LVwG-601169/2/FP

Linz, 14.01.2016

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Pohl aus Anlass des Anbringens vom 8. Dezember 2015 gegen das an F M M, geb. x, x, A, D, gerichtete Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen, x, G, vom 13. Oktober 2015, GZ: VerkR96-22179-2015, den

B E S C H L U S S

gefasst:

 

I.          Das Anbringen vom 8. Dezember 2015 wird gemäß Art 130 Abs 1 Z1 B-VG iVm § 31 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.

 

II.         Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Bei dem gegenständlichem Verwaltungsstrafverfahren nach § 103 Abs 2 KFG zugrundeliegendem Anlassdelikt handelt es sich um eine Übertretung des Bundesstraßenmautgesetzes.

Mit Schreiben vom 25. August 2015 forderte die belangte Behörde eine S u. M GmbH in D auf, bekanntzugeben, wer ein im Schreiben näher bezeichnetes Fahrzeug an einem dort näher bezeichneten Tag und an einem bestimmten Ort gelenkt hat.

Am 14. September 2015 sendete die Gesellschaft das teilweise ausgefüllte, von der belangten Behörde zur Verfügung gestellte Formular an die belangte Behörde. In dieses waren der Name „G M M“, als Wohnort „B (Irl)“ und bei „geboren am“ die Zahl „x“ eingetragen. Nach Einholung einer Meldebestätigung im Hinblick auf den Geschäftsführer der Gesellschaft (in der Folge der Einfachheit halber „Bf“ genannt), fertigte die belangte Behörde auf eine dem Akt nicht entnehmbare Weise (vermutlich per e-mail) eine Strafverfügung ab. Mit e-mail vom 14. Oktober 2015, 17.59 Uhr, erhob der Bf Einspruch.

 

I.2. Am 15. Oktober 2015 fertigte die belangte Behörde ein korrespondierendes Straferkenntnis ab. Die belangte Behörde versandte dieses mittels Auslandsrückscheinbrief, welcher den Vermerk „Eigenhändig“ trug.

Der Brief wurde als „nicht abgeholt“ an die belangte Behörde retourniert und langte am 30. November 2015 bei dieser ein (Einlaufstempel).

Die belangte Behörde übermittelte das Straferkenntnis sodann am 4. Dezember 2015 als pdf an die e-mail Adresse x (handschriftliche Verfügung und e-mail v. 4. Dezember 2015).

 

I.3. Am 8. Dezember 2015 langte bei der belangten Behörde ein e-mail ein, welches wie folgt lautete:

 

„Sehr geehrte Frau F, H und N

Nach mehreren erfolglosen Telefonaten mit der Bitte um Einstellung der Straferkenntnisse bzw. Strafverfügung mit den Geschäftszeichen [...] bitte ich nun um Gewährung von Akteneinsicht und um Zusendung von Fotos ,Überwachung sowie allen technisch relevanten Unterlagen .

Leider kann ich Ihnen keine genauere Mitteilung der Fahrer geben ,aber was hier normalerweise auch nichts zur Sache steht, sondern Fakt ist, die Gebühren für Maut des LKW BC MM360 wurden entrichtet.

Vielen Dank vorab für Ihre Mühe, und Ich hoffe auf ein positives Ergebniss nämlich die Einstellung des Straferkenntnis.

 

Mit freundlichen Grüßen und einen schönen Advent

A M  

M M S und M GmbH

[...]“

 

I.4. Mit Schreiben vom 11. Dezember 2015 legte die belangte Behörde dem Verwaltungsgericht das genannte Anbringen als Beschwerde vor und schloss den bezughabenden Verfahrensakt bei. Das Landesverwaltungsgericht entscheidet gem. § 2 VwGVG durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

 

 

II.1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt. Bereits aus diesem ergibt sich, dass das Anbringen zurückzuweisen ist, sodass von einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden kann.

 

 

II.2. Nachstehender entscheidungswesentlicher Sachverhalt steht fest:

 

Die belangte Behörde hat am 15. Oktober 2015 ein Straferkenntnis an den Bf abgefertigt (Kanzleivermerk Straferkenntnis S. 5). Das Straferkenntnis wurde zunächst mittels eingeschriebenen Briefes und Auslandsrückschein via Österreichische Post AG und Deutsche Post AG versandt. Der Auslandsrückschein trägt den Vermerk „Eigenhändig“.

Das Straferkenntnis konnte dem Bf von der Deutschen Post nicht übergeben werden. Das bei der Deutschen Post hinterlegte Schriftstück wurde vom Bf nicht abgeholt und deshalb an die belangte Behörde retourniert. Es langte am 30. November 2015 bei dieser ein. Am 4. Dezember 2015 übermittelte die belangte Behörde das bezughabende Straferkenntnis per e-mail an die Adresse x. Am 8. Dezember ging bei der belangten Behörde das unter I.3. dargestellte e-mail ein (Verfahrensakt).

   

II.3. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus dem vorliegenden Verfahrensakt insbesondere den in Klammern angegebenen Beweismitteln. Insbesondere ist ersichtlich, dass die belangte Behörde zunächst einen Zustellversuch per internationalem Rückscheinbrief unternahm, der scheiterte. Sodann übermittelte sie das Straferkenntnis per e-mail.

 

 

III. Rechtliche Beurteilung

 

III.1. Rechtliche Grundlagen:

 

§ 11 Abs 1 Zustellgesetz (BGBl. Nr. 200/1982 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013) lautet:

 

Besondere Fälle der Zustellung

 

§ 11. (1) Zustellungen im Ausland sind nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen oder allenfalls auf dem Weg, den die Gesetze oder sonstigen Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, oder die internationale Übung zulassen, erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden, vorzunehmen.

[...]

 

 

 

 

 

 

 

Art 1 Abs 1, Art 3 und Art 10 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen (BGBl. Nr. 526/1990) lautet:

 

Artikel 1

(1) Die Vertragsstaaten leisten in öffentlich-rechtlichen Verfahren ihrer Verwaltungsbehörden, in österreichischen Verwaltungsstraf- und in deutschen Bußgeldverfahren, soweit sie nicht bei einer Justizbehörde anhängig sind, ferner in Verfahren vor den österreichischen Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit und den deutschen Gerichten der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit nach Maßgabe dieses Vertrags Amts- und Rechtshilfe.

 

Artikel 3

Amts- und Rechtshilfe wird nach dem Recht des ersuchten Staates geleistet.

 

 

Zustellungen

Artikel 10

(1) Schriftstücke in Verfahren nach Artikel 1 Absatz 1 werden unmittelbar durch die Post nach den für den Postverkehr zwischen den Vertragsstaaten geltenden Vorschriften übermittelt. Wird ein Zustellnachweis benötigt, ist das Schriftstück als eingeschriebener Brief mit den besonderen Versendungsformen „Eigenhändig“ und „Rückschein“ zu versenden. Kann eine Zustellung nicht unmittelbar durch die Post bewirkt werden oder ist dies nach Art und Inhalt des Schriftstücks nicht zweckmäßig, ist die zuständige Stelle im anderen Vertragsstaat um Vermittlung der Zustellung im Wege der Amts- und Rechtshilfe zu ersuchen. Die Vertragsstaaten teilen einander diese Stellen mit.

(2) Eine unmittelbare Zustellung durch die Post ist bei Bescheiden im Zusammenhang mit der Feststellung der Eignung Wehrpflichtiger zum Wehrdienst, bei Bescheiden, die eine Person zur militärischen Dienstleistung oder das im ersuchenden Staat gelegene Eigentum eines Angehörigen des anderen Vertragsstaats dauernd oder vorübergehend zu militärischen Zwecken heranziehen, sowie bei Bescheiden auf Grund der Konvention/des Abkommens vom 28. Juli 1951 *) über die Rechtsstellung der Flüchtlinge nicht zulässig.

(3) Die Zustellung von Bescheiden in Verwaltungsstrafverfahren an Angehörige des Staates, in dem die Zustellung vorgenommen werden soll, gilt hinsichtlich des Ausspruchs eines Freiheitsentzugs als nicht bewirkt.

__________________

*) Kundgemacht in BGBl. Nr. 55/1955

 

 

§§ 3, 4 und 8 des Deutschen Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG-D) vom 12. August 2005 (BGBl. I S. 2354), zuletzt geändert durch Art. 17 G v. 10.10.2013 I 3786 lautet:

 

 

§ 3 Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkunde

(1) Soll durch die Post mit Zustellungsurkunde zugestellt werden, übergibt die Behörde der Post den Zustellungsauftrag, das zuzustellende Dokument in einem verschlossenen Umschlag und einen vorbereiteten Vordruck einer Zustellungsurkunde.

(2) Für die Ausführung der Zustellung gelten die §§ 177 bis 182 der Zivilprozessordnung entsprechend. Im Fall des § 181 Abs. 1 der Zivilprozessordnung kann das zuzustellende Dokument bei einer von der Post dafür bestimmten Stelle am Ort der Zustellung oder am Ort des Amtsgerichts, in dessen Bezirk der Ort der Zustellung liegt, niedergelegt werden oder bei der Behörde, die den Zustellungsauftrag erteilt hat, wenn sie ihren Sitz an einem der vorbezeichneten Orte hat. Für die Zustellungsurkunde, den Zustellungsauftrag, den verschlossenen Umschlag nach Absatz 1 und die schriftliche Mitteilung nach § 181 Abs. 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung sind die Vordrucke nach der Zustellungsvordruckverordnung zu verwenden.

 

§ 4 Zustellung durch die Post mittels Einschreiben

(1) Ein Dokument kann durch die Post mittels Einschreiben durch Übergabe oder mittels Einschreiben mit Rückschein zugestellt werden.

(2) Zum Nachweis der Zustellung genügt der Rückschein. Im Übrigen gilt das Dokument am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als zugestellt, es sei denn, dass es nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Im Zweifel hat die Behörde den Zugang und dessen Zeitpunkt nachzuweisen. Der Tag der Aufgabe zur Post ist in den Akten zu vermerken.

 

 

Die §§ 177 bis 182 der deutschen Zivilprozessordnung (BGBl. I S. 3202; 2006 I S. 431; 2007 I S. 1781), zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 20. November 2015 (BGBl. I S. 2018) (ZPO-D) lauten:

§ 177 Ort der Zustellung

Das Schriftstück kann der Person, der zugestellt werden soll, an jedem Ort übergeben werden, an dem sie angetroffen wird.

§ 178 Ersatzzustellung in der Wohnung, in Geschäftsräumen und Einrichtungen

(1) Wird die Person, der zugestellt werden soll, in ihrer Wohnung, in dem Geschäftsraum oder in einer Gemeinschaftseinrichtung, in der sie wohnt, nicht angetroffen, kann das Schriftstück zugestellt werden

1. in der Wohnung einem erwachsenen Familienangehörigen, einer in der Familie beschäftigten Person oder einem erwachsenen ständigen Mitbewohner,

2. in Geschäftsräumen einer dort beschäftigten Person,

3. in Gemeinschaftseinrichtungen dem Leiter der Einrichtung oder einem dazu ermächtigten Vertreter.

(2) Die Zustellung an eine der in Absatz 1 bezeichneten Personen ist unwirksam, wenn diese an dem Rechtsstreit als Gegner der Person, der zugestellt werden soll, beteiligt ist.

§ 179 Zustellung bei verweigerter Annahme

Wird die Annahme des zuzustellenden Schriftstücks unberechtigt verweigert, so ist das Schriftstück in der Wohnung oder in dem Geschäftsraum zurückzulassen. Hat der Zustellungsadressat keine Wohnung oder ist kein Geschäftsraum vorhanden, ist das zuzustellende Schriftstück zurückzusenden. Mit der Annahmeverweigerung gilt das Schriftstück als zugestellt.

§ 180 Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten

Ist die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 nicht ausführbar, kann das Schriftstück in einen zu der Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden, die der Adressat für den Postempfang eingerichtet hat und die in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist. Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt. Der Zusteller vermerkt auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung.

§ 181 Ersatzzustellung durch Niederlegung

(1) Ist die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 3 oder § 180 nicht ausführbar, kann das zuzustellende Schriftstück auf der Geschäftsstelle des Amtsgerichts, in dessen Bezirk der Ort der Zustellung liegt, niedergelegt werden. Wird die Post mit der Ausführung der Zustellung beauftragt, ist das zuzustellende Schriftstück am Ort der Zustellung oder am Ort des Amtsgerichts bei einer von der Post dafür bestimmten Stelle niederzulegen. Über die Niederlegung ist eine schriftliche Mitteilung auf dem vorgesehenen Formular unter der Anschrift der Person, der zugestellt werden soll, in der bei gewöhnlichen Briefen üblichen Weise abzugeben oder, wenn das nicht möglich ist, an der Tür der Wohnung, des Geschäftsraums oder der Gemeinschaftseinrichtung anzuheften. Das Schriftstück gilt mit der Abgabe der schriftlichen Mitteilung als zugestellt. Der Zusteller vermerkt auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung.

(2) Das niedergelegte Schriftstück ist drei Monate zur Abholung bereitzuhalten. Nicht abgeholte Schriftstücke sind danach an den Absender zurückzusenden.

§ 182 Zustellungsurkunde

(1) Zum Nachweis der Zustellung nach den §§ 171, 177 bis 181 ist eine Urkunde auf dem hierfür vorgesehenen Formular anzufertigen. Für diese Zustellungsurkunde gilt § 418.

(2) Die Zustellungsurkunde muss enthalten:

1. die Bezeichnung der Person, der zugestellt werden soll,

2. die Bezeichnung der Person, an die der Brief oder das Schriftstück übergeben wurde,

3. im Falle des § 171 die Angabe, dass die Vollmachtsurkunde vorgelegen hat,

4. im Falle der §§ 178, 180 die Angabe des Grundes, der diese Zustellung rechtfertigt und wenn nach § 181 verfahren wurde, die Bemerkung, wie die schriftliche Mitteilung abgegeben wurde,

5. im Falle des § 179 die Erwähnung, wer die Annahme verweigert hat und dass der Brief am Ort der Zustellung zurückgelassen oder an den Absender zurückgesandt wurde,

6. die Bemerkung, dass der Tag der Zustellung auf dem Umschlag, der das zuzustellende Schriftstück enthält, vermerkt ist,

7. den Ort, das Datum und auf Anordnung der Geschäftsstelle auch die Uhrzeit der Zustellung,

8. Name, Vorname und Unterschrift des Zustellers sowie die Angabe des beauftragten Unternehmens oder der ersuchten Behörde.

(3) Die Zustellungsurkunde ist der Geschäftsstelle in Urschrift oder als elektronisches Dokument unverzüglich zurückzuleiten.

 

 

III.2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

 

III.2.1. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bedeutet "Erlassung" eines Bescheides die Erzeugung einer Rechtsnorm bestimmter Art; als Norm rechtlich existent wird ein intendierter Bescheid daher nur und erst dann, wenn das Erzeugungsverfahren abgeschlossen, das heißt, wenn das zeitlich letzte Erzeugungstatbestandsmerkmal - das ist in der Regel die Mitteilung des behördlichen Willensaktes nach außen - verwirklicht worden ist. Ein (schriftlicher) Bescheid ist erst mit der Zustellung bzw. Ausfolgung seiner schriftlichen Ausfertigung an eine Partei als erlassen anzusehen; nur ein erlassener Bescheid kann Rechtswirkungen erzeugen (VwGH v. 17. Dezember 2013, 2013/09/0105, VwGH v. 26. Juni 2013, 2011/05/0121 uva.).

 

Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Beschwerde an das Verwaltungsgericht ist daher ein rechtmäßig ergangener, also der jeweils anzuwendenden Bestimmung entsprechend, zugestellter, Bescheid.

 

III.2.2. Die Form der Zustellung ergibt sich aus § 11 Abs 1 Zustellgesetz in Verbindung mit einem Internationalen Vertrag (Staatsvertrag), sofern ein solcher vorhanden ist. Andernfalls kommen die weiteren Varianten des § 11 Abs 1 ZustG zur Anwendung.

 

„Aus dem Begriff "allenfalls" in § 11 Abs. 1 ZustG ist zu entnehmen, dass die Zustellung nur dann nach den Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, vorzunehmen ist, wenn und soweit keine den Gegenstand regelnde internationalen Vereinbarungen bestehen (Hinweis Walter-Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), Anm. 4 zu § 11 ZustellG)“ (VwGH v. 23. Juni 2003, 2002/17/0182).

 

Im Hinblick auf Zustellungen in Deutschland besteht zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland der Vertrag über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen (BGBl. Nr. 526/1990) (in der Folge „der Staatsvertrag“). Dieser regelt in seinen Artikeln 3 und 10 die Grundlagen für grenzüberschreitende Zustellungen.

  

Aus Art 3 des Staatsvertrages ergibt sich, dass Deutschland Amts- und Rechtshilfe nach deutschem Recht leistet, Österreich nach österreichischem Recht. Dies bedeutet, dass der jeweilige Staat, sobald er für den anderen Staat unterstützend tätig wird, sein eigenes Recht anzuwenden hat. Die genannte Norm richtet sich somit an den ersuchten Staat.

 

Aus Art 10 des Staatsvertrages ergibt sich, dass Zustellungen in Verwaltungsstrafverfahren im Wege der Post, im Falle der Notwendigkeit von Zustellnachweisen mittels eingeschriebenen Briefes in der besonderen Versendungsform „Eigenhändig“ und „Rückschein“ vorzunehmen sind.

Kann eine Zustellung auf diese Weise nicht bewirkt werden, oder ist dies nach Art und Inhalt des Schriftstückes nicht zweckmäßig, ist die zuständige Stelle in Deutschland (im vorliegenden Fall, nach dem Staatsvertrag, das Regierungspräsidium Freiburg) um Vermittlung im Wege der Amts- und Rechtshilfe zu ersuchen. Diese übernimmt dann die Zustellung nach deutschen Regeln (vgl. etwa VwGH v. 29. April 2011, 2010/02/0137).

 

Voraussetzung für eine erfolgreiche Zustellung ist, dass einer in einem anzuwendenden Staatsvertrag vorgezeichnete Vorgehensweise gefolgt wird.

Demgemäß hat der VwGH in seinem Erkenntnis vom 18. September 2000, 2000/17/0044 zum Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Rechtsschutz und Rechtshilfe in Abgabensachen ausgesprochen, dass eine Zustellung unwirksam ist, wenn nicht der im Staatsvertrag vorgezeichnete Weg eingehalten wird.

 

Es können von den Behörden schon aus völkerrechtlichen Erwägungen nicht andere Wege der Zustellung gewählt werden, die etwa dem innerstaatlichen Recht entlehnt werden, wären damit doch unerlaubte Eingriffe in die Hoheitsrechte eines anderen Staates verbunden (vgl. VwGH 18. Dezember 1997, 97/11/0274).

 

Der Staatsvertrag lässt nach seinem Wortlaut ausdrücklich nur die eigenhändige Zustellung durch die Post mittels Rückschein (also insbesondere nicht eine Form der Ersatzzustellung) oder jene im Wege der Rechtshilfe zu, die, den deutschen Bestimmungen folgend, eine Ersatzzustellung kennt.

Die Entscheidung der Vertragsparteien (Deutschland und Österreich), eine solche Vorgehensweise vorzusehen ist insofern konsequent, als die Vertragsparteien bei Übersendungen, die durch die ausländische Behörde im Wege des internationalen Postdienstes veranlasst werden, eine Zustellung (im rechtlichen Sinn) nur dann zulässt, wenn der Adressat die Sendung tatsächlich übernimmt und die Post nur die Übernahme zu bestätigen hat, die ausländischen Regeln, etwa zur Ersatzzustellung und demgemäß auch zur Heilung von Zustellmängeln aber nur dann angewendet wissen wollen, wenn die Zustellung durch die Heimatbehörde des Adressaten vorgenommen wird.

Andere Zustellformen als jene beiden Genannten kennt der Staatsvertrag nicht und legt er ausdrücklich fest, dass im Falle des Scheiterns der ersten Variante (zwingend) die zuständige Stelle im anderen Vertragsstaat um Vermittlung zu ersuchen ist (sic!). Dass die Vertragsparteien andere Varianten der Zustellung nicht in Betracht ziehen wollten, ergibt sich aus seinem Wortlaut und schon aus dem Umstand, dass die Parteien bislang keine Anpassung des Staatsvertrages an modernere Übermittlungsformen (Fax, e-mail, etc.) vorgenommen haben. Insbesondere haben es die Vertragsparteien schon 1989 unterlassen, die Fax- oder Telexübermittlung vorzusehen, obwohl diese zum damaligen Zeitpunkt bereits längst verfügbar waren. Es ist insofern evident, dass der Gesetzgeber, wenn er schon keine Faxübermittlung vorsehen wollte, schon gar keine mittels   e-mail im Blick haben konnte, sodass es im Einklang mit der Judikatur des VwGH (vgl. insb. die E v. 20. Jänner 2015 Ro 2014/09/0059 und v. 16. Mai 2011, 2009/17/0185) der Zielsetzung des Staatsvertrages widerspräche, würde man davon ausgehen, dass durch e-mail-Übermittlung eine Heilung gem. § 7 ZustG eintreten kann.

Eine Heilung, von der die belangte Behörde offenbar ausgeht, wenn Sie das      e-mail vom 8. Dezember 2015 als Beschwerde vorlegt, kann insofern überhaupt nur in Betracht kommen, wenn eine nach dem Staatsvertrag zulässige Zustellform gewählt wurde und diese, aus welchen Gründen auch immer, fehlerhaft war. Eine solche Annahme wäre aber auch nur im Falle der Zustellung via Post denkbar, zumal bei Einschreiten der deutschen Behörden, das deutsche Recht und damit die deutschen Heilungsbestimmungen (§ 8 VwZG-D) heranzuziehen wären.

 

Ein Zustellmangel im Sinne des § 9 Abs 3 ZustG (und nichts anderes kann für die korrespondierende deutsche Bestimmung des § 8 VwZG-D gelten; arg. „Dokument[s]...tatsächlich zugegangen“) kann im Übrigen nur durch "tatsächliches Zukommen", dh durch den Empfang des Originalbescheides geheilt werden.

Im vorliegenden Fall hat allerdings nicht der Bf selbst, sondern eine A M, die noch dazu die Signatur der GmbH verwendete, auf das e-mail der belangten Behörde reagiert. Es gibt insoferne keine Hinweise darauf, dass dem Bf das Dokument tatsächlich zugekommen ist, sodass auch insofern keine Heilung in Betracht käme.

Auch ist der Erhalt einer Kopie nach ständiger verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung ebensowenig ausreichend wie etwa die bloße Kenntnisnahme im Rahmen einer Akteneinsicht (vgl. UVS Oö. v. 28. November 2012, VwSen-730682/2/SR/MZ/HA/WU).

Hinzu kommt vorliegend, dass dem e-mail der belangten Behörde zu entnehmen ist, dass der Austausch von Nachrichten mit dem jeweiligen Absender via e-mail nur Informationszwecken dient. Bereits aus dem e-mail selbst geht somit hervor, dass es sich bei Zusendungen auf diesem Wege nicht um rechtsgültige Erklärungen handeln kann und kann es sich, selbst wenn man die Anwendbarkeit des österreichischen Zustellgesetzes bejahen würde, nicht um eine rechtswirksame elektronische Zustellung im Sinne der §§ 28 ff ZustG handeln. Eine elektronische Zustellung nach deutschen Regeln durch die österreichische Behörde kommt schon mangels eines im Staatsvertrag vorgesehenen Weges nicht in Betracht. 

 

Im Beschwerdefall wurde ein Zustellnachweis über die erfolgte Zustellung des Straferkenntnisses benötigt, es war daher nach Art 10 Abs 1 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen, BGBl Nr 526/1990, vorzugehen (vgl. etwa VwGH vom 28. Februar 2006, 2002/03/0314, mwN und VwGH v. 19. November 2009, 2009/07/0137).

 

Die belangte Behörde hat vorliegend zunächst eine dem hier anzuwendenden Staatsvertrag entsprechende Variante der Zustellung (Einschreiben, Rückschein, Eigenhändig) gewählt. Zumal das Schriftstück bei der deutschen Post hinterlegt wurde, nach Ende der Aufbewahrungsfrist an die Behörde zurück langte, der Staatsvertrag eigenhändige Zustellung verlangt und die deutschen Bestimmungen eine Ersatzzustellung durch Hinterlegung bei der Post ohnehin nicht kennen (vgl. § 3 und 4 VwZG-D und die Ersatzzustellungsformen der §§ 177 ff. ZPO-D), konnte eine Zustellung, wie die belangte Behörde offenbar richtig erkannte, nicht bewirkt werden.

 

Die belangte Behörde hätte sodann die Variante der Vermittlung der Zustellung im Wege der Amts- und Rechtshilfe vorzunehmen gehabt.

 

Die belangte Behörde hat jedoch einen dem Staatsvertrag oder dem Übereinkommen nicht entsprechenden Weg der Übermittlung im Wege eines e-mails gewählt.

 

Zumal also die Variante der Zustellung mittels e-mail (bzw. die elektronische Zustellung generell) im Staatsvertrag nicht vorgesehen ist, konnte eine Zustellung von Vorneherein nicht bewirkt werden (vgl. VwGH 18. September 2000, 2000/17/0044).

 

III.2.3. Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass der vorliegende „Bescheid“ nicht als erlassen gelten kann. „Der Verstoß gegen Art 10 Abs 2 Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen BRD 1990 ist kein Zustellmangel, der nach § 7 ZustG heilen könnte“ (VwGH 18. Dezember 1997, 97/11/0274). Die Rechtsnorm wurde nicht erzeugt. Ebensowenig kann, mangels Anwendbarkeit der deutschen Normen bei dem Staatsvertrag widersprechenden Zusendungen, nach diesen eine Heilung eintreten. Nur die deutschen Behörden haben nach § 3 des Staatsvertrages ihre eigenen Normen anzuwenden, wenn sie für den ersuchenden Staat tätig werden, zumal nur sie in diesem Fall Amts- und Rechtshilfe leisten. Die österreichische Behörde ist auf jene Wege beschränkt, die im Staatsvertrag vorgesehen sind. Erlassen ist der österreichische Bescheid dann, wenn er dem deutschen Empfänger von der Post überreicht wird (Var. 1) oder im Sinne der deutschen Bestimmungen durch die deutsche Rechtshilfebehörde zugestellt wird (Var. 2.).

§ 3 des Staatsvertrages kann in Zusammenhang mit Zustellungen daher nur dann zur Anwendung kommen, wenn keine Zustellung durch die Post sondern tatsächlich durch Amts- und Rechtshilfe, also unter Einbindung der zuständigen deutschen Behörde erfolgt. 

 

Es ergibt sich, dass im vorliegenden Fall mangels rechtswirksamer Zustellung kein Bescheid erlassen wurde und das per e-mail übersandte Schriftstück (Straferkenntnis) demgemäß keine Rechtswirkungen entfalten konnte (vgl dazu III.2.1.).

 

Damit ist das Verwaltungsgericht zur Entscheidung in der Sache unzuständig, da es gem. Art 130 Abs 1 Z1 B-VG zur Entscheidung über Bescheide von Verwaltungsbehörden wegen Rechtswidrigkeit erkennt. Das Anbringen vom 8. Dezember 2015 war im Ergebnis zurückzuweisen, weil kein Bescheid ergangen ist.

 

Seine Zuständigkeit hat das Verwaltungsgericht von Amts wegen wahrzunehmen.

 

Setzt die belangte Behörde das Verfahren fort, wird sie dem Bf das Straferkenntnis auf Basis des Staatsvertrages zuzustellen haben.

 

Nur am Rande sei die belangte Behörde auf Art 10 Abs 3 des Staatsvertrages hingewiesen, der im Hinblick auf eine (Ersatz)freiheitsstrafe ein gesetzliches Zustellhindernis normiert, sodass der Ausspruch einer solchen, bei Zustellung nach Deutschland, nicht in Geltung treten kann (vgl. VwGH v. 15. Dezember 2011, 2008/03/0098).

 

III.2.4. Es kann bei diesem Ergebnis aber auch die Auseinandersetzung mit der Frage, ob überhaupt eine Beschwerde des Bf vorliegt (Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht,...; Zeichnung durch eine andere Person als den Bf, aber für Gesellschaft), unterbleiben, weil eine Beschwerde schon mangels ergangenen Bescheides nicht in Betracht kommt und das Anbringen, jedenfalls als Beschwerde an das Verwaltungsgericht, unzulässig ist.

Mit dem Antrag auf Aktenübersendung wird sich die belangte Behörde auseinanderzusetzen haben.

 

Im Hinblick auf den Spruch des Straferkenntnisses sei die belangte Behörde darauf hingewiesen, dass es sich bei der vom Bf vertretenen Gesellschaft offensichtlich um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung handelt [eine Klärung im Hinblick auf Firma („S und M GmbH“ oder „M M S & M GmbH) und Vertretungsverhältnisse obliegt der Behörde durch Abführung eines amtswegigen Ermittlungsverfahrens, etwa durch Beischaffung eines deutschen Handelsregisterauszuges]. Eine solche verfügt über Gesellschafter und Geschäftsführer, jedenfalls aber nicht über Inhaber. Nach § 9 Abs 1 VStG ist der Geschäftsführer verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich. Vertreter des Geschäftsführers (als verwaltungsstrafrechtlich persönlich Haftender) unterliegen der Bestimmung des § 10 AVG.

 

 

IV. Im Ergebnis war das Anbringen vom 8. Dezember 2015 sohin mangels Vorliegens einer bekämpfbaren behördlichen Erledigung zurückzuweisen.

  

 

V. Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. P o h l