LVwG-400142/2/Gf/Mu

Linz, 22.12.2015

I M  N A M E N  D E R  R E P U B L I K !

 

 

 

Das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich hat durch seinen Einzelrichter Dr. Alfred Grof über die Beschwerde der N D, vertreten durch RA Mag. R S, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 4. November 2015, Zl. 0050726/2014, wegen einer Übertretung des Bundesstraßenmautgesetzes

 

 

 

z u  R e c h t  e r k a n n t:

 

 

 

I. Der Beschwerde wird gemäß § 50 VwGVG stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 17 VwGVG i.V.m. § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG eingestellt.

 

II. Die Beschwerdeführerin hat gemäß § 52 Abs. 8 und 9 VwGVG weder einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag zum Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich zu leisten.

 

III. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß § 25a VwGG nicht zulässig.

 


 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

 

I.

 

Gang des Behördenverfahrens

 

 

1. Mit Strafverfügung des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 11. November 2014, Zl. 0050726/2014, wurde über die Beschwerdeführerin eine Geldstrafe von 300 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 34 Stunden) verhängt, weil sie am 27. Juli 2014 ein KFZ mit einem Gesamtgewicht von nicht mehr als 3,5 Tonnen gelenkt und mit diesem die Autobahn A 1 benutzt habe, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben; dies deshalb, weil „am Fahrzeug keine gültige Mautvignette angebracht“ gewesen sei. Dadurch habe sie eine Übertretung der §§ 10 und 11 des Bundesstraßen-Mautgesetzes, BGBl I 109/2002 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl I 99/2013 (im Folgenden: BStMG), begangen, weshalb sie nach § 20 Abs. 1 BStMG zu bestrafen gewesen sei.

 

2. Dagegen hat die Beschwerdeführerin mit Telefax vom 10. Dezember 2014 rechtzeitig Einspruch erhoben und darin vorgebracht, dass sie eine gültige Mautvignette verwendet habe.

 

Durch diesen Einspruch wurde die angefochtene Strafverfügung ex lege (vgl. § 49 Abs. 2 VStG) aus dem Rechtsbestand eliminiert.

 

3. Mit Schriftsatz vom 20. Jänner 2015, Zl. 770012014072710464151, hat die ASFINAG dazu ausgeführt, dass diese Vignette insofern nicht ordnungsgemäß an der Windschutzscheibe angebracht gewesen sei, als sie zuvor – wie auf dem von der Überwachungskamera angefertigten Foto ersichtlichen schwarzen Kreuz erkennbar ist – nicht von der Trägerfolie abgelöst wurde.

 

4. Dagegen hat die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 29. Jänner 2015 eingewendet, dass die Delegation zur Schaffung von verwaltungsstrafrechtlich relevanten Tatbeständen an eine Privatperson – konkret: dass die ASFINAG detailliert festlegen kann, unter welchen Voraussetzungen eine ordnungsgemäße Vignettenanbringung vorliegt – rechtlich unzulässig sei. Im Übrigen sei die von der Rechtsmittelwerberin verwendete Vignette gültig gewesen.

 

5. In der Folge wurde über die Beschwerdeführerin mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 4. November 2015, Zl. 0050726/2014, eine Geldstrafe von 200 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 22 Euro) verhängt, weil sie am 27. Juli 2014 ein KFZ mit einem Gesamtgewicht von nicht mehr als 3,5 Tonnen gelenkt und mit diesem die Autobahn A 1 benutzt habe, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben; dies deshalb, weil sich „auf der Windschutzscheibe ..... eine – grundsätzlich gültige – Jahresvignette 2014, welche jedoch nicht gänzlich von der Trägerfolie abgelöst, sohin nicht ordnungsgemäß ..... angebracht“ gewesen sei. Dadurch habe sie eine Übertretung der §§ 10 und 11 BStMG begangen, weshalb sie nach § 20 Abs. 1 BStMG zu bestrafen gewesen sei.

 

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass diese Übertretung auf Grund des von der Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens als erwiesen anzusehen sei.

 

Im Zuge der Strafbemessung seien die bisherige Unbescholtenheit der Rechtsmittelwerberin, die Verwendung einer grundsätzlich gültigen Vignette und die lange Verfahrensdauer als mildernd zu werten gewesen, während Erschwerungsgründe nicht hervorgekommen seien. 

 

6. Gegen dieses ihr am 11. November 2015 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die gegenständliche, am 18. November 2015 – und damit rechtzeitig – per Telefax eingebrachte Beschwerde.

 

Darin wir zum einen das Vorbringen im Einspruch wiederholt sowie geltend gemacht, dass einerseits nicht nachvollziehbar sei, ob die verfahrensgegenständlich maßgebliche Mautordnung (Version 39) vor deren Kundmachung überhaupt vom Bundesminister für Verkehr genehmigt worden und andererseits in dieser der Tatbestand der „nicht ordnungsgemäßen Anbringung“ nicht hinreichend determiniert sei.

 

Daher wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt.

 

7. Der Magistrat der Stadt Linz hat diese Beschwerde samt Bezug habendem Akt mit Schreiben vom 7. Dezember 2015, Zl. 0050726/2014, dem Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich vorgelegt; von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung hat die belangte Behörde abgesehen. 

 

 


 

II.

 

Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich

und Zulässigkeit der Beschwerde

 

 

1. Die vorliegende, auf Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG gegründete Beschwerde richtet sich gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde und wurde innerhalb der Vier-Wochen-Frist des § 7 Abs. 4 VwGVG bei der belangten Behörde eingebracht; da der Inhalt dieser Beschwerde den Anforderungen des § 9 VwGVG entspricht und auch sonstige Prozesshindernisse nicht vorliegen, ist sie insgesamt als zulässig zu qualifizieren.

 

2. Weil diesbezüglich weder im BStMG noch im VwGVG Abweichendes angeordnet ist, hatte das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich im vorliegenden Fall gemäß Art. 135 Abs. 1 B‑VG durch seinen nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter zu entscheiden.

 

 

 

III.

 

Sachverhaltsermittlung und Beweiswürdigung

durch das Verwaltungsgericht

 

 

Das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Magistrates der Stadt Linz zu Zl. 0050726/2014; da sich bereits aus diesem in Verbindung mit dem Parteienvorbringen der oben unter I. dargestellte entscheidungswesentliche Sachverhalt – der im Übrigen zwischen den Verfahrensparteien nicht strittig ist – feststellen ließ, konnte von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

 

 

IV.

 

Rechtliche Beurteilung

 

 

In der Sache selbst hat das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich erwogen:

 

1. Nach § 20 Abs. 1 i.V.m. § 10 Abs. 1 BStMG begeht derjenige eine Verwal-tungsübertretung und ist hierfür mit einer Geldstrafe von 300 Euro bis zu 3.000 Euro zu bestrafen, der als Lenker eines Kraftfahrzeuges, dessen höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt, die zeitabhängige Maut nicht ordnungsgemäß entrichtet.

 

Gemäß § 11 Abs. 1 BStMG haben Lenker solcher KFZ die zeitabhängige Maut vor der Benützung von Mautstrecken durch Anbringen einer Mautvignette i.S.d. § 11 Abs. 2 BStMG am Fahrzeug zu entrichten, wobei die näheren Bestimmungen über die Beschaffenheit der Mautvignetten, über ihre Anbringung an den Fahrzeugen und über das Mitführen der Mautvignetten an Stelle der Anbringung in der Mautordnung getroffen sind.

 

Nach Punkt 7 der Mautordnung[1] ist vor Benützung des mautpflichtigen Straßennetzes an jedem mautpflichtigen Kraftfahrzeug eine gültige der jeweiligen Fahrzeugkategorie entsprechende Vignette ordnungsgemäß (unter Verwendung des originären Vignettenklebers) anzubringen. Jede andere Art der Anbringung (z.B. durch [zusätzliche] Klebestreifen, andere Arten von Fixierungen oder ein Überkleben der Vignette mit einer zusätzlichen Schutzfolie) ist nicht gestattet und verwirkt den Nachweis der ordnungsgemäßen Mautentrichtung; die Vignette für mehrspurige Fahrzeuge ist – nach vollständigem Ablösen von der Trägerfolie – unbeschädigt und direkt so auf die Innenseite der Windschutzscheibe anzukleben, dass sie von außen gut sicht- und kontrollierbar ist.

 

2. Im gegenständlichen Fall wurde der Beschwerdeführerin in der Strafverfügung vom 11. November 2014 spruchmäßig noch angelastet, dass „am Fahrzeug keine gültige Mautvignette angebracht“ gewesen sei.

 

Dies traf jedoch nicht zu, weil es sich bei der von der Rechtsmittelwerberin verwendeten Vignette – wie sich aus den im Akt erliegenden Fotos ergibt – um eine Jahresvignette für das Jahr 2014 handelte, die somit am Vorfallstag (27. Juli 2014) noch gültig war.

 

3. Mit dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis vom 4. November 2015, Zl. 0050726/2014, wurde die Tatanlastung dahin modifiziert, dass sich „auf der Windschutzscheibe ..... eine – grundsätzlich gültige – Jahresvignette 2014“ befunden habe, „welche jedoch nicht gänzlich von der Trägerfolie abgelöst, sohin nicht ordnungsgemäß ..... angebracht“ gewesen sei.

 

Diese Spruchfestlegung erweist sich nunmehr zwar als rechtmäßig.

 

Im Ergebnis erfolgte jedoch dadurch eine Auswechslung der Tat, die jedoch – bezogen auf den Vorfallszeitpunkt (27. Juli 2014) – außerhalb der einjährigen Verjährungsfrist des § 31  Abs. 2 VStG vorgenommen wurde. 

 

Somit erweist sich das Straferkenntnis aber als objektiv rechtswidrig.

 

4. Der gegenständlichen Beschwerde war daher gemäß § 50 VwGVG schon aus diesem Grund stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und nach § 17 VwGVG i.V.m. § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens zu verfügen.

 

5. Bei diesem Verfahrensergebnis hat die Beschwerdeführerin gemäß § 52 Abs. 8 und 9 VwGVG weder einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag zum Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich zu leisten.

 

 

 

V.

 

Revision an den Verwaltungsgerichtshof

 

 

Eine ordentliche Revision ist nicht zulässig, weil im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt.

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

 

Gegen dieses Erkenntnis kann eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Eine solche Beschwerde ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

Gegen dieses Erkenntnis kann innerhalb derselben Frist auch eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden, die durch einen bevollmächtigen Rechtsanwalt abzufassen und beim Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich einzubringen ist; die Eingabegebühr von 240 Euro ist hingegen unmittelbar an den Verwaltungsgerichtshof zu entrichten.

 


 

 

           

 

 

Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich

 

 

Dr.  G r o f

 



[1] In der hier maßgeblichen Version 39.