LVwG-601125/2/Br

Linz, 27.11.2015

I M  N A M E N  D E R  R E P U B L I K

 

 

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erkennt durch seinen Richter Mag. Dr. H. Bleier über die Beschwerde des E B, geb. x 1946, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. J P,  gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn, vom 10. November 2015, GZ: VerkR96-5646-2015-Vku, nach der am 27.11.2015 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung,

 

zu Recht:

 

 

 

I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde mit der Maßgabe statt gegeben, als der Absatz 4 des § 19 StVO zu entfallen hat und als Strafnorm der § 99 Abs.3 lit.a. StVO zur Anwendung gelangt.

Die ausgesprochene Geld- u. Ersatzstrafe wird jedoch bestätigt.

 

 

II. Gemäß § 52 Abs.8 VwGVG entfallen Kosten für das Beschwerdeverfahren.

 

 

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

 

I. Die Behörde hat mit dem o. a. Straferkenntnis wider den Beschwerdeführer   wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 19 Abs.7 iVm § 19 Abs.4, Abs.1 lit.a u. § 99 Abs.2c Z5 StVO 1960 eine Geldstrafe in Höhe von 200 Euro und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 96 Stunden ausgesprochen. Wider ihn wurde folgender Tatvorwurf erhoben:

Sie haben als wartepflichtige(r) Lenkerin des angeführten Fahrzeuges durch Kreuzen auf der Kreuzung vor der sich das Vorschriftszeichen HALT befindet einem im Vorrang befindlichen Fahrzeug den Vorrang nicht gegeben und dieses dadurch zu unvermitteltem Ablenken genötigt und ist es dadurch zu einer Gefährdung der Verkehrssicherheit gekommen.

Tatort: Gemeinde Pischelsdorf am Engelbach, Landesstraße Freiland, Kreuzungsbereich

L 503 / L 1025, Richtung Unterimprechting, L 503 bei km 38.140.

Tatzeit: 20.07.2015, 17:10 Uhr.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt: § 19 Abs. 7 i.V.m. § 19 Abs.4 StVO

Fahrzeug: Kennzeichen x, PKW, Mercedes-Benz S 320 CDI 4 Matic, schwarz.“

 

 

II. Begründend wurde von der belangten Behörde folgendes ausgeführt:

Mit Strafverfügung vom 23.9.2015, Zahl VerkR96-5646-2015-Vku, der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn wurden Sie wegen einer Übertretung nach § 19 Abs.7 iVm. Abs.4 StVO, mit einer Geldstrafe von 200,00 Euro bestraft.

Gegen diese Strafverfügung haben Sie unter anwaltschaftlicher Vertretung innerhalb offener Frist Einspruch erhoben.

Nach Akteneinsicht wurde Ihr rechtsfreundlicher Vertreter mit Schreiben vom 13.10.2015 aufgefordert, Ihre Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse bekannt zu geben.

Mit Schreiben vom 15.10.2015 rechtfertigten Sie sich sinngemäß dahingehend, dass

     die Staatsanwaltschaft schweres Verschulden/grobe Fahrlässigkeit angenommen hätte, wenn Sie das dortige Haltezeichen missachtet hätten, was aber nicht der Fall war, weswegen die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen Sie eingestellt hat.

     nach dem Sie vor der Kreuzung angehalten haben und erst dann losfuhren, kein schweres Verschulden vorliegt und auch keine Verletzung des „Halte-Zeichens", des Vorschriftszeichens nach § 52 lit. cZ,24 StVO vorliegt.

     nach dem Sie vor der Kreuzung angehalten haben, kein Vormerkdelikt vorliegt.

Dass Sie eine Vorrangverletzung zu verantworten haben, bestritten Sie nicht.

Sie ersuchten daher die Behörde von einer Eintragung im örtlichen Führerscheinregister Abstand" zu nehmen und darauf im zu erlassenden Straferkenntnis einzugehen.

 

Maßgebliche Rechtsgrundlagen:

 

(Auf die Darstellung des an dieser Stelle eingefügten Symbols „Stopp“ wird verzichtet)

Das Vorrangzeichen gem. § 52 lit. c Z. 24 StVO ordnet an, dass vor einer Kreuzung anzuhalten und gemäß § 19 Abs. 4 StVO Vorrang zu geben ist...

 

Gemäß § 19 Abs. 4 StVO haben sowohl die von rechts als auch die von links kommenden Fahrzeuge den Vorrang, wenn vor einer Kreuzung das Vorschriftszeichen „Vorrang geben" oder „Halt" angebracht ist...

Beim Vorschriftszeichen „Halt" ist überdies anzuhalten.

 

Das durch das Vorschriftszeichen „Halt" ausgedrückte Gebot anzuhalten, enthält auch die Forderung das Anhalten nicht vorzeitig abzubrechen. VfGH 9.12.1964, B 202/64, ZVR 1966/23.

 

Ein im Nachrang befindlicher Verkehrsteilnehmer darf in eine bevorrangte Verkehrsfläche nur einfahren, wenn er durch gehörige Beobachtung des bevorrangten Verkehrs in seiner tatsächlichen Gestaltung sich Gewissheit verschafft hat, dies ohne Gefährdung oder auch nur Behinderung bevorrangter Verkehrsteilnehmer unternehmen zu können. OGH 21.11.978, 8 Ob 201/78, ZVR 1979/252.

Der Vorrang steht dem Vorrangberechtigten bis zum vollständigen Verlassen der bevorrangten Straße zu ... OGH 21.6.1979, 8 Ob 114/79, ZVR 1980/215.

Gemäß § 19 Abs. 7 StVO darf, wer keinen Vorrang hat (der Wartepflichtige), durch Kreuzen, Einbiegen oder Einordnen die Lenker von Fahrzeugen mit Vorrang (die Vorrang berechtigten) weder zu unvermitteltem Bremsen noch zum Ablenken ihrer Fahrzeuge nötigen.

Jeder Kraftfahrer darf darauf vertrauen, dass der Wartepflichtige ihm weder durch Kreuzen noch Einbiegen oder Einordnen zu unvermitteltem Bremsen oder Ablenken seines Fahrzeuges nötigen werde. OGH 21.5.1964, 2 Ob 132/64, ZVR 1964/263.

Zwischen „Verletzen" und „Nichtbeachten" des Vorranges besteht kein Unterschied; die Übertretung nach § 19 Abs. 7 begeht vielmehr der Wartepflichtige, der einen im Vorrang befindlichen Fahrzeuglenker zu unvermitteltem Bremsen nötigt. VwGH 19.1.1965, 238/64, ZVR 1965/217.

Gemäß § 30a Abs. 1 FSG, ist, wenn ein Kraftfahrzeuglenker eine der in Abs. 2 angeführten Delikte begangen hat, unabhängig von einer verhängten Verwaltungsstrafe, einer etwaigen Entziehung der Lenkberechtigung oder sonstiger angeordneter Maßnahmen eine Vormerkung im Örtlichen Führerscheinregister einzutragen. Die Vormerkung ist auch dann einzutragen, wenn das in Abs. 2 genannte Delikt den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung verwirklicht. Für die Vornahme der Eintragung ist die Rechtskraft des gerichtlichen oder des Verwaltungsstrafverfahrens abzuwarten. Die Eintragung der Vormerkung ist von der das Verwaltungsstrafverfahren führenden Behörde, im Fall einer gerichtlichen Verurteilung von der Behörde des Hauptwohnsitzes vorzunehmen und gilt ab dem Zeitpunkt der Deliktsetzung. Der Lenker ist über die Eintragung und den sich daraus möglicherweise ergebenden Folgen durch einen Hinweis im erstinstanzlichen Strafbescheid zu informieren.

Gemäß § 30a Abs. 2 Ziffer 6 FSG ist eine Übertretung des § 19 Abs. 7 iVm. Abs. 4 StVO vorzumerken, wenn der Vorrangverletzung die Nichtbeachtung eines Vorschriftszeichens gem. § 52 lit. c Z. 24 StVO zu Grunde liegt und dadurch die Lenker anderer Fahrzeuge zu unvermitteltem Bremsen oder zum Ablenken ihrer Fahrzeuge genötigt werden.

Nach § 99 Abs. 6 lit. c StVO liegt eine Verwaltungsübertretung nicht vor, wenn eine Tat nach diesem Bundesgesetz oder nach den §§ 37 und 37a FSG den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung verwirklicht.

Die fahrlässige Körperverletzung oder Schädigung an der Gesundheit von mehr als vierzehntägiger Dauer ist nach § 88 Abs. 1 StGB, das Imstichlassen eines Verletzten ist nach § 94 StGB, die unterlassene Hilfeleistung ist nach § 95 StGB zu beurteilen und fällt somit in die Zuständigkeit des Gerichtes.

Gemäß § 190 Abs. 1 StPO hat die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung einer Straftat abzusehen und das Ermittlungsverfahren insoweit einzustellen, als die dem Ermittlungsverfahren zu Grunde liegende Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist oder sonst die weitere Verfolgung des Beschuldigten aus rechtlichen Gründen unzulässig wäre.

In der Sache hat die Behörde nachstehendes erwogen:

Aus der Aktenlage geht hervor, dass Sie durch das Vorrangzeichen „Halt" der benachrangte Fahrzeuglenker, waren.

Laut Ihren Angaben,

·           sind Sie, nachdem Sie an der Haltelinie stehen blieben, losgefahren um die Kreuzung in Richtung Unterimprechting zu queren.

       haben Sie dabei den aus Richtung Mattighofen kommenden vorrangberechtigten Fahrzeuglenker übersehen, so dass es, obwohl dieser auf die Gegenfahrbahn auswich, zur Kollision kam.

Laut Angaben des Vorrangberechtigten, Herrn P

·           näherte er sich der Kreuzung mit einer Geschwindigkeit von ca. 60 bis 70 km/h.

       sind Sie als benachrangter Lenker, ohne anzuhalten in die Kreuzung eingefahren, sodass es zur Kollision kam, obwohl er auf die Gegenfahrbahn auswich.

Laut Angaben des unbeteiligten Zeugen, Herrn M

        blieben Sie vor dem „Halt-Zeichen" stehen um einen Pkw passieren zu lassen.

        fuhren Sie plötzlich los, obwohl sich aus Richtung Mattighofen ein Pkw dem Kreuzungsbereich näherte.

        es zur Kollision kam, obwohl der Vorrang berechtigte auf die Gegenfahrbahn auswich.

Laut Aktenlage handelte es sich vorerst um einen Verkehrsunfall mit Sachschaden.

Erst später stellte sich heraus, dass der Zweitbeteiligte bei dem Vorfall leicht verletzt wurde und die Gesundheitsstörung unter 14 Tage lag.

Da die Dauer der Gesundheitsstörung und die Berufsunfähigkeit des Zweitbeteiligten unter 14 Tage liegt ist die „Tat" nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht, so dass sich die Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn ergibt.

Auf Grund der Schilderung des unbeteiligten Zeugen geht die Behörde davon aus, dass

        Sie als im Nachrang befindlicher Verkehrsteilnehmer Ihr Anhalten vorzeitig abbrachen und in die bevorrangte Verkehrsfläche einfuhren, obwohl dies ohne Gefährdung oder auch nur Behinderung des Bevorrangten nicht mehr möglich war.

        Sie bei gehöriger Beobachtung den bevorrangten Verkehr erkennen müssen.

        der Vorrang berechtigte die Kollision nicht mehr verhindern konnte, obwohl er sein Fahrzeug auf die Gegenfahrbahn ablenkte.

 

Das Vorschriftzeichen „Halt" enthält laut Judikatur auch die Forderung das Anhalten nicht vorzeitig abzubrechen: Nach dem es durch die Vorrangverletzung zu einer Kollision mit dem Vorrangberechtigten kam wurde die Verkehrssicherheit gefährdet. Sie haben auf Grund der Akten-und Rechtslage, die Ihnen zur Last gelegte Verwaltungsübertretung zu verantworten und ist nach Meinung der Behörde dies Übertretung gemäß § 30a Abs. 2 Ziffer 6 FSG im Örtlichen Führerscheinregister einzutragen.

Zur Strafbemessung ist folgendes anzuführen:

Gem. § 19 Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind gem. Abs. 2 überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Nach verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung ist dann mit einer Einschätzung der Einkommens- ­und Vermögensverhältnisse vorzugehen, wenn der Beschuldigte im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens Angaben über diese Umstände verweigert. Er hat es diesem Fall seiner/ihrer unterlassenen Mitwirkung zuzuschreiben, sollte die Behörde über diese Einschätzung zu seinem Nachteil Umstände unberücksichtigt gelassen haben, die ohne seine Mitwirkung der Behörde nicht zur Kenntnis gelangen konnten (VwGH 22.4.1992, 92/03/0019, 21.01.2012, 2009/05/0123).

Nach dem Sie trotz Aufforderung der Behörde Ihre Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse nicht bekannt gegeben haben wurde Ihr monatliches Nettoeinkommen mit ca. 1.000 Euro geschätzt. Zudem geht die Behörde davon aus, dass Sie über kein Vermögen verfügen und keine Sorgepflichten haben.

Der Umstand, dass bei der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn keine einschlägigen Verwaltungsvormerkungen aufliegen wurde gewertet. Es wurden keine straferschwerende Gründe bekannt.

 

Der gesetzliche Strafrahmen des § 99 Abs. 2 lit. d StVO reicht von 36 Euro bis zu 2.180 Euro.

 

Die festgesetzte Geldstrafe wurde im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens angesiedelt und beträgt lediglich 9,17 % der möglichen Höchststrafe von 2.180,00 Euro.

 

Die verhängte Strafe ist daher tat- und schuldangemessen.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.“

 

 

 

II.2. Dagegen wandte sich die Beschwerdeführer  mit der fristgerecht durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter am 16.10.2015 um 16:35 Uhr per FAX bei der Behörde eingebrachten und wie folgt ausgeführten Beschwerde:

Gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 10.11.2015, VerkR96-5646-2015-Vku, erhebe ich

 

Beschwerde

 

an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich.

Das gegenständliche Rechtsmittel ist im Sinne des § 7 Abs.4 VwGVG fristgerecht erhoben, weil der behördliche Strafbescheid meinem Verteidiger am 10.11. zugestellt worden ist.

Wie in der beeinspruchten Strafverfügung vom 23.9.2015 verhängt die Behörde im vorliegenden Straferkenntnis wegen Vorrangverletzung nach § 19 Abs.7 iVm Abs.4 StVO eine Geldstrafe von 200 Euro und ordnet an, dass dieses Delikt im Führerscheinregister vorgemerkt wird.

Der von der Behörde festgestellte Sachverhalt wird uneingeschränkt außer Streit gestellt, ich wende mich mit diesem Rechtsmittel nur gegen die angeordnete Vormerkung dieses Delikts im Führerscheinregister und gegen die Anwendung der Strafnorm des § 99 Abs.2c StVO.

Es wird demnach als Beschwerdegrund nur unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht.

Es stellen sich gegenständlich nur zwei Rechtsfragen.

       Wendet die Behörde zurecht § 99 Abs.2c StVO an ?

       Ist die Anordnung der Vormerkung im Führerscheinregister rechtskonform ?

Die erste Frage ergibt sich aus § 44a Z.2 VStG

Danach besteht ein Rechtsanspruch auf Anwendung der richtigen Strafnorm.

Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist nach § 99 Abs.2c Z.5 StVO zu bestrafen, wer unter Nichtbeachtung des Vorschriftszeichens „Halt" gegen § 19 Abs.7 StVO verstößt.

Gegen § 19 Abs.7 StVO habe ich verstoßen, weil ich den Vorrang des Querverkehrs verletzt habe; dies aber nicht unter „Nichtbeachtung" des Vorschriftszeichens „Halt", weil ich vor dem Einfahren in die L 503 stehen geblieben bin und ein bevorrangtes Fahrzeug passieren ließ. Die Vorrangverletzung liegt darin, dass ich leider das zweite hinter dem ersten herannahende Fahrzeug übersehen habe und in die Kreuzung eingefahren bin.

Dies ist keineswegs so verwerflich wie trotz Haltezeichens einfach durchzufahren und einen Unfall zu verschulden.

Wer das Vorschriftszeichen des § 52 lit.c Z.23 StVO „Vorrang geben" verletzt, begeht eine Vorrangverletzung iSd § 19 Abs.4 erster Fall StVO und ist nach der Grundstrafnorm des § 99 Abs.3 lit.a StVO zu bestrafen, auch wenn dadurch ein Verkehrsunfall verschuldet wird, der nur Sachschaden oder - wie hier - nur sehr geringen Personenschaden iSd § 88 Abs.2 Z.3 StGB zur Folge hat.

Dies bedeutet, dass auch Derjenige nicht nach § 99 Abs.2c (Z.5) StVO bestraft wird, der trotz Herannahens von Vorrangverkehr ohne stehen zu bleiben in die Kreuzung einfährt (und einen Verkehrsunfall verschuldet), dies also „unter Missachtung" dieses Vorschriftszeichens.

Ein derartiges Verhalten ist zweifellos gefährlicher und verwerflicher als vor dem Haltezeichen stehen zu bleiben und dann - aus dem Stillstand - in die Kreuzung einzufahren; dies schon wegen der höheren Kollisionsenergie des Vorrangverietzers und des damit einhergehenden Gefährdungspotentials.

Ist somit Derjenige nach § 99 Abs.3 StVO zu bestrafen, der trotz „Vorrang geben" eine Vorrangverletzung begeht, muss dies auch für Denjenigen gelten, der beim Vorschriftszeichen „Halt" stehen bleibt und dann in die Kreuzung einfährt, weil er -wie hier - meint, dass der Vorrangverkehr die Kreuzung passiert hat und er daher losfahren kann.

Der Unrechtsgehalt und das Gefährdungspotential rechtfertigt nur dann die Anwendung der Qualifikationsstrafnorm des § 99 Abs.2c StVO, wenn jemand entgegen dem Vorschriftszeichen „Halt" ohne stehen zu bleiben den Vorrang verletzt, also iSd Gesetzestextes dieses Vorschriftszeichen nicht beachtet.

Die gegenteilige Gesetzesauslegung wäre unsachlich und damit gleichheitswidrig.

Die zweite Frage betrifft das Vormerkdelikt

Der Lenker ist nach § 30a Abs.1 letzter Satz FSG über die Eintragung und den sich daraus möglicherweise ergebenden Folgen durch einen Hinweis im Strafbescheid zu informieren.

Wie bereits in meiner Äußerung vom 19.10.2015 ausgeführt, sind meiner Rechtsansicht nach Übertretungen des § 19 Abs.7 iVm Abs.4 StVO nur dann vorzumerken, wenn das Vorschriftszeichen „Halt" dergestalt missachtet wird, dass ohne anzuhalten in eine Kreuzung eingefahren und dabei der Vorrangverkehr gefährdet wird; nur letzteres war hier der Fall.

Ich habe eine Vorrangverletzung zu verantworten, weil ich trotz Herannahens von bevorrangtem Verkehr in die Kreuzung in Wagenham, Gemeinde Pischelsdorf, die L 503, eingefahren bin und dabei einen bevorrangten Verkehrsteilnehmer gefährdet habe, was zu einem Verkehrsunfall mit Sachschaden und Gott sei Dank nur leichtem Personenschaden geführt hat.

Eine solche Vorrangverletzung ist nur dann ein Vormerkdelikt, wenn das Haltezeichen dergestalt missachtet wird, dass ohne anzuhalten in die Kreuzung eingefahren wird, nicht aber dann, wenn wegen des Haltezeichens vor der Kreuzung angehalten und dann in die Kreuzung eingefahren wird, obwohl Vorrangverkehr herrscht und dieser dadurch zu unvermitteltem Abbremsen oder Auslenken genötigt wird.

Dies ergibt sich meiner Rechtsansicht nach erkennbar aus der Bestimmung des § 30a Abs.2 Z.6 FSG.

Danach sind Übertretungen nach § 19 Abs.7 iVm Abs.4 StVO vorzumerken, wenn der Vorrangverletzung die „Nichtbeachtung eines Vorschriftszeichens" nach § 52 litc Z.24 StVO zugrunde liegt und dadurch die Lenker anderer Fahrzeuge zu unvermitteltem Abbremsen oder Auslenken ihrer Fahrzeuge genötigt werden.

Für die Vornahme der Eintragung ist die Rechtskraft des gerichtlichen oder des Verwaltungsstrafverfahrens abzuwarten (§ 30a Abs.1 dritter Satz FSG).

Wenn sich ergibt, dass eine Vormerkung gemäß Abs.1 zu Unrecht erfolgte, so ist diese Eintragung unverzüglich zu löschen (§ 30a Abs.5 leg.cit).

Bei der Strafbemessung hätte berücksichtigt werden müssen, dass ich vollinhaltlich geständig bin und der durch die von mir zu verantwortenden Vorrangverletzung entstandene Schaden zur Gänze gutgemacht ist. Die Kfz-Haftpflichtversicherung hat volle Schadenswiedergutmachung geleistet.

Entgegen der Meinung der Behörde betreffend die persönlichen Verhältnisse habe ich in der Äußerung vom 15.10 die von der Behörde im Schreiben vom 13.10.2015 vorgenommene Schätzung akzeptiert.

Lediglich der Vollständigkeit halber erlaube ich mir darauf hinzuweisen, dass ich bereits zur Weiterentwicklung des Rechts beigetragen habe, zumal ich im Zusammenhang mit dem Recht auf mündliche Verhandlung eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte erwirkt habe, wonach im Verwaltungsstrafverfahren (damals: nach § Sie VStG) das Recht auf eine Verhandlung vor einem Tribunal besteht, wenn darauf nicht verzichtet wird und im Rechtsmittel nicht nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht wird oder sich dieses nur gegen die Strafhöhe richtet (Urteil des EGMR im Fall Erwin Baischer vom 20.12.2001, Beschwerde-Nr. 32381/96, veröffentlicht etwa in NL 02/1/1).

 

Ich stelle somit höflich den

 

Antrag,

 

das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich möge dieser Beschwerde Folge geben und den behördlichen Strafbescheid dahingehend abändern, dass die Anordnung, dass diese Verwaltungsübertretung im Führerscheinregister vorgemerkt wird, zu entfallen hat und die verhängte Geldstrafe unter Anwendung der Strafnorm des § 99 Abs.3 lit.a StVO angemessen reduzieren.

 

 

Mattighofen, am 11.11.2015            E B

 

 

II.1. Mit diesen Ausführungen ist der Beschwerdeführer im Recht!

 

 

III. Die Behörde hat keine Beschwerdevorentscheidung getroffen und die Verfahrensakte unter Anschluss von Inhaltsverzeichnissen, mit dem Hinweis auf die in einer anderen den Beschwerdeführer betreffenden Angelegenheit für am 27.11.2015 vom Landesverwaltungsgericht auf dem Behördensitz anberaumten  öffentlichen mündlichen Verhandlung und der Anregung einer gemeinsamen Verhandlung, vorgelegt; jedoch wurde formal auf die Durchführung einer solchen verzichtet und auf den Umstand des Absehens von einer Beschwerdevorentscheidung hingewiesen.  

 

 

 

III.1. Das Landesverwaltungsgericht hat iSd § 24 Abs.1 VwGVG, sowie im Strafverfahren iSd § 44 Abs.1 VwGVG eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Der Beschwerdeführer nahm auch persönlich an der öffentlichen mündlichen Verhandlung teil, während die Behörde trotz der am Sitz der Behörde anberaumten Verhandlung – wie wenige Minuten nach Verhandlungsschluss per Email dem Landesverwaltungsgericht  mitgeteilt wurde – aus Versehen daran nicht teilnahm.

 

 

IV. Sachverhalt:

 

Der Beschwerdeführer lenkte am 20.7.2015 gegen 17:10 Uhr den im Spruch bezeichneten Pkw auf der L1025 im Ortsgebiet von Wagenham in Pischelsdorf in Richtung Unterimprechting. Vor der Kreuzung mit der L503 hielt er das Fahrzeug iSd VZ „Halt“ an und als er die Fahrt fortsetzte übersah er jedoch den sich mit 60 bis 70 km/h an die Kreuzung annähernden bevorrangten Pkw des J P. Dabei kam es zu einer seitlichen Kollision mit dem im Vorrang befindlichen Pkw. Das Anhalten des Beschwerdeführers konnte von einem nachfahrenden Fahrzeuglenker, dem von der Polizei dazu befragten G M. wahrgenommen werden, wie dieser laut Abschlussbericht vom 13.8.2015 gegenüber der Polizei angab.

Auch der Beschwerdeführer bestritt vor dem Landesverwaltungsgericht den Geschehensverlauf nicht. Er hielt wegen eines bevorrangten Querverkehrs vor der Kreuzung an und übersah in der Folge, allenfalls durch Verdeckung durch die A-Säule ein weiteres nachfolgendes Fahrzeug, mit dem es zur seitlichen Kollision gekommen ist.

Diese Darstellung ist logisch nachvollziehbar und zusätzlich auch durch einen anderen Fahrzeuglenker objektiviert. Die Behörde ging offenbar davon aus, dass der Beschwerdeführer unter grundsätzlicher Missachtung des Verkehrszeichens „Halt bzw. Stopp“ die Vorrangverletzung begangen hätte.

Dies erwies sich als nicht zutreffend, sodass dem Beschwerdeführer letztlich nur die Vorrangverletzung zur Last fällt.

 

 

 

V. Rechtlich hat das Landesverwaltungsgericht vorerst im Verwaltungsstrafverfahren folgendes erwogen:

 

§ 19 Abs.7 StVO:

(7) Wer keinen Vorrang hat (der Wartepflichtige), darf durch Kreuzen, Einbiegen oder Einordnen die Lenker von Fahrzeugen mit Vorrang (die Vorrangberechtigten) weder zu unvermitteltem Bremsen noch zum Ablenken ihrer Fahrzeuge nötigen.

Bei einer Vorrangverletzung gemäß § 19 Abs. 7 StVO ist nach der Rechtsprechung der Sachverhalt insofern zu konkretisieren, als die ungefähre Entfernung der Fahrzeuge voneinander und die von ihnen ungefähr eingehaltene Geschwindigkeit festzustellen sind (vgl. das Erkenntnis vom 15. September 1999, Zl. 99/03/0253, mwN).

Da entgegen der Annahme der Behörde hier im Sinne des § 19 Abs.4 StVO iSd § 52 lit.c Z24 (Stopp) sehr wohl an der Haltelinie angehalten wurde um ein bevorrangtes Fahrzeug passieren zu lassen. Ein nachfolgendes Fahrzeug wurde jedoch offenkundig – allenfalls durch Verdeckung durch die sogenannte A-Säule – nicht bzw. übersehen. So liegt wohl eine Vorrangverletzung vor, welche jedoch nicht unter dem Tatbestand des § 19 Abs.4 StVO iVm § 99 Abs.2c Z5, sondern unter § 99 Abs.3 lit.a StVO zu subsumieren ist.

 

Auszug aus § 99 Abs.3 lit.a StVO:

Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen,

a) wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist, …

 

V.1. Zum Strafausspruch:

Gemäß § 19 Abs.1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Die ausgesprochene Geldstrafe war angesichts der mit der zu einem Verkehrsunfall führenden Vorrangverletzung und der  in diesem Zusammenhang abzuleitenden Sorglosigkeit in der Beobachtung des Verkehrsumfeldes dennoch zu bestätigen. Dies  mit Blick auf die Vormerkungen und trotz des Milderungsgrundes des Geständnisses, jedoch aus Gründen der Prävention um den Beschwerdeführer von einem derart auf Sorglosigkeit basierenden Fehlverhalten abzuhalten und ihm verstärkt die Problematik von Unachtsamkeit ins Bewusstsein zu rücken.

 

 

I.              Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

Dr. B l e i e r