LVwG-350203/3/Py/TO

Linz, 25.02.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Andrea Panny über die Beschwerde der Frau K R R, x, L, gegen die im Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 16. November 2015, GZ: SJF, ausgesprochene Kürzung der ab 28. Juli 2015 zuerkannten bedarfsorientierte Mindestsicherung nach dem Oö. Mindestsicherungsgesetz (Oö. BMSG),

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und die im angefochtenen Bescheid ausgesprochene Kürzung der gewährten Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs um 225,80 Euro (25% des zuerkannten Mindeststandards) für die Monate November 2015 bis Jänner 2016 behoben.

 

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.             1. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 16. November 2015, GZ: SJF, hat die belangte Behörde der Beschwerdeführerin (in Folge: Bf) aufgrund ihres Antrages vom 28. Juli 2015 Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfs in Form von laufenden monatlichen Geldleistungen  (Mindeststandard für Alleinstehende gem. § 1 Abs. 1 Z 1 Oö. BMSV) befristet bis 27. Jänner 2016 zuerkannt. Der Mindeststandard wird gemäß § 11 Abs. 4 Oö. BMSG aufgrund mangelnder Bereitschaft zu einem zumutbaren Einsatz der Arbeitskraft für die Monate November 2015 bis Jänner 2015 um 225,80 (= 25% des Mindeststandards) reduziert.

 

Begründend wird ausgeführt, dass aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt feststehe:

„Sie haben mit 28.07.2015 Antrag auf Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs gestellt.

Sie leben alleine im Haushalt und haben daher keine familiären Verpflichtungen für unterhaltsberechtigte Angehörige, die mit Ihnen im Haushalt leben. Sie haben keine Krankheiten nachgewiesen, die eine Arbeitstätigkeit nur eingeschränkt möglich machen.

Sie sind beim AMS arbeitsuchend gemeldet und beziehen Leistungen des AMS L. Sie hatten von 09.03.2015 bis 02.06.2015 ein Dienstverhältnis im Ausmaß einer Vollzeit bei Fa. U Handelsgesellschaft m.b.H. & Co. Kommanditgesellschaft und bezogen einen Lohn. Lt. Kündigungsschreiben vom 02.06.2015, ha eingelangt am 11.11.2015, ist der Austrittsgrund „Selbstaustritt (unberechtigter vorzeitiger Austritt DN)". Das Dienstverhältnis wurde somit aus eigenem Verschulden beendet.

Sie wurden bereits mehrmals über Ihre Bemühungspflicht informiert. So unter anderem mit Bescheid vom 03.03.2014, der Ermahnung vom 25.03.2015 und einem folgenden Kürzungsbescheid vom 03.06.2014.“

 

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom 11. Dezember 2015, in der Folgendes (wortwörtlich wiedergegeben) vorgebracht wird:

 

„Hiermit möchte ich Einspruch gegen die Kürzung der Mindestsicherung einlegen. Ich begründe dies mit folgenden Argumenten:

1) im Bescheid wird auf Seite 2 festgestellt, dass ich meiner Bemühungspflicht nicht nachgekommen bin und darauf hingewiesen wurde. Mit war bisher nur bekannt, dass ich die Bemühungspflicht verletze, wenn ich einen AMS Termin nicht nachkomme, deshalb hatte ich eine vorübergehende Kürzung. Seither habe ich sämtliche Termine beim AMS und Magistrat wahrgenommen.

2.) Ich habe bei der Fa. U das Dienstverhältnis beendet, da ich dort einer starken psychischen Belastung durch die Mitarbeiterinnen ausgesetzt war, darüber habe ich auch in einem persönlichen Gespräch die Arbeiterkammer O informiert.

3.) Auf Seite 5 werde ich darauf hingewiesen, dass ich verpflichtet bin, jegliche Arbeit anzunehmen, um mich aus der sozial Notlage zu befreien. Aufgrund meiner psychischen Problematik, ich habe die Diagnosen emotional instabile Persönlichkeitsstörung und historische Persönlichkeitsstörung, hat mich das AMS an das Qualifizierungsnetzwerk weitervermittelt und keine anderen Arbeitsstellen angeboten. Seit November 2015 werde ich von Mag. A S unterstützt, dass ich eine passende Lehrstelle finden kann.

Ich habe alle Termine, die mir vorgeschrieben wurden eingehalten, ich bitte um die Aufhebung der Kürzung vom 16.11.2015.“

 

3. Mit Schreiben vom 23. Dezember 2015 legte die belangte Behörde den bezughabenden Verwaltungsakt samt Beschwerde dem Landesverwaltungs-gericht Oberösterreich vor, das gemäß § 2 VwGVG zur Entscheidung durch seine nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelrichterin  berufen ist.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Akteneinsicht.

Da bereits der Akteninhalt erkennen lässt, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, konnte gemäß § 24 VwGVG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

4. 1. Das Landesverwaltungsgericht geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

 

Die Bf, geb. x, lebt alleine im Haushalt an der Adresse x in L. Die Bf ist seit 07/2015 arbeitslos gemeldet.

 

Am 2. Juni 2015 beendete die Bf ihr Dienstverhältnis mit der Firma U durch Selbstaustritt.

 

Mit Eingabe vom 28.07.2015 stellte die Bf einen Antrag auf bedarfsorientierte Mindestsicherung. Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid wurde der Bf von der belangten Behörde Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfs und des Wohnbedarfs befristet bis 27. Jänner 2016 in der Höhe des Mindeststandards für Alleinstehende gemäß § 1 Abs.1 Z1 Oö. BMSV zuerkannt und gleichzeitig ausgesprochen, dass dieser Mindeststandard auf Grund mangelnder Bereitschaft zu einem zumutbaren Einsatz der Arbeitskraft für die Monate November 2015 bis Jänner 2016 um 225,80 Euro (25% des Mindeststandards) reduziert wird.

 

In der Beschwerde vom 11.12.2015 wird festgehalten, dass die Bf vom AMS an das „Qualifizierungsnetzwerk“ weitervermittelt wurde und seit November 2015 dort unterstützt werde um eine passende Lehrstelle zu finden.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt sowie dem Beschwerdevorbringen der Bf und ist in dieser Form unbestritten.

5. In rechtlicher Hinsicht hat das Oö. Landesverwaltungsgericht erwogen:

 

5.1. § 4 Abs. 1 Oö. Mindestsicherungsgesetz – Oö. BMSG, LGBL. Nr. 74/2011 idgF, lautet:

Bedarfsorientierte Mindestsicherung kann, sofern dieses Landesgesetz nicht anderes bestimmt, nur Personen geleistet werden, die

1. ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Land Oberösterreich haben und die Voraussetzungen des § 19 oder des § 19a Meldegesetz, BGBl.Nr. 9/1992, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 135/2009, erfüllen und

2. a) österreichische Staatsbürgerinnen und -bürger oder deren Familienangehörige,

b) Asylberechtigte oder subsidiär Schutzberechtigte,

c) EU-/EWR-Bürgerinnen oder -Bürger, Schweizer Staatsangehörige oder deren Familienangehörige, jeweils soweit sie durch den Bezug dieser Leistungen nicht ihr Aufenthaltsrecht verlieren würden,

d) Personen mit einem Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt - EG“ oder „Dauer-aufenthalt - Familienangehörige“ oder mit einem Niederlassungsnachweis oder einer unbefristeten Niederlassungsbewilligung,

e) Personen mit einem sonstigen dauernden Aufenthaltsrecht im Inland, soweit sie durch den Bezug dieser Leistungen nicht ihr Aufenthaltsrecht verlieren würden,

sind.

 

Gemäß § 5 Oö. Mindestsicherungsgesetz ist Voraussetzung für die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung, dass eine Person im Sinn des § 4

1. von einer sozialen Notlage (§ 6) betroffen ist

2. bereit ist, sich um die Abwendung, Milderung bzw. Überwindung der sozialen Notlage zu bemühen (§ 7).

 

Gemäß § 6 Abs. 1 Oö. BMSG liegt eine soziale Notlage bei Personen vor, die

1. ihren eigenen Lebensunterhalt und Wohnbedarf oder

2. den Lebensunterhalt und Wohnbedarf von unterhaltsberechtigten Ange-hörigen, die mit ihnen in Hausgemeinschaft leben,

nicht decken können oder im Zusammenhang damit den erforderlichen Schutz bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung nicht gewährleisten können.

 

Gemäß § 6 Abs. 5 leg.cit. gelten nicht als soziale Notlage Situationen, für die bereits auf der Basis anderer gesetzlicher Grundlagen ausreichend Vorsorge getroffen wurde.

 

Gemäß § 7 Abs. 1 Oö. BMSG setzt die Leistung bedarfsorientierter Mindest-sicherung die Bereitschaft der hilfebedürftigen Person voraus, in angemessener, ihr möglicher und zumutbarer Weise zur Abwendung, Milderung bzw. Über-windung der sozialen Notlage beizutragen. Eine Bemühung ist jedenfalls dann nicht angemessen, wenn sie offenbar aussichtslos wäre.

 

Gemäß § 7 Abs. 2 Oö. BMSG gelten als Beitrag der hilfebedürftigen Person im Sinn des Abs. 1 insbesondere

1. der Einsatz der eigenen Mittel nach Maßgabe der §§ 8 bis 10;

2. der Einsatz der Arbeitskraft nach Maßgabe des § 11;

3. die Verfolgung von Ansprüchen gegen Dritte, bei deren Erfüllung die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung nicht oder nicht in diesem Ausmaß erforderlich wäre sowie

4. die Umsetzung ihr von einem Träger bedarfsorientierter Mindestsicherung oder einer Behörde nach diesem Landesgesetz aufgetragenen Maßnahmen zur Abwendung, Milderung bzw. Überwindung der sozialen Notlage.

 

5.2. Die belangte Behörde begründet ihre Entscheidung, die der Bf zuerkannte Mindestsicherung um 25% zu kürzen, im Wesentlichen mit dem Selbstaustritt der Bf aus ihrem Dienstverhältnis, wodurch sie die Notlage selbst herbeigeführt habe. Damit habe sie ihre Bemühungspflicht verletzt. Dem ist entgegenzuhalten, dass im gegenständlichen Fall der - Wochen vor der Antragstellung auf Zuerkennung bedarfsorientierter Mindestsicherung nach Angaben der Bf durch psychische Probleme bedingte - Entschluss der Bf, das Arbeitsverhältnis aufzulösen, keine Grundlage für die im nunmehrigen Zuerkennungsbescheid gleichzeitig ausgesprochene Kürzung der bedarfsorientierten Mindestsicherung bilden kann.

 

Gemäß § 5 Oö. BMSG ist Voraussetzung für die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung, dass eine anspruchsberechtigte Person iSd § 4 von einer sozialen Notlage betroffen ist und bereit ist, sich um die Abwendung, Milderung bzw. Überwindung der sozialen Notlage zu bemühen. Bei der Hilfegewährung ist somit situationsbezogen auf die aktuelle Notlage abzustellen, früher nicht genutzte Möglichkeiten des Hilfeempfängers haben außer Betracht zu bleiben. Auch ein allfälliges Verschulden des Hilfeempfängers an der eingetretenen Notlage ist an sich ohne Belang, der Gesetzgeber hat jedoch deutlich gemacht, dass die hilfebedürftige Person zur Abwendung wie auch zur Milderung und dauerhaften Überwindung einer Notlage beizutragen hat (vgl. dazu VwGH v. 29.9.2010, Zl. 2009/10/0198 zu vergleichbaren Regelungen nach dem SHG Stmk 1998).

 

Gemäß § 11 Abs. 1 Oö. BMSG haben Hilfebedürftige ihre Arbeitskraft in zumutbarer Weise einzusetzen und sich um Erwerbsmöglichkeiten zu bemühen.
Eine Verletzung der damit determinierten Pflicht der hilfesuchenden Person wird durch § 11 Abs.4 ff Oö BMSG unter Sanktion gesetzt, wobei eine solches pflichtwidriges Verhalten erst ab dem Zeitpunkt der Antragstellung gesetzt werden kann. Das Bestehen einer bereits davor liegenden, einer Kürzung zugänglichen Bemühungspflicht, kann dem Gesetzestext nicht entnommen werden. Dass die Bf – entgegen ihrem Beschwerdevorbringen – ab Antragstellung jedoch keine Schritte zur Erlangung einer Beschäftigung gesetzt hat, kann dem vorliegenden Verwaltungsakt nicht entnommen werden.

 

Da somit die Voraussetzungen für die im gegenständlichen Bescheid ausgesprochene Kürzung nicht vorlagen war spruchgemäß zu entscheiden.

 

II.            Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Andrea Panny