LVwG-600989/2/FP/Bb

Linz, 14.12.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Pohl über die Beschwerde des J M, geb. x, S, S, vertreten durch x Rechtsanwaltssocietät K M, S, P, vom 7. August 2015 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 9. Juli 2015, GZ VerkR96-2670-2015-Hol, wegen Übertretung des § 8b  Abs. 4 der Kraftfahrgesetz-Durchführungsverordnung (KDV),

 

zu Recht  e r k a n n t :

 

 

I.          Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde insofern Folge gegeben, als gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs. 1 Z 4 VStG von der Verhängung einer Strafe abgesehen und der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens ermahnt wird.

 

II.         Der Beschwerdeführer hat weder einen Beitrag zu den Kosten des behördlichen Verfahrens (§ 66 Abs. 1 VStG) noch einen Beitrag zum  Beschwerdeverfahren zu leisten (§ 52 Abs. 9 VwGVG).

 

III.        Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

 

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

 

I.1. Der Bezirkshauptmann von Schärding (im Folgenden: belangte Behörde) warf J M (Beschwerdeführer - im Folgenden: Bf) mit Straferkenntnis vom 9. Juli 2015, GZ VerkR96-2670-2015-Hol, die Begehung einer Verwaltungsübertretung nach § 134 Abs. 1 KFG iVm § 8b Abs. 4 KDV vor und verhängte über ihn gemäß § 134 Abs. 1 KFG eine Geldstrafe in Höhe von 40 Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von 8 Stunden. Weiters wurde dem Bf von der belangten Behörde gemäß § 64 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 10 Euro auferlegt.

 

Dem Schuldspruch liegt folgender Tatvorwurf zugrunde (auszugsweise Wiedergabe):

 

„Sie haben am 10.04.2015 um 11.15 Uhr den LKW der Marke Daimler Chrysler 950.03 (Handelsbezeichnung 1831LL) mit dem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von 17.990 kg, einer Bauartgeschwindigkeit von 107 km/h, einer Motorleistung von 230 kW, einem Fahrgeräusch von 80 dB (A) und dem amtlichen österreichischen Kennzeichen RI-x im Gebiet der Gemeinde Niederwaldkirchen im Freiland auf der B 127 Rohrbacher Straße bis auf Höhe des Straßenkm 30,300 aus Fahrtrichtung Linz kommend in Fahrtrichtung St. Martin im Mühlkreis gelenkt und dabei den Sie dort im Zuge einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle anhaltenden Bundespolizeiorganen der Polizeiinspektion Rohrbach auf deren Verlangen kein vom Hersteller oder dessen Bevollmächtigten im Zulassungsstaat ausgestelltes Formblatt gemäß Anlage 1h der KDV 1967 durch ein Gutachten eines Sachverständigen gemäß § 125 KFG, eines Ziviltechnikers, eines technischen Büros-Ingenierbüros, eines technischen Diensts oder der Zulassungsbehörde des jeweiligen Zulassungsstaates nachgewiesen und diese Übereinstimmung bestätigt wurde, zur Überprüfung ausgehändigt, da Sie auf der oben beschriebenen Fahrt kein derartiges Formblatt mitgeführt haben, wodurch Sie eine Übertretung des § 8b Abs. 4 KDV 1967 gesetzt haben.“

 

Die belangte Behörde stützte ihre Entscheidung auf die Ausführungen der polizeilichen Anzeige vom 11. April 2015 und die Tatsache, dass der Bf in seinen Eingaben vom 30. April 2015 und 9. Juli 2015 diesen Angaben im Hinblick auf die Nichtaushändigung der Bestätigung nicht widersprochen habe. Die verhängte Geldstrafe wurde unter Hinweis auf § 19 VStG, der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit und den geschätzten Einkommensverhältnissen des Bf begründet.

 

I.2. Gegen dieses Straferkenntnis, zugestellt am 13. Juli 2015, erhob der Bf durch seine ausgewiesenen Rechtsvertreter mit Schriftsatz vom 7. August 2015, bei der belangten Behörde eingelangt am 12. August 2015, rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde, mit welchem die Aufhebung des Straferkenntnisses und die Verfahrenseinstellung, in eventu der Ausspruch einer Ermahnung begehrt wurden.

 

Begründend wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass die konkrete Fahrt und anschließende Anhaltung am 10. April 2015 um 11.15 Uhr, außerhalb des Nachtfahrverbotes erfolgt seien und daher für ihn keine Verpflichtung bestanden habe, eine Bestätigung gemäß § 8b Abs. 4 KDV mitzuführen. Anlässlich der Fahrt am 26. März 2015 habe er das Lärmzertifikat mitgeführt, warum sich dieses bei der Anhaltung am 10. April 2015 nicht im Lkw befunden habe, sei für ihn nicht nachvollziehbar. Es hätten zwischenzeitlich auch andere Personen des Dienstgebers diesen Lkw gelenkt bzw. an diesem Arbeiten vorgenommen.

 

I.3. Die belangte Behörde hat die Beschwerde dem Landesverwaltungsgericht mit Vorlageschreiben vom 12. August 2015 unter Anschluss des Verwaltungsstrafaktes mit der GZ VerkR96-2670-2015-Hol, zur Entscheidung vorgelegt, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu fällen.   

 

Mit der Aktenvorlage wurde die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung begründet (Art. 130 Abs. 1 Z 1 iVm Art. 131 Abs. 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art. 135 Abs. 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

 

 

II.1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt und das Beschwerdevorbringen.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte Abstand genommen werden, da der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt aufgrund der Aktenlage hinreichend geklärt vorliegt, im angefochtenen Straferkenntnis eine 500 Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde und der anwaltlich vertretene Bf trotz entsprechender Belehrung in der Rechtsmittelbelehrung des Straferkenntnisses keine Verhandlung beantragt hat (§ 44 Abs. 3 Z 3 VwGVG). Überdies war ausschließlich eine Rechtsfrage zu beurteilen.

 

 

II.2. Folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt steht fest:

 

Der Bf lenkte am 10. April 2015 um 11.15 Uhr den Lkw, Daimler Chrysler 1831 LL, mit dem behördlichen Kennzeichen RI-x, im Gemeindegebiet von Niederwaldkirchen auf der Rohrbacher Straße (B 127) Richtung St. Martin im Mühlkreis.

 

Im Rahmen einer polizeilichen Kontrolle auf Höhe Strkm 30,300 stellten Exekutivorgane der Polizeiinspektion Rohrbach fest, dass der gelenkte Lkw als lärmarmes Kraftfahrzeug im Sinne des § 8b Abs. 1 KDV ausgewiesen war, jedoch ein Lärmarmzertifikat gemäß § 8b Abs. 4 KDV vom Bf anlässlich der konkreten Fahrt nicht mitgeführt wurde.

 

Laut Zulassungsschein wies der Lkw ein höchstes zulässiges Gesamtgewicht von 17.990 kg auf, die Bauartgeschwindigkeit betrug 107 km/h, die Motorleistung 230 kW und das Fahrgeräusch 80 dB (A).

 

II.3. Beweiswürdigung:

 

Dieser dargestellte Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus dem Inhalt des behördlichen Verfahrensaktes und ist in dieser Form durch den Bf unbestritten. Der Bf bestreitet insbesondere nicht, eine Bestätigung gemäß § 8b Abs. 4 KDV zur fraglichen Tatzeit nicht mitgeführt zu haben, stellt jedoch die Pflicht zum Mitführen einer solchen im Rahmen der verfahrensgegenständlichen Fahrt in Frage.

 

 

III. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat in rechtlicher Hinsicht hierüber erwogen:

 

III.1. Als lärmarmes Kraftfahrzeug gilt gemäß § 8b Abs. 1 KDV ein Kraftwagen mit einer Bauartgeschwindigkeit von mehr als 50 km/h und einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3.500 kg, bei dem

1.   der A-bewertete Schallpegel des Fahrgeräusches und des Motorbrems-geräusches, gemessen nach der Anlage 1g, nicht übersteigt:

a)   bei einer Motorleistung, die 150 kW nicht überschreitet 78 dB (A)

b)   bei einer Motorleistung, die 150 kW überschreitet 80 dB (A);

2.   der höchste Wert des Schallpegels des Druckluftgeräusches, gemessen nach der Anlage 1g, 72 dB (A) nicht überschreitet.

 

Nach § 8b Abs. 2 KDV ist die Erfüllung der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 durch ein Gutachten eines Sachverständigen gemäß § 125 KFG, eines Ziviltechnikers, eines technischen Büros-Ingenieurbüros, eines technischen Dienstes oder der Zulassungsbehörde des jeweiligen Zulassungsstaates auf einem Formblatt gemäß Anlage 1h nachzuweisen. Für Fahrzeuge, die hinsichtlich der lärmrelevanten Teile mit dem gemessenen Fahrzeug übereinstimmen, ist diese Übereinstimmung vom Hersteller oder dessen Bevollmächtigten im Zulassungsstaat in einem Formblatt gemäß Anlage 1h zu bestätigen. (...)

 

Gemäß § 8b Abs. 4 KDV ist zum Nachweis der Voraussetzungen gemäß  Abs. 1 (lärmarmes Kraftfahrzeug) die Bestätigung des Herstellers oder seines Bevollmächtigten im Zulassungsstaat gemäß Abs. 2 auf Fahrten mitzuführen und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder der Straßenaufsicht auf Verlangen zur Überprüfung auszuhändigen. Die Behörde und die ihr zur Verfügung stehenden Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes können gemäß § 58 Abs. 2 und 3 KFG jederzeit überprüfen, ob die Voraussetzungen gemäß  Abs. 1 erfüllt sind.

 

III.2. Dem Bf kann nicht beigepflichtet werden, wenn er vermeint, es habe außerhalb des Nachtfahrverbotes keine Verpflichtung zum Mitführen eines Lärmarmzertifikates bestanden, ergibt sich doch aus dem Wortlaut der Verordnungsbestimmung des § 8b Abs. 4 KDV eindeutig (arg.: „... ist auf Fahrten mitzuführen und ... vorzuweisen“), dass die Bestätigung zum Nachweis, dass es sich bei dem verwendeten Fahrzeug tatsächlich um ein lärmarmes Fahrzeug gemäß § 8b KDV handelt, auf Fahrten mitzuführen und auf entsprechendes Verlangen den Straßenaufsichtsorganen auszuhändigen ist. § 8b Abs. 4 KDV kann eine Mitführpflicht des Dokumentes nur anlässlich von Fahrten im Rahmen des Nachtfahrverbotes gemäß § 42 Abs. 6 StVO nicht entnommen werden.

 

Bei § 8 Abs. 4 KDV handelt es sich um eine Ordnungsvorschrift, deren Zweck zwar primär und hauptsächlich die Überprüfbarkeit der Einhaltung des Nachtfahrverbotes, ist, die daneben jedoch die Kontrollierbarkeit einer besonderen Eigenschaft des jeweiligen Fahrzeuges bezweckt. So hat diese Vorschrift, u.a. den Zweck, die Kontrolle, ob das Fahrzeug eine allenfalls angebrachte Tafel „L“ zu Recht trägt oder zum Zeitpunkt der Überprüfung tatsächlich immer noch lärmarm ist, möglich zu machen (arg. „Zum Nachweis der Voraussetzungen...“). Letzteres ergibt sich im Übrigen aus Abs. 3 leg. cit. der eine zweijährliche Überprüfung im Hinblick auf die Lärmarmut vorsieht. Das Gesetz geht also davon aus, dass sich die Geräuschentwicklung, etwa aufgrund altersbedingter Veränderungen am Fahrzeug (Verschleiß) ändern kann. Es ergibt sich auch im Hinblick auf § 58 Abs. 2 KFG, dass eine Überprüfung zu jeder Zeit stattfinden kann und ein Verstoß gegen die Verwaltungsvorschrift vorliegt, wenn bei einer Fahrt, das Dokument nicht mitgeführt wird.

 

Zuzugestehen ist dem Bf, dass der wesentliche Zweck der Norm in der Überprüfung der Einhaltung des Nachtfahrverbotes liegt und demnach das  „Nicht-Mitführen“ am Tag eine deutlich geringere Eingriffswirkung in das geschützte Rechtsgut entfaltet, weil dann kein Verstoß gegen das Nachtfahrverbot denkbar ist. Dies ist im Rahmen der Strafbemessung zu berücksichtigen.  

 

Eine Übertretung nach § 8b Abs. 4 KDV wird sohin dann begangen, wenn das gelenkte Fahrzeug gemäß § 8b Abs. 1 KDV lärmarm ist und die betreffende Bestätigung hiefür auf der Fahrt nicht mitgeführt wird (vgl. z. B. auch UVS Steiermark 11. Juli 2002, 30.9-165/2001).

 

Der Bf hat also objektiv eine Übertretung nach § 8b Abs. 4 KDV verwirklicht.

 

Da auch keine Umstände hervorgekommen sind, welche den Bf subjektiv entlasten hätten können, war gemäß § 5 Abs. 1 VStG zumindest von fahrlässigem Verhalten auszugehen. Mangelndes Verschulden (§ 5 Abs. 2 VStG) konnte der Bf mit seiner Verantwortung nicht glaubhaft machen. Vom Lenker eines LKW (Schwerverkehr) muss bei Zugrundelegung eines allgemein gültigen Sorgfaltsmaßstabes in besonderem Maße erwartet werden, dass er jene  Dokumente mitführt, die nach dem Gesetz mitzuführen sind und, dass er sich vor Durchführung einer Transportfahrt vom Vorhandensein dieser Dokumente überzeugt.

 

Der Bf hat daher die Verwaltungsübertretung auch subjektiv zu vertreten.

 

Der vom Bf kritisierte Umstand, dass die Polizei nicht explizit ein Nichtmitführen des Lärmarmzertifikates am 10. April 2015 zur Anzeige gebracht hat ist dabei unerheblich, zumal die Bezirkshauptmannschaft als Behörde nach dem VStG nicht an die rechtliche Beurteilung in der Anzeige der Polizei gebunden ist. Aus dem Akt und nunmehr auch aus dem Vorbringen des Bf selbst, ergibt sich, dass er das Zertifikat bei seiner Fahrt am 10. April 2015 nicht mitgeführt hat, sodass die belangte Behörde zur Verfolgung dieses Verstoßes berechtigt war.

 

III.3.  Gemäß § 19 Abs. 1 VStG iVm § 38 VwGVG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

 

Gemäß § 19 Abs. 2 VStG iVm § 38 VwGVG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Die bezughabende Strafbestimmung des § 134 Abs. 1 KFG sieht für Zuwiderhandlungen gegen aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen einen Strafrahmen bis zu 5.000 Euro, ersatzweise eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen, vor.

 

Die belangte Behörde ist bei der Bemessung der Strafe von einem monatlichen Einkommen des Bf in Höhe von 1.500 Euro, keinem Vermögen und keinen Sorgepflichten ausgegangen. Der Bf hat diesen angenommenen Bemessungsgrundlagen nicht widersprochen, sodass diese Annahmen auch der Beschwerdeentscheidung zugrunde gelegt werden konnten.

 

Nach verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung ist dann mit einer Einschätzung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse vorzugehen, wenn der Beschuldigte im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens Angaben über diese Umstände verweigert. Er hat es diesem Fall seiner unterlassenen Mitwirkung zuzuschreiben, sollte die Behörde über diese Einschätzung zu seinem Nachteil Umstände unberücksichtigt gelassen haben, die ohne seine Mitwirkung der Behörde nicht zur Kenntnis gelangen konnten (VwGH 22. April 1992, 92/03/0019, 21. Jänner 2012, 2009/05/0123).

 

Gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind. Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.

 

Der Bf ist bislang verwaltungsstrafrechtlich unbescholten. Diese Tatsache stellt einen wesentlichen Strafmilderungsgrund dar. Straferschwerungsgründe lagen nicht vor und es sind auch keine Umstände bekannt, dass die vorgeworfene Verwaltungsübertretung konkrete negative Folgen nach sich gezogen hätte.

 

Wie weiter oben dargestellt wurde, bezweckt die gegenständliche Bestimmung in erster Linie die Erleichterung von Kontrollen im Hinblick auf das Nachtfahrverbot. Eine Feststellung, ob Lkw vom Nachtfahrverbot ausgenommen sind, soll für die Sicherheitsbehörden leicht möglich sein um vor allem schnell und ohne aufwändige technische Prüfung die Einhaltung des Nachtfahrverbotes durchsetzen zu können.

Am Tag dient die Vorschrift (als bloße Ordnungsvorschrift) primär der vorausschauenden Kontrolle, auch im Hinblick auf das Führen des „L“-Schildes und ggf. die Zulassungsvorschriften.

 

Es ergibt sich im Hinblick auf die Folgen der Tat, dass der Eingriff in das geschützte Rechtsgut am Tag wesentlich geringer ist, als etwa in der Nacht. Letztendlich hatte der Bf ein Dokument nicht bei sich, welches im Wesentlichen dazu dienen soll, festzustellen, ob er gegen das Nachtfahrverbot verstößt bzw. ob das Kraftfahrzeug eine bestimmte behauptete Eigenschaft tatsächlich aufweist, die am Tag jedoch irrelevant ist. Zumal die Fahrt am Tag stattfand und eine solche auch mit einem nicht lärmarmen LKW zulässig gewesen wäre, ist von keiner Beeinträchtigung geschützter Interessen im Hinblick auf den Lärmschutz auszugehen. Die Tat des Bf erschöpft sich daher darin, gegen eine Formalvorschrift verstoßen zu haben, deren Bedeutung als gering einzustufen ist.     

 

Dem Bf kann auch geringes Verschulden attestiert werden. Er hat ein Dokument, das er mitzuführen gehabt hätte, welches aber im Hinblick auf die Tageszeit nur von geringer Bedeutung war, nicht bei sich gehabt. Es konnte daher – auch im Hinblick auf die Unbescholtenheit des Bf – gerade noch von der Verhängung einer Strafe abgesehen und eine Ermahnung ausgesprochen werden.

 

Die Erteilung einer Ermahnung erscheint ausreichend, um den Bf auf die Bedeutung der verletzten Verwaltungsvorschrift hinzuweisen und ihn in Zukunft im Hinblick auf das Mitführen des entsprechenden Lärmarmzertifikates zu mehr Sorgfalt anzuhalten.

 

III.4. Aufgrund der Verhängung einer Ermahnung im Sinne des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG entfällt gemäß § 66 Abs. 1 VStG die Verpflichtung des Bf zur Leistung eines Kostenbeitrages für das Verfahren vor der belangten Behörde als auch gemäß    § 52 Abs. 9 VwGVG für das Beschwerdeverfahren.

 

 

 

IV. Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Soweit ersichtlich, fehlt eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu § 8b Abs. 4 KDV und zwar insbesondere zur Frage, ob ein Lärmarmzertifikat auch am Tag mitzuführen ist.

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

 

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

    

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

 

Mag.  P o h l

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

LVwG-600989/2/FP/Bb vom 14. Dezember 2015

 

 

Erkenntnis

 

Norm:

§ 8b KDV

 

Rechtssatz:

 

Bei § 8b Abs. 4 KDV handelt es sich um eine Ordnungsvorschrift, deren Zweck primär und hauptsächlich die Überprüfbarkeit der Einhaltung des Nachtfahrverbotes ist.

 

Daneben bezweckt die Bestimmung jedoch auch die Kontrollierbarkeit einer besonderen Eigenschaft des jeweiligen Fahrzeuges, nämlich seiner Lärmarmut, also etwa, ob das Fahrzeug eine allenfalls angebrachte Tafel „L“ zu Recht trägt oder zum Zeitpunkt der Überprüfung tatsächlich (immer noch) lärmarm ist.

 

Es ergibt sich in Einklang mit der Formulierung des § 8b Abs 4 KDV, dass das Lärmarmzertifikat bei Fahrten mit lärmarmen LKW nicht nur während der Zeit des Nachtfahrverbotes, sondern generell mitzuführen ist.

 

 

Beschlagwortung:

 

Lärmarme LKW; Nachtfahrverbot; Zertifikat; Mitnahmepflicht; Mitführungspflicht