LVwG-350222/2/KLi/TK

Linz, 21.03.2016

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Lidauer über die Beschwerde vom 27. Jänner 2016 der S Z, geb. x, x, L, vertreten durch Dr. A Z, x, L, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 18. Jänner 2016, GZ: SJF, wegen bedarfsorientierter Mindestsicherung (Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs) den

B E S C H L U S S

gefasst:

 

 

I. Der Beschwerde wird stattgegeben. Der Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 18. Jänner 2016, GZ: SJF, wird aufgehoben und die Angelegenheit wird zur Erlassung eines neuen Bescheides gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG an den Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz zurückverwiesen.

 

 

II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 18.1.2016, GZ: SJF, wurde dem Antrag der Beschwerdeführerin vom 11.1.2016 auf Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs keine Folge gegeben.

 

Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe einen Antrag auf bedarfsorientierte Mindestsicherung eingebracht. Sie lebe alleine im Haushalt und sei beim AMS gemeldet. Sie beziehe Arbeitslosengeld in Höhe von 28,52 Euro täglich. Wie auf den Kontoauszügen ersichtlich sei, würde sie laufend monatlich 550 Euro Unterhalt von ihrem Vater beziehen. Da ihr Einkommen den für sie anzuwendenden Mindeststandard in Höhe von 914 Euro überschreiten würde, bestehe kein Anspruch auf bedarfsorientierte Mindestsicherung.

 

I.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom 27.1.2016, mit welchem die Beschwerdeführerin mangelnde Sachverhaltsfeststellung und fehlerhafte rechtliche Beurteilung geltend macht.

 

Zusammengefasst bringt die Beschwerdeführerin vor, es sei richtig, dass sie seit 29.12.2015 Arbeitslosengeld beziehe und sie bis dahin freiwillig Unterhalt von ihrem Vater erhalten habe, da sie sich in Ausbildung befunden und keine eigenen Einkünfte bezogen habe. Seit Jänner 2016 erhalte sie allerdings keine weitere finanzielle Unterstützung ihrer Eltern und ergebe sich auch keine rechtliche Verpflichtung dazu.

 

Aus den vorgelegten Unterlagen sei klar ersichtlich, dass sie bereits für einen länger als 6 Monate dauernden Zeitraum selbsterhaltungsfähig gewesen sei und mehr als 900 Euro monatlich verdient habe, da sie bis Juli 2013 in einem Dienstverhältnis gestanden sei. Aufgrund dessen ergebe sich auch ihr nunmehriger Anspruch auf Arbeitslosengeld. Dieser Sachverhalt sei von der belangten Behörde leider übersehen bzw. nicht berücksichtigt worden. Es sei weder ein Ermittlungsverfahren durchgeführt noch Parteiengehör gewährt worden.

 

Aufgrund des mangelhaft ermittelten Sachverhaltes ergebe sich in weiterer Folge eine fehlerhafte rechtliche Beurteilung. Zwar habe sie bis Jahresende 2015 Unterhalt bekommen, dies jedoch auf rein freiwilliger Basis, ohne dass eine Verpflichtung dazu bestanden hätte. Nach Abschluss einer Ausbildung in den USA im August 2015 habe sie keine Familienbeihilfe mehr erhalten, jedoch sei sie aus sozialen und ethischen Gründen von ihren Eltern noch freiwillig bis Jahresende finanziell unterstützt worden. Ab Erhalt des Arbeitslosengeldes würden diese dafür keine Notwendigkeit oder rechtliche Verpflichtung mehr sehen und würden auch keinen Unterhalt mehr leisten.

 

Somit würden die persönlichen und sachlichen Voraussetzungen für die Gewährung der bedarfsorientierten Mindestsicherung vorliegen und werde die Gewährung des Mindestsicherungshöchstbetrages (Differenz von Arbeitslosen­geld auf 914 Euro) beantragt.

 

 

II. Nachfolgender Sachverhalt steht fest:

 

II.1. Die Beschwerdeführerin ist am x geboren und österreichische Staatsbürgerin. Sie wohnt alleine in einer Wohnung unter der Adresse L, x. Die Wohnung hat eine Größe von 43 . Die Beschwerdeführerin bezahlt eine monatliche Miete von 335 Euro. Die Beschwerdeführerin hat einen Antrag auf Wohnbeihilfe gestellt. Mit Bescheid vom 23.11.2015 wurde dieser Antrag abgewiesen.

 

Die Beschwerdeführerin stand bis 31.12.2012 in einem befristeten Dienstver­hältnis zum Land Oberösterreich. Dieses wurde daraufhin bis 30.6.2013 verlängert. Im Anschluss daran hat die Beschwerdeführerin eine Ausbildung in den USA absolviert, welche sie am 21.8.2015 abgeschlossen hat.

 

Seit 29.12.2015 erhält die Beschwerdeführerin Arbeitslosengeld des AMS in Höhe von täglich 28,52 Euro.

 

In der Zeit von August 2015 bis Ende Dezember 2015 erhielt die Beschwerdeführerin monatliche Unterhaltszahlungen in Höhe von 550 Euro monatlich. Ihr Vater ist nicht dazu bereit, auch weiterhin monatliche Zahlungen an die Beschwerdeführerin zu leisten, zumal sie seit 29.12.2015 Arbeitslosengeld erhält.

 

II.2. Am 11.1.2015 stellte die Beschwerdeführerin den verfahrensgegen­ständlichen Antrag auf bedarfsorientierte Mindestsicherung (Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs), welcher mit dem angefochtenen Bescheid vom 18.1.2016 abgewiesen wurde.

 

II.3. Begründend stützt sich die belangte Behörde darauf, dass die Beschwerdeführerin Arbeitslosengeld in Höhe von 28,52 Euro täglich und monatliche Unterhaltszahlungen ihres Vaters in Höhe von 550 Euro erhalten würde. Da sie damit den Mindeststandard in Höhe von 914 Euro überschreiten würde, bestehe kein Anspruch auf bedarfsorientierte Mindestsicherung.

 

Die Beschwerdeführerin bringt dem entgegen vor, sie habe die monatlichen Unterhaltszahlungen ihres Vaters lediglich bis Ende des Jahres 2015 erhalten. Nachdem sie nunmehr Arbeitslosengeld beziehe, werde sie von ihren Eltern nicht weiter mit Unterhaltszahlungen unterstützt, sodass ihr Anspruch auf Mindest­sicherung (in Form der Differenz auf den Mindeststandard von 914 Euro) zu Recht bestehen würde.

 

II.4. Anhand der Aktenlage kann nicht festgestellt werden, welche Unterhaltszahlungen die Beschwerdeführerin überhaupt noch erhält bzw. in welcher Höhe. Nach ihrem eigenen Vorbringen hat der Vater die Unterhaltszahlungen seit Ende 2015 eingestellt. Ebenso wenig kann festgestellt werden, ob die Beschwerdeführerin selbsterhaltungsfähig ist und/oder ob sie diese Selbsterhaltungsfähigkeit in weiterer Folge wieder verloren hat. Diese Feststellungen sind für die rechtliche Beurteilung des Anspruches auf bedarfsorientierte Mindestsicherung notwendig.

 

 

III. Beweiswürdigung:

 

III.1. Die persönlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin ergeben sich aus dem Akt der belangten Behörde und aus den von der Beschwerdeführerin mit ihrem Antrag auf bedarfsorientierte Mindestsicherung vorgelegten Unterlagen. Sowohl ihre Einkommensverhältnisse (AMS) als auch ihre bisherige berufliche Tätigkeit gehen daraus hervor. Diese Sachverhaltsfeststellungen sind unbestritten, sodass weitere diesbezügliche Ermittlungen unterbleiben konnten.

 

III.2. Ferner ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin bis Ende 2015 monatliche Unterhaltszahlungen ihres Vaters in Höhe von 550 Euro erhalten hat. Dies wird von der Beschwerdeführerin selbst zugestanden. Strittig ist insofern, ob die Beschwerdeführerin derartige Unterhaltszahlungen weiterhin erhält, wie dies von der belangten Behörde in dem verfahrensgegenständlich angefochtenen Bescheid angenommen bzw. unterstellt wird. Geht man davon aus, dass entgegen diesen Annahmen die Beschwerdeführerin keine Unterhaltszahlungen erhält, sind allerdings weitere Sachverhaltsfeststellungen erforderlich, welche auch weitere Erhebungen notwendig machen (dazu unten Punkt V.).

 

III.3. Ferner ergibt sich aus dem Akteninhalt lediglich, dass die Beschwerde­führerin seit 29.12.2015 AMS-Zahlungen erhält. Es ergibt sich aber nicht, ob die Beschwerdeführerin Selbsterhaltungsfähigkeit erlangt hat bzw. inwieweit diese Selbsterhaltungsfähigkeit allenfalls wieder verloren gegangen ist oder nicht. Damit einhergehend lässt sich auch nicht feststellen, ob eine Unterhaltspflicht der Eltern besteht oder nicht bzw. in welcher Höhe.

 

III.4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Akteneinsicht. Bereits aus dem Akteninhalt ergibt sich, dass zur abschließenden rechtlichen Beurteilung weitere Erhebungen zur Selbsterhaltungsfähigkeit und zum Unterhalt erforderlich sind.

 

Somit lässt bereits der Akteninhalt erkennen, dass der Beschwerde Folge zu geben ist. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher abgesehen werden.

 

 

IV. Rechtslage:

 

IV.1. Zur Zurückverweisung:

 

Gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde die notwendigen Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

 

IV.2. Zur Mindestsicherung:

 

§ 4 Oö. Mindestsicherungsgesetz – Oö. BMSG, LGBl. Nr. 74/2011 idgF, lautet:

(1) Bedarfsorientierte Mindestsicherung kann, sofern dieses Landesgesetz nicht anderes bestimmt, nur Personen geleistet werden, die

1.   ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Land Oberösterreich haben und die Voraussetzungen des § 19 oder des § 19a Meldegesetz, BGBl.Nr. 9/1992, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 135/2009, erfüllen und

2.   a) österreichische Staatsbürgerinnen und -bürger oder deren Familien­ angehörige,

b) Asylberechtigte oder subsidiär Schutzberechtigte,

c) EU-/EWR-Bürgerinnen oder -Bürger, Schweizer Staatsangehörige oder deren Familienangehörige, jeweils soweit sie durch den Bezug dieser Leistungen nicht ihr Aufenthaltsrecht verlieren würden,

d) Personen mit einem Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt - EG“ oder „Dauer­aufenthalt - Familienangehörige“ oder mit einem Niederlassungsnachweis oder einer unbefristeten Niederlassungsbewilligung,

e) Personen mit einem sonstigen dauernden Aufenthaltsrecht im Inland, soweit sie durch den Bezug dieser Leistungen nicht ihr Aufenthaltsrecht verlieren würden,

sind.

(2) Bedarfsorientierte Mindestsicherung kann im Einzelfall – abweichend von
Abs. 1 – auf der Grundlage des Privatrechts geleistet werden, soweit

1.   der Lebensunterhalt nicht anderweitig gesichert ist oder gesichert werden kann und

2.   dies zur Vermeidung besonderer Härten unerlässlich ist.

 

Gemäß § 5 Oö. Mindestsicherungsgesetz – Oö. BMSG, LGBL. Nr. 74/2011 idgF, ist Voraussetzung für die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung, dass eine Person im Sinn des § 4

1. von einer sozialen Notlage (§ 6) betroffen ist

2. bereit ist, sich um die Abwendung, Milderung bzw. Überwindung der sozialen Notlage zu bemühen (§ 7).

 

Gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 Oö. BMSG liegt eine soziale Notlage bei Personen vor, die ihren eigenen Lebensunterhalt und Wohnbedarf nicht decken können. Nach
Abs. 2 leg.cit. umfasst der Lebensunterhalt den Aufwand für die regelmäßig wiederkehrenden Bedürfnisse zur Führung eines menschenwürdigen Lebens, insbesondere für Nahrung, Bekleidung, Körperpflege, Hausrat, Beheizung und Strom sowie andere persönliche Bedürfnisse für die angemessene soziale und kulturelle Teilhabe.

 

 

V. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat hiezu erwogen:

 

V.1. Zum Sachverhalt:

 

V.1.1. Verfahrensgegenständlich ist die Frage zu beantworten, ob sich die Beschwerdeführerin in einer Notlage im Sinn des § 6 Oö. BMSG befindet, welche Grundlage für die Gewährung bedarfsorientierter Mindestsicherung ist.

 

Diesbezüglich ist vor allem zu beurteilen, über welches Einkommen die Beschwerdeführerin verfügt. Feststeht lediglich, dass sie seit 29.12.2015 Arbeitslosengeld in Höhe von täglich 28,52 Euro erhält. Ebenso steht fest, dass sie von ihrem Vater bis Ende 2015 monatlich 550 Euro an Unterstützung erhalten hat. Nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin erhält sie diese Unterstützung seit Ende 2015 nicht mehr, zumal sie Arbeitslosengeld bezieht.

 

Fraglich ist insofern, ob die Beschwerdeführerin überhaupt weiterhin Anspruch auf Unterhalt ihrer Eltern hat oder nicht. Im Zusammenhang mit dieser Frage steht die Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit der Beschwerdeführerin. Mit dieser Frage hat sich die belangte Behörde bislang nicht auseinandergesetzt. Die Beschwerdeführerin hat zwar mit ihrem Antrag einen Nachweis darüber vorgelegt, dass sie bis Ende Juni 2013 in einem Dienstverhältnis gestanden ist. Ferner hatte sie vorgebracht im Anschluss daran bis August 2015 eine Ausbildung in den USA absolviert zu haben.

 

Die Fragen der Selbsterhaltungsfähigkeit bzw. der Unterhaltspflicht der Eltern sind allerdings von entscheidender Bedeutung für die Gewährung der bedarfsorientierten Mindestsicherung. Für den Fall nämlich, dass die Beschwerdeführerin Selbsterhaltungsfähigkeit erlangt und auch nicht wieder verloren hat, hätte sie Anspruch auf bedarfsorientierte Mindestsicherung bzw. wäre die Frage der Unterhaltspflicht zu klären, sollte die Beschwerdeführerin ihre Selbsterhaltungsfähigkeit verloren haben.

 

V.1.2. Die Frage, ob Unterhaltsansprüche bestehen und ausreichend verfolgt werden, hat gemäß § 7 Abs. 2 Z 3 Oö. BMSG unmittelbar Auswirkungen auf die Höhe der beantragten Mindestsicherung und muss daher vor Entscheidung über den Antrag auf Mindestsicherung geklärt werden (vgl. VwSen-560271/2/Re vom 22.6.2013, bestätigt durch VwGH vom 27.3.2014 Zl.: 2013/10/0185-5; VwSen-560024 und LvWG Oö. 7.1.2016, LvWG-350191/2/GS/Fe).

 

V.1.3. Der Anspruch auf Kindesunterhalt wird in § 231 ABGB geregelt. Gemäß § 231 Abs. 1 ABGB haben die Eltern zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes unter Berücksichtigung seiner Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten nach ihren Kräften anteilig beizutragen. Gemäß Abs. 2 leg.cit. leistet der Elternteil, der den Haushalt führt, in dem er das Kind betreut, dadurch seinen Beitrag. Darüber hinaus hat er zum Unterhalt des Kindes beizutragen, soweit der andere Elternteil zur vollen Deckung der Bedürfnisse des Kindes nicht im Stande ist oder mehr leisten müsste, als es seinen eigenen Lebensverhältnissen angemessen wäre. Abs. 3 leg.cit. regelt, dass sich der Anspruch auf Unterhalt insoweit mindert, als das Kind eigene Einkünfte hat oder unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse selbsterhaltungsfähig ist.

 

Selbsterhaltungsfähigkeit eines Kindes ist bei einfachen Verhältnissen unter Berücksichtigung des Umstandes, dass außer dem Geldunterhalt auch noch die Betreuung benötigt wird, erst bei einem Eigeneinkommen anzunehmen, dass dem Richtsatz für die Gewährung von Ausgleichszulagen nach § 293 Abs. 1 lit. a bb und lit. b ASVG entspricht (OGH vom 21.5.1992, 8Ob541/92). Darüber hinaus kann davon ausgegangen werden, dass Selbsterhaltungsfähigkeit gegeben ist, wenn das Kind die zur Bestreitung seiner Bedürfnisse nötigen Mittel selbst erwirbt oder bei zumutbarer Beschäftigung selbst erwerben könnte. Sie kann vor oder nach der Volljährigkeit eintreten. Dabei richtet sich der Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit nach den Lebensverhältnissen des Kindes und der Eltern. Eine teilweise Selbsterhaltungsfähigkeit in Folge erzielten Einkommens wird besser als Minderung des Unterhaltsanspruches durch Eigeneinkommen verstanden. Selbsterhaltungsfähigkeit bedeutet die Fähigkeit zur eigenen angemessenen Bedürfnisdeckung auch außerhalb des elterlichen Haushaltes (Stabentheiner in Rummel, § 140, Rz 12). Der Verlust der einmal erlangten Selbsterhaltungsfähigkeit kann in jedem Lebensalter des Kindes eintreten (z.B. durch Erwerbsunfähigkeit in Folge Krankheit oder Langzeitarbeitslosigkeit ohne Arbeitslosengeld), was mangels Verschuldens des Kindes nach den Lebensverhältnissen der Eltern zum Wiederaufleben des Unterhaltsanspruches führt. Bloße Einkommensminderung bis zu den oben erwähnten Grenzen bedeutet noch nicht den Verlust der Selbsterhaltungsfähigkeit, ebenso wenig bloß vorübergehende Minderung des Einkommens.

 

V.1.4. Unter Zugrundelegung dieser Ausführungen und Judikaturnachweise ist daher zu erheben, inwiefern die Beschwerdeführerin selbsterhaltungsfähig ist bzw. ob eine allenfalls bereits erlangte Selbsterhaltungsfähigkeit noch aufrecht oder verloren gegangen ist. Erst dann, wenn man von einer nicht vorhandenen Selbsterhaltungsfähigkeit ausgeht, ist in weiterer Folge die Frage des Unterhalts zu klären. Erst im Anschluss an die Klärung dieser Fragen kann der Anspruch auf bedarfsorientierte Mindestsicherung beurteilt werden.

 

V.1.5. Verfahrensgegenständlich sind all diese Fragen derzeit offen.  Zusammen­gefasst ist daher im fortgesetzten Verfahren zu überprüfen, inwiefern die Beschwerdeführerin selbsterhaltungsfähig ist oder nicht und in weiterer Folge ob bzw. in welcher Höhe Unterhaltsansprüche gegenüber den Eltern bestehen. Je nach dem wird sich auch in weiterer Folge die Frage beantworten lassen, ob die Beschwerdeführerin Anspruch auf bedarfsorientierte Mindestsicherung hat bzw. in welcher Höhe.

 

V.2. Zur Aufhebung des behördlichen Bescheides und zur Zurückverweisung:

 

V.2.1. Nachdem die belangte Behörde davon ausgegangen ist, dass die Beschwerdeführerin Einkommen erzielt, welches den Mindeststandard von 914 Euro überschreitet, wurden Sachverhaltsfeststellungen zu der Frage des tatsächlichen Einkommens bzw. insbesondere zu den Unterhaltszahlungen der Eltern nicht erhoben, ebenso nicht zu der Frage der Selbsterhaltungsfähigkeit oder des Verlustes derselben.

 

Diese Sachverhaltsfeststellungen sind allerdings zwingend erforderlich, um feststellen zu können, inwiefern die Beschwerdeführerin Anspruch auf bedarfsorientierte Mindestsicherung hat bzw. in welcher Höhe. Dazu befinden sich im Akt derzeit keine bzw. nur unzureichende Ermittlungsergebnisse.

 

V.2.2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich konnte und durfte allerdings derartige Sachverhaltsermittlungen nicht selbst tätigen und sodann im Hinblick auf die Höhe der bedarfsorientierten Mindestsicherung in der Sache selbst entscheiden.

 

Würde das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich bereits zum derzeitigen Verfahrensstand der Höhe nach in der Sache selbst entscheiden, würde dadurch das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht der Beschwerdeführerin auf eine Entscheidung durch den gesetzlichen Richter gemäß Art. 83 Abs. 2 B-VG verletzt werden. Nach den gesetzlichen Bestimmungen des Oö. BMSG steht es der Beschwerdeführerin nicht nur zu, eine Beschwerde gegen einen abweisenden Bescheid dem Grunde nach zu erheben; vielmehr besteht für die Beschwerdeführerin auch das Recht, eine Beschwerde der Höhe nach zu erheben, sollte nach ihrer Auffassung die ihr gewährte bedarfsorientierte Mindestsicherung zu niedrig bemessen worden sein. Über die Frage der Höhe der Mindestsicherung hat sodann wiederum das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zu entscheiden. Durch eine sofortige Sachentscheidung des Landesverwaltungs­gerichtes Oberösterreich würde der Beschwerdeführerin eine Instanz im Hinblick auf die Höhe der bedarfsorientierten Mindestsicherung genommen werden.

 

V.2.3. Dem steht auch nicht entgegen, dass die belangte Behörde in ihrem Vorlageschreiben vom 10.2.2016 den Standpunkt einnimmt, dass gegen jede Entscheidung, die nicht auf Gewährung der bedarfsorientierten Mindestsicherung ohne Bedachtnahme auf Unterhaltsleistungen (oder auch nur eine Auflage, sich um die Ansprüche zu bemühen) lauten würde, neuerlich Beschwerde erhoben würde.

 

V.3. Zusammenfassung:

 

Insofern war der Beschwerde derart Folge zu geben, dass der Bescheid der belangten Behörde aufgehoben und das Verfahren zur neuerlichen Entscheidung an diese zurückverwiesen wird. Die belangte Behörde ist im Rahmen ihrer Entscheidung an die Rechtsauffassung des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich dahingehend gebunden, dass zunächst weitere Erhebungen zur Frage der Selbsterhaltungsfähigkeit der Beschwerdeführerin und im Anschluss daran zur Frage von Unterhaltszahlungen zu tätigen sind. Für den Fall, dass die Beschwerdeführerin selbsterhaltungsfähig ist bzw. keine Unterhaltsansprüche gegenüber ihren Eltern hat, ist in weiterer Folge auch zu prüfen, inwiefern eine soziale Notlage vorliegt bzw. ob die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind. Dies wird im Verfahren vor der belangten Behörde zu klären sein.

 

 

VI.         Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des
Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzu­bringen.

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

Dr. Lidauer