LVwG-600827/6/PY/CG

Linz, 01.03.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin            Drin. Andrea Panny über die Beschwerde des Herrn E M S, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. J T, gegen Spruchpunkt 1.) sowie die auf die verhängte Strafhöhe eingeschränkte Beschwerde gegen Spruchpunkt 4.) des Straferkenntnisses vom 19. Februar 2015 und der Beschwerdevorentscheidung vom 27. März 2015 der Landespolizeidirektion Oberösterreich, GZ: VStV/915300098684/2015, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 10. Februar 2016

 

zu Recht   e r k a n n t :

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde zu Spruchpunkt 1.) Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis hinsichtlich dieses Spruchpunktes behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt. Hinsichtlich Spruchpunkt 4.) wird der Beschwerde insofern Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe auf 50,00 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 30 Stunden) herabgesetzt wird.

 

II.      Gemäß § 52 Abs.8 und 9 VwGVG hat der Beschwerdeführer keine Kosten zum Beschwerdeverfahren zu leisten. Der Kostenbeitrag zum Verfahren vor der belangten Behörde wird gemäß § 38 VwGVG in Verbindung mit § 64 Abs.2 VStG auf 20,00 Euro herabgesetzt.

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.              

1.           Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion OÖ. vom 19. Februar 2015, GZ: VStV/915300098684/2015 wurden über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) zu Faktum 1 wegen Verwaltungsübertretung nach § 103 Abs.1 Z.1 iVm § 6 Abs.1 KFG eine Geldstrafe in Höhe von 150,00 Euro (ESF 2 Tage 12 Stunden), zu Faktum 2 wegen Verwaltungsübertretung nach § 103 Abs.1 Z.1 KFG iVm § 23 KFG und § 18a Abs.1 KDV eine Geldstrafe in Höhe von 50,00 Euro (ESF 1 Tag 6 Stunden) und zu Faktum 3 und 4 wegen Verwaltungsübertretungen nach § 103 Abs.1 Z.1 KFG iVm § 4 Abs.2 KFG zwei Geldstrafen in Höhe von je 100,00 Euro (ESF je 2 Tage 2 Stunden) verhängt.

 

Dagegen brachte der Bf im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung rechtzeitig Beschwerde ein, in der er zusammengefasst ausführte, dass die Vorschriften des KFG beim gegenständlichen Fahrzeug eingehalten wurden.

 

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 27. März 2015, GZ: VStV/915300098684/2015 wurde der Beschwerde zu Faktum 1 keine Folge gegeben, der Strafausspruch zu Faktum 2 behoben und eine Ermahnung erteilt, die Strafhöhe zu Faktum 3 auf 50,00 Euro (ESF 30 Stunden) und zu Faktum 4 auf 80,00 Euro (ESF 48 Stunden) herabgesetzt.

 

2.           Mit Eingabe vom 8. April 2015 brachte der Bf im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung rechtzeitig einen Vorlageantrag ein. Die Landespolizeidirektion OÖ. legte daraufhin mit Schreiben vom 9. April 2015 den Vorlageantrag samt bezughabendem Verwaltungsstrafakt dem OÖ. Landesverwaltungsgericht vor, das zur Entscheidung gemäß § 2 VwGVG durch seine nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelrichterin berufen ist.

 

3.           Das OÖ. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Akteneinsicht und Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 10. Februar 2016. An dieser nahm der Bf mit seinem Rechtsvertreter teil. Die belangte Behörde entschuldigte sich für die mündliche Verhandlung.

 

4.           Im Rahmen der mündlichen Verhandlung zog der Bf seinen Vorlageantrag hinsichtlich Spruchpunkt 2.) und 3.) der Beschwerdevorentscheidung zurück, wodurch diese in diesen Spruchpunkten in Rechtskraft erwachsen ist. Zu Spruchpunkt 4.) schränkte der Bf seine Beschwerde auf die in der Beschwerdevorentscheidung verhängte Strafhöhe ein.

 

 

 

5. Das OÖ. Landesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

5.1. Hinsichtlich Spruchpunkt 1.) der verfahrensgegenständlichen Entscheidung geht das OÖ. Landesverwaltungsgericht von folgendem Sachverhalt aus:

 

5.1.1. Der Bf ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma K, auf die das KFG mit dem Kennzeichen x, zugelassen ist.

 

Anlässlich einer technischen Verkehrskontrolle durch Amtssachverständige des Amtes der Oö. Landesregierung am 19. Jänner 2015 um 14.55 Uhr in Steyr, Ennser Straße 10, wurde festgestellt, dass bei diesem KFG die Bremsanlage nicht den Vorschriften des § 6 KFG entspricht, da der ALB-Regler ohne Funktion war. Das Fahrzeug wurde zu diesem Zeitpunkt von Herrn W F gelenkt,  der es zur Reparatur des rechten Außenspiegels in seine Reparaturwerkstätte „W F “ überstellte. 

 

Aus dem Gutachten des Amtssachverständigen geht hervor, dass dieser Mangel nicht erkennbar war.

 

5.1.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt, insbesondere dem Gutachten über die Teiluntersuchung gemäß § 58 KFG 1967 vom 19. Jänner 2015 sowie dem Vorbringen des Bf, dem im Beweisverfahren die Aussage des Amtssachverständigen, wonach beim angesprochenen Fahrzeug der ALB-Regler ohne Funktion war, nicht schlüssig widerlegen konnte.

 

5.1.3. Gemäß § 6 Abs.1 Kraftfahrgesetz 1967 – KFG 1967, BGBl. Nr. 267/1967 idgF müssen Kraftfahrzeuge, außer den im Abs.2 angeführten, mindestens zwei Bremsanlagen aufweisen, von denen jede aus einer Betätigungseinrichtung, einer Übertragungseinrichtung und den auf Räder wirkenden Bremsen bestehen. Jede Bremsanlage muss vom Lenkerplatz aus betätigt werden können. Die Bremsanlagen müssen so beschaffen sein, dass mit ihnen bei betriebsüblicher Beanspruchung und ordnungsgemäßer Wartung trotz Erschütterung, Alterung, Abnützung und Korrosion die vorgeschriebene Wirksamkeit erreicht wird.

 

Gemäß § 103 Abs. 1 Z1 KFG 1967 hat der Zulassungsbesitzer dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug (der Kraftwagen mit Anhänger) und seine Beladung – unbeschadet allfälliger Ausnahmegenehmigungen oder –bewilligungen – den Vorschriften dieses Bundesgesetzes und der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen entspricht.

 

Gemäß § 134 Abs. 1 KFG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 5000 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen, wer diesem Bundesgesetz, den aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen, den Artikeln 5 bis 9 und 10 Abs. 4 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006, der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 oder den Artikeln 5 bis 8 und 10 des Europäischen Übereinkommens über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR), BGBl. Nr. 518/1975 in der Fassung BGBl. Nr. 203/1993, zuwiderhandelt.

 

Der objektive Tatbestand der dem Bf zu Spruchpunkt 1.) zur Last gelegten Verwaltungsübertretung ist daher als erfüllt zu werten.

 

5.1.4. Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (Ungehorsamsdelikt).

 

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar. Es genügt daher fahrlässige Tatbegehung. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bf initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringung von Beweismitteln oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die "Glaubhaftmachung" nicht.

 

Es ist daher zu prüfen, ob sich der Bf entsprechend sorgfältig verhalten hat, um glaubhaft machen zu können, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

Wie aus dem gegenständlichen verkehrstechnischen Gutachten hervorgeht, war der Defekt des ALB-Regler nicht erkennbar. Unter diesen Umständen kann auch dem Zulassungsbesitzer nicht vorgeworfen werden, dass er die ihm zumutbare Sorgfalt verletzt hätte, zumal vom Zulassungsbesitzer nicht verlangt werden kann, mit jedem Kraftfahrzeug vor Fahrtantritt eine vollständige technische Überprüfung durchzuführen. Nur bei dieser hätte der gegenständliche Mangel festgestellt werden können, weshalb dem Bf an der gegenständlichen Verwaltungsübertretung kein Verschulden trifft (vgl. die Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 28.08.2006, VwSen-161479/4/Zo/Jo).

 

Der Beschwerde des Bf zu Spruchpunkt 1.) war daher Folge zu geben, der Schuld- und Strafausspruch zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

5.2. Zur Beschwerde gegen die zu Spruchpunkt 4.) verhängte Strafhöhe ist auszuführen, dass gemäß § 19 Abs.1 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat sind.

 

Nach § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung der Entscheidung so weit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist. § 19 Abs.1 VStG enthält somit jene objektiven Kriterien, die Grundlage für jede Strafbemessung sind. Darüber hinaus normiert Abs.2 für das ordentliche Verfahren eine Reihe weiterer subjektiver Umstände.

 

Neben der als mildernd zu wertenden Unbescholtenheit des Bf und seinem Geständnis ist die lange Dauer des gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahrens als Milderungsgrund zu werten. Zudem wird seinem Vorbringen, wonach sich das Fahrzeug auf einer Überstellungsfahrt in die KFZ-Werkstätte befunden hat, Glauben geschenkt und ist von einem fahrlässigen Tatverhalten auszugehen. Im Hinblick auf die besonderen Tatumstände und die angeführten Milderungsgründe konnte daher die verhängte Strafe auf das nunmehrige Ausmaß herabgesetzt werden. Gleichzeitig wird der Bf jedoch darauf hingewiesen, dass bei künftigen Übertretungen mit deutlich höheren Strafen zu rechnen ist.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

II.          Der Kostenausspruch ist in den angefochtenen gesetzlichen Bestimmungen begründet.

 

 

 

 

III.           Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

H i n w e i s

 

Bitte erachten Sie den von der belangten Behörde mit der angefochtenen Entscheidung übermittelten Zahlschein als hinfällig. Sie erhalten von der genannten Behörde einen aktualisierten Zahlschein zugesandt.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Drin. Andrea Panny