LVwG-650530/13/Bi

Linz, 08.02.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Karin Bissenberger über die Beschwerde des Herrn A W, vertreten durch Herrn RA Dr. H T, vom 23. November 2015 gegen den Bescheid des Landespolizeidirektors von vom 20. Oktober 2015, FE-819/2015, wegen Entziehung der Lenkberechtigung ua, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 21. Jänner 2016 und 4. Februar 2016

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

I.

Gemäß § 28 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und der in Beschwerde gezogene Bescheid aufgehoben.  

 

II.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungs­gerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Bescheid wurde dem Beschwerdeführer (in Folge: Bf) in Bestätigung des Mandatsbescheides der belangten Behörde vom 21. August 2015, FE-819/2015, gemäß §§ 2, 7, 24 Abs.1, 2und 3, 26 Abs.1, 2 und 5, 29 Abs.3, 30 Abs.1 und 2, FSG die Lenkberechtigung – Führerschein ausgestellt von der Landespolizeidirektion am 29.1.2004 zu F00103/2004 für die Klassen AM und B – mangels Verkehrszuverlässigkeit  für einen Zeitraum von einem Monat, gerechnet ab 8.9.2015 bis einschließlich 8.10.2015 entzogen. Außerdem wurde ausgeführt, die belangte Behörde habe „eine allenfalls bestehende ausländische Nicht-EWR-Lenkberechtigung oder EWR-Lenk­berechtigung ab Verkündung des Bescheides für die Dauer der Entziehung zu entziehen“. Die Absolvierung eines Verkehrscoachings bei einer hiezu ermächtigten Stelle binnen einer Frist von drei Monaten, gerechnet ab 8.9.2015, wurde angeordnet.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte laut Rückschein am 27. Oktober 2015.

2. Dagegen hat der Bf fristgerecht Beschwerde gemäß § 7 VwGVG iVm Art.130 Abs.1 Z1 B-VG eingebracht, die von der belangten Behörde ohne Beschwerde­vorentscheidung dem Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wurde, das darüber gemäß Art.131 B-VG zu entscheiden hat. Am 21. Jänner und am 4. Februar 2016 wurde – in Verbindung mit der Verhandlung im zugrundeliegenden Verwaltungsstrafverfahren zu LVwG-601141 – eine (beantragte) öffentliche mündliche Verhandlung in Anwesenheit des Bf, seiner Rechtsvertreterin Mag. T N und der Vertreterin der LPD Mag. S S und der Zeugen I S (S), Meldungsleger GI K B (Ml) und GI J S (GI St) durchgeführt. Auf die mündliche Verkündung des Erkenntnisses wurde verzichtet.

3. Der Bf macht im Wesentlichen geltend, hätte die belangte Behörde die beantragten Beweise aufgenommen und ausreichend gewürdigt, wäre sie zum Ergebnis gelangt, dass er im Lenkzeitpunkt nicht durch Alkohol beeinträchtigt gewesen sei. Die belangte Behörde sei von einem Nachtrunk von nur 2 Bier ausgegangen entgegen seinen eindeutigen und widerspruchsfreien Angaben. Sie habe sich bei ihren Feststellungen auf die Aussagen der Zeugin S und des Ml gestützt, das ergebe sich aber nicht aus den Zeugenaussagen. Die Zeugin S habe lediglich bestätigt, dass er in der Wohnung 2 Bier getrunken habe, dass er erst gegen 18.45 Uhr in die Wohnung gekommen sei und die Bierdosen in einem Billa-Plastiksackerl gehabt habe. Die Beamten hätten 2 Monate nach dem Vorfall resümeehaft seine Mitteilungen wiedergegeben. Seine förmliche Einvernahme sei ohne Begründung nicht erfolgt, obwohl eine genaue Formulierung und genaue zeitliche Angaben entscheidend seien. Der Sachverhaltsfeststellung bzw die Beweiswürdigung sei daher mangelhaft, ebenso die Begründung. In der Anzeige werde der Nachtrunk mit „4 Dosen Bier“ angegeben und die belangte Behörde sei ohne nähere Angaben dazu davon abgewichen. Die Rückrechnung stamme bereits vom 20. August 2015, obwohl der belangten Behörde zu diesem Zeitpunkt die Aussagen der beiden Polizeibeamten noch gar nicht bekannt gewesen seien, das sei eine unzulässige vorgreifende Beweiswürdigung. Er habe von Anfang an darauf hingewiesen, dass er nach dem Lenken „einige Bier“ getrunken habe. Er habe das insofern konkretisiert, als es sich um 1 Bier während der Fahrt, 1 Bier nach dem Abstellen des Motors und 2 Bier in der Wohnung gehandelt habe – das stehe im Einklang mit den Aussagen der Zeugin S und den gemessenen Werten. Da es keine anderen Beweisergebnisse gebe, sei eine Rückrechnung nicht zulässig. Beide Beamte hätten seinen Angaben über „einige Bier zu Hause“ bestätigt. Damit sei jedenfalls „nach dem Lenken“ bzw „nach dem Einparken“ gemeint, er selbst sei nie dazu befragt worden. Einige Bier seien nach dem allgemeinen Sprachgebrauch definitiv mehr als 2. Die Zeugin S und er selbst hätten ausgesagt, dass er die 2 in der Wohnung getrunkenen Dosen Bier in einem Billa-Sackerl mitgebracht habe. Er habe selbst ausgesagt, er habe die Dosen auf der Heimfahrt kurz vor dem Eintreffen auf dem Parkplatz bei einem nahen Billa-Markt gekauft. Eine der Dosen habe er sofort nach dem Einkaufen geöffnet und bereits während der restlichen Fahrt zu trinken begonnen. Selbst wenn er die ganze Dose auf der Fahrt ausgetrunken hätte, sei amtsbekannt, dass eine Dose Bier bei einem Mann in seinem Alter mit 180 cm Größe und 115 kg Gewicht nicht zu einer unzulässigen Alkoholisierung führe. Hätte er tatsächlich nur 2 Dosen gekauft, hätte er kein Sackerl benötigt. Er habe 4 Dosen gekauft, die 1. nach dem Kauf geöffnet und auf der Fahrt ausgetrunken. Nach dem Einparken habe er seinen Arbeitsbericht und Fahrtenbericht ausgefüllt, was ca 35 Minuten gedauert habe. Während dieses Zeitraumes habe er eine weitere Dose Bier getrunken. Die restlichen 2 Dosen habe er in die Wohnung mitgenommen und dort in Anwesenheit seiner Lebensgefährtin konsumiert. Er habe den Nachtrunk sofort bei erster Gelegenheit erwähnt. Wenn ein Nachtrunk behauptet werde, müsse die Behörde von Amts wegen Erhebungen einleiten, wobei ihn eine Mitwirkungspflicht treffe.

4. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der belangten Behörde sowie Durchführung einer (beantragten) öffentlichen mündlichen Verhandlung, bei der beide Parteien gehört und die oben genannten Zeugen unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht gemäß § 288 StGB – die Zeugin S nach Belehrung über ihr Entschlagungsrecht als Lebensgefährtin des Bf und ihrer ausdrücklichen Erklärung, sie wolle aussagen, – einvernommen wurden. Außerdem wurden die Unterlagen zur Beurteilung der Funktionsfähigkeit und –genauigkeit des verwendeten Atemalkoholunter­suchungsgerätes eingeholt. Auf die Verkündung des Erkenntnisses wurde verzichtet.

 

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Am Freitag, dem 17. Juli 2015, wurden der Ml und GI St gegen 19.45 Uhr zum Haus M.straße beordert, weil dort ein Moped umgefahren worden war. Die Zulassungsbesitzerin und ihr Freund gaben an, sie hätten zuletzt um 18.10 Uhr das Moped stehend gesehen, wobei dort eine große Parklücke frei gewesen sei; um 19.00 Uhr sei es beschädigt am Boden gelegen, und in der Parklücke sei ein Mercedes Sprinter gestanden, ein Firmen-Lkw mit dem Kennzeichen x. Der Abstellort des Lkw befand sich in der K.straße gegenüber der Einmündung der H.straße. Von GI St wurde über den Zulassungsbesitzer der in unmittelbarer Nähe wohnende Bf als Lenker eruiert und dieser telefonisch ersucht, zum Fahrzeug zu kommen. Als er um ca 20.00 Uhr bei den Beamten erschien, bestätigte er, den Lkw gelenkt zu haben, bestritt aber, das Moped zu Sturz gebracht zu haben. Er war laienhaft erkennbar alkoholisiert und erklärte darauf angesprochen, er habe zu Hause „einige Dosen Bier“ getrunken, wobei er „seit ca zwei Stunden daheim sei“. GI St ging daraufhin in die Wohnung des Bf und traf dort dessen Lebensgefährtin, die Zeugin S, an. Diese erklärte, der Bf sei seit etwa 1 Stunde daheim und habe zuhause 2 Dosen Bier getrunken, die er unmittelbar vor seiner Heimkehr beim Billa gekauft gehabt habe. Sie zeigte GI St laut dessen Aussagen im Abstellraum ein durchsichtiges Plastiksackerl mit zwei leeren zusammengeknüllten 0,5 l-Bierdosen. GI St teilte daraufhin seinem Kollegen mit, der Bf habe daheim 2 Dosen Bier getrunken, die habe ihm die Zeugin S gezeigt.

Der Ml hatte in der Zwischenzeit den Bf zum Alkoholvortest aufgefordert, der um 20.08 Uhr 0,67 mg/l AAG ergeben hatte. Der um 20.22 Uhr und 20.23 Uhr durchgeführte Atemluftalkoholtest ergab jeweils eine AAG von 0,65 mg/l.

 

Nach übereinstimmenden Aussagen des Ml und des Bf verlangte der Ml vom Bf die Papiere, worauf dieser ihm den Führerschein aus der Geldtasche gab und fragte, ob er den Zulassungsschein aus dem Lkw holen solle. Der Ml verzichtete darauf aber, weil er die Zulassungsdaten anhand des Kennzeichens online ermittelte. Laut Ml und Bf wurde der Lkw nie geöffnet.

 

Als ihm GI St den Nachtrunk von 2 Dosen Bier bestätigte, machte der Ml den Bf darauf aufmerksam, dass diese Trinkmenge den Atemluftalkoholwert von 0,65 mg/l nicht erklären könne, worauf der Bf einräumte, er habe ja im Lkw noch ein Bier getrunken. Als ihm der Ml erklärte, auch drei Bier reichten für den erzielten Atemalkoholwert nicht aus, räumte der Bf ein, dann habe er im Auto halt 2 Dosen Bier getrunken. Er habe das Fahrtenbuch nachgetragen und sei sicher eine halbe Stunde im Fahrzeug gesessen, bevor er in die Wohnung gegangen sei. Er könne auch nicht sagen, wann er konkret heimgekommen sei, weil er nur 12 Stunden (5.00 Uhr - 17.00 Uhr) ins Fahrtenbuch schreiben dürfe, daher sei seine tatsächliche Ankunftszeit irrelevant.

 

Der Ml hat in der Verhandlung betont, ihm gegenüber habe der Bf nie von sich aus eine konkrete Alkoholmenge als Nachtrunk angeführt, habe aber immer, wenn er seine Bedenken wegen der erzielten 0,65 mg/l AAG geäußert habe, weiteren Bierkonsum ergänzt. Als er ihm am Ende der Amtshandlung den Führerschein zurückgegeben habe – da der Bf bereits daheim war, bestand kein Anlass für eine vorläufige Führerscheinabnahme – habe sich der Bf offensichtlich darüber gewundert, worauf der Ml bemerkt habe, es könne sein, dass ihm die Behörde den Führerschein noch abnehmen werde.   

 

Der Ml hat in der Anzeige einen Nachtrunk von 4 Dosen Bier angeführt und in der Verhandlung ausgesagt, er hätte keine § 5 StVO-Anzeige gemacht, wenn er nicht vom Strafamt später dazu aufgefordert worden wäre, weil nach seinem Dafürhalten ein Lenken in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand aufgrund der glaubwürdigen Aussage des Bf, er habe das Bier erst unmittelbar vor seiner Heimkehr gekauft, nicht nachzuweisen gewesen wäre. Eine Verkehrsunfallanzeige habe er gemacht, allerdings sei letztlich auch nicht nachweisbar gewesen, ob tatsächlich der Bf das Moped umstoßen habe, zumal der Mercedes Sprinter vorne Vorschäden aufgewiesen habe; allerdings sei auch nicht zu erwarten, dass am Lkw Spuren erkennbar seien, wenn damit das Moped umgestoßen worden wäre. Die Zulassungsbesitzerin habe es wieder aufgestellt und der Bf habe sofort bei seinem Erscheinen gesagt, das Moped sei, als er heimgekommen sei, anders herum dort gestanden. Beim Moped sei rechts das Blinkerglas beschädigt und Motorflüssigkeit ausgelaufen gewesen. Mit dem Lenker Richtung Gehsteig abgestellt, hätte das Moped nach der Flüssigkeit auf dem Boden und aufgrund der rechts befindlichen Beschädigung in Richtung Lkw fallen müssen. Die Zulassungsbesitzerin habe ausgesagt, sie stelle es immer so ab, dass sie gleich wegfahren könne, also mit dem Lenker in Richtung Straße. Das Moped stand laut den von der Polizei gemachten Fotos bei deren Eintreffen auch mit dem Lenker zur Straße. Der Bf habe aber sofort gesagt, vorher sei es anders herum aufgestellt gewesen und er habe es beim Einparken nicht umgefahren. Die Verursachung eines Verkehrsunfalles mit Sachschaden sei damit nicht erweisbar gewesen.  

 

Laut seinen Aussagen in der Verhandlung hat der Bf „4 oder 5 Halbliter-Dosen“ gekühltes Bier bei der in unmittelbarer Nähe der Autobahnabfahrt M.straße gelegenen Billa-Filiale gekauft und, da es an diesem Tag sehr heiß gewesen sei, im Fahrzeug die 1. Dose geöffnet und daraus getrunken. Dann sei er die kurze Strecke heimgefahren, habe die Dose ausgetrunken und noch eine 2. Dose, während er das Fahrtenbuch nachgetragen habe. Die leeren Dosen habe er im Türfach des Lkw liegen lassen, aber weil der Ml den Zulassungsschein dann doch nicht sehen wollte, habe er darauf vergessen. Er betonte, er dürfe zu Hause wohl trinken, was er wolle, ohne darüber Rechenschaft ablegen zu müssen, er habe aber nie unter Alkoholeinfluss den Lkw gelenkt. Die Rechnung habe er im Geschäft gar nicht mitgenommen.

 

Die Zeugin S, die Lebensgefährtin des Bf, hat in der Verhandlung nach Belehrung über ihr Entschlagungsrecht ausdrücklich erklärt, sie wolle aussagen, und sie wurde über die Wahrheitspflicht des § 288 StGB ausdrücklich belehrt. Nach ihrer Schilderung ist sie erst nach dem Bf heimgekommen und hat sofort mit dem Kochen begonnen, ohne nach dem auf dem Balkon sitzenden Bf zu schauen. Dieser habe die leeren Dosen selbst in der Abstellkammer deponiert und zwar in einem Müllsack, in dem sich bereits mehrere leere Dosen befunden hätten; den habe sie GI St gezeigt. Sie konnte in der Verhandlung weder sagen, wann der Bf heimgekommen sei, noch was er genau getrunken habe; ihre Aussagen gegenüber GI St zu Trinkmengen hat sie als beim Bf übliche Trinkmengen verstanden wissen wollen. Wie GI St dazu komme, den Konsum von 2 Bier in der Wohnung anzunehmen, wisse sie nicht.

 

Im Rahmen der Beweiswürdigung ist zu bemerken, dass die damals erste Aussage des Bf gegenüber den Beamten, er habe „zu Hause einige Bier“ getrunken, zum einen auf die Zeit nach dem Lenken zu beziehen ist und zum anderen auf mehr als zwei Dosen Bier hindeutet. Den auch von der belangten Behörde anerkannten Nachtrunk von 2 Dosen Bier in der Wohnung hat der Bf bei der Amtshandlung bestätigt. Er hat sich ansonsten vage geäußert und keine konkreten Trinkmengen behauptet, allerdings gegenüber dem Ml sofort dargelegt, dass er das Bier erst kurz vor dem Einparken in einem in der Nähe befindlichen Geschäft gekauft habe. Auf die Bemerkung des Ml, die angegebene Menge Bier sei als Erklärung für den Atemalkoholwert von 0,65 mg/l nicht ausreichend, hat er zunächst eine, dann aber auf neuerliches Bemerken des Ml, das reiche noch immer nicht für eine Erklärung von 0,65 mg/l AAG, auch noch eine 2. Dose Bier angeführt, allerdings nicht als konkrete Erklärung sondern offenbar in der Möglichkeitsform.

Dazu ist zu bemerken, dass sich der Bf auch in der Verhandlung eher vorsichtig geäußert hat, wobei der Eindruck bestanden hat, dass ihm die Berechnung von Alkoholwerten bezogen auf sein Körpergewicht nicht geläufig war. Dass er die leeren Dosen nicht hergezeigt hat, obwohl die Beamten und er bei der Amtshandlung fast neben dem Lkw standen, hat er – auch glaubhaft – damit erklärt, dass der Lkw nicht geöffnet wurde und ihm das Vorhandensein der Dosen nicht eingefallen sei. Der Ml bestätigte, er habe nie verlangt, in den Lkw zu schauen und habe auch nicht konkret nach dem Verbleib der leeren Dosen gefragt. GI St konnte dazu nichts sagen, weil er lediglich den Nachtrunk in der Wohnung eruiert und dann nicht mehr bei der Amtshandlung mitgehört hat.

Hinsichtlich Uhrzeiten des Heimkommens hat der Bf in der Verhandlung dargelegt, er habe sich nicht darum gekümmert, weil er ohnehin nur 12 Stunden Arbeitszeit ins Fahrtenbuch schreiben dürfe. Da auch die Billa-Filiale länger als bis 18.00 Uhr geöffnet hat, ergibt sich auch daraus keine objektivierbare Heimkehrzeit. Den Angaben des Bf laut Ml, er sei „kurz nach 18.00 Uhr“ heimgekommen und dann einige Zeit im Lkw geblieben, stehen im Widerspruch zur Zeugin S, die kurz nach 20.00 Uhr angab, er sei seit „ca einer Stunde“ daheim; in der Anzeige ist hier die Uhrzeit „18.45 Uhr“ angegeben. 

Die Aussagen der Zeugin S in der Verhandlung widersprachen denen von GI St hinsichtlich der Anzahl der Dosen im Sack und Einzelheiten in räumlicher Hinsicht. Sie widersprachen hinsichtlich der Ankunftszeit des Bf dessen eigenen Aussagen der Polizei gegenüber. Allerdings hat GI St nicht nachgefragt, ob die Zeugin S bei der Ankunft des Bf schon in der Wohnung war oder nur eventuelle Erzählungen des Bf über seine Rückkehrzeit wiedergibt. Aus der Zeugenaussage von GI St ergibt sich in mehrfacher Hinsicht, dass er aus Aussagen der Zeugin S eigene Schlüsse gezogen und nicht näher nachgefragt hat, insbesondere wer die Dosen im Abstellraum deponiert hat und ob die Zeugin beim Heimkommen des Bf schon der Wohnung war bzw wann sie selbst heimgekommen ist.  

 

Der Bf hat in der Verhandlung keine konkrete Rückkehrzeit anzugeben vermocht und die Aussage des Ml in der Verhandlung, er habe ihm gegenüber gesagt, er habe kurz nach 18.10 Uhr eingeparkt, sofort bestritten.

Nach der allgemeinen Lebenserfahrung glaubwürdig ist aber aufgrund des Umstandes, dass der Bf als Botendienstfahrer täglich die Strecke Linz-Wien-Linz fährt und, da es an diesem Tag, wie auch in der Verhandlung betont wurde, sehr heiß war, er kurz vor seiner Ankunft zuhause die von ihm angegebenen „4 oder 5“ Dosen Bier gekühlt gekauft hat, wobei die Fahrzeit für die Strecke zwischen der Billa-Filiale R.straße und der Wohnung des Bf allerhöchstens 5 Minuten beträgt. Diese Aussage hat der Bf bei der Amtshandlung dem Ml gegenüber sofort gemacht, auch wenn er sich offenbar gleich erbost darüber geäußert hat, genaue Angaben zu ohnehin daheim konsumiertem Alkohol machen zu müssen, der nach seiner Ansicht für das Lenken des Fahrzeuges selbst irrelevant war. Dass die auf der letzten Fahrstrecke vom Geschäft bis zum Abstellort des Lkw getrunkene Biermenge tatsächlich keinen durch Alkohol beeinträchtigten Zustand beim 115 kg wiegenden Bf zu bewirken vermochte, steht außer Zweifel.

 

Die offenbar von der belangten Behörde allein auf der Grundlage der Anzeige fix angenommene Nachtrunkmenge von 2 Dosen Bier war auch Gegenstand des Gutachtens des Polizeiarztes vom 20. August 2015; die Einvernahme der beiden Polizeibeamten erfolgte erst am 28.9. bzw 1.10.2015. Der Polizeiarzt legte das vom Bf selbst mit 115 kg angegebene Körpergewicht und die als Beweisthema vorgegebene Daten zugrunde und gelangte so zu einem verbleibenden Atemalkoholgehalt des Bf von 0,558 mg/l, somit zum von der belangten Behörde angenommenen Tatbestand des § 99 Abs.1b StVO, dessen Verwirklichung der Bf vehement bestreitet.

 

Das Landesverwaltungsgericht hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

Gemäß § 24 Abs.1 Z1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4)  nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.

Gemäß § 3 Abs.1 Z2 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die verkehrszuverlässig sind.

Gemäß § 7 Abs.1 Z1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen ua die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Sucht­mittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird. Als bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs.1 FSG hat gemäß § 7 Abs.3 Z1 FSG ua zu gelten, wenn jemand ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hierbei eine Übertretung gemäß § 99 Abs.1 bis 1b StVO 1960 begangen hat.

Gemäß § 99 Abs.1b StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist zu bestrafen, wer in einem Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt. - In der Zusammenschau der Alkoholbestimmungen der StVO 1960 und des FSG umfasst diese Bestimmung einen Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 %o oder mehr, aber weniger als 1,2 %o, oder einen Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder mehr, aber weniger als 0,6 mg/l.   

 

Der Landespolizeidirektor von Oberösterreich hat mit Straferkenntnis vom 20. Oktober 2015, VSTV/915301115097/2015, über den Bf wegen einer Übertretung gemäß §§ 5 Abs.1 iVm 99 Abs.1b StVO 1960 eine Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe verhängt. Laut Schuldspruch habe er am 17. Juli 2015 um 18.10 Uhr in L., K.straße bis Höhe Objekt M.straße (Feststellung: Fahrtrichtung stadtauswärts am rechten Fahrbahnrand abgestellt) das Kraftfahrzeug Lkw Mercedes Sprinter, Kz. x, in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt, da bei einer Messung mittels eines Atemluftalkoholmessgerätes sowie einer durch einen medizinischen Amtssach-verständigen durchgeführten Rückrechnung ein Alkoholgehalt der Atemluft von 0,558 mg/l festgestellt worden sei.

 

Der dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Landes-verwaltungsgerichtes vom 8. Februar 2016, LVwG-601141/14/Bi, Folge gegeben und das Straferkenntnis aufgehoben.   

Nach der sich infolge der Verhandlung im Verwaltungsstrafverfahren, die gemeinsam mit jener im Entziehungsverfahren abgeführt worden war, sowie der oben angeführten Erhebungen ergebenden Beweislage ist das Landes­verwaltungsgericht in freier Beweiswürdigung zum Ergebnis gelangt, dass die Angaben des Bf vom Kauf des Bieres unmittelbar vor dem Abstellen des Lkw zweifellos glaubwürdig sind und aus dem in der Verhandlung umfassend erörterten Sachverhalt für die Annahme eines Lenkens in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand kein Anhaltspunkt besteht, auch wenn der Bf den Nachtrunk entgegen der Rechtsprechung des VwGH letztlich nicht von sich aus penibel darzulegen und zu beweisen vermocht hat, dh der ihm zur Last gelegte Tatbestand nicht erwiesen werden kann. Daher hat der Bf auch keine bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs.3 Z1 FSG verwirklicht und ist auch die Bestimmung des § 26 Abs.1 FSG nicht anzuwenden.

Damit war auch im Entziehungsverfahren mit der Einstellung des Verfahrens vorzugehen und spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Zu II.:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungs­gerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Mag. Bissenberger