LVwG-300806/3/Kl/SH

Linz, 20.11.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Ilse Klempt über die Beschwerde der B. GmbH & Co. KG, Niederlassung Österreich, S., vertreten durch Rechtsanwälte K., x, M., D., gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 20. Mai 2015, Ge-646/15, wegen Sicher­heitsleistung nach dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz – AVRAG

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

 

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 20. Mai 2015, Ge-646/15, wurde der Beschwerdeführerin der Auftrag zum Erlag einer Sicher­heitsleistung in Höhe von 16.000 Euro erteilt. Wegen des begründeten Verdachts einer Übertretung durch die Firma I. d.o.o., S., gemäß § 7d Abs. 2 iVm § 7i Abs. 4 Z.2 AVRAG wurde von dem Finanzamt Kirchdorf Perg Steyr, Finanzpolizei Team 43, ein Zahlungsstopp in Höhe von 16.000 Euro gemäß § 7m Abs. 1 AVRAG erlassen, weil durch den Auftragnehmer/Arbeitskräfteüber­lasser I. d.o.o. gemäß § 7i Abs. 4 AVRAG Lohnunterlagen nicht bereitge­halten wurden.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde eingebracht und die Aufhebung des Bescheides beantragt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die auferlegte Sicherheitsleistung in Höhe von 16.000 Euro zwischenzeitlich erbracht worden sei. Die von der Beschwerdeführerin eingesetzten Dienstnehmer seien jeweils slowenische Staatsbürger und würden nicht dem österreichischen Ausländerbeschäftigungsgesetz unterliegen. Es sei daher keine Arbeits­genehmigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz beizubringen. Die Firma I. sei lediglich verpflichtet, gemäß § 7b Abs. 3 AVRAG spätestens eine Woche vor Arbeitsaufnahme der Zentralen Koordinationsstelle für die Kontrolle illegaler Arbeitnehmerbeschäftigung des Bundesministeriums für Finanzen die Be­schäftigung von Arbeitskräften zu melden. Diese Meldung sei auch erfolgt. Es liege daher kein Verstoß gemäß § 7d iVm § 7i AVRAG vor.

 

3. Der Magistrat Steyr legte die Beschwerde samt dem angefochtenen Bescheid und Zahlungsstopp mit Vorlageschreiben vom 5. Oktober 2015 dem Oö. Landesverwaltungsgericht vor. Vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich wurde die Bezug habende Anzeige eingefordert und vom Magistrat Steyr nach­gereicht.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Eine öffentliche mündliche Verhandlung entfällt, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 44 Abs. 2 VwGVG).

 

4.1. Aufgrund der Aktenlage steht folgender Sachverhalt fest und wird der Ent­scheidung zugrunde gelegt:

 

Bei einer Kontrolle am 15. Mai 2015 wurde vom Finanzamt Kirchdorf Perg Steyr, Finanzpolizei Team 43, festgestellt, dass vier näher bezeichnete Arbeitnehmer der Firma I. in d.o.o., S., in Öster­reich für die Firma B. GmbH & Co. KG, Niederlassung Österreich, in S., beschäftigt waren, ohne dass Lohnunterlagen, welche zur Überprüfung des nach österreichischem Recht gebührenden Entgelts notwendig sind, bereitge­halten und vorgelegt wurden. Es konnten keine Arbeitsverträge, Stundenaufzeichnungen, Lohnzettel oder Kassen- bzw. Überweisungsbelege vorgelegt werden.

Am 18. Mai 2015 wurde durch die Abgabenbehörde ein Zahlungsstopp im Gesamtbetrag von 16.000 Euro gegen die Beschwerdeführerin verfügt, weil be­gründeter Verdacht einer Verwaltungsübertretung durch den Auftragnehmer/ Arbeitskräfteüberlasser wegen Nichtbereithaltung von Lohnunter­lagen nach § 7i Abs. 4 AVRAG vorliegt; eine vorläufige Sicherheit gemäß § 7l AVRAG konnte nicht eingehoben werden; es ist von einer Höchststrafe von 20.000 Euro je Arbeitnehmer auszugehen.

 

Die Firma I. d.o.o. ist eine Leasingfirma mit Sitz in S.

 

5. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 7d Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz – AVRAG haben Arbeitgeber/innen im Sinn des § 7b Abs. 1 (Arbeitgeber/in mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirt­schafts­raumes als Österreich) während des Zeitraumes der Entsendung insgesamt den Arbeitsvertrag oder Dienstzettel (§ 7b Abs. 1 Z.4), Lohnzettel, Lohnzahlungsnachweise oder Banküberweisungsbelege, Lohnaufzeichnungen, Arbeitszeitaufzeichnungen und Unterlagen betreffend die Lohneinstufung zur Überprüfung des/der entsandten Arbeitnehmers/in für die Dauer der Beschäftigung nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Ent­gelts in deutscher Sprache am Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten.

Gemäß § 7d Abs. 2 AVRAG trifft bei einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfte­überlassung die Verpflichtung zur Bereithaltung der Lohnunterlagen den/die inländischen Beschäftiger/in. Der/die Überlasser/in hat dem/der Beschäftiger/in die Unterlagen nachweislich bereitzustellen.

Gemäß § 7i Abs. 4 Z 2 AVRAG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde für jede/n Arbeitnehmer/in mit einer Geldstrafe von 1.000 Euro bis 10.000 Euro, im Wiederholungsfall von 2.000 Euro bis 20.000 Euro, sind mehr als drei Arbeitnehmer/innen betroffen, für jede/n Arbeit­nehmer/in von 2.000 Euro bis 20.000 Euro, im Wiederholungsfall von 4.000 Euro bis 50.000 Euro zu bestrafen, wer als Überlasser/in im Falle einer grenzüber­schreitenden Arbeitskräfteüberlassung nach Österreich entgegen § 7d Abs. 2 die Lohnunterlagen dem/der Beschäftiger/in nicht nachweislich bereitstellt.

Wie aus der Sachverhaltsdarstellung im Zusammenhang mit den beigefügten Personenblättern und Niederschriften in der Anzeige hervorgeht, bestand begründeter Verdacht einer Verwaltungsübertretung der Firma I., S., als Überlasserin der vier Arbeitnehmer nach § 7d Abs. 2 und § 7i Abs. 4 Z.2 AVRAG.

 

5.2. Gemäß § 7m Abs. 3 AVRAG kann, wenn der begründete Verdacht einer Verwaltungsübertretung nach den §§ 7b Abs. 8, 7i oder 7k Abs. 4 vorliegt und aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die Strafverfolgung oder der Strafvollzug aus Gründen, die in der Person des Arbeitgebers oder der Arbeit­geberin (Auftragnehmer/in) oder in der Person des Überlassers oder der Über­lasserin liegen, unmöglich oder wesentlich erschwert sein werde, die Bezirksver­waltungsbehörde den/der Auftraggeber/in, bei einer Überlassung dem/der Beschäftiger/in durch Bescheid auftragen, den noch zu leistenden Werklohn oder das noch zu leistende Überlassungsentgelt oder einen Teil davon als Sicherheit binnen einer angemessenen Frist zu erlegen. Mit Erlassung dieses Bescheides fällt der Zahlungsstopp weg. Die Sicherheitsleistung darf nicht höher sein als das Höchstmaß der angedrohten Geldstrafe (§ 7m Abs. 6 leg.cit).

 

Liegt zwar im vorliegenden Fall ein begründeter Verdacht einer Verwaltungs­übertretung gemäß § 7i Abs. 4 Z 2 AVRAG vor, so ist doch die kumulative weitere Voraussetzung erforder­lich, dass aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die Strafverfolgung oder der Strafvollzug aus Gründen, die in der Person des Auftrag­nehmers oder Überlassers liegen, unmöglich oder wesentlich erschwert sein werde. Diese Voraussetzung ist hingegen nicht gegeben. Im Grunde der Verlautbarung des Bundeskanzleramtes auf der Internetseite „BKA–Wiki – Internationale Rechtshilfe“, welche umfassende Informationen zur inter­nationalen Rechtshilfe in Verwaltungs(straf)sachen zur Verfügung stellt, ist eine Strafverfolgung und Strafvollstreckung hinsichtlich S. uneingeschränkt möglich. S. ist dem Rahmenbeschluss 2005/214/JI beigetreten und hat ihn umgesetzt. Es fehlt daher die zitierte kumulativ erforderliche Voraussetzung einer/eines unmöglichen bzw. wesentlich erschwerten Strafverfolgung bzw. Strafvoll­zuges.

Im Gegensatz zu der vorläufigen Sicherheit nach § 7l AVRAG und einem Zahlungsstopp nach § 7m AVRAG als vorläufige Sofortmaßnahmen ohne ein behördliches Verfahren und ohne Bescheidform setzt die Sicherheitsleistung durch die Behörde – wenn auch in eingeschränktem Ausmaß – ein Verfahren voraus (sh. zB. Erhebungen über Höhe und Fälligkeit des Werklohnes/ Überlassungsentgeltes in § 7m Abs.6 AVRAG). In diesem Zusammenhang ist es der Behörde auch möglich und zumutbar zu erheben, ob eine Strafverfolgung oder ein Strafvollzug möglich oder erschwert sein wird. Dies insbesondere im Hinblick auf die oben angeführte allgemein zugängliche Information zur internationalen Rechtshilfe. Treten daher zum Merkmal des ausländischen Wohn­sitzes/Sitzes des Auftragnehmers/Überlassers keine zusätzlichen (bestimmten) Tatsachen für eine wesentliche Erschwernis hervor, ist daher die Annahme einer/s unmöglichen oder wesentlich erschwerten Strafverfolgung/Strafvollzuges nicht gerechtfertigt (vgl. auch die analog heranzuziehende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 37 Abs.1 Z 2 lit.a VStG bzw. § 37a Abs. 1 Z 2 lit.a VStG).

Mangels dieser Voraussetzung durfte daher die Bezirksverwaltungsbehörde keinen bescheidmäßigen Auftrag zum Erlag einer Sicherheitsleistung erteilen. Aus diesem Grunde war daher der Beschwerde stattzugeben und der ange­fochtene Bescheid aufzu­heben.

 

6. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Würdigung des Sachverhaltes hat jeweils im Einzelfall zu erfolgen.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzu­bringen.

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Ilse Klempt

Beachte:

Das angefochtene Erkenntnis wurde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

VwGH vom 26. April 2018, Zl.: Ra 2016/11/0036-6