LVwG-680016/6/ZO/CG

Linz, 26.02.2016

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter         Mag. Gottfried Zöbl über die Beschwerde des D P, geb. 1994, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. G E vom 27.1.2016, wegen der behaupteten Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, nämlich der Abnahme des Führerscheines am 19.12.2015 durch ein dem Bezirkshauptmann des Bezirkes Vöcklabruck zurechenbares Organ,

 

folgenden

 

B E S C H L U S S

gefasst:

 

 

 

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen. 

 

 

II. Der Beschwerdeführer wird verpflichtet, dem Bund (Verfahrenspartei Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck) den notwendigen Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

III. Gegen diesen Beschluss ist keine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Zu I.

1.           Der Beschwerdeführer hat mit Schreiben vom 27.1.2016 eine Maßnahmenbeschwerde wegen der vorläufigen Abnahme seines Führerscheines am 19.12.2015 durch einen Polizeibeamten der PI Vöcklabruck eingebracht. Diese begründete er zusammengefasst damit, dass er am 19.12.2015 den PKW seines Bruders gelenkt habe und zu einer Verkehrskontrolle angehalten worden sei. Der Polizeibeamte habe sich daran gestört, dass er ein derartig teures Auto lenke und ihn in weiterer Folge zu einem Alkotest aufgefordert. Dieser habe einen Blutalkohol von 0,0 ‰ ergeben. Der Polizeibeamte habe seine Führerscheindaten in die Datenbank eingegeben und ihm vorgeworfen, dass er zahlreiche Vorstrafen habe. Er habe ihn gefragt, ob er einen (nicht näher spezifizierten) Drogenschnelltest abgeben wolle, was er verneint habe, weil er dazu keine Zeit gehabt hätte. Daraufhin habe ihn der Beamte gefragt, ob er ins Krankenhaus zur Blutabnahme fahren wolle. Er habe ihm erwidert, dass er dazu erst recht keine Zeit hätte. Der Polizeibeamte habe ihm nicht erklärt, welche Folgen mit seiner Weigerung verbunden seien. Die Polizeibeamten hätten daraufhin das Fahrzeug durchsucht, dabei aber nichts gefunden.

 

Um ca. 23.00 Uhr habe ihm der Polizeibeamte seinen Führerschein abgenommen und eine Bescheinigung ausgestellt. Auf seine Frage, wann er den Führerschein zurückerlangen würde, habe dieser gemeint, dass er nun jedenfalls 6 Monate weg wäre.

 

Die Aufforderung, sich einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen und Blut abnehmen zu lassen, habe nur auf der Tatsache beruht, dass der Beamte im Computer eine einschlägige Vormerkung wegen Cannabiskonsum gefunden habe. Der Beamte habe ihm gegenüber keinerlei Symptome einer Beeinträchtigung behauptet. Es sei bei ihm auch keinerlei Verdacht einer Suchtgiftbeeinträchtigung vorgelegen. In der Anzeige habe der Polizeibeamte dazu lediglich ausgeführt, dass er „eindeutige Merkmale einer Suchtgiftbeeinträchtigung (gerötete Augenbindehäute, wirkte äußerst nervös, zittrig, veränderte Sprache) aufgewiesen habe“.

 

Er sei nicht zu einem Drogenschnelltest in Form einer Speicheluntersuchung aufgefordert worden, eine derartige Untersuchung sei auch nicht vorgenommen worden. Er sei der Meinung gewesen, dass unter Drogenschnelltest die Abgabe einer Urinprobe zu verstehen gewesen sei. Darüber sei nicht gesprochen worden.

 

Am 7.1.2016 habe die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck zu Zl. VerkR21-4-2016 einen Mandatsbescheid erlassen, mit welchem ihm die Lenkberechtigung für die Klassen AM, A und B für die Dauer von 6 Monaten, gerechnet ab 19.12.2015, entzogen worden sei. Es sei die Absolvierung einer Nachschulung sowie eine amtsärztliche Untersuchung und eine verkehrspsychologische Stellungnahme vorgeschrieben worden. Er benötige seinen Führerschein für seine Tätigkeit als Bauarbeiter, weshalb er mit 22.1.2016 gekündigt worden sei.

 

In der Anzeige finde sich unter der Rubrik „Beweismittel“ bei der Textstelle „Angaben zur Beeinträchtigung“ die Wendung: siehe Beiblatt. Aus diesem Beiblatt ergebe sich jedoch keinerlei Umstand, welcher den Verdacht einer Suchtgiftbeeinträchtigung tragen könnte. Es sei auch kein Drogencheckformular verwendet worden.

 

Der Beschwerdeführer beantragte dazu die Einvernahme seines Bruders Robin Pichler, seine persönliche Einvernahme sowie die Einsichtnahme in den Behördenakt. Diese Maßnahme unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, welche der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck zuzurechnen sei, verletze ihn in seinen subjektiven Rechten auf Besitz seines Führerscheines bzw. darauf, dass der Führerschein nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 39 FSG vorläufig abgenommen werden dürfe.

 

Der Beschwerdeführer machte umfangreiche rechtliche Ausführungen zu den Bestimmungen des § 5 StVO, welche die Vorgangsweise bzw. die Voraussetzungen für die Verpflichtung einer ärztlichen Untersuchung bei Verdacht einer Suchtgiftbeeinträchtigung regeln. Diese Voraussetzungen seien im gegenständlichen Fall nicht erfüllt gewesen, weil bei ihm keinerlei begründeter Verdacht auf eine Suchtgiftbeeinträchtigung vorgelegen sei. Weiters hätte der Polizeibeamte vor der Aufforderung darauf hinweisen müssen, dass es bei einer Weigerung zu einer Führerscheinabnahme kommen würde. Es seien weder die Voraussetzungen für einen Drogenschnelltest noch für eine ärztliche Untersuchung gegeben gewesen. Die Vorgangsweise der Polizei stelle reine Willkür dar und sei durch persönliche Ressentiments begründet, welche offenbar daraus entstanden seien, dass junge Erwachsene mit einem teuren PKW gefahren seien.

 

2.           Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat auf Aufforderung durch das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die Akten des Verfahrens vorgelegt und zum Beschwerdevorbringen zusammengefasst wie folgt Stellung genommen:

 

Die PI Vöcklabruck habe am 22.12.2015 Anzeige erstattet, weil der Beschwerdeführer am 19.12.2015 um 22.40 Uhr den PKW x in einem vermutlich durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand gelenkt habe. Laut Anzeige habe der Beschwerdeführer eindeutige Merkmale einer Suchtgiftbeeinträchtigung (gerötete Augenbindehäute, wirkte äußerst nervös, zittrig, veränderte Sprache) aufgewiesen. Er habe den Drogenschnelltest und in weiterer Folge auch die Vorführung zu einem bei einer öffentlichen Krankenanstalt diensthabenden Arzt zur Feststellung des Grades der Suchtgiftbeeinträchtigung verweigert. Der Führerschein sei an Ort und Stelle abgenommen worden.

 

Aufgrund dieser Anzeige habe die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck am 7.1.2016 einen Mandatsbescheid mit einer Entzugszeit von 6 Monaten erlassen. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers habe dagegen eine Vorstellung eingebracht, woraufhin das Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sei. Weiters machte die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck Ausführungen zur Rechtslage und führte aus, weshalb aus ihrer Sicht der Polizeibeamte zur Aufforderung zur ärztlichen Untersuchung berechtigt gewesen sei. Da der Beschwerdeführer diese verweigert habe, sei auch die Abnahme des Führerscheines zu Recht erfolgt. Schließlich wies die belangte Behörde darauf hin, dass bereits am 7.1.2016 ein Mandatsbescheid erlassen worden sei, weshalb die Maßnahmenbeschwerde nicht zulässig sei. Sie beantragte daher, die Beschwerde zurückzuweisen bzw. in eventu abzuweisen sowie die Kosten in Höhe von insgesamt 426,20 Euro zuzusprechen.

 

3.           Bereits aus dieser Aktenlage ergibt sich, dass die Beschwerde zurückzuweisen ist. Weitere Beweisaufnahmen bzw. die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war daher gemäß § 24 Abs. 2 Z.1 VwGVG nicht erforderlich. Die beantragte Verhandlung könnte zur Klärung der Rechtssache nichts beitragen, weshalb von dieser trotz des Antrages gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abgesehen werden konnte. Weder Art. 6 EMRK noch Art. 47 GRC erfordern im konkreten Fall eine Verhandlung. Eine solche hätte lediglich weitere Kosten für den unterlegenen Beschwerdeführer verursacht.

 

4.           Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

4.1.      Gemäß Art. 130 Abs.1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden

1)   gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit;

2)   gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;

3)   wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde;

4)   gegen Weisungen gemäß Art. 81a Abs.4.

 

Gemäß Art. 132 Abs.2 B-VG kann gegen die Ausübung unmittelbarer  verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch sie in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

 

 

4.2. Die vorläufige Abnahme des Führerscheines durch einen Polizeibeamten stellt grundsätzlich eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Zwangsgewalt dar, weshalb sie prinzipiell mit Maßnahmenbeschwerde bekämpft werden kann. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Maßnahmenbeschwerde um einen subsidiären Rechtsbehelf handelt, welcher nur den Zweck hat, Lücken im Rechtsschutzsystem zu schließen. Zweigleisigkeiten für die Verfolgung ein und desselben Rechtes sollten mit der Maßnahmenbeschwerde nicht geschaffen werden. Was im Verwaltungsverfahren ausgetragen werden kann, ist daher kein zulässiger Gegenstand einer Maßnahmenbeschwerde (VwGH 18.03.1997, 96/04/0231; VwGH 17.04.1998, 98/04/0005). Das gilt auch dann, wenn das für die Rechtsdurchsetzung zur Verfügung stehende Verwaltungsverfahren allenfalls länger dauert (VwGH 15.06.1999, 99/05/0072, 0073, 0074 mit weiteren Nachweisen). Demnach sind auch Zwangsmaßnahmen kein tauglicher Beschwerdegegenstand, wenn sie in Verwaltungsverfahren bekämpft werden können.

 

Im gegenständlichen Fall hat die Verwaltungsbehörde dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung mit Mandatsbescheid vom 7.1.2016 entzogen, wobei die Entzugsdauer rückwirkend mit 19.12.2015 (das war der Tag der vorläufigen Abnahme des Führerscheines) festgesetzt wurde. Diese rückwirkende Festsetzung der Entzugsdauer entspricht § 29 Abs. 4 FSG und bewirkt im Ergebnis, dass über das Recht des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen ab dem Zeitpunkt der vorläufigen Abnahme des Führerscheines im Führerscheinentzugsverfahren entschieden wird. Die Maßnahmenbeschwerde wurde auch erst nach Zustellung des Mandatsbescheides eingebracht, weshalb sie von Anfang an unzulässig war. Die Rechtmäßigkeit der vorläufigen Abnahme des Führerscheines und des damit gem. § 39 Abs. 5 FSG verbundenen Fahrverbotes ist ausschließlich im Administrativverfahren zu klären. Es besteht seit der Zustellung des Mandatsbescheides keinerlei Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers mehr, dieselbe Frage in einem weiteren Verfahren (dem vom Beschwerdeführer anhängig gemachten Maßnahmenbeschwerdeverfahren) zu überprüfen.

 

 

Zu II.

Gemäß § 35 Abs.1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.

 

Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß § 35 Abs.3 VwGVG die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

 

Im konkreten Fall ist daher der Beschwerdeführer als unterlegene und die Behörde als obsiegende Partei anzusehen, weshalb der Beschwerdeführer verpflichtet ist, dem Rechtsträger der Behörde binnen zwei Wochen die entsprechend der VwG-Aufwandersatzverordnung zustehenden Aufwendungen (Vorlageaufwand 57,40 Euro, Schriftsatzaufwand 368,80 Euro, insgesamt als 426,20 Euro) zu bezahlen.

 

 

Zu III.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Subsidiarität der Maßnahmenbeschwerde ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Gottfried Zöbl

Beachte:

Die Behandlung der Beschwerde wurde abgelehnt.

VfGH vom 22. September 2016, Zl.: E 653/2016-5