LVwG-750298/6/BP/SA

Linz, 19.01.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde des A K, geb. x, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. R M, W, vom 14. September 2015, gegen den Bescheid der Oö. Landesregierung vom 18. August 2015, GZ: IKD(Stb)-437876/3-2015-Kk, betreffend die Feststellung über den Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 VwGVG iVm. §§ 26 Abs. 1 und 27 des Staatsbürgerschaftsgesetzes, 1985 StbG, BGBl. Nr. 311/1985, in der Fassung BGBl. Nr. 685/1988  wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.

 

1. Die Oö. Landesregierung als Organ der Landesvollziehung erließ mit Bescheid vom 18. August 2015, GZ: IKD (Stb)-437876/3-2015-Kk, gemäß § 39 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StGB) iVm § 56 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 nachstehenden Bescheid unter dem Ausspruch:

 

Herr A K, geboren am x in C, Türkei, hat mit Wirkung vom 30. Oktober 1996 die österreichische Staatsbürgerschaft verloren.

 

Begründend führt die belangte Behörde zum Sachverhalt aus:

Die Mutter von Herrn A K hat im Wege der Österreichischen Botschaft in Ankara einen Antrag auf Erteilung einer „Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" eingebracht. Diesem Antrag wurde ein Auszug aus dem türkischen Familienregister der Provinz D, Stadtbezirk C (x), Ortschaft S, Band-Nr. x, Familienreihe Nr. x, angeschlossen. Demnach wurde Herrn K mit Urteil vom 16.06.1995 die Erlaubnis gegeben, vom türkischen Staatsverband auszuscheiden und ihm mit Datum vom 22.01.1996 der Austrittsbeleg gegeben. Damit hatte er zu diesem Zeitpunkt die türkische Staatsbürgerschaft verloren.

 

Mit Bescheid der Oö. Landesregierung vom 17.11.1995, Zl. Stb-34.618/9-1995, wurde Herrn K mit Wirkung vom 13.11.1995 die österreichische Staatsbürgerschaft unter gleichzeitiger Erstreckung auf die Ehegattin und die drei mj. Kinder verliehen.

Laut Auszug aus dem türkischen Familienregister wurde Herr A K mit Ministerratsbeschluss vom 30.10.1996, Zl. 1996/8827, nach dem türkischen Staatsbürgerschaftsgesetz 403 Artikel 8 erneut eingebürgert und ist somit seit diesem Zeitpunkt auch wieder türkischer Staatsbürger.

 

Herr K wurde vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt und gab dazu am 30.07.2015 folgende Stellungnahme, welche niederschriftlich festgehalten wurde, ab:

 

„Ich weiß nichts davon, dass ich die türkische Staatsbürgerschaft wieder angenommen habe. Weder habe ich zu irgendeiner Zeit etwas in diese Richtung unterschrieben, noch habe ich einen türkischen Reisepass. Ich war auch nie bei der türkischen Botschaft oder dem türkischen Generalkonsulat und habe nie einen Antrag gestellt wieder in den türkischen Staatsverband eingebürgert zu werden."

 

Die Behörde hat erwogen:

 

Die Frage, ob Herr K die Österreichische Staatsbürgerschaft verloren hat, ist nach den staatsbürgerschaftsrechtlichen Vorschriften zu beurteilen, die zum betreffenden Zeitpunkt - das ist gegenständlich der 30.10.1996 - in Geltung standen (vgl. VwGH 15.03.2010, 2007/01/0482).

 

Im vorliegenden Fall sind daher die Bestimmungen der §§ 26 und 27 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 StbG, BGBl. Nr. 311/1985, in der Fassung BGBl. Nr. 685/1988 maßgeblich. Die Bestimmungen hatten folgenden Wortlaut:

 

(...)

 

Im gegenständlichen Fall ist durch den vorliegenden Auszug aus dem türkischen Familienregister und der darin enthaltenen Eintragungen schon klar ersichtlich, dass Herr K die türkische Staatsangehörigkeit wieder erworben hat.

 

Die Behauptung des Herrn K, dass er nicht wisse, dass er die türkische Staatsbürgerschaft wieder angenommen hat, ist als Schutzbehauptung zu sehen. Zumal die Einbürgerung und damit auch die Wiedereinbürgerung von Personen, die zuvor gemäß Art. 20 des Türkischen Staatsbürgerschaftsgesetzes Zahl x aus der türkischen Staatsbürgerschaft entlassen worden sind, einen Antrag voraussetzen. Der erneute Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit ohne das Erfordernis eines Aufenthalts in der Türkei kann nach der türkischen Rechtsordnung nur freiwillig und nicht automatisch oder ohne Wissen von Herrn K vonstattengegangen sein.

 

(...)

 

Wie oben bereits ausgeführt, ist nach den maßgeblichen Bestimmungen des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes für den (Wieder)Erwerb der Staatsbürgerschaft zwingend eine Antragstellung des Einzubürgernden vorgeschrieben, somit kann Herr K die türkische Staatsbürgerschaft nur auf Antrag wiedererworben haben.

 

(...)

 

In Anbetracht aller Umstände ist es offensichtlich, dass der Betreffende durch seine Willenserklärung, die eindeutig nur auf den Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit abzielen konnte, den Wiedererwerb beantragte.

 

Die Wiederannahme der türkischen Staatsangehörigkeit konnte vom Betreffenden auch nicht widerlegt werden.

 

Gemäß § 42 Abs. 3 StbG kann ein Feststellungsbescheid von Amts wegen erlassen werden, wenn ein öffentliches Interesse an der Feststellung besteht. Der Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft ist nicht nur mit der Befreiung von fremdenrechtlichen Bestimmungen (Reise- und Niederlassungsfreiheit, freier Zugang zum Arbeitsmarkt in Österreich und im Schengenraum, bzw. in den Staaten der Europäischen Union) verbunden, sondern unter anderem auch mit Rechten in Wahlangelegenheiten oder finanzieller und sozialer Absicherung. Und dies beschränkt sich nicht nur auf die Republik Österreich, sondern ist auch für die Staaten der Europäischen Union maßgeblich. Im Interesse der Rechtssicherheit ist es für die Öffentlichkeit daher von hohem Belang, dass die Staatsangehörigkeit einer in Österreich aufhältigen Person festgestellt wird:

 

2. Gegen diesen Feststellungsbescheid richtet sich die vorliegende rechtzeitig eingebrachte Beschwerde vom 14. September 2015, worin beantragt wird, den angefochtenen Bescheid aus Gründen der Verletzung subjektiver Rechte aufzuheben. Begründend wird ua. wie folgt ausgeführt:

 

Sachverhalt und Gang des Verfahrens

 

Verletzung subjektiver Rechte

 

Der Bescheid verletzt den Beschwerdeführer in seinem subjektiven Recht auf Feststellung des für die Erteilung der Verwaltungssache maßgeblichen Sachverhalts gemäß § 37 AVG und Beibehaltung der gemäß § 10 StbG verliehenen österreichischen Staatsbürgerschaft bzw. Nicht - Anwendung der §§ 26 Z1 iVm § 27 Abs. 1 StbG.

 

a)         Feststellung des für die Erledigung der Verwaltungssache maßgeblichen

Sachverhaltes gem. § 37 AVG

 

Anzuwendende Gesetzesstelle:

§ 37 AVG - Zweck des Ermittlungsverfahrens ist, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. Nach einer Antragsänderung (§13 Abs. 8) hat die Behörde das Ermittlungsverfahren insoweit zu ergänzen, als dies im Hinblick auf seinen Zweck notwendig ist

 

b)         Beibehaltung der gem. § 10 StbG verliehenen österreichischen

Staatsbürgerschaft bzw. Nicht - Anwendung der §§ 26 Z 1 iVm § 27 Abs. 1

StbG

 

Anzuwendende Gesetzesstellen:

§26 StbG - Die Staatsbürgerschaft wird verloren durch 1.  Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit (§§ 27 und 29); [...]

 

§ 27 StbG - (1) Die Staatsbürgerschaft verliert, wer auf Grund seines Antrages, seiner Erklärung oder seiner ausdrücklichen Zustimmung eine fremde Staatsangehörigkeit erwirbt, sofern ihm nicht vorher die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft bewilligt worden ist.

 

Gründe für die behaupteten Rechtsverletzungen:

Zu a)

Die belangte Behörde hat es unterlassen den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt iSd § 37 AVG festzustellen.

 

Gemäß § 27 (1) StbG verliert die Staatsbürgerschaft, wer aufgrund seines Antrages, seiner Erklärung oder seiner ausdrücklichen Zustimmung eine fremde Staatsangehörigkeit erwirbt, sofern ihm nicht vorher die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft bewilligt worden ist.

 

Demnach wäre der für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebende Sachverhalt die Feststellung eines Antrages, einer Erklärung oder einer ausdrücklichen Zustimmung gewesen.

Die belangte Behörde hat es unterlassen Umstände zu erheben, die auf die erforderlichen Voraussetzungen schließen lassen könnten.

Sie hat sich damit begnügt, dass der Stellungnahme des Beschwerdeführers die Glaubwürdigkeit abgesprochen  wurde,  der ausgeführt hat,  dass  er keine Willenserklärung abgegeben hat, um die türkische Staatsbürgerschaft wieder zu erlangen. Die dahingehende Würdigung gründete sie auf Art. 20 des Türkischen Staatsbürgerschaftsgesetzes Zahl 403, aus dem hervorgeht, dass ein neuerlicher Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit ohne Erfordernis eines Aufenthalts in der Türkei lediglich nur freiwillig und nicht ohne Wissen der betroffenen Person ergehen kann.

 

Als erhebliches Indiz wird ein Auszug aus dem türkischen Familienregister herangenommen, aus dem hervorgehen soll, dass der Beschwerdeführer wieder eingebürgert worden sein soll.

 

Zur Klärung der Frage, ob tatsächlich eine solch geartete Willenserklärung seitens des Beschwerdeführers auch tatsächlich gesetzt worden ist, hätte die belangte Behörde weitere Erhebungen tätigen müssen, anstatt einen Rückschluss aus dem türkischen Staatsbürgerschaftsgesetz abzuleiten.

 

Eine derartige Erhebung hätte etwa eine Anfrage an die türkische Botschaft im Hinblick auf den Ministerratsbeschluss vom 30,10.1996 sein können.

 

In diesem Sinne wird gestellt der

 

Antrag,

 

auf ergänzende Beweisaufnahme und zwar auf eine Anfrage an die türkische Botschaft, ob seitens des Beschwerdeführers ein Antrag, eine Willenserklärung oder eine ausdrückliche Zustimmung auf erneute Einbürgerung in die Türkei gestellt worden ist.

 

Dieser Beweis ist geeignet darzulegen, dass eine solche Willenserklärung seitens des Beschwerdeführers niemals erfolgt ist.

Demnach auch die zitierte Judikatur der belangten Behörde auf den konkreten Sachverhalt nicht anzuwenden ist. Die belangte Behörde führt an, dass auch ein Irrtum über die Auswirkungen des gewollten Erwerbes einer fremden Staatsangehörigkeit selbige Rechtsfolge auszulösen vermag (VwGH 15.03.2012, 2010/01/0026).

Den beantragten Erhebungen wird zu entnehmen sein, dass der Beschwerdeführer nicht über die Auswirkungen geirrt hat, sondern die türkische Staatsbürgerschaft niemals beanstandet, demnach die angeführte Rechtsprechung des VwGH im vorliegenden Fall gar nicht zu erwägen ist.

 

Die belangte Behörde führt zwar an, dass „in Anbetracht aller Umstände es offensichtlich ist, dass der Betreffende durch seine Willenserklärung, die eindeutig nur auf den Erwerb einer fremden Staatangehörigkeit abzielen konnte, den Wiedererwerb beantragte" (S 3).

 

Jene angeführte Offensichtlichkeit findet jedoch keine Deckung im ermittelten Sachverhalt, sondern wird lediglich aus besagter Stelle des türkischen Staatsbürgerschaftsgesetzes abgeleitet.

 

Aus jener Begründung lässt sich auch ableiten, dass eine gesetzte Willenserklärung bereits als erwiesen angenommen wird, die - aus der Sicht belangter Behörde - nur auf einen Wiedererwerb abzielen kann.

Wie bereits angeführt wurden keinerlei Erhebungen seitens der belangten Behörde getätigt, um eine als erwiesen angenommene Willenserklärung zu untermauern.

 

Ohne den Schritt einer tatsächlichen Erhebung der vorgeworfenen Willenserklärung ist der saltus in concludendo im Hinblick auf die angeführten Feststellungen zu weit erfolgt, mithin den Maßgaben des § 37 AVG nicht entsprochen.

 

Um den Erfordernissen der materiellen Wahrheitsfindung des § 37 AVG gerecht zu werden, wäre doch zumindest der Versuch einer Erhebung einer tatsächlichen wie auch immer gearteten Willenserklärung zu erwarten gewesen, zumal die Rechtsfolge des ergangenen Bescheides für den Beschwerdeführer, in Anbetracht der Tatsache, dass er seit dem Jahr 1974 in Österreich lebt und seit 20 Jahren die österreichische Staatsbürgerschaft inne gehabt hat, verheerend ist.

 

Zur weiteren Feststellung des für die Erledigung der Verwaltungssache maßgeblichen Sachverhaltes wird gestellt der

Antrag

 

auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Im Zuge der mündlichen Verhandlung wird der Beschwerdeführer glaubwürdig vorbringen, dass eine solche Willenserklärung niemals gesetzt worden ist.

 

Zu 1.b)

Wären entsprechende Erhebungen getätigt worden, so wäre die belangte Behörde zum Schluss gekommen, dass besagte Willenserklärung niemals erfolgt ist, weshalb auch §26 Z 1 iVm § 27 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz nicht zur Anwendung gekommen wären, mithin das subjektive Recht auf Beibehaltung der gemäß § 10 StbG verliehenen Staatsbürgerschaft nicht verletzt worden wäre.

 

Aus den oben angeführten Gründen erging der angefochtene Bescheid in Verletzung der beanstandeten subjektiven Rechte, weshalb gestellt wird der

 

Antrag

 

nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung

 

• der Beschwerde Folge zu geben und den angefochtenen Bescheid der Oö. Landesregierung IKD (Stb)-437876/3-2015-Kk vom 18.08.2015, ersatzlos zu beheben, in eventu

 

• der Beschwerde Folge zu geben, den angefochtenen Bescheid zu beheben und zur neuerlichen Verfahrensdurchführung und Bescheidfällung an die Erstinstanz zurück zu verweisen.

 

3. Die belangte Behörde hat die Beschwerde unter Anschluss des Bezug habenden Verwaltungsaktes dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit Schreiben vom 22. September 2015 vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art 130 Abs 1 Z 1 iVm 131 Abs 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art 135 Abs 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

 

4.1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt.

 

4.2. Von September bis Dezember 2015 versuchte der zuständige Richter des LVwG Oberösterreich sowohl per Telefon als auch per E-Mail (samt mehrfacher Urgenzen) beim zuständigen Generalkonsulat der Republik Türkei zu erheben, ob der mit Beschluss des Ministerrates vom 30. Oktober 1996 erfolgten Verleihung der türkischen Staatsbürgerschaft an den Bf ein Antrag bzw. eine Willenserklärung seinerseits zugrunde lag. Weder war das türkische Generalkonsulat (Salzburg) telefonisch erreichbar, noch erfolgte eine – wie auch immer geartete – Rückmeldung (nicht einmal eine Empfangsbestätigung), weshalb schließlich von weiteren Erhebungsversuchen Abstand genommen wurde.

 

Am 18. Jänner 2016 wurde darüber hinaus eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich durchgeführt.

 

5. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht von folgendem entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus:

 

Gemäß einem Auszug aus dem türkischen Familienregister der Provinz D, Stadtbezirk C (x), Ortschaft S, Band-Nr. x, Familienreihe Nr. x, wurde dem Bf mit Urteil vom 16.06.1995 die Erlaubnis e, vom türkischen Staatsverband auszuscheiden und ihm mit Datum vom 22.01.1996 der Austrittsbeleg gegeben. Damit hatte er zu diesem Zeitpunkt die türkische Staatsbürgerschaft verloren.

 

Mit Bescheid der Oö. Landesregierung vom 17.11.1995, Zl. Stb-34.618/9-1995, wurde dem Bf mit Wirkung vom 13.11.1995 die österreichische Staatsbürgerschaft unter gleichzeitiger Erstreckung auf die Ehegattin und die drei damals minderjährigen Kinder verliehen.

 

Laut Auszug aus dem oa. türkischen Familienregister wurde der Bf mit Ministerratsbeschluss vom 30.10.1996, Zl. 1996/8827, nach dem türkischen Staatsbürgerschaftsgesetz 403 Artikel 8 erneut eingebürgert und ist somit seit diesem Zeitpunkt auch wieder türkischer Staatsbürger.

 

Die Einbürgerung und damit auch die Wiedereinbürgerung von Personen, die zuvor gemäß Art. 20 des Türkischen Staatsbürgerschaftsgesetzes Zahl 403 aus der türkischen Staatsbürgerschaft entlassen wurden, setzen einen Antrag voraus. Der erneute Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit ohne das Erfordernis eines Aufenthalts in der Türkei kann nach der türkischen Rechtsordnung nur freiwillig und nicht automatisch oder ohne Wissen des Bf vonstattengegangen sein.

 

Eine Bewilligung der Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft wurde vom Bf weder begehrt noch diesem erteilt.

 

Mit Bestätigung des Generalkonsulates der Türkei (Salzburg) vom 4. Jänner 2016 ist festgehalten, dass dem Bf kein türkischer Reisepass ausgestellt wurde.

 

 

II.

 

Dass der Bf im Jahr 1996 – nach Erlangung der Österreichischen Staatsbürgerschaft im November 1995 – mittels Ministerratsbeschluss vom 30. Oktober 1996 wieder eingebürgert worden war, konnte aufgrund der Aktenlage als gegeben angenommen werden.

 

Im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung war insbesondere die Frage zu klären, ob die Wiedereinbürgerung des Bf in den türkischen Staatsverband mit Ministerratsbeschluss vom 30. Oktober 1996 durch eine positive Willenserklärung des Bf veranlasst wurde.

 

Angesichts des Umstandes, dass der zuständige Richter des LVwG Oberösterreich (trotz mehrfacher Versuche) keinerlei Reaktion von Seiten der zuständigen türkischen Behörden erhielt, ist es doch bemerkenswert, dass dem Bf lediglich bestätigt wurde, dass ihm kein Reisepass ausgestellt worden sei. Die Beantwortung der hier relevanten Frage mittels Bestätigung seitens der türkischen Behörden, dass allenfalls die Wiedereinbürgerung nicht auf Antrag erfolgt wäre oder gar, dass er nicht türkischer Staatsbürger sei, wäre dem Bf wohl zumutbar und auch möglich gewesen. Dass er diese Bestätigung nicht beibringen konnte, obwohl er grundsätzlich Auskunft von „seinem“ Generalkonsulat erhielt, lässt jedenfalls den Schluss nachhaltig zu, dass die Wiedereinbürgerung – wie im türkischen Gesetz vorgesehen – auf einer positiven Willenserklärung des Bf basierte. Für diese Annahme spricht im Übrigen auch, dass lediglich die Entlassungsbestätigung aus dem Juli 1995 präsentiert wurde.

 

Wenig glaubhaft erschien hingegen die Aussage des Bf, er habe erst durch die Kontaktaufnahme der Oö. Landesregierung davon erfahren, im Jahr 1996 in die Türkei wieder eingebürgert worden zu sein, wenn ihm auch zugebilligt werden mag, dass ihm die Folgen dieser Wiedereinbürgerung nicht völlig bewusst gewesen waren.

 

 

III. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

1. Gemäß § 26 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 StbG, BGBl. Nr. 311/1985, in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. Nr. 685/1988, wird die Staatsbürgerschaft verloren durch

1.         Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit

2.         Eintritt in den Militärdienst eines fremden Staates

3.         Entziehung

4.         Verzicht.

 

Gemäß § 27 Abs. 1 verliert die Staatsbürgerschaft, wer auf Grund seines Antrages, seiner Erklärung oder seiner ausdrücklichen Zustimmung eine fremde Staatsangehörigkeit erwirbt, sofern ihm nicht vorher die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft bewilligt worden ist. (2)... (3)..."

 

2. Die Bestimmung des § 27 Abs. 1 StbG setzt voraus, dass der Staatsbürger eine auf den Erwerb der fremden Staatsbürgerschaft gerichtete "positive" Willenserklärung abgibt und die fremde Staatsbürgerschaft infolge dieser Willenserklärung tatsächlich erlangt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Oktober 2011, Zl. 2009/01/0018). Da das Gesetz verschiedene Arten von Willenserklärungen („Antrag", „Erklärung“, „ausdrückliche Zustimmung") anführt, bewirkt jede Willenserklärung, die auf Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit gerichtet ist, den Verlust der (österreichischen) Staatsbürgerschaft. Auf eine förmliche Verleihung der fremden Staatsangehörigkeit kommt es nicht an (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Jänner 2012, Zl. 2009/01/0045, das bereits zitierte Erkenntnis vom 19. Oktober 2011, Zl. 2009/01/0018, sowie das Erkenntnis vom 15. März 2010, Zl. 2008/01/0590, mit Hinweis auf Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II, 1990, S. 296).

 

Nach ständiger Judikatur des VwGH vermag ein Irrtum über die Auswirkungen des gewollten Erwerbes einer fremden Staatsangehörigkeit - selbst wenn er unverschuldet wäre - die Rechtswirksamkeit eines Antrages auf den Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit im Sinn des § 27 Abs. 1 StbG nicht zu beseitigen, da der Verlust der Staatsbürgerschaft unabhängig davon eintritt, ob er beabsichtigt war, auch wenn die/der Betroffene die österreichische Staatsbürgerschaft beibehalten wollte (vgl. ua. VwGH 15.03.2012, 2010/01/0026).

 

3.1. Im vorliegenden Fall ist zunächst unbestritten, dass dem Bf mit Wirkung 17. November 1995 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen wurde. Weiters ist davon auszugehen, dass ihm im Oktober 1996 die türkische Staatsbürgerschaft erneut verliehen wurde.

 

Strittig ist hingegen, ob dieser Verleihung der türkischen Staatsbürgerschaft ein Antrag bzw. eine positive Willenserklärung des Bf zugrunde lag.

 

3.2. In einem vergleichbaren Fall erörterte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26. Jänner 2012, Zl. 2009/01/0045, insbesondere die Problematik der Auskunftserlangung bei türkischen Behörden wie auch die Frage, inwieweit von einem Antrag eines wiedereingebürgerten türkischen Staatsangehörigen ausgegangen werden könne: „Die belangte Behörde setzte sich im Beschwerdefall auch zutreffend mit dem nach § 27 Abs. 1 StbG erforderlichen Tatbestandsmerkmal der positiven Willenserklärung auseinander. Es kann ihr auch insofern nicht entgegengetreten werden, wenn sie ausgehend von den maßgeblichen Bestimmungen des türkischen Staatsangehörigkeitsrechts, wonach für den (Wieder-)Erwerb der Staatsbürgerschaft zwingend die Antragstellung des Einzubürgernden vorgeschrieben sei, vom Vorliegen eines derartigen Antrages ausging und das Vorbringen des Beschwerdeführers derart beurteilte, dass er Gegenteiliges - nämlich dass seine Wiedereinbürgerung im konkreten Fall nicht auf Antrag vorgenommen worden sei (...) nicht nachvollziehbar aufgezeigt habe. (...) (vgl. zu den von der belangten Behörde in anderen Verfahren dargestellten Schwierigkeiten, bei den türkischen Behörden personenbezogene Auskünfte zu erhalten, das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 2011, Zl. 2009/01/0018, mwN)“.

 

3.3. Wie im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellt, konnte der Bf zwar eine Bestätigung vom zuständigen türkischen Generalkonsulat erhalten, dass ihm kein Reisepass ausgestellt worden sei, jedoch nicht, dass er aktuell kein türkischer Staatsangehöriger sei und auch nicht, dass er diese Staatsbürgerschaft ohne entsprechende Willenserklärung erhalten habe. Bezugnehmend auf die oben dargestellte Judikatur des Verwaltungsgerichtshof in absolut vergleichbaren Fällen, muss angenommen werden, dass der Wiedereinbürgerung im Jahr 1996 – wie in den einschlägigen türkischen gesetzlichen Bestimmungen vorgesehen, eine positive Willenserklärung seitens des Bf zugrunde lag. Daraus folgt aber, dass mit Bedacht auf § 27 Abs. 1 StBG der Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft ex-lege einzutreten hatte, gleich ob diese – vom Bf fraglos nicht intendierte – Konsequenz ihm bewusst war.

 

4. Es war daher im Ergebnis die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

IV.       Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Bernhard Pree

Beachte:

Die Behandlung der Beschwerde wurde abgelehnt.

VfGH vom 8. März 2016, Zl.: E 342/2016-5