LVwG-300777/12/Kl/PP

Linz, 26.01.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Ilse Klempt über die Beschwerde des Herrn Dipl.-Ing. R F, T b W, vertreten durch H Rechtsanwälte, x, W, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 7. August 2015, BZ-Pol-09033-2014, wegen Verwaltungs-übertretungen nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 19. November 2015

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass im Spruch der letzte Satz zu entfallen hat.

 

 

II.      Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG hat der Beschwerdeführer einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von 600 Euro zu leisten.

 

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

1.         Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom
7. August 2015, BZ-Pol-09033-2014, wurden über den Beschwerdeführer Geldstrafen in zwei Fällen von je 1.500 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfrei­heitsstrafen von je 30 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 130 Abs. 5 Z 1 und § 118 Abs. 3 Arbeitnehmerinnenschutzgesetz (AschG) iVm § 7 Abs. 1 und Abs. 2 Z 4 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) verhängt, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als iSd § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der Firma Bauunternehmen Dipl.-Ing. F, Gesellschaft mbH, der unbeschränkt haftenden Gesell­schafterin der Firma Bauunternehmung R G KG, x, W (Arbeitgeberin), zu verantworten hat, dass am 09.05.2014 auf der Baustelle Neubau P, x/x in W, zwei Arbeitnehmer der Firma Bauunternehmung R G KG, nämlich F W, geb. x, und A A, geb. x, ungesichert, dh. ohne Vorhandensein von Absturzsicherungen, Abgrenzungen oder Schutzeinrichtungen und ohne Absicherung mittels geeigneter persönlicher Schutzausrüstung auf dem zirka 30 m hohen Ausleger des Turmdrehkranes der Firma W mit Arbeiten an der Bremse für die Laufkatze beschäftigt waren, obwohl bei Absturzgefahr Absturzsicherungen, Abgrenzungen oder Schutzeinrichtungen anzubringen sind und Absturzgefahr vorliegt an sonstigen Arbeitsplätzen, Standplätzen und Verkehrswegen bei mehr als 2 m Absturzhöhe. Die Voraussetzungen für die Anwendung des § 7 Abs. 4 BauV idgF wonach die Anbringung von Absturz­sicherungen oder Schutzeinrichtungen entfallen kann, wenn 1. Der hierfür erforderliche Aufwand unverhältnismäßig hoch gegenüber dem Aufwand für die durchzuführenden Arbeiten ist und 2. Die Arbeitnehmer mittels geeigneter persönlicher Schutzausrüstung gegen Absturz gesichert sind, liegen nicht vor.

 

2.      Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde eingebracht und die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens, in eventu eine Ermahnung, in eventu Herabsetzung der Strafe beantragt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Arbeitnehmer A eine letzte Verrichtung, nämlich die Fixierung des Hubseiles am äußeren Ende des Auslegers verrichten wollte. Nachdem er aus dem Laufkatzenwartungskorb ausgestiegen sei, habe sich die Laufkatze Richtung Kranfahrer in Bewegung gesetzt und habe daher der weitere Arbeitnehmer W, der über eine 30jährige Berufserfahrung verfüge, die Gefährlichkeit der Situation erkannt, sich auf den Turm und zur Fahrerkabine begeben, den Ausleger bestiegen und die Laufkatzenbremse mechanisch fixiert. Es sei damit die Laufkatze zum Stillstand gebracht worden. Es habe somit Gefahr in Verzug bestanden und habe der Arbeitnehmer W nicht Zeit gehabt, Absturzsicherungen oder eine persönliche Schutzeinrichtung anzubringen, zumal unmittelbar drohende und schwere Gefahr für das Leben des Kranfahrers abzuwehren gewesen sei. Es sei ein Defekt an der Katzenbremse festgestellt worden und diese am nächsten Werktag ausgetauscht worden. Es sei daher Notstand vorgelegen und Strafbarkeit nicht gegeben. Aber auch bei Annahme eines strafbaren Verhaltens sei die Strafe zu hoch bemessen, zumal der Milderungsgrund der Tatbegehung durch Unterlassung eines gesetz­lich geforderten Erfolgs nicht berücksichtigt worden sei.

 

3.      Der Magistrat der Stadt Wels hat die Beschwerde samt dem bezug­habenden Verwaltungsstrafakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt und die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

 

4.      Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 19. November 2015, zu welcher die Verfahrensparteien geladen wurden und mit Ausnahme des Beschwerdeführers erschienen sind. Weiters wurde der Zeuge Arbeitsinspektor Ing. K-H B geladen und einvernommen. Der weiters geladene Zeuge F W ist in der Zwischenzeit verstorben. Der geladene Zeuge A A ist nicht erschienen. Von einer Einvernahme konnte Abstand genommen werden.

 

4.1. Im Grunde des durchgeführten Beweisverfahrens steht folgender Sach­verhalt als erwiesen fest und wird der Entscheidung zugrunde gelegt:

 

Der Beschwerdeführer ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der Dipl.-Ing. F GesmbH, diese ist unbeschränkt haftende Gesellschafterin der Firma Bauunternehmung R G KG mit Sitz in W. Am 9. Mai 2014 wurden zwei Arbeitnehmer der Bauunternehmung, F W und A A, auf der Baustelle Neubau P x/x in W auf dem zirka 30 m hohen Ausleger eines Turmdrehkranes bei Arbeiten angetroffen. Es waren keine Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen vorhanden und waren die beiden Arbeitnehmer auch nicht mit persönlicher Schutzausrüstung gesichert. Die Arbeitnehmer befanden sich auch außerhalb des Laufkatzenwartungskorbes auf dem Ausleger. Sie wurden bei der Aufwicklungs­rolle tätig angetroffen. Der Arbeitnehmer A stieg anschließend in den Wartungskorb, der mit der Laufkatze verbunden war, zum äußersten Ende des Kranauslegers, stieg aus dem Arbeitskorb und befestigte dort das Hubseil bzw. hängte es ein. Nach der Montage ist der Arbeitnehmer wieder mit dem Arbeitskorb mit Laufkatze zum Führerhaus gefahren und den Kran heruntergestiegen. Der andere Arbeitnehmer ging auf dem Ausleger zurück zum Führerhaus und kam den Kran herunter. Es waren keine Sicherungsmaßnahmen außerhalb des Arbeitskorbes vorhanden und hatten die Arbeitnehmer auch keine persönliche Schutzaus­rüstung bei sich. Dazu vom Arbeitsinspektor befragt gaben sie an, dass sie eine persönliche Schutzausrüstung im Firmenbus hätten, dass aber die Maßnahme sehr eilig war und sie daher ohne Sicherung auf den Kran gestiegen sind.

Die Arbeiter sind geschult hinsichtlich Arbeiten auf Kränen und Auslegern, insbesondere durch eine jährliche Schulung im Betrieb sowie auch durch wieder­kehrende Besprechungen mit den Bauleitern. Es gibt auch Sicherheitsbe­stimmungen des Herstellers, wonach bei einem Kran mit Ausleger ohne Laufsteg der Wartungsfahrkorb zu verwenden ist. Diese Sicherheitsbestimmungen waren den Arbeitnehmern auch bekannt. Der Arbeitnehmer W war übrigens ein sehr erfahrener langjährig bei Kränen beschäftigter Mitarbeiter. Er hat vor der Tätigkeit beim Beschwerdeführer für die Firma L gearbeitet und wurde auch immer bei Problemfällen noch geholt. Er ist Werkmeister für Kräne und führt sämtliche Aufstellungen, Montagen und Reparaturen bei Kränen der Bauunter­nehmung G durch.

 

4.2.     Dieser Sachverhalt ergibt sich einwandfrei aus den, der Anzeige beigeschlossenen und auch in der Verhandlung erörterten Fotos. Weiters ergibt sich der Sachverhalt aus den Aussagen des zeugenschaftlich einvernommenen Arbeits­inspektor. An der Glaubwürdigkeit des Zeugen bestehen keine Zweifel. Es ergeben sich auch keine Widersprüche zum Vorbringen des Beschwerdeführers. Auch dieser bestätigte in seiner Stellungnahme, dass die Arbeitnehmer zum Kontrollzeitpunkt keine persönliche Schutzausrüstung trugen und auch keine sonstigen Schutzeinrichtungen vorhanden waren. Es konnte daher der Sach­verhalt einwandfrei als erwiesen festgestellt werden.

 

5.         Hierüber hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erwogen:

 

5.1.     Gemäß § 130 Abs. 5 Z 1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz - ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 166 bis 8.324 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 333 bis 16.659 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden Bestimmungen zuwiderhandelt.

Gemäß § 118 Abs. 3 ASchG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung - BauV nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen als Verordnung nach diesem Bundes­gesetz.

Gemäß § 7 Abs. 1 BauV sind bei Absturzgefahr Absturzsicherungen (§ 8), Abgrenzungen (§ 9) oder Schutzeinrichtungen (§ 10) anzubringen.

Gemäß § 7 Abs. 2 Z 4 BauV liegt Absturzgefahr vor an sonstigen Arbeitsplätzen, Standplätzen und Verkehrswegen bei mehr als 2,00 m Absturzhöhe.

Gemäß § 7 Abs. 4 BauV kann die Anbringung von Absturzsicherungen (§ 8) oder Schutzeinrichtungen (§ 10) entfallen, wenn

1.    der hiefür erforderliche Aufwand unverhältnismäßig hoch gegenüber dem Aufwand für die durchzuführenden Arbeiten ist und

2.    die Arbeitnehmer mittels geeigneter persönlicher Schutzausrüstung gegen Absturz gesichert sind.

5.2.      Im Grunde des als erwiesen festgestellten Sachverhaltes haben die beiden namentlich genannten Arbeitnehmer zum Tatzeitpunt Arbeiten auf einem Kranausleger in zirka 30 m Höhe durchgeführt, obwohl keine Sicherungs­maßnahmen gegen Absturz vorhanden waren und die Arbeitnehmer auch nicht sicher angeseilt waren. Es war daher eindeutig der objektive Tatbestand der Verwaltungsübertretung erfüllt. Als handelsrechtlicher Geschäftsführer des unbeschränkt haftenden Bauunternehmens Dipl.-Ing. F GesmbH hat er die Verwaltungsübertretung auch gemäß § 9 Abs. 1 VStG verwaltungsstraf­rechtlich zu verantworten.

Im Grunde der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur BauV, dass Ausnahme­regelungen nicht gesondert im Tatvorwurf anzuführen sind, und der Tatsache, dass die Arbeitnehmer nicht angeseilt waren, konnte der letzte Satz im Spruch des Straferkenntnisses entfallen.

 

5.3.      Wenn hingegen der Beschwerdeführer sich auf Notstand beruft, so ist er mit diesem Vorbringen nicht im Recht.

Gemäß § 6 VStG ist eine Tat nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt oder, obgleich sie dem Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetz geboten oder erlaubt ist.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist unter Notstand iSd § 6 VStG nur ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten zu verstehen, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, dass er eine im allgemeinen strafbare Handlung begeht. Es muss sich um eine unmittelbar drohende Gefahr für das Leben, die Freiheit oder das Vermögen handeln. Weiters gehört es zum Wesen des Notstandes, dass die Gefahr zumutbarer Weise nicht in anderer Art als durch die Begehung der objektiv strafbaren Handlung zu beheben ist. Der in der Lehre anerkannte Satz „wer ein im Rechtssinn höherwertiges, und zwar ein zweifellos höherwertiges Gut auf Kosten eines geringwertigen rettet, handelt nicht rechtswidrig“ begegnet auch beim Verwaltungsgerichtshof keinen Bedenken und wurde auch vom Verwaltungsgerichtshof für das Verwaltungsstrafverfahren als richtig anerkannt (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österr. Verwaltungs­verfahrens, 6. Auflage, Seite 1258 ff mit Judikaturnachweisen).

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass der Arbeitnehmer W nur deshalb ungesichert auf den Kranausleger gestiegen ist, um die sich verselbständigte Laufkatze zum Stillstand zu bringen, indem er eine mechanische Bremse festzog, und damit eine Gefährdung des Kranfahrers im Kranführerhaus vermieden hat, kann einen solchen Notstand nicht rechtfertigen bzw. entschuldigen. Insbesondere ist unter Hinweis auf die obigen Ausführungen kein eindeutig höherwertiges Rechtsgut geschützt worden, zumal der Gefährdung der Gesundheit des Kranfahrers die Gefährdung der Gesundheit der auf dem Ausleger ungeschützt beschäftigten Arbeitnehmer gegenüberstand. Es handelte sich daher um gleichwertige Rechtsgüter. Darüber hinaus ist aber auch die Voraussetzung, dass die Gefahr zumutbarer Weise nicht in anderer Art zu beheben war, nicht einwandfrei gegeben, zumal im allgemeinen bei Rettungssituationen jedenfalls auch von der Pflicht zur Eigensicherung auszugehen ist. Auch bleibt offen, ob nicht durch ein anderes Alternativverhalten z.B. des Kranführers die Situation hätte abgewendet werden können. Es kommt daher dem Beschwerdeführer das Rechtsinstitut des Notstandes nicht zu Gute.

In diesem Zusammenhang ist jedoch zu erwähnen, dass sich die Situation zum Kontrollzeitpunkt, dokumentiert auch durch die aufliegenden Fotos, so darstellte, dass sich bei Eintreffen des Arbeitsinspektors beide Arbeitnehmer außerhalb des Wartungskorbs befanden, der an der Laufkatze befestigte Wartungskorb aber in weiterer Folge von einem Arbeitnehmer auch wieder benutzt wurde und der zweite Arbeitnehmer, Herr W, nicht in weiterer Folge den Wartungskorb benutzte, sondern ungesichert sich auf dem Ausleger bewegte und den Kran herabstieg. Der vom Beschwerdeführer eingewendete Bremsendefekt bei der Laufkatze hat daher die Weiterverwendung der Laufkatze mit Wartungs­korb und weitere Durchführung der erforderlichen Arbeiten am Ende des Auslegers nicht gehindert.

 

5.4.   Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar, wobei zur Strafbarkeit bereits Fahrlässigkeit ausreicht und Fahrlässigkeit im Sinn der zitierten Bestimmung ohne weiteres anzunehmen ist, sofern vom Beschwerdeführer kein Entlastungsnachweis erbracht wird. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Beschwerdeführer initiativ alles darzu­legen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringen von Beweismittel oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die Glaubhaftmachung nicht aus.

Wie bereits die belangte Behörde in der Begründung des Straferkenntnisses angeführt hat, hat im Sinn der Arbeitnehmerschutzbestimmungen und der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes der Arbeitgeber dafür zu sorgen, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie der dazu erlassenen Verordnungen eingehalten werden. Ist er selbst nicht anwesend, hat er einen geeigneten Arbeitnehmer zu bestimmen, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Überträgt er einzelne Angelegenheiten anderen Personen selbstver­antwortlich, so hat die eigene Tätigkeit in diesen Belangen sich auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken. Der Unternehmer ist dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit, wenn er den Nachweis zu erbringen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Der dem Beschwerdeführer nach § 5 Abs. 1 VStG obliegende Entlastungsnachweis kann aber nicht allein dadurch erbracht werden, dass die ihn betreffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person übertragen wird. Es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person Vorsorge getroffen worden ist (VwGH vom 18.9.1991, 90/19/0177 u.a.). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reichen die bloße Erteilung von Weisungen und die Wahrnehmung einer „Oberaufsicht“ nicht aus (VwGH 30.6.1994, 94/09/0049). Entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle über die Einhaltung der vom Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgte. In diesem Sinne führt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20.12.2002, 99/02/0220, aus, dass der Hinweis auf die Betrauung Dritter mit Kontrollaufgaben, auf die Erteilung entsprechender Weisungen und auf stichprobenartige Überprüfungen nicht den Anforderungen eines wirksamen Kontrollsystems genügt (vgl. auch das Erkenntnis des VwGH vom 23.5.2006, 2005/02/0248). Insbesondere bemängelt der Verwaltungsgerichtshof, dass der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht hat, dass er etwa die Einhaltung der erteilten Aufträge und Weisungen während deren Ausführung überprüft hätte. „Gerade für den Fall, dass die Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb aufgrund eigenmächtiger Handlungen gegen die Arbeitnehmerschutzvorschriften verstoßen, hat das entsprechende, vom Arbeitgeber eingerichtete Kontrollsystem Platz zu greifen. Im Beschwerdefall zeigt jedoch das eigenmächtige Verhalten des verunfallten Arbeitnehmers zum Tatzeitpunkt, dass kein wirksames Kontrollsystem im Sinn der hg. Judikatur vorhanden war.“

 

Der Beschwerdeführer war zum Tatzeitpunkt auf der Baustelle nicht anwesend. Ein Verweis auf jährliche Schulungen und Besprechungen mit Bauleitern kann jedoch iSd Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes den Beschwerdeführer nicht entlasten. Insbesondere wurde nicht aufgezeigt, welche Maßnahmen konkret der Beschwerdeführer getroffen hat, die unter vorhersehbaren Umständen die Ein­haltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften gewährleisten können. Insbesondere kann auch der Verweis auf Herstellervorschriften den Beschwerdeführer nicht entlasten, zumal auch in diesen Vorschriften ausschließlich die Benützung des Wartungskorbes bei Arbeiten auf dem Ausleger vorgesehen ist. Es ist daher jedenfalls vom Verschulden des Beschwerdeführers, nämlich zumindest von fahrlässiger Tatbegehung auszugehen.

 

5.5.      Gemäß § 19 Abs. 1 VStG idF BGBl. I Nr. 33/2013, in Geltung ab 1. Juli 2013, sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermes­sensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechts­verfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nach­prüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist.

 

Die belangte Behörde hat der Strafbemessung ein monatlichen Nettoeinkommen von 5.000 Euro und die Sorgepflicht für ein Kind zugrunde gelegt. Straf­milderungsgründe wurden von ihr nicht gewertet, straferschwerend wurde das nicht Vorliegen eines funktionierenden Kontrollsystems berücksichtigt, obwohl bereits drei einschlägige Vorstrafen vorliegen. Auch wurde die Gefahr für Leib und Leben als erhebliche Gefährdung des geschützten Rechtsgutes als erschwerend gewertet.

Diesen Ausführungen kann nicht entgegengetreten werden. Nach den Angaben in der mündlichen Verhandlung liegt die Sorgepflicht nicht vor. Die je Delikt verhängte Geldstrafe liegt im untersten Bereich des für den Wiederholungsfall vorgesehenen Strafrahmens bis 16.659 Euro. Die verhängte Geldstrafe ist daher tat- und schuldangemessen und auch den persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers angepasst. Vielmehr ist sie erforderlich um den Beschwerde­führer in Hinkunft zu einem gesetzeskonformen Verhalten anzuleiten und dazu zu bewegen ein entsprechend lückenloses Kontrollsystem aufzubauen. Hingegen kommt der vom Beschwerdeführer eingewendete Milderungsgrund nicht zum Tragen, da der Eintritt eines Erfolgs nicht Erfordernis für den Tatbestand ist, sondern bereits der Verstoß gegen eine gesetzliche Verpflichtung unter Strafe gestellt ist. Bereits hiermit ist der Unrechts- und Schuldgehalt der Tat erfüllt.

Da sonst Milderungsgründe nicht hervorgetreten sind, war von einer außer­ordentlichen Milderung gemäß § 20 VStG nicht Gebrauch zu machen. Auch liegt nicht nur geringfügiges Verschulden vor, sodass auch nicht die Voraussetzung für die Anwendung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG vorhanden war.

 

6.         Weil die Beschwerde keinen Erfolg hatte, hat der Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahren iHv 20 % der verhängten Geldstrafen, das sind 600 Euro zu leisten.

 

7.         Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzu­bringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Ilse Klempt