LVwG-600137/31/Bi

Linz, 15.02.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Karin Bissenberger nach Aufhebung des Erkenntnisses vom 11. August 2014, LVWG-600137/2/Bi/MSt, mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. November 2015, Ra 2015/02/0183-6, erneut über die Beschwerde des Herrn F P, x, L, vertreten durch Herrn RA Dr. J P, x, M, vom 8. Jänner 2014 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom
18. Dezember 2013, VerkR96-11041-2012, wegen Übertretung des KFG 1967, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 26. Jänner 2016

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.

Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde insofern teilweise Folge gegeben, als das Straferkenntnis hinsichtlich des Schuldspruches im Punkt 1) mit der Maßgabe bestätigt wird, dass im Tatvorwurf der Satz „Sie haben keine Ladungspapiere mitgeführt.“ zu entfallen hat. Die Geldstrafe wird auf 180 Euro, die Ersatzfreiheitsstrafe auf 36 Stunden herabgesetzt.

Im Punkt 2) wird der Beschwerde insofern teilweise Folge gegeben, als das Straferkenntnis im Schuldspruch bestätigt, die Geldstrafe jedoch auf 50 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 12 Stunden herabgesetzt wird.

 

II.

Gemäß § 52 Abs.8 VwGVG entfällt ein Kostenbeitrag zum Beschwerdeverfahren.

 

III.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Zu I.:

I. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurden über den Beschuldigten wegen Verwaltungsübertretungen gemäß 1) §§ 42 Abs.2 iVm 99 Abs.2a StVO 1960 und 2) §§ 102 Abs.1 Z1 iVm 14 Abs.1 und 134 Abs.1 KFG 1967 und § 11 Abs.1 KDV Geldstrafen von 1) 218 Euro und 2) 70 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 1) 48 Stunden und 2) 14 Stunden verhängt sowie ihm gemäß § 64 Abs.1 VStG Beiträge zu den Verfahrenskosten der belangten Behörde von gesamt 31,80 Euro auferlegt. Laut Schuldspruch wurde ihm zur Last gelegt, er habe am 14. Oktober 2012 um 11.40 Uhr im Gemeindegebiet Kematen am Innbach auf der A8 bei km 24.900 in Richtung Wels das Sattelzugfahrzeug x mit dem Sattelanhänger x

1) sohin ein Sattelkraftfahrzeug mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t gelenkt, obwohl an Samstagen von 15.00 Uhr bis 24.00 Uhr  sowie an Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen von 00.00 Uhr bis 22.00 Uhr das Befahren von Straßen mit Lastkraftwagen, Sattelkraftfahrzeugen und selbstfahrenden Arbeitsmaschinen mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t verboten und das verwendete Fahrzeug bzw die durchgeführte Beförderung nicht unter eine gesetzliche Ausnahme gefallen sei. Er habe keine Ladungspapiere mitgeführt.

2) Er habe sich als Lenker, obwohl es ihm zumutbar gewesen wäre, vor Antritt der Fahrt nicht davon überzeugt, dass das von ihm verwendete Fahrzeug den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entsprochen habe, da zur oben angeführten Zeit am oben genannten Ort festgestellt worden sei, dass beim betroffenen Fahrzeug die Summe der Lichtstärke aller Scheinwerfer, mit denen gleichzeitig Fernlicht ausgestrahlt werden kann, größer gewesen sei als 300.000 cd. Die Bestimmung sei erfüllt, wenn die Summe der Kennzahlen im Sinne der Regelung Nr.20 aller an einem Kraftwagen angebrachten Scheinwerfer die Zahl 100 nicht  überschreite. Die Summe der Kennzahlen habe 150 betragen.

 

2. Dagegen hat der Beschwerdeführer (in Folge: Bf) fristgerecht Beschwerde gemäß § 7 VwGVG iVm Art.130 Abs.1 Z1 B-VG eingebracht, die von der belangten Behörde ohne Beschwerdevorentscheidung dem Landesverwaltungs­gericht zur Entscheidung vorgelegt wurde und über die nach Aufhebung des Erkenntnisses vom 11. August 2014, LVWG-600137/2/Bi/MSt, mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. November 2015, Ra 2015/02/0183-6, erneut gemäß Art.131 B-VG zu entscheiden war. Am 26. Jänner 2016 wurde eine (beantragte) öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, zu der außer dem Rechtsvertreter des Bf niemand erschienen ist. Auf die mündliche Verkündung des Erkenntnisses wurde verzichtet.

 

3. Der Bf  macht im Wesentlichen geltend, auch wenn der Meldungsleger dazu nichts ausführe, sei unbestritten, dass es sich beim von ihm gelenkten Sattelkraftfahrzeug um einen Milchtransporter gehandelt habe. Von den Verboten des § 42 Abs.1 und 2 StVO ausgenommen seien Fahrten, die ausschließlich der Beförderung von Milch dienten. Hätte der Meldungsleger sein Augenmerk nicht ganz besonders auf die Zusatzscheinwerfer gerichtet und das Zugfahrzeug nicht nur frontal fotografiert, wäre schon aus der Anzeige ersichtlich gewesen, dass es sich um einen Milchtransporter gehandelt habe. Dass dieses ausschließlich für Lebensmitteltransporte dient, ergebe sich schon aus den Aufschriften links und rechts vorne am Fahrzeug. Bei Molke- und Milchkonzentrat handle es sich um verderbliche Ware, die unter die Ausnahmebestimmungen falle. Der Tatvorwurf sei daher unberechtigt und die Verwendungsart des Fahrzeuges sei vom Meldungsleger ohnehin unwidersprochen geblieben. Die Verfolgungsver­jährungsfrist betrage in der anzuwendenden Fassung des VStG sechs Monate. Während ihm die belangte Behörde in der Strafverfügung vom 22. Oktober 2012 noch zum Vorwurf mache, das bezeichnete Sattelkraftfahrzeug trotz Wochenendfahrverbots gelenkt zu haben, welches durch die angeführte Beförderung nicht unter eine gesetzliche Ausnahme gefallen sei, werde ihm im Straferkenntnis vom 18. Dezember 2013 (hervorgehoben durch Fettdruck) vorgeworfen, er habe keine Ladungspapiere mitgeführt. Eine derartige Abänderung des Tatvorwurfs nach Ablauf der Verfolgungsverjährungsfrist sei unzulässig und daher das Straferkenntnis im Punkt 1) aufzuheben.

 

Wegen des Deliktes zu Punkt 2) sei bereits über den Zulassungsbesitzer, Herrn W, rechtskräftig eine Geldstrafe von 70 Euro verhängt worden (Straferkenntnis BH Grieskirchen vom 26.2.2013, VerkR96-11040-2012, bestätigt mit Erkenntnis des UVS OÖ mit Erkenntnis vom 25.10.2013, VwSen-167693). Damit stehe fest, dass sich der Zulassungsbesitzer schuldig gemacht habe, weil er ihm ein Fahrzeug zum Lenken überlassen habe, das nicht den kraftfahrrechtlichen Vorschriften entsprochen habe. Bei genauer Betrachtung der Normen ergebe sich, dass sich diese als Ausstattungsbestimmung nicht an den Lenker sondern an den Zulassungsbesitzer richten. Er selbst habe die Scheinwerfer nicht verwendet – was aber ohnehin nicht behauptet werde – und auch keine Blendung der übrigen Verkehrsteilnehmer herbeigeführt; er habe daher dem Schutzzweck der Norm nicht zuwidergehandelt, weshalb die Strafe milder ausfallen hätte müssen. Er habe auch nach der Kontrolle weiterfahren dürfen, was zeige, dass die Übertretung keinen ernsthaften Eingriff in von der österreichischen Rechtsordnung geschützte Werte gebildet habe, weswegen die Voraussetzungen für eine Ermahnung (§ 21 Abs.1 bzw § 45 VStG) vorlägen. Dazu hat der Bf seine eigene Einvernahme beantragt, weiters in beiden Punkten die Aufhebung des Straferkenntnisses und Verfahrenseinstellung.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verfahrensakt sowie Durchführung einer öffentlichen mündliche Verhandlung, bei der der Rechtsvertreter des Bf gehört und die von ihm vorgelegten Unterlagen eingesehen und erörtert wurden. Außerdem wurden die Ausführungen der belangten Behörde in der Begründung des in Beschwerde gezogenen Straferkenntnisses berücksichtigt. Der Bf, dessen persönliche Einvernahme in der Beschwerde beantragt wurde, ist nicht erschienen.

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Der Bf wurde am Sonntag, dem 14. Oktober 2012, um 11.40 Uhr auf der A8 bei km 24.9 (Kontrollplatz in Kematen/Innbach) als Lenker des angeführten Sattelzuges angehalten und von Meldungsleger G R (Ml), LVA , kontrolliert. Dabei wurden zur Dokumentation der vorhandenen Dachschein­werfer Fotos von der Front des Sattelzugfahrzeuges angefertigt.

Aus der Anzeige, nämlich der Marken- und Typenbezeichnung des Anhängers (M S SL 105), ergibt sich, dass es sich beim Sattelanhänger um einen Lebensmitteltank handelt. Der Ml führte in der Anzeige aus, zum Zeitpunkt der Kontrolle sei keine Ladung transportiert, aber auch keine Unterlagen über eine bevorstehende Ladung vorgewiesen worden. Der Lenker habe angegeben, er müsse in G Molke laden und habe gerade in R/I. Milchkonzentrat abgeladen. Zum Vorwurf der Überschreitung der Lichtzahl – diese habe 150 ergeben – habe der Lenker gesagt, er fahre so, wie es ihm angeschafft worden sei, er habe die Zusatzscheinwerfer nicht montiert.

 

In der Verhandlung hat der Rechtsvertreter zwei „Lieferscheine“ vorgelegt, hand­geschrieben und unterschrieben vom Bf mit Datum 14. Oktober 2012. Demnach hat er beim Empfänger A R beide Male „Konzentrat“ abgeliefert, einmal von der B in F (27.380 kg, Temperatur 8 Grad, PH-Wert 6,07), einmal – nach der Beanstandung – von der B in G (26.780 kg, Temperatur 7,3 Grad, PH-Wert 6,35). Vorgelegt wurde weiters eine mit 22.9.2014 datierte, vom „Leiter Rohstoffmanagement“ der B eGen unterzeichnete „Bestätigung für Molkekonzentrat-Transporte an Wochenenden“ an die Zulassungsbesitzerin des Sattelzuges, die W Transport & Handels­GmbH, N, wonach Molke bei der Käseerzeugung entstehe und ein saures Produkt sei, das in diesem Zustand nicht pasteurisiert werden könne. Um Transportkosten zu sparen, werde die Molke zu Molkekonzentrat eingedickt. Molkekonzentrat sei ein leicht verderbliches Lebensmittel und müsse daher nach der Erzeugung schnellst möglich weiter zu Pulver verarbeitet werden, zumal es nach langer Lagerung nicht mehr zur Weiterverarbeitung geeignet sei. Molke sei kein Abfallprodukt wie früher Futtermittel, sondern ein hochwertiges Lebensmittel in der Schokolade- und Bäckereierzeugung. Die W Transporte GmbH transportiere vertraglich dieses Lebensmittel für die B von den Käsereien zu den dafür vorgesehenen Verarbeitungsbetrieben (großteils A R).

Vorgelegt wurde weiters ein Foto des damals vom Bf gelenkten Lebensmittel­tankfahrzeuges ohne Dachscheinwerfer und darauf hingewiesen, mittlerweile entspreche dieses den Bestimmungen des KFG.

 

Für das Landesverwaltungsgerichtes besteht kein Zweifel, dass der Bf diese Lieferscheine nachträglich geschrieben hat – bei der Anhaltung konnte er keine Unterlagen über transportierte Lebensmittel vorweisen und der zweite Transport fand erst danach statt. Im Rahmen der Anhaltung erklärte er dem Ml laut Anzeige, er habe Milchkonzentrat in R abgeladen und werde in G Molke laden. Bei der Anhaltung am Kontrollplatz Kematen am Innbach, FR Wels, war das Kfz leer.

Richtig ist, dass nie behauptet wurde, dass der Bf die Scheinwerfer eingeschaltet gehabt hätte. Sie waren aber auch nicht abgedeckt.

 

Das Landesverwaltungsgericht hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

Gemäß § 31 Abs.3 VStG in der am 14. Oktober 2012 geltenden Fassung darf ein Straferkenntnis nicht mehr gefällt werden, wenn seit dem Zeitpunkt, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat, drei Jahre vergangen sind. Die Zeit eines Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof, vor dem Verwaltungsgerichtshof oder vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften sowie Zeiten, während deren die Strafvollstreckung unzulässig, ausgesetzt, aufgeschoben oder unterbrochen war, sind nicht einzurechnen.

 

Verjährung ist im ggst Fall nicht eingetreten, weil die 3 Jahre zwar am 14. Oktober 2015 vergangen waren, aber das Verfahren vor dem Verfassungs­gerichtshof vom 19.11.2014 bis 24.7.2015 und vor dem Verwaltungsgerichtshof vom 24.9.2015 bis 2.12.2015 gedauert hat und die 3 Jahre um insgesamt 10 Monate und 2 Wochen zu verlängern sind, dh Verjährung erst im September 2016 eintreten würde.

 

Zu Punkt 1) des Straferkenntnisses:

Gemäß § 99 Abs.2a StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges gegen die Fahrverbote des § 42 oder einer auf Grund des § 42 erlassenen Fahrverbotsverordnung verstößt.

Aus der Zusammenschau des § 42 Abs.1 und 2 StVO in der am 14. Oktober 2012 geltenden Fassung BGBl.I Nr.116/2010 ergibt sich, dass an Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen von 00 Uhr bis 22 Uhr das Befahren von Straßen ua mit Sattelkraftfahrzeugen mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t verboten ist. Gemäß Abs.3a sind davon ua Fahrten ausgenommen, die ausschließlich der Beförderung von „frischer Milch und frischen Milch­erzeugnissen“ dienen sowie damit verbundene Leerfahrten oder Rückfahrten zur Beförderung von Transporthilfsmitteln und Verpackungen der vorgenannten Gütergruppen. Bei der Beförderung ist ein Frachtbrief bzw. eine Ladeliste für die einzelnen Entladestellen mitzuführen und bei Kontrollen vorzuweisen. Der Status der Beladung (Menge) hat zu Beginn und während einer Beförderung jederzeit nachvollziehbar zu sein.

 

Auch wenn laut Verantwortung des Bf bei 120 Ladungen in der Woche fixe Routen angefahren werden und in der Molkerei bekannt ist, wann welcher Fahrer zu welchem Ladevorgang ankommt, ist das Mitführen von diese Vorgänge dokumentierenden Papieren – gerade wenn der Lenker für sich eine Ausnahme vom Wochenendfahrverbot beansprucht – essentiell; mit seiner damaligen Verantwortung, dass „keine Ladepapiere existieren“, und den nunmehr vorgelegten nachträglich selbstgeschriebenen „Lieferscheinen“ hat sich der Bf selbst widersprochen. Beweispflichtig dafür, dass die Ladung unter die Ausnahme des § 42 Abs.3a StVO fällt, ist der Bf, wobei eine Beurteilung bei einer Kontrolle an Ort und Stelle sofort zu erfolgen hat und nicht drei Jahre danach.

Der Bf wies zwar keine Aufzeichnungen für die von ihm transportierten Ladungen vor, jedoch ist seine Verantwortung im Rahmen der Kontrolle im Sinne des § 46 AVG iVm § 24 VStG als Beweismittel heranzuziehen. Er nannte gegenüber dem Meldungsleger als beförderte Stoffe „Milchkonzentrat“, das er in R/I. abgeladen habe, und „Molke“, die er in G laden solle; nach seiner nun­mehrigen Verantwortung war mit „Molke“ offenbar „Molkekonzentrat“ gemeint.

 

Laut Homepage der A Milchverarbeitungs- und Handels GmbH & Co KG, R/I., ist das Unternehmen ein Tochterunternehmen der B eGen, in dem österreichische Alpenmilch zu Halb­produkten für die industrielle und gewerbliche Lebensmittelproduktion verarbeitet wird; der Schwerpunkt liegt in der Herstellung von qualitativ hoch­wertigem Milchpulver.

Molke wird laut Österreichischem Lebensmittelbuch (Codexkapitel B 32 - Milch und Milchprodukte, Punkt 7.1.) durch vollständiges oder teilweises Abscheiden des Eiweißes aus Milch hergestellt. Sie ist laut Wikipedia der flüssige Teil, der nach der Gerinnung der Milch zu Käse oder Quark abgesondert werden kann, und besteht zu 94 % aus Wasser. Bereits laut Presseaussendung der Technischen Universität München aus dem Jahr 2009 (www.wzw.tum.de) nutzt die Lebens­mittelindustrie Molke am liebsten in Form von Konzentrat, weil es sich kostengünstiger transportieren und einfacher verarbeiten lässt, denn die in der Molke befindlichen Bakterien würden die Flüssigkeit über die Zeit hinweg zu sauer machen. Da bei der Pasteurisierung winzige Proteinklümpchen entstehen, die den Filter verstopfen, werden, um das zu verhindern, die störenden Mikroorganismen stattdessen mechanisch mit einem Mikrofilter entfernt, der exakt auf die Größe der Bakterien abgestimmt ist. Ein Teil des in der Molke enthaltenen Wassers wird herausgefiltert und zurück bleibt Molkekonzentrat.

 

In einer Information der Wirtschaftskammer (www.wko.at) mit dem Stand 3.11.2015 zum Lkw-Wochenendfahrverbot, Ausnahme für leicht verderbliche Lebensmittel, ist eine Produktliste enthalten, wonach folgende Produkte unter Abs.3a zu verstehen sind: Unter „frische Milch und frische Milcherzeugnisse“ fallen demnach ua „Molkenmischerzeugnisse“.

Darunter sind Getränke auf Molkebasis unter Zusatz zB von Fruchtsäften, Zucker oder Aromen zu verstehen.

Hingegen muss Molkekonzentrat zwar gekühlt werden, fällt aber durch die Bearbeitung (Filtration bzw Eindickung) nicht mehr unter die Begriffe „frische Milch“ oder „frische Milcherzeugnisse“. Der Transport von Molkekonzentrat bzw die Leerfahrt zwischen dem Abladeort und der neuen Ladung von Molkekonzentrat erfüllt damit nicht die Voraussetzungen für eine Ausnahme von Wochenendfahrverbot.

 

Zum Einwand, die Anlastung des Nichtmitführens von Ladungspapieren sei erst nach Eintritt der Verfolgungsverjährung vorgenommen worden, ist zu sagen, dass die Verfolgungsverjährungsfrist am 14. Oktober 2012 begonnen und daher am 14. April 2013 geendet hat. Die erstmalige Anlastung des Nichtmitführens von Ladungspapieren im Straferkenntnis vom 18. Dezember 2013 war somit unzulässig; die nunmehrige gemäß § 44a VStG abgeänderte Anlastung entspricht dem Tatvorwurf laut Strafverfügung vom 22. Oktober 2012.

 

Zusammenfassend vertritt das Landesverwaltungsgericht die Auffassung, dass der Bf den ihm nunmehr in abgeänderter Form zur Last gelegten Tatbestand erfüllt und sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten hat, zumal ihm die Glaubhaftmachung mangenden Verschuldens im Sinne des § 5 Abs.1 VStG nicht gelungen ist. Der Lenker selbst hat vor Fahrtantritt zu prüfen, ob eine Ausnahme vom Wochenendfahrverbot gegebenen ist, dh die blinde Befolgung von Anordnungen des Arbeitgebers geht zulasten des Lenkers.

 

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 99 Abs.2a StVO 1960 von 218 bis 2.180 Euro Geldstrafe, für den Fall der Uneinbringlichkeit von 48 Stunde bis sechs Wochen, reicht.

 

Der Bf ist unbescholten, was von der belangten Behörde zutreffend als Milderungsgrund berücksichtigt wurde. Der Schätzung seiner finanziellen Verhältnisse hat der Bf nicht widersprochen (Einkommen von 1.800 Euro monatlich netto, kein Vermögen, keine Sorgepflichten), weshalb diese auch im Beschwerdeverfahren heranzuziehen waren.

Das Landesverwaltungsgericht vermag nicht zu erkennen, dass die belangte Behörde mit der Verhängung der gesetzlichen Mindeststrafe den ihr bei der Strafbemessung zukommenden Ermessensspielraum in irgendeiner Weise überschritten hätte. Die Voraussetzungen für die Anwendung des § 45 Abs.1 Z4 VStG lagen nicht vor, weil von einem geringfügigem Verschulden des Bf nicht auszugehen war und der Verstoß gegen das Wochenendfahrverbot nachteilige Auswirkungen auf das Verkehrsaufkommen und damit die Umwelt hatte.

 

Der VwGH hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass das Gesetz bei der Strafbemessung in einer dem Art. 6 EMRK widersprechenden Weise angewendet wurde, wenn eine überlange Verfahrensdauer nicht festgestellt und strafmildernd bewertet wurde. Die Frage der Angemessenheit der Verfahrensdauer ist dabei an Hand der besonderen Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Schwierigkeit des Falles, des Verhaltens der Partei und der staatlichen Behörden im betreffenden Verfahren und der Bedeutung der Sache für die Partei zu beurteilen. Die maßgebliche Frist beginnt, sobald die Partei durch offizielle Mitteilung oder auch in sonstiger Weise in Kenntnis gesetzt wird, dass gegen sie wegen des Verdachts, eine strafbare Handlung begangen zu haben, Ermittlungen mit dem Ziel strafrechtlicher Verfolgung durchgeführt werden (vgl E 27.5.2015, 2013/02/0179, mit Hinweis auf E 24.9.2010, 2009/02/0329; 26.2.2014, 2013/04/0065; 30.06.2011, 2011/03/0078, mit Hinweis auf E 3.11.2008, 2003/10/0002; 24.6.2009, 2008/09/0094, und Urteil EGMR vom 6. Mai 2008, Karg gg. Österreich, ÖJZ 2008/16 (MRK) 10).

 

Das ggst Verfahren hat, beginnend mit der Strafverfügung vom 22. Oktober 2012, bisher über 39 Monate gedauert, sodass der Milderungsgrund der überlangen Verfahrensdauer zweifellos vorliegt. Damit ist im Ergebnis von einem beträchtlichen Überwiegen der Milderungsgründe bei fehlenden Erschwerungs­gründen im Sinne des § 20 VStG auszugehen und eine Strafherabsetzung unter die gesetzliche Mindeststrafe gerechtfertigt.

Die nunmehr verhängte Strafe hält den Kriterien des § 19 VStG stand und entspricht der Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und der Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat unter Berücksichtigung der im   § 19 Abs.2 genannten Überlegungen.

 

Zu Punkt 2) des Straferkenntnisses:

Gemäß § 134 Abs.1 KFG 1967 begeht ua eine Verwaltungsübertretung und ist zu bestrafen, wer diesem Bundesgesetz, den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen  zuwider­handelt, wobei der Strafrahmen bis 5.000 Euro Geldstrafe, für den Fall der Uneinbringlichkeit bis sechs Wochen ersatzfreiheitsstrafe reicht.

Gemäß § 102 Abs.1 KFG 1967 darf ein Kraftfahrzeuglenker ein Kraftfahrzeug erst in Betrieb nehmen, wenn er sich, soweit dies zumutbar ist, davon überzeugt hat, dass das von ihm zu lenkende Kraftfahrzeug und ein mit diesem zu ziehender Anhänger sowie deren Beladung den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften entsprechen.

Gemäß § 11 Abs.1 KDV müssen Scheinwerfer für Kraftfahrzeuge und Anhänger so am Fahrzeug angebracht sein, dass sie leicht richtig eingestellt werden können und ihre Lage zum Fahrzeug nicht unbeabsichtigt verändert werden kann. Die Summe der größten Werte der Lichtstärke aller an einem Kraftwagen angebrachten Scheinwerfer, mit denen gleichzeitig Fernlicht ausgestrahlt werden kann, darf 300 000 cd nicht übersteigen. Diese Bestimmung gilt als erfüllt, wenn die Summe der Kennzahlen im Sinne der Regelung Nr. 20 aller an einem Kraft­wagen angebrachten Scheinwerfer die Zahl 100 nicht übersteigt; …

 

Der Bf beantragt zwar pauschal die Aufhebung des Straferkenntnisses auch im Punkt 2), bestreitet in seiner Beschwerde aber inhaltlich nicht die Erfüllung des Tatbestandes, sondern begehrt die Anwendung des § 45 Abs.1 Z4 VStG.

 

Auf der Grundlage der Bestimmungen der §§ 102 und 103 KFG ist von einer nebeneinander bestehenden Verantwortung auszugehen, allerdings ist die des Lenkers auf die Zumutbarkeit der Überprüfung des zu lenkenden Fahrzeuges vor Fahrtantritt eingeschränkt. Aus dem vom Ml bei der Beanstandung angefertigten Foto ist erkennbar, dass die beiden Scheinwerfer vorne und die das ECE-Zeichen aufweisenden Dachscheinwerfer gleichzeitig leuchten, dh mit ihnen konnte bei der Anhaltung gleichzeitig Fernlicht ausgestrahlt werden – dabei hat niemand behauptet, dass der Bf bei der Fahrt tatsächlich Fernlicht verwendet oder gar jemanden geblendet hätte. Ein Ablesen der Lichtzahlen an den an der Querhalterung fix angebrachten Dachscheinwerfern war dem Bf möglich.

 

Richtig ist, dass der Bf als Arbeitnehmer keinen Einfluss auf den Entschluss seines – im Rahmen eines eigenen Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 rechtskräftig bestraften – Arbeitgebers hat, auf den auf ihn zugelassenen Sattelzugfahrzeugen derartige die erlaubte Lichtzahl weit über­schreitende Dachscheinwerfer anzubringen, noch dazu, wenn er ein spezielles Sattelkraftfahrzeug mit einem Lebensmitteltank zu lenken hat. Dabei geht § 102 Abs.1 KFG allerdings davon aus, dass der Lenker, wenn er im Rahmen des zumutbaren Sich-Überzeugens einen Verstoß gegen das KFG erkennt, das Lenken des Kraftfahrzeuges unterlässt (vgl VwGH 24.5.1989, 89/02/0010; ua) oder die überzähligen Leuchten abdeckt.

Dass der Zulassungsbesitzer nunmehr die Dachscheinwerfer entfernt hat, war angesichts seiner eigenen Bestrafung zu erwarten, bedeutet aber lediglich die Herstellung eines dem KFG entsprechenden Zustandes – mit einem positiven Nebeneffekt für die zukünftigen Fahrten des Bf.

 

Mit dem Lenken des Sattelkraftfahrzeuges ohne Abdeckung der im Hinblick auf die Lichtzahl-Überschreitung offensichtlichen Dachscheinwerfer hat der Bf den rechtswidrigen Zustand des von ihm gelenkten Fahrzeugs akzeptiert, wobei allein der Umstand, dass er die Scheinwerfer nicht verwendet hat, ihn nicht von der Verantwortung im Sinne des § 102 Abs.1 KFG 1967 zu befreien vermag.

Inwieweit sein Verschulden hier als „geringfügig“ einzustufen sein soll, ist aus dem Beschwerdevorbringen nicht nachvollziehbar, weil eine tatsächliche Verwendung von Fernlicht oder gar Blendung von Verkehrsteilnehmern für die Erfüllung des ihm zur Last gelegten Tatbestandes nicht Voraussetzung ist (vgl LVwG vom 2.11.2015, LVwG-600987/4/FP/Bb, UVS OÖ vom 19.4.2007, VwSen-161673/10/Sch/Hu; ua). Damit lagen die Voraussetzungen für eine Ermahnung im Sinne des § 45 Abs.1 Z4 VStG nicht vor.

 

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass auch im Punkt 2) die oben zu Punkt 1) ausgeführten Überlegungen zu berücksichtigen sind, sodass eine Neufestsetzung der Strafe im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens – § 20 VStG gelangt wegen einer fehlenden Strafuntergrenze nicht zur Anwendung – gerechtfertigt war.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Zu II.:

 

Gemäß § 52 Abs.8 VwGVG entfällt die Vorschreibung eines Kostenbeitrages zum Beschwerdeverfahren.

 

 

Zu III.:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungs­gerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

H i n w e i s

 

Bitte erachten Sie den von der belangten Behörde mit der angefochtenen Entscheidung übermittelten Zahlschein als gegenstandslos.

Sie erhalten von der genannten Behörde einen aktualisierten Zahlschein zugesendet.

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Mag. Bissenberger

Beachte:

Das angefochtene Erkenntnis wurde hinsichtlich Spruchpunkt I. erster Absatz (Übertretung der StVO, entspricht Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses vom 18. Dezember 2013) wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Die Revision wurde hinsichtlich Spruchpunkt I. zweiter Absatz (Übertretung des KFG, entspricht Spruchpunkt 2. des Straferkenntnisses vom 18. Dezember 2013) zurückgewiesen.

VwGH vom 9. September 2016, Zl.: Ra 2016/02/0085-5