LVwG-300926/2/Kl/PP - 300927/2

Linz, 28.01.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Ilse Klempt über die Beschwerde der Frau M. S., L., vertreten durch Rechtsanwalt Dr. P. B., x, L., gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 30.11.2015, GZ: 0010393/2015, wegen Übertretungen nach dem Mutterschutzgesetz und Arbeitszeitgesetz

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

I.        Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und das angefochtene Straferkenntnis wegen Unzuständigkeit der Behörde aufgehoben.

 

II.       Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG entfällt ein Kostenbeitrag zum Beschwerdeverfahren.

 

III.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

1.         Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 30.11.2015, GZ: 0010393/2015, wurden über die Beschwerdeführerin Geldstrafen und Ersatzfreiheitsstrafen in vier Fällen wegen Verwaltungsübertretungen nach dem Mutterschutzgesetz bzw. Arbeitszeitgesetz verhängt, weil sie nachfolgend konkret umschriebene Verwaltungsübertretungen „als gemäß § 9 Abs. 2 und 4 VStG für die Einhaltung der ArbeitnehmerInnenschutzvorschriften in der Filiale Einkaufszentrum „x“ in W., x, bestellte verantwortliche Beauftragte der W. Handels GmbH (x) mit dem Sitz in L., x, zu vertreten“ hat.

 

 

2.         Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde eingebracht und die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, in eventu die Erteilung einer Ermahnung, in eventu die Herabsetzung der Geldstrafe beantragt. Begründend wurden unrichtige Tatsachenfeststellungen aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und die Verletzung wesentlicher Verfahrensvor­schriften angeführt und die Strafe als zu hoch bemessen angefochten, da Strafmilderungsgründe nicht berücksichtigt worden seien.

 

 

3.         Der Magistrat der Stadt Linz hat die Beschwerde samt dem bezug­habenden Verwaltungsstrafakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt.

 

 

4.         Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Weil bereits aus der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, entfällt eine mündliche Verhandlung gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG.

 

Folgender entscheidungserheblicher Sachverhalt wird zugrunde gelegt:

Das Arbeitsinspektorat Wels hat am 7. Juli 2014 eine Mutterschutzerhebung in der Arbeitsstätte „x“, W., x, durchgeführt und bei Durchsicht der in der Arbeitsstätte aufliegenden Arbeitszeitaufzeichnungen die Heranziehung der schwangeren Arbeitnehmerinnen M. H. und M. Z. in dieser Arbeitsstätte zu den dem Arbeitszeitgesetz und Mutterschutz­gesetz nicht entsprechenden Arbeitszeiten festgestellt.

Die Arbeitsstätte „x“ in W. wird von der W. Handels GmbH mit Sitz in L., x, betrieben.

Mit Bestellungsurkunde vom 20.10.2011, beim Arbeitsinspektorat Wels eingelangt am 2.11.2011, wurde die Beschwerdeführerin von der W. Handels GmbH für die Arbeitsstätte Wels, x (Einkaufszentrum „x“) zur verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 VStG zur Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften bestellt und von der Beschwerdeführerin zugestimmt. Zur Anordnungsbefugnis wurde ausgeführt, dass sie als Leiterin des Einkaufszentrum „x“ umfassende Leitungs- und Weisungsbefugnis in den Angelegenheiten des Arbeitnehmerschutzes hat. Die Arbeitsstätte ist auch Dienstort der Beschwerdeführerin.

 

 

5.         Hierüber hat das Oö. Landesverwaltungsgericht erwogen:

 

5.1.      Gemäß § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verant­wortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

Gemäß § 9 Abs. 2 VStG sind die zur Vertretung nach außen Berufenen berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abge­grenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.

Gemäß § 27 Abs. 1 VStG ist örtlich zuständig die Behörde, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist.

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Arbeitnehmer­schutz, zur Ausländerbeschäftigung, zum Arbeitsrecht und zur LMKV 1993 sowie auch zum Öffnungszeitengesetz ist gemäß § 27 Abs. 1 VStG der Tatort grundsätzlich der Sitz des Unternehmens, für welches der zur Vertretung nach außen Befugte gemäß § 9 VStG bzw. der verantwortliche Beauftrage gehandelt hat. Es liegt der Tatort dort, wo die Dispositionen und Anweisungen zur Vermeidung der Verstöße gegen die Verwaltungsvorschriften hätten gesetzt werden müssen.

Hingegen hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.4.1994, 94/11/0055, entschieden, dass wenn für einen Filialbetrieb ein verantwortlicher Beauftragter iSd § 9 Abs. 2 zweiter Satz VStG bestellt ist, dann der Tatort einer von diesem zu verantwortenden Verwaltungsübertretung nicht am Sitz der (zentralen) Unternehmensleitung liegt. In der Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichtshofes wurde in diesem Zusammenhang zum Ausdruck gebracht, dass der Tatort dort liegt, wo die Dispositionen und Anweisungen zur Vermeidung der Verstöße gegen die Verwaltungsvorschriften hätten gesetzt werden müssen (vgl. Erkenntnis v. 25.1.1994, 93/11/0227). Dies ist aber bei einem verantwortlichen beauftragten Filialleiter der Standort dieser Filiale.

 

Erwiesen ist, dass laut Bestellungsurkunde die Beschwerdeführerin als Leiterin des Einkaufszentrums „x“ für diese Arbeitsstätte zur verantwortlichen Beauftragten bestellt wurde. Als Dienstort ist ebenfalls die genannte Arbeitsstätte angegeben. Es sind daher Dispositionen und Anweisungen zur Vermeidung der Verstöße gegen Verwaltungsvorschriften von der Beschwerdeführerin an dieser Arbeitsstätte zu setzen. Es ist daher der Tatort an der genannten Arbeitsstätte gelegen, wo die Dispositionen und Anweisungen zur Vermeidung der Verstöße gegen das Mutterschutzgesetz und Arbeitszeitgesetz hätten gesetzt werden müssen. Es wurden daher die vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen am Standort des Einkaufszentrums „x“ in W. gesetzt. Gemäß § 27 Abs. 1 VStG ist daher die Behörde örtlich zuständig, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, also im konkreten Fall, wo die erforderlichen Vorsorgemaßnahmen hätten getroffen werden müssen. Dies ist die Bezirksverwaltungsbehörde in Wels. Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz war daher gemäß § 27 Abs. 1 VStG für dieses Strafverfahren unzuständige Behörde. Eine Abtretung des Strafverfahrens hat nicht stattgefunden. Es war daher das angefochtene Straferkenntnis wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde ersatzlos aufzuheben.

 

 

6.         Bei diesem Verfahrensergebnis entfällt ein Kostenbeitrag zum Beschwerde­verfahren gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG.

 

 

7.         Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzu­bringen.

H i n w e i s

 

Bitte erachten Sie den von der belangten Behörde mit der angefochtenen Ent­scheidung übermittelten Zahlschein als hinfällig.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Ilse Klempt