LVwG-150257/10/MK

Linz, 07.10.2015

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Markus Kitzberger über die Beschwerde (Vorlageantrag) von A und M N sowie Rechtsnachfolger, x, vertreten durch x, gegen die Beschwerdevorentscheidung des Gemeinderates der Gemeinde Langenstein vom 26.09.2014, GZ. Bau-1841-501-2014,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und die Beschwerdevorentscheidung des Gemeinderates der Gemeinde Langenstein vom 26.09.2014, GZ. Bau-1841-501-2014, ersatzlos behoben.

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. Zum entscheidungsrelevanten Sachverhalt bzw. zum bisherigen Verfahrensablauf ist Folgendes festzuhalten:

 

I.1. Mit Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Langenstein (in der Folge: belangte Behörde) vom 22.03.2013, GZ. Bau-1841-501-2013-Ne, wurde (nach aufsichtsbehördlichem Vorstellungsverfahren, verfassungsgerichtlichem Beschwerdeverfahren und aufsichtsbehördlicher Ersatzentscheidung) die Berufung von A und M N, x (unter Einbeziehung der Rechtsnachfolger in der Folge: Bf), vertreten durch x, als unbegründet abgewiesen und der Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Langenstein vom 05.02.2009, obige Zahl, mit dem Herrn Mag. Ing. G L, x (in der Folge: Bw), die Änderung des Verwendungszwecks des Gebäudes xstraße x, x, Gst.Nr. x, KG L, von Wohnnutzung auf Büronutzung bewilligt wurde, vollinhaltlich bestätigt.

 

Im Wesentlichen wurde diese Entscheidung damit begründet, dass das betreffend e Areal als „Wohngebiet“ und nicht als „reines Wohngebiet“ gewidmet gewesen sei, weshalb Kanzleien udgl. zulässig wären, und zudem seit der Aufhebung des Flächenwidmungsplans durch des Verfassungsgerichtshof ein sog. „weißer Fleck“ bestehen würde, weshalb kein Widmungswiderspruch vorliegen könne.

 

I.2. Gegen diesen Bescheid erhoben die Bf mit Eingabe vom 02.04.2013 Vorstellung an die Gemeindeaufsichtsbehörde, von welcher die Angelegenheit mit Bescheid vom 02.10.2013, GZ. IKD(BauR)-014115/15-2013-Gus/Vi, in teilweiser Stattgebung der Vorstellung an die belangte Behörde zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen wurde.

 

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass die belangte Behörde – wiewohl der Flächenwidmungsplan aufgehoben wurde – die Vereinbarkeit mit dem nach wie vor rechtsverbindlichen bzw. anwendbaren örtlichen Entwicklungskonzept nicht geprüft habe.

 

I.3. Gegen diesen aufsichtsbehördlichen Bescheid wurde seitens des Bw eine Beschwerde an den VfGH gerichtet, welcher die Behandlung der Angelegenheit abgelehnt und diese an den VwGH abgetreten hat.

 

Dazu wurde seitens des Bw die Revision an den VwGH ausgeführt. Das diesbezügliche Verfahren, in welches das Landesverwaltungsgericht an Stelle der bisherigen Aufsichtsbehörde zuständigkeitshalber eingetreten ist, behängt dort nach wie vor.

 

I.4. Auf der Grundlage dieses Abtretungsbeschlusses des VfGH wurde von der belangten Behörde mittels Bescheid vom 27.06.2014, GZ. Bau-1841-501-2014-Ne, die Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des VwGH verfügt, da er den Ausgang dieses höchstgerichtlichen Verfahrens als Vorfrage für die beim ihm anstehende Erledigung des Verfahrens erachtete.

 

I.5. Mit Schriftsatz vom 25.07.2014 brachten die Bf Beschwerde gegen diesen Aussetzungsbescheid der belangten Behörde ein und begründeten diesen – nach Darstellung des bisherigen Verfahrenslaufes – im Wesentlichen wie folgt:

 

Durch den Bescheid der Vorstellungsbehörde sei der belangten Behörde rechtlich vorgegeben worden, wie in der Sache zu entscheiden sei. Die belangte Behörde versuche durch die Verfügung der Aussetzung, verfahrenstechnisch Zeit zu gewinnen, oder aber Argumente zu finden, dem Bw die beantragte Bewilligung erteilen zu können.

 

Bei der noch ausständigen Entscheidung des VwGH handle es sich (nach ständiger und zitierter Rechtsprechung des VwGH) um keine Vorfrage. Die Auswirkungen eines Erkenntnisses des VwGH auf eine prozesskausale Angelegenheit berechtige die Behörde nicht zur Aussetzung dieses Verfahrens.

 

Die bekämpfte Entscheidung der Behörde sei daher ersatzlos zu beheben.

 

I.6. Im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung vom 26.09.2014, GZ. Bau-1841-501-2014, wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab, da die verfahrensimmanente Sachentscheidung und damit die Aussetzung durch die Verwaltungsbehörde – zum Unterscheid von der Kassationsbefugnis der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts – das LVwG iSd § 38 AVG ebenfalls „umfasse“. Zudem wäre auch auf die verfahrensökonomischen Aspekt im Falle divergierender Beurteilungen im Rahmen der anhängigen Verfahren hinzuweisen.

 

 

II. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verfahrensakt. Auf dessen Grundlage konnten  weitere Ermittlungsschritte unterbleiben, da keine weitere Klärung des in diesem Verfahren gegenständlichen Sachverhaltes zu erwarten war. Es waren diesbezüglich ausschließlich Rechtsfragen zu beurteilen.

 

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest.  

 

 

III. Für die Beurteilung der hier relevanten Rechtsfragen sind insbesondere nachstehende Bestimmungen zu berücksichtigen:

 

III.1. Verfahrensrecht:

 

Gemäß § 38 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) ist, sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgeblichen Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung dem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.

 

III.2. Verfahren vor dem Verwaltungsgericht:

 

Gemäß § 24 Abs.4 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG),
BGBl. I. 33/2013, kann das Verwaltungsgericht, sofern durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrages von der Durchführung einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art.6 Abs.1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

 

Nach § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid […] auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3) […] zu überprüfen.

 

Gemäß § 28 Abs.1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

 

 

IV. Das Landesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

Bei einer „Vorfrage“ iSd verfahrensrechtlichen Bestimmung des § 38 AVG handelt es sich nach hL und stRsp um eine für die zu treffende Entscheidung präjudizielle (d.h. ein unentbehrliches Tatbestandsmoment darstellende) Rechtsfrage, zu deren rechtverbindlicher Entscheidung (als Hauptfrage) eine andere Verwaltungsbehörde oder ein Gericht zuständig ist. Dem ist die gesetzgeberische Absicht zu entnehmen, die Lösung von Vorfragen aus fremden Vollziehungsbereichen als systemkonforme Möglichkeit im Netzwerk des Rechtsschutzes zu akzeptieren (vgl. grundsätzlich VwGH vom 18.01.1994, 92/07/0031)

 

Unabhängig von den in der obzitierten Bestimmung weiters skizzierten Vorgehensmöglichkeiten ist dabei festzuhalten, dass (Teil-)Fragen (wie hier die raumordnungsrechtlichen Aspekte bzw. Voraussetzungen) jenes Verfahrens, welches von der aussetzenden Behörde zu erledigen ist, jedenfalls nicht unter den Begriff der Vorfrage fallen, auch wenn diesen Aspekte – wie hier – in einem gesonderten Rechtsmittelverfahren einer aktuellen Prüfung bzw. Beurteilung im Instanzenzug unterzogen werden.

 

Dass derart zu erwartende Rechtsmittelentscheidungen rechtliche und/oder faktische Auswirkungen auf das Ergebnis der behördlichen Beurteilung haben, ist in der Sache unbestritten. Dennoch handelt es sich dabei um keine (die Aussetzung ermöglichende) Vorfrage iSd § 38 AVG. („Vor“-)Fragen, die im Zuge eines Verwaltungsverfahrens zu lösen sind, können nicht aus diesem Verfahren herausgegriffen und zum Gegenstand eines selbständigen Verfahrens bzw. einer selbständigen Erledigung gemacht werden (vgl. zu einer ähnlich gelagerten Konstellation VwGH vom 21.05.2015, 2013/06/0182). Die Behörde hat die bei ihr anhängige Angelegenheit im Rahmen des § 73 AVG materiell zu erledigen. Verfahrensökonomische Aspekte treten dabei in den Hintergrund.

 

Losgelöst von dem hier zu beurteilenden Beschwerdevorbringen wäre allenfalls zu prüfen, mit welcher Wirkung die bisher im Verfahren getroffenen Entscheidungen ausgestattet sind bzw. waren, um den aktuellen Handlungsstatus der belangten Behörde zu definieren, was aber nichts an der Beurteilung der Vorfragenfrage ändert.

 

 

V. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass infolge des Nichtvorliegens einer Vorfrage die Aussetzung des Verfahren zu Unrecht verfügt wurde.

 

 

VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Markus Kitzberger