LVwG-300823/6/Bm/PP

Linz, 05.01.2016

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin
Maga. Michaela Bismaier über die Beschwerde des Herrn Dipl. Ing. R K R, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. M N. S, x, W, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshaupt­mannschaft Gmunden vom 19. August 2015, GZ: Ge96-92-2014, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27. November 2015

 

zu Recht   e r k a n n t :

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird die Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die im Spruch zitierte Verwaltungs-strafnorm „§ 130 Abs. 1 Einleitung ASchG“ zu lauten hat.

 

 

II.      Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG hat der Beschwerdeführer einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens iHv 200 Euro zu leisten.

 

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

Zu I. und II.:

1.         Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom
19. August 2015, GZ: Ge96-92-2014, wurde über den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 130 Abs. 1 Z 16 ASchG iVm § 17 Abs. 1 Arbeitsmittelverordnung – AM-VO eine Geldstrafe iHv 1.000 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 240 Stunden, verhängt.

 

Dem Schuldspruch liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

 

Sie haben es als das zur Vertretung nach außen berufenes Organ und damit gemäß § 9 Verwaltungsstrafgesetz strafrechtlich verantwortlicher handels­rechtlicher Geschäftsführer der D R GmbH mit Sitz in A zu verantworten, dass bei einer am Unfallerhebung festgestellt wurde, dass der Arbeitnehmer S K, geb. x, am 8.2.2014 im Untergeschoß der Sortieranlage dieser Arbeitsstätte eine Störung durch verklemmte Holzreste am Trogförderer zur Restholzverwertung beheben wollte, wobei dieser noch in Betrieb war, obwohl Arbeiten zur Behebung von Störungen nicht an in Betrieb befindlichen Arbeitsmitteln durchgeführt werden dürfen.

 

2.         Gegen dieses Straferkenntnis hatte der Bf durch seinen anwaltlichen Vertreter innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben und darin im Wesentlichen vorgebracht, die belangte Behörde habe wesentliche Beweisergebnisse des Ermittlungsverfahrens unberücksichtigt gelassen, die hinreichend darlegen würden, dass der Bf sämtliche erforderlichen und ihm zumutbaren Maßnahmen für ein wirksames System zur Kontrolle der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften durch die eingebundenen Mitarbeiter unter den vorhersehbaren Verhältnissen gesetzt habe. Zur Begründung begnüge sich die belangte Behörde im Wesentlichen mit allgemeinen Pauschalbehauptungen und Hinweisen auf die (hier nicht passende) Rechtsprechung des VwGH, bleibe jedoch eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Feststellungen und damit den Ausführungen des Bf und Arbeitsinspektorates schuldig. So habe die belangte Behörde lediglich ausgeführt, dass „aufgrund der Anzeige des Arbeitsinspektorates vom 26.6.2014 sowie der Tatsache, dass von einem Arbeitnehmer Arbeiten an einem sich in Betrieb befindlichen Arbeitsmittel durchgeführt wurden und es dabei zu einem Arbeitsunfall kam“, der Bf schuldig zu sprechen gewesen sei. Wenn dies allein tatsächlich als Grund für die Annahme einer Schuld reichen würde, wäre jedes diesbezügliche Verfahren von vornherein sinnlos.

Dem sei jedoch nicht so und verkenne die belangte Behörde völlig, dass die strafrechtliche Verantwortlichkeit nach § 9 VStG nur dann gegeben sei, wenn nicht glaubhaft dargelegt werden könne, dass alle Maßnahmen getroffen worden seien, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetz­lichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Die mangelnde Auseinandersetzung mit dem Akteninhalt und daraus resultierende falsche rechtliche Schlussfolgerung lasse sich deutlich erkennen, wenn die belangte Behörde etwa unter den Erwägungsgründen des Straferkenntnisses anführe: „Faktum ist, dass der Arbeitnehmer S K ... in den noch in Betrieb befindlichen Trogförderer stieg...“. Diese, offenbar grundlegende Feststellung sei tatsachwidrig. Herr K sei überhaupt nicht in den Trogförderer gestiegen.

Aus dem Akteninhalt ergebe sich vielmehr, dass vom Bf ein Sicherheitskonzept etabliert worden sei, dass über die bloße Erteilung von „Weisungen“ hinausgehe und dass unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lasse. Dies sei auch durch das Arbeits-inspektorat bestätigt worden.

So sei S K in regelmäßigen Abständen für den gegenständlichen Anlagenbereich – zuletzt im Zuge der jährlichen Unterweisung gemäß § 14 ASchG am 20.11.2013 – hinreichend unterwiesen worden, vor allem in den konkreten Belangen der Arbeitssicherheit und des richtigen, sicheren Verhaltens.

 

Ungeachtet dessen seien jedoch auch die Bezug habenden Betriebsanweisungen für Sägelinien und Störungsbehebungen am Anschlagbrett nächst der Unfallstelle ständig ausgehängt worden, sodass eine jederzeitige Einsichtnahme in die entsprechenden Schutzbestimmungen sowie Verhaltenskodizes möglich gewesen sei.

In der Betriebsanweisung für Störungsbeseitigungen werde explizit darauf hinge­wiesen:

„Grundsätzlich darf nicht von Hand in laufende Anlagen eingegriffen werden. Die Beseitigung von Störungen im Arbeitsablauf darf nur bei abgeschalteter Anlage erfolgen (Not-Aus-Taste betätigen, Hauptschalter ausschalten, gegen Wiederein­schalten sichern).“

Die gesamte Anlage sei mit einem Notausschalter sowie einem Schlüsselschalter versehen. Das Restholzförderband sei EG-Richtlinien konform ausgestattet, verfüge über eine CE-Kennzeichnung und sei mit den erforderlichen technischen Schutzmechanismen ausgestattet. Insbesondere sei es mit einem Bereichs- Notausschalter ausgestattet, der ein jederzeitiges Ausschalten der Anlage ermögliche und geeignet sei, Verletzungen durch Hineingreifen in das Förderband zu verhindern. Zudem würden für die gesamte Förderbandlänge beidseitige Seilzugschalter bestehen. Der Vorteil dieser liege einerseits darin, dass an jeder Stelle entlang dem Förderband ein sofortiges Ausschalten jederzeit möglich sei und andererseits das Förderband erst nach Quittieren (an anderer Stelle) wieder in Gang gesetzt werden könne. Ein solcher Seilzugschalter befinde sich auch unmittelbar an der Unfallstelle. S K habe diesen - entgegen der ihm bekannten Vorschriften - nicht betätigt und das Förderband nicht abgeschaltet.

 

Ausgehend von den faktischen Gegebenheiten an der Unfallörtlichkeit, die den vorgelegten Lichtbildkonvoluten zu entnehmen seien, zeige sich, dass der Bf sämtliche technischen Möglichkeiten ausgeschöpft habe, um ein wirksames Kontrollsystem hinsichtlich der Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften zu gewährleisten. Es sei nicht ohne weiteres möglich, in das in Betrieb befindliche Förderband hineinzugreifen. Die Notausreißleine sei direkt neben dem Förder­band angebracht. Der Quittier-Schalter zur Wiederingangsetzung liege im Sichtfeld der Unfallstelle, gleichzeitig aber so weit entfernt, dass ein Wiedereinschalten nicht möglich sei, solange man in der Förderband-Grube arbeite und/oder solange der Notausschalter, der Schlüsselschalter sowie der Bereichs-Notausschalter betätigt seien. Um in den Gefahrenbereich zu gelangen habe S K bewusst eine bauliche Barriere überwunden, indem er in die 100 cm tiefe Förderband-Grube hinabgestiegen sei und sich sodann in tief gebückter Haltung ganz bewusst gegen die Betätigung der „Notausreißleine" (=Seilzugschalter) entschieden habe. Ein solches gegen die Sicherheits­unterweisung verstoßendes Vorgehen des Mitarbeiters sei nicht vorhersehbar und daher nicht zu verhindern. Die Vorgangsweise, bewusst in eine laufende Maschine zu greifen, verstoße abseits der Sicherheitsunterweisung gegen jede Vernunft und sei schon deshalb nicht vorhersehbar.

 

 

 

Gemäß § 130 Abs. 1 Z 16 begeht eine Verwaltungsübertretung nur, wer als Arbeitgeber entgegen diesem Bundesgesetz oder den dazu erlassenen Verordnungen die Verpflichtungen betreffend die Beschaffenheit, die Aufstellung, die Benutzung, die Prüfung oder die Wartung von Arbeitsmitteln verletzt.

 

Worin diesbezüglich die Pflichtverletzung des Bf liegen solle, sei gänzlich unklar und auch im Hinblick auf die eingerichteten Schutzmechanismen nicht nachvollziehbar. Es werde darauf in der Begründung zum Straferkenntnis auch gar nicht eingegangen. Der Bf würde sohin unter Hinweis auf eine Gesetzesstelle bestraft, ohne dass dazu eine Subsumtion auf den Sachverhalt vorgenommen worden sei.

 

Auch der Verweis auf § 17 Abs. 1 AM-VO sei nicht nachvollziehbar, denn es gehe hier nicht um ein unbeabsichtigtes, unbefugtes oder irrtümliches Einschalten, sondern um ein mit Vernunft nicht nachvollziehbares eingeschalten lassen.

 

S K habe in Kenntnis der Unterweisungen, entgegen der ständig ausgehängten Betriebsanweisung und entgegen der bestehenden technischen ihm bekannten Schutzvorkehrungen gehandelt und es bewusst unterlassen, das verklemmte Holzstück erst nach der vorgeschriebenen Außerbetriebnahme des Restholz-Förderbandes zu entfernen, obwohl ihn nichts und niemand an einer vorschriftsgemäßen Außerbetriebnahme gehindert habe.

 

 

 

Der erfahrene und ansonsten zuverlässige Arbeitnehmer S K habe entgegen jeder Logik und Anweisung den Notausschalter nicht betätigt und unter körperlichen Verrenkungen auch noch am Seilzugschalter vorbei in das in Betrieb befindliche Förderband gegriffen. Dieses grob fahrlässige Fehlverhalten stelle zweifelsohne ein unabwendbares Ereignis dar und hätte eine fristlose Entlassung gerechtfertigt. Das unvorhersehbare Fehlverhalten könne daher denkunmöglich dem Beschwerdeführer angelastet werden.

 

Hätte die belangte Behörde diese von ihr festgestellten Umstände berücksichtigt, dann wäre sie bei richtiger rechtlicher Beurteilung zum Schluss gekommen, dass eine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des Bf gemäß § 9 VStG zu verneinen sei.

 

 

 

Aus den angeführten Gründen richtet der Bf an das Landesverwaltungsgericht den Antrag, das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

 

 

3.      Die belangte Behörde hat die Beschwerde samt den Bezug habenden Verwaltungsstrafakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG) zur Entscheidungsfindung vorgelegt.

 

 

 

4.      Das LVwG hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt und in die von den Parteien vorgelegten Unterlagen sowie Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27. November 2015, an der der Bf, sein Rechtsvertreter und ein Vertreter des Arbeitsinspektorates L als Parteien teilgenommen haben und gehört wurden. Als Zeuge einvernommen wurde Herr Ing. H G vom Arbeitsinspektorat L.

 

 

 

4.1.   Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

 

 

 

Der Bf ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der D R GmbH mit Sitz in A, x. Die D R GmbH betreibt sowohl in A als auch in E, x, ein S.

 

Am 8.2.2014 war der Arbeitnehmer S K in der Betriebsstätte in E mit Reinigungsarbeiten im Arbeitsbereich „Sortieranlage/Restholz-Entsorgung“ beschäftigt, im Konkreten wurden vom Arbeitnehmer K Holzreste zusammengekehrt und auf das sich in diesem Arbeitsbereich befindende Restholzförderband verbracht. Während der vom Arbeitnehmer K vorgenommenen Arbeiten ist es zu einer Verklemmung der Holzreste am unteren Förderband gekommen. Um das verklemmte Holzstück entfernen zu können, ist der Arbeitnehmer K in den einen Meter abgesenkten Aufstellungsbereich des Förderbandes gestiegen. Vor der beabsichtigen Störungsbehebung wurde vom Arbeitnehmer weder die Gesamtanlage noch die Teilanlage durch Betätigen des Not-Aus-Schalters, des Schlüsselschalters oder des Bereichsschalters außer Betrieb genommen. Ebenso wenig wurde ein Seilzugschalter vom Arbeitnehmer betätigt. In der Absicht verklemmte Holzreste zu entfernen, griff der Arbeitnehmer bei laufendem Betrieb des Förderbandes in den Untergurt des Förderbandes und wurde dabei verletzt.

 

Der Arbeitnehmer K wurde einmal jährlich hinsichtlich

 

- Technische Arbeitssicherheit

 

 

 

- Persönliche Schutzausrüstung

 

- Verhalten am Arbeitsplatz

 

- Einsatz von Maschinen

 

für den Bereich „Restholz, Staplerfahrer“ (= Umschreibung des Arbeitsplatzes im Unterweisungsprotokoll) unterwiesen; zuletzt erfolgte die Unterweisung am 20.11.2013 durch Herrn J R. Über die durchgeführte Unterweisung wurde ein Protokoll angefertigt und der Inhalt vom Arbeitnehmer K bestätigt.

 

Weiters liegt im Betrieb die Betriebsanweisung „Sägelinien“ und die Betriebsanweisung „Störungsbe­seitigung“ für den Arbeitsbereich Sägehalle und Sortieranlage öffentlich im Betrieb auf.

 

In der Betriebsanweisung „Störungsbeseitigung“ wird unter Punkt „Schutz-maßnahmen und Verhaltensregeln“ angeführt, dass die Beseitigung von Störungen im Arbeitsablauf nur bei abgeschalteter Anlage erfolgen darf (Not-Aus-Taster betätigen, Hauptschalter ausschalten, gegen Wiedereinschalten sichern). Ebenso wird darauf hingewiesen, dass grundsätzlich nicht von Hand in laufende Anlagen eingegriffen werden darf.

 

Organisatorisch ist der Schichtleiter unmittelbar Vorgesetzter des verunfallten Arbeitnehmers, in aufsteigender Linie ist dem Schichtleiter der Arbeitsvorbereiter vorgesetzt und diesem wiederum der Produktionsleiter. Von den Vorgesetzten werden regelmäßig (stündlich bis zweistündlich) Rundgänge durch die jeweiligen Arbeitsbereiche vorgenommen; dabei wird überprüft, ob die Arbeitnehmer die jeweiligen Arbeiten ordnungsgemäß durchführen und die jeweiligen Sicher-heitsmaß­nahmen eingehalten werden. Bei Nichteinhaltung der Sicherheits­vor-schriften werden die Arbeitnehmer darauf hingewiesen diese einzuhalten.

 

Der Bf geht – sofern er im Betrieb ist – circa zweimal täglich durch den Betrieb.

 

Die Sortieranlage verfügt über einen Hauptschalter, über den die Gesamtanlage ausgeschaltet werden kann sowie über einen Schlüsselschalter, der dafür sorgt, dass die Anlage bei Entfernung des Schlüssels still steht. Darüber hinaus besitzen die Förderbänder einen Bereichsschalter und befinden sich über die gesamte Förderbandlänge (auch im Unfallbereich) beidseitige Seilzugschalter, bei deren Betätigung die Anlage ebenfalls still steht.

 

 

 

Das hier entscheidungswesentliche Beweisergebnis ergibt sich aus dem Akten­inhalt, dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und den vom Bf vorgelegten Unterlagen.

 

 

 

Vom Bf wurden im Zuge des Verfahrens das Unterweisungsprotokoll vom 20.11.2013 über die vorgenommene Unterweisung des Arbeitnehmers S K, die Betriebsanweisung „Sägelinien“ und die Betriebsanweisung „Störungsbeseitigung“ sowie ein Fotodokumentation über die an der Anlage befindlichen Not-Aus-Schalter, Schlüsselschalter, Bereichsschalter und Seilzug­schalter vorgelegt.

 

In der mündlichen Verhandlung wurde vom Bf der Unfallhergang beschrieben und die im Betrieb bestehenden Kontrollmaßnahmen wie unter Punkt 4.1. beschrieben dargelegt; die Darlegungen werden in dieser Form der Entscheidung zugrunde gelegt.

 

 

 

5.      In der Sache hat das LVwG erwogen:

 

 

 

5.1.   Gemäß § 130 Abs. 1 Z 16 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 166 bis 8.324 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 333 bis 16.659 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber entgegen diesem Bundesgesetz oder den dazu erlassenen Verordnungen die Verpflichtungen betreffend die Beschaffenheit, die Aufstellung, die Benutzung, die Prüfung oder die Wartung von Arbeitsmitteln verletzt.

 

 

 

Nach § 17 Abs. 1 Arbeitsmittel-Verordnung (AM-VO) dürfen Einstell-, Wartungs-, Instandhaltungs- und Reinigungsarbeiten sowie Arbeiten zur Beseitigung von Störungen nicht an in Betrieb befindlichen Arbeitsmitteln durchgeführt werden. Durch geeignete Maßnahmen ist ein unbeabsichtigtes, unbefugtes oder irrtümliches Einschalten der Arbeitsmittel zu verhindern.

 

 

 

5.2.   Der Bf ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der D R GmbH mit dem Firmensitz in A und mangels Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich iSd § 9 Abs. 1 VStG.

 

Im Grunde des durchgeführten Beweisverfahrens steht fest, dass das in Rede stehende Restholz-Förderband im Bereich „Restholz-Entsorgung“ in der Betriebsstätte E in Betrieb war, als der Arbeitnehmer eine Störung durch verklemmte Holzreste in diesem Bereich beheben wollte.

 

Es hat daher der Bf als im gegenständlichen Fall für die Einhaltung der Ver­waltungsvorschriften der Arbeitsmittelverordnung iVm des ArbeitnehmerInnen­schutzgesetzes verantwortliches Organ der Arbeitgeberin zu verantworten, dass am 8.2.2014 der Arbeitnehmer S K eine Störung an dem in Betrieb befindlichen Restholz-Förderband im Untergeschoß der Sortieranlage in der Arbeitsstätte E, x, gegen der Bestimmung des § 17 Abs. 1 AM-VO beheben wollte.

Der Bf erfüllt damit den objektiven Tatbestand der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung.

 

5.3.      Zum Verschulden ist auszuführen, dass die dem Beschuldigten angelastete Tat ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt iSd § 5 Abs. 1 VStG darstellt, zu dessen Strafbarkeit, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, Fahrlässigkeit genügt. Fahrlässigkeit ist nach der zitierten Gesetzesstelle bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand eine Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bf dabei initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht; dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen oder durch Beibringen von Beweismitteln zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die Glaubhaftmachung nicht aus.

Die vom Bf angestrebte Entlastung ist iSd § 5 Abs. 1 letzter Satz VStG nicht gelungen. Vom Bf wurde eingewendet, dass der verunfallte Arbeitnehmer in Kenntnis der Unterweisungen, entgegen der ständig ausgehängten Betriebsan­weisung und entgegen der bestehenden technischen ihm bekannten Schutz­vorkehrungen gehandelt und es bewusst unterlassen habe, das verklemmte Holzstück erst nach der vorgeschriebenen Außerbetriebnahme des Restholz-Förderbandes zu entfernen, obwohl ihn nichts und niemand an einer vorschrifts­gemäßen Außerbetriebnahme gehindert habe. Der erfahrene und ansonsten zuverlässige Arbeitnehmer habe entgegen jeder Logik und Anweisung den Not-Aus-Schalter nicht betätigt und am Seilzugschalter vorbei in das in Betrieb befindliche Förderband gegriffen. Dieses grob fahrlässige Fehlverhalten stelle ein unabwendbares Ereignis dar und hätte eine fristlose Entlassung gerechtfertigt. Das unvorhersehbare Fehlverhalten könne daher denkunmöglich dem Bf ange­lastet werden.

 

Hinsichtlich des Einwandes des eigenmächtigen Handels von Mitarbeitern ist der Bf auf die zahlreiche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu diesem Thema zu verweisen, wonach  es kein Vertrauen darauf geben kann, dass die eingewiesenen laufend geschulten Arbeitnehmer die Arbeit­nehmer-schutzvorschriften einhalten (vgl. VwGH v. 23.7.2004, 2004/02/0002; 19.10.2001, 2000/02/0228; 22.10.2003, 2000/09/0170; 23.5.2006, 2005/02/ 0248; 20.4.2004, 2003/02/0243; 14.12.2007, 2007/02/0277; 15.10.2009, 2008/09/0102; alle mit Vorjudikatur).

 

Vom Bf wurde betreffend das installierte Kontrollsystem ausgeführt, dass die Arbeitnehmer jährliche Unterweisungen erhalten und die Kenntnisnahme durch schriftliche Gegenzeichnung dokumentiert wird. Die jeweiligen Schulungsunter­lagen liegen im Betrieb öffentlich auf und sind für jeden Arbeitnehmer einsehbar. Zudem würden die Arbeitnehmer durch die jeweiligen Vorgesetzten bei ihren Kontrollgängen auch auf die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften überprüft. Der Bf selbst geht – wenn er im Betrieb ist – ca. zweimal täglich durch den Betrieb.

 

Dieses Vorbringen vermag dem Bf aus folgenden Gründen nicht zu ent­schuldigen:

Es ist der Unternehmer dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit, wenn er den Nachweis zu erbringen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen.

Ist der Unternehmer selbst nicht anwesend, hat er einen geeigneten Arbeit­nehmer zu bestimmen, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Es wird sehr wohl darauf Bedacht genommen, dass die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zulässt, dass sich der Unternehmer aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt; es ist ihm durchaus zuzubilligen, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken.

Der dem Bf nach § 5 Abs. 1 VStG obliegende Entlastungsnachweis kann aber nicht alleine dadurch erbracht werden, dass die ihn treffende Verantwortung auf eine hierzu taugliche Person übertragen wird. Es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Personen Vorsorge getroffen worden ist (VwGH 18.9.1991, 90/19/0177 u.a.).

Demnach ist es nach der Judikatur des VwGH für die Darlegung eines wirksamen Kontrollsystems erforderlich, unter anderem aufzuzeigen, welche Maßnahmen im Einzelnen der unmittelbar Übergeordnete im Rahmen des Kontrollsystems zu ergreifen verpflichtet war, um durchzusetzen, dass jeder in dieses Kontrollsystem eingebundene Mitarbeiter die arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften auch tatsächlich befolgt und welche Maßnahmen schließlich der an der Spitze der Unternehmenshierarchie stehende Anordnungsbefugte vorgesehen hat, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten, d.h. sicher zustellen, dass die auf der jeweils übergeordneten Ebene erteilten Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Hierarchie-Ebene gelangen und dort auch tatsächlich befolgt werden (vgl. VwGH v. 5.8.2009, 2008/02/0128; 5.8.2009, 2008/02/0127; 25.1.2005, 2004/02/0294 u.v.m. zum Thema „Kontrollkette“). Es bedarf daher des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person Vorsorge getroffen worden ist. Entscheidend ist demnach, ob auch eine wirksame Kontrolle über die Einhaltung der von den Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgte.

 

Das entsprechende Kontrollsystem hat auch für den Fall eigenmächtiger Handlungen von Arbeitnehmern Platz zu greifen. Es kann daher kein Vertrauen darauf geben, dass die eingewiesenen, laufend geschulten und ordnungsgemäß ausgerüsteten Arbeitnehmer die Arbeitnehmerschutzvorschriften einhalten (VwGH 24.5.2013, 2012/02/0072).

Das eigenmächtige Verhalten des Arbeitnehmers zeigt nach der Judikatur des VwGH gerade, dass kein wirksames Kontrollsystem vorhanden war (dazu VwGH 23.5.2006, 2005/02/0248).

Auch reichen stichprobenartige Überprüfungen und die Erteilung von Weisungen für das geforderte Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems zur Hintanhaltung von Verstößen gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften nicht aus (VwGH 27.1.2012, 2010/02/0242). Selbst eine Verwarnung für den ersten festgestellten Verstoß ist nach Ansicht des VwGH für das geforderte Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems nicht ausreichend (VwGH 19.10.2001, 2000/02/0228).

 

Im Lichte dieser VwGH-Judikatur genügt das vom Bf vorgebrachte Kontroll­system nicht den geforderten Anforderungen. Dem Bf sind grundsätzliche Maßnahmen bezüglich der Installation eines Kontrollsystems nicht in Abrede zu stellen. Jedoch wurden vom Bf keinerlei Vorbringen gemacht, in welcher Weise Kontrollen auf der jeweiligen Hierarchieebene (Arbeiter-Schichtleiter-Arbeits-vorbereiter-Produktionsleiter-Bf) hinsichtlich der Einhaltung der Weisungen erfolgt sind und welche Konsequenzen die Arbeitnehmer bei deren Nicht-einhaltung zu erwarten haben.

Wie der VwGH in seiner zahlreichen und ständigen Rechtsprechung bezüglich Kontrollsystem ausspricht, reichen Anweisungen und Belehrungen wie stich­probenartige Kontrollen für ein effizientes und effektives Kontrollsystem nicht aus.

Das Beweisverfahren hat gezeigt, dass der Arbeitnehmer entgegen den Anweisungen gehandelt hat. Gerade für den Fall eigenmächtiger Handlungen hat das entsprechende Kontrollsystem aber Platz zu greifen.

 

Der Bf hat die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung sohin auch in subjektiver Hinsicht zu verantworten.

 

6.         Zur Strafhöhe ist auszuführen:

 

6.1.      Gemäß § 19 Abs. 1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

 

Gemäß § 19 Abs. 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungs­gründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzu-wenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorge-pflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist.

 

6.2.      Von der belangten Behörde wurde im angefochtenen Straferkenntnis über den Bf eine Geldstrafe von 1.000 Euro verhängt. Der Strafrahmen für die zur Last gelegte Übertretung reicht von 166 Euro bis 8.324 Euro. Ein Wieder­holungsfall liegt gegenständlich nicht vor.

 

Bei der Strafbemessung wurden die von der belangten Behörde geschätzten persönlichen Verhältnisse, nämlich monatlichen Nettoeinkommen von 2.800 Euro, Eigentümer eines Einfamilien­hauses und keine Sorgepflichten herangezogen. Strafmildernde oder strafer­schwerende Umstände wurden nicht gesehen. Diese Schätzung wurde in der Beschwerde nicht entgegengetreten, sodass diese auch vom LVwG bei seiner Strafbemessung herangezogen werden konnte.

 

Die Bestimmungen des ASchG bzw. der auf ihrer Grundlage erlassenen Verord­nungen haben den Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer zum Ziel und sind daher entsprechende Verstöße mit einem besonderen Unrechts­gehalt der Tat behaftet, weil hierdurch genau jene Gefährdungen herbeigeführt werden, denen die genannten Bestimmungen entgegenwirken sollen. Gegenständlich ist das Rechtsgut des Gesundheitsschutzes intensiv beein­trächtigt worden.

 

Gegenständlich erscheint eine Geldstrafe von 1.000 Euro im Hinblick auf die Verletzung des Arbeitnehmers als tat- und schuldangemessen, aber auch unter generalpräventiven Aspekten erforderlich. Ausgehend von einem Strafrahmen bis 8.324 Euro bewegt sich die verhängte Geldstrafe ohnehin im unteren Bereich des Strafrahmens und kann als nicht überhöht gesehen werden.

 

7.         Weil die Beschwerde keinen Erfolg hatte, war ein Kostenbeitrag zum Beschwerdeverfahren iHv 20 % der verhängten Geldstrafe aufzuerlegen (§ 52 Abs. 1 und 2 VwGVG).

 

 

III.        Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzu­bringen.

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Michaela Bismaier

Beachte:

Die Revision wurde zurückgewiesen.

VwGH vom 5. April 2016, Zl. Ra 2016/02/0056-3