LVwG-350007/2/Bm/TO/Ba

Linz, 18.02.2014

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag.a Michaela Bismaier über die Beschwerde von Frau P, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. R, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems vom 30. August 2013, GZ:SO10-703383, betreffend Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfs den

B E S C H L U S S

gefasst:

 

I. Der Beschwerde wird stattgegeben. Der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems vom 30. August 2013, GZ: SO10-703383, wird aufgehoben und die Angelegenheit wird zur Erlassung eines neuen Bescheides gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG an die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems zurückverwiesen.

 

II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. 1. Mit Bescheid vom 30. August 2013, GZ: SO10-703383, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin (in der Folge: Bf) vom 15. April 2013 auf Zuerkennung der Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und Wohnbedarfes in Anwendung der Bestimmungen der §§ 13, 27 und 31 Oö. Mindestsicherungsgesetzes (Oö. BMSG) abgewiesen.

 

Begründend wurde festgehalten, dass gemäß § 10 Abs.1 lit 4 Oö. BMSG Ersparnisse bis zu einem Freibetrag in Höhe des Fünffachen des Netto-Ausgleichzulagen-Richtsatzes für Alleinstehende, der für das Jahr 2013 einen Gesamtbetrag von 3.974,55 Euro ausgemacht habe, für den gesamten Haushalt nicht zu berücksichtigen seien. Das vorgelegte (Spar-)Guthaben der Bf bilde die Bemessungsgrundlage für den in § 10 Abs.1 lit 4 BMSG festgelegten Freibetrag. Das den Freibetrag überschreitbare verwertbare Vermögen sei vorerst zur Deckung des Lebensunterhaltes heranzuziehen.

 

2. Dagegen richtet sich die vom Rechtsvertreter rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 16. September 2013, in der Folgendes festgehalten wird:

 

„Der Bescheid wird insofern angefochten, als meinem Antrag vom 15.4.2Ö13 auf Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und Wohnbedarfes nicht stattgegeben wurde.

Begründung:

 

Nachstehender Sachverhalt ist unstrittig;

Der Ehegatte der Antragstellerin wurde im August 2012 wegen ehelicher Gewalt und einstweiliger Verfügung des BG Kirchdorf aus der Ehewohnung weggewiesen. Das Scheidungsverfahren ist beim BG Kirchdorf noch anhängig und die Wegweisung noch gültig. Erst durch, ein umfangreiches gerichtliches Verfahren erhält die Antragstellerin von ihrem Ehemann nachstehende Leistungen:

 

- Vorläufiger Ehegattenunterhalt € 400,—

- Unterhalt für M P € 250,-

monatliches Gesamteinkommen sohin € 650,--.

 

M besucht derzeit das Gymnasium in X. Der Raiffeisenbausparvertrag Nr. ReT 2.00 wurde ausschließlich für M P abgeschlossen und ist bis 5.12.2014 gebunden (Ablaufdatum 5.12.2014) laut Beilage. Am Raiffeisengirokonto Nr. x handelt es sich um das Konto der Berufungswerberin, welches monatlich je nach Eingang und Ausgang schwankt. Richtig ist, dass die Berufungswerberin trotz des monatlichen geringen Einkommens von € 650,--, insbesondere zur Sicherung des Sonderbedarfes für M und für unvorhersehbar anfallende Auslagen innerhalb eines Jahres € 3.900,- ansparte. Diese Ansparung konnte nur auf Grund der äußerst bescheidenen Lebensweise der Berufungswerberin und auf Grund ihrer Existenzängste erfolgen, um eben für notwendigen Sonderbedarf (Computer etc. für M) bzw. für notwendige Anschaffungen im Haushalt eine gewisse Reserve zu haben, um nicht plötzlich der Not ausgesetzt zu sein.

 

Die Berufungswerberin ist beim Arbeitsamt X gemeldet und auf Arbeitssuche. Der vom weggewiesenen Ehemann monatlich bezahlte Betrag von € 650,- konnte erst durch ein umfangreiches Gerichtsverfahren erwirkt werden, wobei der Berufungswerbervertreter auf Grund der beengten finanziellen Situation der Berufungswerberin bis dato keine Kosten in Rechnung gestellt hat.

 

Zwischenzeitig muss Holz für die Heizung angeschafft werden und ist nicht auszuschließen, dass Haushaltsgeräte wie Waschmaschine etc. demnächst angeschafft werden müssen und dient sohin der Betrag von € 3.900,-- zur existenziellen Sicherung unvorhergesehener anfallender Anschaffungskosten.

 

Unstrittig liegt sohin eine soziale Notlage vor, da für zwei Personen in Summe monatlich nur € 650,-- zur Deckung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes zur Verfügung stehen. Gemäß § 6 ÖÖ. BMSG umfasst der Lebensunterhalt den Aufwand für die regelmäßig wiederkehrenden Bedürfnisse zur Führung eines menschenwürdigen Lebens, insbesondere für Nahrung, Bekleidung, Körperpflege, Hausrat, Heizung und Strom sowie andere persönliche Bedürfnisse sowie für die angemessene soziale und kulturelle Teilhabe. Die soziale Notlage wurde durch die Gewalt des Ehemannes (Wegweisung) begründet. Die Berufungswerberin kommt auch ihrer Bemühungspflicht gem. § 7 nach. Gemäß § 7 gilt als Beitrag auch die Verfolgung von Ansprüchen gegen Dritte (Ehegatten), bei deren Erfüllung die Leistung berufsorientierter Mindestsicherung nicht oder nicht in diesem Ausmaß erforderlich wäre. Die für bis dato aufgewendeten Anwalts-und Prozesskosten belaufen sich auf bereits rund € 10.000,-, welche jedoch vom Rechtsvertreter der Berufungswerberin gestundet wurden.

 

Gemäß § 8 OÖ. BMSG ist das Einkommen in Haushaltsgemeinschaft mit hilfsbedürftigen Personen lebender Kinder (M) bis zur Erreichung der Volljährigkeit ausschließlich zu eigenen Bedarfsdeckung zu berücksichtigen. Der angeführte Bausparvertrag von € 7.200,-- (richtig € 9.190,-) ist daher gem. § 10 OÖ. BMSG nicht zu berücksichtigen und ist dieser Betrag außerdem nicht verfügbar, da dieser Bausparvertrag erst mit 5.12.2014 abläuft. Der angeführte Betrag auf dem Girokonto von € 127, 47 ist ebenfalls nicht zu berücksichtigen, da dieses Konto ständig schwankt, je nach anfallenden Ausgaben. Das Raiffeisenbausparbuch ist jedenfalls nicht - wenn überhaupt - nur anteilig zu berücksichtigen, da dieser Betrag von der Berufungswerberin aus Existenzängsten trotz des sehr geringen Einkommens nur deswegen angespart wurde, um nicht plötzlich in finanzielle Engpässe zu kommen, wenn höhere Anschaffungen wie Waschmaschine, Computer für M, erhöhter Schulbedarf für M etc. anfallen werden. Wie nachvollziehbar kann (können) bei einem monatlichen Einkommen von € 650,-- unvorhersehbare Ausgaben - wie oben angeführt - nicht abgedeckt werden. Das äußerst sparsame Wirtschaften der Berufungswerberin aus Existenznöten kann wohl nicht zu ihren Lasten gehen.

 

Auf Grund obiger Ausführungen ergibt sich sohin, dass die von der Erstinstanz angenommenen Ersparnisse gem. § 10 OÖ. BMSG nicht vorliegen bzw. in diesem Ausmaß nicht zu berücksichtigen sind und sohin der Antrag auf Gewährung einer Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes stattgegeben hätte werden müssen.

Beweis: beiliegender Kontoauszug Bausparvertrag M P ./1

 

Aus oben genannten Gründen werden daher nachstehende

 

Berufungsanträge

gestellt:

 

1. Die Berufungsbehörde möge den Bescheid der BH Kirchdorf vom 30.8.2013 dahingehend abändern, dass mein Antrag auf Gewährung einer Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes stattgegeben wird, allenfalls notwendig eine mündliche Berufungsverhandlung anzuberaumen.

2. In eventu den Bescheid aufheben und zur neuerlichen Ergänzung und Entscheidung an die Erstinstanz zurückverweisen.“

 

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems hat die Beschwerde samt bezughabenden Verwaltungsakt mit Schreiben vom 17. September 2013    vorgelegt. Damit ist gemäß § 49 Oö. BMSG die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates zur Entscheidungsfindung begründet.

 

Mit 1.1.2014 trat das Landesverwaltungsgericht Oö (LVwG) an die Stelle des Unabhängigen Verwaltungssenates. Das LVwG entscheidet gemäß § 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) durch einen Einzelrichter. Die Berufung gilt gemäß § 3 Abs.1 letzter Satz Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) als Beschwerde iSd Art 130 Abs.1 Z 1 B-VG. Die Zuständigkeit der erkennenden Richterin ergibt sich aus § 3 Abs.7 VwGbk-ÜG.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Der Bf wurde in Wahrung des Parteiengehörs Gelegenheit zu einer Stellungnahme bezüglich des  Bausparvertrages  gegeben. In der Stellungnahme vom 18. Oktober 2013 wird vom Rechtsvertreter der Bf folgende Stellungnahme abgegeben:

 

„Der Sohn der Berufungswerberin M P, geb..1999, stimmt einer Auszahlung seines Bausparvertrages nicht zu, da er nach seinen Aussagen das Geld des Bausparvertrages für sein beabsichtigtes Studium benötigt bzw. für Sonderausgaben. Die Auszahlung unterliegt sohin der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung. Eine pflegschaftsbehördliche Genehmigung des zuständigen BG Kirchdorf würde hiefür nicht erteilt, wenn der Minderjährige einer Auszahlung nicht zustimmt. Die Berufungswerberin kann daher über diesen Bausparvertrag nicht verfügen, eine entsprechende Bestätigung der Raiffeisenbank wird beigelegt. Aus dieser ergibt sich, dass der mj. M P bei vorzeitiger Auszahlung um insgesamt € 1.613,87 weniger von der angesparten Summe erhalten würde.“

 

Da schon aufgrund der Aktenlage der Sachverhalt zweifelsfrei feststeht, ist eine öffentlich mündliche Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG nicht durchzuführen.

 

Es steht folgender Sachverhalt fest:

 

Die Bf hat mit 15.04.2013 einen Antrag auf Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes nach dem Oö. Mindest-sicherungsgesetz eingebracht. Die Bf ist österreichische Staatsbürgerin, in  P, wohnhaft, seit 23.03.2013 beim AMS arbeitslos gemeldet, bewohnt gemeinsam mit ihrem minderjährigen Sohn die vormalige Ehewohnung (Eigenheim) in der Größe von 96 m2 zu monatlichen Fixkosten von ca. 60 Euro (vergleiche Angaben laut Antrag). Die Bf lebt seit 10.08.2012 nach einer Einstweiligen Verfügung (Wegweisung) getrennt von ihrem Ehegatten. Die Scheidung wurde bereits eingereicht und die Bf erhält vom weggewiesen Ehegatten vorläufig Ehegattenunterhalt von monatlich 400,-- Euro. Der Sohn erhält monatlich 250,-- Euro Unterhalt.

Aus den beigebrachten Unterlagen ist weiters ersichtlich, dass die Bf ein Sparbuch mit einem Guthaben von 3.900,-- Euro besitzt, sowie einen Bausparvertrag mit 7.200,-- Euro (Stand 19.07.2013), der für den Sohn zweckgebunden für die zukünftige Ausbildungskosten errichtet wurde.

 

5. Hierüber hat das Landesverwaltungsgericht erwogen:

 

5.1. Gemäß § 2 Abs.1 Oö. BMSG ist bei der Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung auf die besonderen Umstände des Einzelfalls Bedacht zu nehmen. Dazu gehören insbesondere Eigenart und Ursache der drohenden, bestehenden oder noch nicht dauerhaft überwundenen sozialen Notlage.

 

Gemäß § 5 Oö. BMSG ist die Voraussetzung für die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung, dass eine Person im Sinne des § 4

1. von einer sozialen Notlage (§ 6) betroffen ist und

2. bereit ist, sich um die Anwendung, Milderung bzw. Überwindung der sozialen Notlage zu bemühen (§ 7).

 

§ 7 Oö. Mindestsicherungsgesetzes (Oö. BMSG) lautet unter der Überschrift „Bemühungspflicht“:

(1) Die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung setzt die Bereitschaft der hilfebedürftigen Person voraus, in angemessener, ihr möglicher und zumutbarer Weise zur Abwendung, Milderung bzw. Überwindung der sozialen Notlage beizutragen. Eine Bemühung ist jedenfalls dann nicht angemessen, wenn sie offenbar aussichtslos wäre.

(2) Als Beitrag der hilfebedürftigen Person im Sinn des Abs. 1 gelten insbesondere:

1. der Einsatz der eigenen Mittel nach Maßgabe der §§ 8 bis 10;

2. der Einsatz der Arbeitskraft nach Maßgabe des § 11;

3. die Verfolgung von Ansprüchen gegen Dritte, bei deren Erfüllung die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung nicht oder nicht in diesem Ausmaß erforderlich wäre sowie

4. die Umsetzung ihr von einem Träger bedarfsorientierter Mindestsicherung oder einer Behörde nach diesem Landesgesetz aufgetragener Maßnahmen zur Abwendung, Milderung bzw. Überwindung der sozialen Notlage.

(3) Sofern Ansprüche gemäß Abs. 2 Z 3 nicht ausreichend verfolgt werden, ist - unbeschadet des § 8 Abs. 4 - die unmittelbar erforderliche Bedarfsdeckung sicherzustellen.

 

§ 10 Oö. BMSG lautet unter der Überschrift „Ausnahmen vom Einsatz des eigenen Vermögens“

(1) Die Verwertung von Vermögen darf nicht verlangt werden, wenn dadurch eine Notlage erst ausgelöst, verlängert oder deren Überwindung gefährdet wird. Dies ist insbesondere anzunehmen bei:

1. Gegenständen, die zur Erwerbsausübung oder Befriedigung angemessener geistig-kultureller Bedürfnisse erforderlich sind;

2. Gegenständen, die als angemessener Hausrat anzusehen sind;

3. Kraftfahrzeugen, die berufsbedingt oder auf Grund besonderer Umstände (insbesondere einer Beeinträchtigung oder unzureichender Infrastruktur am Wohnort) erforderlich sind;

4. Ersparnissen bis zu einem Freibetrag in Höhe des Fünffachen des Netto-Ausgleichszulagen-Richtsatzes für Alleinstehende;

5. sonstigen Vermögenswerten ausgenommen Immobilien, soweit sie den Freibetrag nach Z. 4 nicht übersteigen und solange Leistungen der bedarfsorientierten Mindestsicherung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, nicht länger als sechs unmittelbar aufeinander folgende Monate bezogen werden.

Die Ausnahmen in Z 4 und 5 sind jedenfalls nur einmal pro Haushalt zu berücksichtigen.

(2) Von der Verwertung von unbeweglichem Vermögen ist vorerst abzusehen, wenn dieses der Deckung des unmittelbaren Wohnbedarfs der Person, die Leistungen der bedarfsorientierten Mindestsicherung geltend macht und der mit ihr in Haushaltsgemeinschaft lebenden Personen dient. Werden Leistungen länger als sechs unmittelbar aufeinander folgende Monate bezogen, kann eine grundbücherliche Sicherstellung der Ersatzforderung vorgenommen werden.

(3) Für die Sechsmonatsfrist des Abs. 1 Z 5 und Abs. 2 sind auch frühere ununterbrochene Bezugszeiten von jeweils mindestens zwei Monaten zu berücksichtigen, wenn sie nicht länger als zwei Jahre vor dem neuerlichen Bezugsbeginn liegen.

(4) Für persönliche Hilfe in Form von Beratung, Begleitung oder Betreuung darf kein Einsatz eigenen Vermögens verlangt werden.

 

 

Gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde die notwendigen Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

 

5.2. Die belangte Behörde begründet im angefochtenen Bescheid die Abweisung des Antrages auf Gewährung der bedarfsorientierten Mindestsicherung mit dem Vorliegen von über den Freibetrag des § 10 Abs. 1 lit. 4 Oö. BMSG liegender Ersparnisse.

 

Nach dem Akteninhalt setzt sich das zur Beurteilung herangezogene verwertbare Vermögen wie folgt zusammen:

 

Raiffeisen-Girokonto Nr. 123       127,47 Euro

Raiffeisen-Sparbuch Nr. 123    3.900,00 Euro    

Raiffeisen-Bausparvertrag

Nr. ReT-123                            7.200,00 Euro.

 

Der oben angegebene Bausparvertrag läuft auf den mit der Bf im gemeinsamen Haushalt wohnenden minderjährigen M P P und ist bis 5.12.2014 gebunden.

 

Zunächst ist festzustellen, dass von der Bf zu Recht die Anrechnung des Einlagestandes des Raiffeisen-Girokontos an das verwertbare Vermögen bemängelt wurde. Das Girokonto dient dem Zahlungsverkehr und der täglichen Bedarfsabdeckung, ist damit naturgemäß Schwankungen unterworfen, weshalb der jeweilige Einlagestand auch nicht als „Ersparnis“ gewertet werden kann.

 

Ebenso kann dem Vorbringen der Bf, das Bausparguthaben des minderjährigen Sohnes könne nicht dem verwertbaren Vermögen zugerechnet werden, gefolgt werden:

 

Dem Oö. Mindestsicherungsgesetz wohnt der Grundsatz der Chancengleichheit für Kinder inne. So bestimmt § 2 Abs. 8 Oö. BMSG, dass Kindern, die in Haushaltsgemeinschaft mit Bezieherinnen und Beziehern bedarfsorientierter Mindestsicherung leben, eine altersgerechte Beteiligung am gesellschaftlichen Leben ermöglicht werden soll. Dies wird noch deutlicher im § 8 Abs. 3 leg. cit. zum Ausdruck gebracht, wonach das Einkommen in Haushaltsgemeinschaft mit hilfebedürftigen Personen lebender Kinder bis zur Erreichung der Volljährigkeit ausschließlich zur eigenen Bedarfsdeckung zu berücksichtigen ist.

Da dieser Grundsatz allgemein im Mindestsicherungsrecht Geltung hat, muss er wohl auch für den Einsatz eines dem Minderjährigen zurechenbaren Vermögens zur Anwendung gelangen.

Dazu kommt, dass § 7 Abs. 1 Oö. BMSG die Bemühungspflicht auf angemessene, mögliche und zumutbare Aktivitäten einschränkt. Nach dem Bericht des Sozialausschusses betreffend das Landesgesetz, mit dem das Landesgesetz über die bedarfsorientierte Mindestsicherung in Oberösterreich erlassen wird, Beilage 434/2011, liegt Angemessenheit auch dann nicht vor, wenn eine Bemühung zur Erreichung des angestrebten Ziels, nämlich der Abwendung bzw. Überwindung der sozialen Notlage gar nicht geeignet oder nicht adäquat ist. Bei der Einschätzung der Zumutbarkeit haben die faktischen Gegebenheiten sowie Aufgaben, Ziele und Grundsätze bedarfsorientierter Mindestsicherung Beachtung zu finden.

Schon aus dem oben dargelegten Grundsatz der Chancengleichheit für Kinder, aber auch aus den angegebenen nachvollziehbaren Gründen, das Sparguthaben werde vom Sohn der Bf für das beabsichtigte Studium und für Sonderausgaben benötigt, erscheint die Verwertung des auf den Minderjährigen laufenden Bausparguthabens nicht zumutbar.

 

Im Grunde der obigen Ausführungen war sohin weder der Betrag auf dem Girokonto in der Höhe von 127,47 Euro noch das Bausparguthaben in Höhe von 7.200 Euro als verwertbares Vermögen anzurechnen. Die übrigen Vermögenswerte (Sparbuch) überschritten zum Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides nicht den fünffachen Ausgleichszulagenrichtsatz, weshalb  die Abweisung des Antrages auf bedarfsorientierte Mindestsicherung aus den von der belangten Behörde angenommenen Gründen zu Unrecht erfolgte.

 

Demgemäß war der Beschwerde Folge zu geben, der Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides zurückzuverweisen. Die Feststellung des relevanten Sachverhaltes, nämlich dahingehend, ob die Bf ihre Arbeitskraft in zumutbarer Weise einsetzt, sonstige eigene Mittel einzusetzen sind bzw. die Berechnung der monatlichen Geldleistungen, durch die belangte Behörde ist im Interesse der Kostenersparnis und Raschheit gelegen.  

  

 

II. Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil eine solche Rechtsprechung fehlt.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240,- Euro zu entrichten.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag.a Michaela Bismaier