWAK, das für die Ausbildung zur Vorbereitung auf die Rechtsanwaltsprüfung häufig den empfohlenen Seminartyp „special“ nennt. Im veröffentlichten Seminar­kalender von 12/2015 bis 12/2016 werden insgesamt 99 Ausbil­dungs­seminare und davon nicht weniger als 45 Seminare vom Typ „special“ angeboten. Dieser Umstand beweist schon, dass es im Rahmen des approbierten Seminarprogramms der AWAK für die Ausbildung von Rechtsanwaltsanwärtern oft um die Vermittlung von Spezialwissen und nicht bloß um Grundausbildung geht, für die wohl eher die Seminartypen „basic“, „series“ und „key qualification“ vorgesehen sind.

 

Wenn die belangte Behörde unter Ausbildung eine „breit angelegte berufliche Grundbildung“ und die Vermittlung von „für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit notwendigen fachlichen Fertigkeiten und Kenntnisse“ versteht, so besteht dagegen kein Einwand, weil diese Definition auch genügend Raum für die Vermittlung von Spezialwissen auf wichtigen Gebieten der Aus­übung des Rechtsanwaltsberufes zulässt. Dieses Verständnis von „Ausbildung“ entspricht dem aktuellen Angebot der AWAK mit zahlreichen Ausbildungs­seminaren vom Typ „special“ und ist auch mit der Begriffsbildung der belangten Behörde kompatibel, in der Kenntnisse (impliziert auch notwendige Spezial­kenntnisse!) für die Ausübung einer „qualifizierten beruflichen Tätigkeit“ gefor­dert werden.

 

Viele der im aktuellen Seminarkalender der AWAK angebotenen Ausbildungs­seminare zu ausgewählten Themen (vgl. bspw.: Verkehrsunfallanalyse, Mietrecht, Insolvenzrecht, Intellectual Property, Versicherungsvertragsrecht, Schriftsätze im Zivilprozess, Europäisches Wirtschaftsrecht, Kapitalmarktrecht, Medienrecht, Der Liegenschaftsvertrag am Beispiel Wohnungseigentum, Der Unternehmens- und Anteilskauf, Ausgewählte Materien des Exekutionsrechtes, Schwerpunkt Leistungsstörungen: Gewährleistung und Schadenersatz, Verkehrs­unfall und Schadenersatzrecht, Bilanzen lesen und verstehen etc.) werden als Seminartyp „special“ empfohlen. Es erscheint evident, dass die Seminare zu solchen Themen die Vermittlung besonderer Kenntnisse für den fortgeschrittenen Rechtsanwaltsanwärter auf wichtigen Tätigkeitsfeldern des Rechtsanwaltsberufes beinhalten und insofern auch der Erweiterung des fachlichen Grundwissens durch Erwerb von Spezialwissen dienen.

 

Nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich hat die erforder­liche Ausbildung im Sinne des § 1 RAPG zur Ausübung einer „qualifizierten“ beruflichen Tätigkeit nicht nur solides Grundwissen, sondern darüber hinaus auch Spezialkenntnisse auf wichtigen Rechtsgebieten, die für die „qualifizierte“ Aus­übung des Rechtsanwaltsberufes schlechthin bedeutsam sind, zu umfassen. Zu diesen Gebieten zählt jedenfalls neben dem Schadenersatzrecht auch das Privatversicherungsrecht (Versicherungsvertragsrecht) als besonderer Teil des „Bürgerlichen Rechtes“. Dies belegt das Seminarangebot der AWAK und gilt ungeachtet der fehlenden, aber ohnehin nicht notwendigen Nennung im RAPG als eigener Prüfungsgegenstand. Da es in der anwaltlichen Praxis im Zusammenhang mit Fragen des Schadenersatzes regelmäßig Berührungspunkte zum Versiche­rungs­vertragsrecht gibt, erscheinen ausreichende Kenntnisse des Privat­versicherungsrechtes für die „qualifizierte“ Ausübung des Rechtsanwaltsberufes unverzichtbar. Es kann daher keine Rede davon sein, dass die Inhalte des gegenständlichen Vortrages (Allgemeines Versicherungsrecht, Vermögensver­sicherung, Sachversicherung, Personenversicherung, Obliegenheiten) erst als „Weiterbildung“ im Sinne einer Spezialisierung der vorhandenen Berufs­qualifikation anzusehen sind. Der bloße Hinweis der belangten Behörde auf die Vermittlung von Spezialwissen ist keine taugliche Begründung, weil Spezial­wissen auch Gegenstand zahlreicher Ausbildungsveranstaltungen ist. Mit gutem Grund bietet die AWAK die Spezialmaterie Vertragsversicherung schon im Rahmen der Ausbildung von Rechtsanwaltsanwärtern als Seminartyp „special“ an (vgl. III.2.2.). Es gehört nämlich zum guten beruflichen Standard eines ausge­bildeten Rechtsanwaltes, im Bereich Schadenersatz und Versicherungsrecht auf dem letzten Stand zu sein.

 

Zusammengefasst steht nicht zuletzt im Hinblick auf das Seminarangebot der AWAK fest, dass nicht nur bei - im Übrigen auch für interessierte Rechts­anwaltsanwärter approbierten - Fortbildungsseminaren (vgl. unter III.2.2. und III.2.3.), sondern auch bei Ausbildungsseminaren für Rechtsanwaltsanwärter entweder Spezialmaterien (vgl. bspw.: Insolvenzrecht, Intellectual Property, Versicherungsvertragsrecht, Europäisches Wirtschaftsrecht, Medienrecht) oder zumindest Spezialfragen (bspw.: Ausgewählte Materien des Exekutionsrechtes, Schwerpunkt Leistungsstörungen: Gewährleistung und Schadenersatz, Verkehrs­unfall und Schadenersatzrecht) zu grundlegend prüfungsrelevanten Rechtsge­bieten thematisiert und unter Heranziehung von meist höchstgerichtlicher Judikatur erörtert werden (vgl. III.2.4). Die Ansicht der belangten Behörde, dass „Ausbildung“ im Wesentlichen Grund(aus)bildung sei, während Spezialwissen nur im Rahmen von „Fortbildung“ und „Weiterbildung“ des ausgebildeten Rechts­anwaltes eine Rolle spiele, erscheint schon vor dem Hintergrund des Seminar­angebotes der AWAK nicht konsistent und kann mangels einer sachlich überzeugenden Begründung nicht geteilt werden.

 

IV.5. Aus den dargelegten Gründen diente das Seminar „Schadenersatz- und Privatversicherungsrecht“, an welchem die Bfin teilgenommen hat, der Vorbe­reitung auf die Rechtsanwaltsprüfung und der Ausbildung zum Rechtsanwalt, es hat auf die Prüfungsgegenstände der Rechtsanwaltsprüfung (§§ 13 und 20 RAPG) Bedacht genommen und es wurden für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes notwendige Fähigkeiten und Kenntnisse vermittelt.

 

Gemäß § 2 Z 2 RL-RAA hat ein anrechenbarer Ausbildungshalbtag mindestens drei Stunden zu umfassen. Die von der Bfin besuchte Veranstaltung umfasste insgesamt zwölf Stunden Vortrag. Dies entspricht vier anrechenbaren Ausbil­dungs­halbtagen.

 

Im Ergebnis war der Beschwerde stattzugeben, der angefochtene Ablehnungs­bescheid aufzuheben und das von der Bfin besuchte Seminar „Schadenersatz- und Privatversicherungsrecht“ am 6. und 7. November 2014 im K in L gemäß § 3 RL-RAA als Ausbildungsveranstaltung, die den Kriterien des § 2 RL-RAA entsprochen hat, im Ausmaß von vier Ausbildungshalbtagen anzuer­kennen.

 

 

V. Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren Rechtsfragen zu lösen waren, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Zum einen liegt - soweit ersichtlich - keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage vor, ob Veranstaltungen, die Judikaturvorträge des Obersten Gerichtshofes zum Inhalt haben, als Ausbildungsveranstaltungen gemäß der RL-RAA anzuerkennen sind. Zum anderen stellt sich in Bezug auf § 26 RAO die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch nicht geklärte Frage nach der Zulässigkeit der „Abweisung“ einer Vorstellung durch das Plenum des Ausschusses einer Rechtsanwaltskammer (vgl. dazu IV.2.).

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsge­richtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsge­richtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzu­bringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungs­gericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen - von Ausnahmen (vgl. § 24 Abs. 2 VwGG und § 24 Abs. 2 VfGG) abgesehen - durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr.  W e i ß

LVwG-850401/3/Wei/BZ vom 4. Dezember 2015

 

Erkenntnis

 

Normen:

 

§ 28 Abs. 1 lit. m RAO

§§ 1, 13 und 20 Rechtsanwaltsprüfungsgesetz - RAPG

§ 2 Abs. 1 und 2 Richtlinie für die Ausbildung von Rechtsanwaltsanwärtern (Ausbildungsrichtlinie - RL-RAA)

§ 3 RL-RAA

 

* Ein primär für die Zielgruppe Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter angebotenes Seminar aus „Schadenersatz- und Privatversicherungsrecht“, in dem von ausreichend qualifizierten Referenten anhand der höchstgerichtlichen Judikatur prüfungsrelevantes Fachwissen (§§ 13 u 20 RAPG) mit Bezug zu den beruflichen Aufgaben eines Rechtsanwaltes vermittelt wird, entspricht den Kriterien des § 2 RL-RAA und ist gemäß § 3 RL-RAA als Ausbildungsveranstaltung anzuerkennen, die der Vorbereitung auf die Rechtsanwaltsprüfung und der Ausbildung zum Rechtsanwalt dient.

 

* Die Lehrmethode, Fachwissen durch Besprechung von höchstgerichtlicher Judikatur vorzutragen, ist der Ausbildung zum Rechtsanwalt besonders dienlich und gehört zum guten Standard von praxisrelevanten Ausbildungsver­an­staltungen. Dadurch wird dem Rechtsanwaltsanwärter die Umsetzung des theoretischen Wissens in der praktischen Anwendung erleichtert und werden Grundlagen für das anwaltliche Arbeiten vermittelt, die ihm auch das „Handwerkszeug“ zur Bewältigung der anwaltlichen Berufsaufgaben an die Hand geben. Die Auslegung höchstgerichtlicher Judikatur ist für die realistische Einschätzung der Chancen auf einen Prozesserfolg im Einzelfall sehr wichtig und stellt eine für den Anwaltsberuf grundlegende Fähigkeit dar.

 

* Wenn die belangte Behörde unter Ausbildung eine „breit angelegte berufliche Grundbildung“ und die Vermittlung von „für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit notwendigen fachlichen Fertigkeiten und Kenntnisse“ versteht, so besteht dagegen kein Einwand, weil diese Definition auch genügend Raum für die Vermittlung von Spezialwissen auf wichtigen Gebieten der Ausübung des Rechtsanwaltsberufes zulässt. Dieses Verständnis von „Ausbil­dung“ entspricht dem aktuellen Angebot der AWAK mit zahlreichen Ausbildungs­seminaren vom Typ „special“ und ist auch mit der Begriffsbildung der belangten Behörde kompatibel, in der Kenntnisse (impliziert auch notwendige Spezial­kenntnisse!) für die Ausübung einer „qualifizierten beruflichen Tätigkeit“ gefordert werden.

 

* Nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich hat die erforder­liche Ausbildung im Sinne des § 1 RAPG zur Ausübung einer „qualifizierten“ beruflichen Tätigkeit nicht nur solides Grundwissen, sondern darüber hinaus auch Spezialkenntnisse auf wichtigen Rechtsgebieten, die für die „qualifizierte“ Ausübung des Rechtsanwaltsberufes schlechthin bedeutsam sind, zu umfassen. Zu diesen Gebieten zählt jedenfalls neben dem Schadenersatzrecht auch das Privatversicherungsrecht (Versicherungsvertragsrecht) als besonderer Teil des „Bürgerlichen Rechtes“. Dies belegt das Seminarangebot der AWAK und gilt ungeachtet der fehlenden, aber ohnehin nicht notwendigen Nennung im RAPG als eigener Prüfungsgegenstand. Da es in der anwaltlichen Praxis im Zusammenhang mit Fragen des Schadenersatzes regelmäßig Berührungspunkte zum Versiche­rungs­vertragsrecht gibt, erscheinen ausreichende Kenntnisse des Privatver­sicherungsrechtes für die „qualifizierte“ Ausübung des Rechtsanwaltsberufes unverzichtbar. Es kann daher keine Rede davon sein, dass die Inhalte des gegenständlichen Vortrages (Allgemeines Versicherungsrecht, Vermögensver­sicherung, Sachversicherung, Personenversicherung, Obliegenheiten) erst als „Weiterbildung“ im Sinne einer Spezialisierung der vorhandenen Berufs­qualifikation anzusehen sind. Der bloße Hinweis der belangten Behörde auf die Vermittlung von Spezialwissen ist keine taugliche Begründung, weil Spezialwissen auch Gegenstand zahlreicher Ausbildungsveranstaltungen ist. Mit gutem Grund bietet die AWAK die Spezialmaterie Vertragsversicherung schon im Rahmen der Ausbildung von Rechtsanwaltsanwärtern als Seminartyp „special“ an. Es gehört nämlich zum guten beruflichen Standard eines ausgebildeten Rechtsanwaltes, im Bereich Schadenersatz und Versicherungsrecht auf dem letzten Stand zu sein.

 

 

Schlagwörter:

 

Ausbildungsveranstaltung; Rechtsanwälte; Seminarinhalt; Anrechenbarkeit

Beachte:

Die Revision wurde zurückgewiesen.

VwGH vom 21. März 2016, Zl.: Ro 2016/03/0006-4