LVwG-840089/6/HW

Linz, 11.04.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter
Mag. Dr. Harald Wiesinger über den Antrag der A E C GmbH, x, N, vertreten durch die G D M Rechtsanwälte GmbH, x, L, vom 23. Februar 2016 auf Nichtig­erklärung der Ausscheidensentscheidung vom 16. Februar 2016 im Vergabever­fahren der Auftraggeber 1. L O und 2. L I GmbH betreffend das Vorhaben „A H - Wärmelieferung (Anlagen-Contracting)“

 

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.            Dem Antrag wird gemäß §§ 1, 2 und 7 Oö. Vergaberechts­schutzgesetz 2006 - Oö. VergRSG 2006, LGBl. Nr. 130/2006 idF. LGBl. Nr. 90/2013, stattgegeben und die Ausscheidensent­scheidung vom 16. Februar 2016 für nichtig erklärt.

 

 

II.         Der Auftraggeber wird verpflichtet, der Antragstellerin die entrichteten Pauschalgebühren in Höhe von 3.000,00 Euro (für Nachprüfungsverfahren und einstweilige Verfügung) binnen
14 Tagen zu ersetzen.

 

 

III.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Eingabe vom 23. Februar 2016 hat die A E C GmbH (im Folgenden: Antragstellerin) einen Antrag auf Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung vom 16. Februar 2016 sowie auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gestellt. Im Übrigen wurde die Zuerkennung der entrichteten Pauschalgebühren in Höhe von insgesamt 3.000 Euro beantragt.

 

Die Antragstellerin brachte im Wesentlichen vor, dass ihr mit Schreiben vom 16. Februar 2016 mitgeteilt worden sei, dass das Begleitschreiben der Antrag­stellerin den Ausschreibungsbedingungen widersprechen würde und daher das Angebot der Antragstellerin auszuscheiden gewesen sei. Vorbehaltlich der rechtlichen Qualifikation des Begleitschreibens könne dessen objektiver Erklä­rungswert aber keinen Widerspruch des Angebotes der Antragstellerin mit den Vorgaben der Ausschreibung begründen. Ein Widerspruch würde dann vorliegen, wenn die Antragstellerin im Rahmen ihrer Willenserklärung angibt, den zu vergebenden Vertrag nicht zu den Bedingungen der Ausschreibung, sondern zu anderen Bedingungen abschließen zu wollen. Genau das sei hier aber nicht der Fall, wenn die Antragstellerin in der Einleitung ihres Begleitschreibens festhalte: „Beiliegend erhalten Sie unser Angebot basierend auf den veröffentlichten Ausschreibungsunterlagen“. Bereits aus dem Wortlaut des Einleitungssatzes sei unzweifelhaft zu erkennen, dass die Antragstellerin ein ausschreibungskonformes Angebot abgegeben habe. Ergänzend zur technischen Ausführung werde fest­gehalten, dass ihr Anlagenkonzept unter Berücksichtigung und Einhaltung der allgemein geltenden gesetzlichen Bestimmung erstellt worden sei. Technische Ausrüstungen und organisatorische Maßnahmen, die aufgrund etwaiger beson­derer behördlicher Vorschreibung erforderlich sind, seien nicht im Angebot enthalten. Dieser ergänzende Hinweis stelle keinen klar zum Ausdruck gebrach­ten Widerspruch zu Punkt 10. der Leistungsbeschreibung und/oder Punkt I.4.9. der Ausschreibungsunterlage dar. Durch die gewählte Formulierung werde das ausschreibungskonforme Angebot lediglich ergänzt, keinesfalls aber in seiner Bindungswirkung beeinträchtigt oder abgeändert. Unter Verweis auf den objektivierbaren Erklärungswert sei auch die verfehlte Interpretation des Begleit­schreibens durch die Auftraggeber unbeachtlich. In Bezug auf die rechtliche Qualifikation dieses Begleitschreibens sei darauf zu verweisen, dass bei kollektiv(gesamt)vertretungsbefugten Geschäftsführern einer GmbH der Wille beider Geschäftsführer nach außen zum Ausdruck kommen müsse. Das gegenständliche Begleitschreiben sei lediglich von Herrn Dipl.-Ing. S A unter­zeichnet worden. Es sei festzuhalten, dass Herr Dipl.-Ing. S A nicht selbständig vertretungsbefugt sei und weder durch den zweiten Geschäftsführer ermächtigt gewesen sei oder eine Handlungsvollmacht im Sinne des § 28 Abs. 1 GmbHG für die Verfassung und Abgabe dieses Begleitschreibens gehabt habe. Eine derartige Vollmacht sei Herrn Dipl.-Ing. S A auch bis zum Ende der Angebotsfrist nicht erteilt worden. In Ermangelung einer Rechtsverbindlichkeit dieses Begleitschrei­bens könne es ohnehin nicht geeignet sein, die Bindungswirkung des ausschreibungskonformen und rechtsgültig sowie firmenmäßig unterzeichneten Angebotes zu beeinträchtigen. Auf Basis des eigenen Sachvorbringens sei daher weder ein Widerspruch im Sinne des § 129 Abs. 1 Z 7 BVergG 2006 noch dessen Auffangtatbestand eines fehlerhaften Angebotes gegeben gewesen. Die Antragstellerin erachte sich in ihrem Recht auf Durchführung eines rechts­konformen Vergabeverfahrens, auf Teilnahme an einem vergaberechtskonformen Vergabeverfahren, auf ausschreibungs- und vergaberechtskonforme Angebots­bewertung, auf Ausscheiden des Angebotes von Mitbewerbern bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen und auf Zuschlagserteilung auf ihr eigenes Angebot bei Vorliegen der Voraussetzungen verletzt.

 

I.2. Mit Schreiben vom 1. März 2016 brachte das L O zusammengefasst im Wesentlichen vor, dass die Antragstellerin klar zum Ausdruck gebracht habe, dass gewisse Leistungen bzw. Kosten nicht im Angebot enthalten seien, obwohl dies in den Ausschreibungsunterlagen so gefordert werde. Es liege somit eine Ausschreibungswidrigkeit vor. Der Einwand, wonach Dipl.-Ing. S A nicht befugt gewesen wäre, das Begleitschreiben zu unterfertigen, sei als Schutzbehauptung zu interpretieren und würde nichts an dessen Verbindlichkeit ändern.

 

 

II.1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich führte am 31. März 2016 eine mündliche Verhandlung durch. Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Akt, insbesondere in die eingebrachten Schriftsätze und in die vorgelegten Unterlagen aus dem Vergabeakt sowie durch Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

 

II.2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht (in Ergänzung zu obigen Punkten) von folgendem Sachverhalt aus und legt diesen der Entschei­dung zu Grunde:

 

Gesellschafterin der L I GmbH ist die L GmbH, deren Gesellschafter ist das L O.

 

Beim verfahrensgegenständlichen Vergabeverfahren „A H - Wärmelieferung (Anlagen-Contracting)“ handelt es sich um einen Lieferauftrag im Oberschwellen­bereich. Gegenstand der Ausschreibung ist die Wärmelieferung für das A-B H in Form eines Anlagen-Contractings, d.h. durch eine vom Contractor zu errichtende und in der Folge zu betreibende Heizanlage (Ausschreibungsunterlage).

 

Die Ausschreibungsunterlage weist unter anderem folgenden Wortlaut auf (Ausschreibungsunterlage):

 

„Ausschreibung - Offenes Verfahren

[...]

 

‚A H - Wärmelieferung (Anlagen-Contracting)‘

[...]

 

I. VERGABEVERFAHREN UND RECHTSGRUNDLAGEN

[...]

 

1.2. Auftraggeber und vergebende Stelle

Auftraggeber: 1. L O

2. L I GmbH

[...]

 

1.10. Akzeptanz der Ausschreibung

Mit der Teilnahme an der Ausschreibung und der Abgabe eines Angebotes gelten die in der Ausschreibung angeführten Bedingungen als vom Bieter uneinge­schränkt akzeptiert. Jeglicher Irrtum von Seiten des Bieters gilt als ausge­schlossen.

 

Als Bestandteile der gegenständlichen Ausschreibung gelten insbesondere die Ausschreibungsunterlagen samt Beilagen.

[...]

 

4.6. Anerkennung der Verpflichtungen

Das Angebot muss rechtsverbindlich unterzeichnet sein. Damit gelten sämtliche Ausschreibungsunterlagen (inklusive aller Anhänge und Beilagen) als vom Bieter in allen Teilen anerkannt und rechtsverbindlich.

[...]

 

4.9. Preise und Zahlungsbedingungen

Die Preise sind nach dem Preisangebotsverfahren als Pauschalpreise in Euro zu erstellen.

 

Mit den vereinbarten Preisen sind sämtliche zur Erfüllung des Vertrages zu erbringenden Leistungen, einschließlich aller allenfalls erforderlichen Nebenleis­tungen abgegolten, auch wenn diese nicht gesondert angeführt, aber zur Erfül­lung des vertraglichen Leistungserfolges erforderlich sind.

[...]

 

4.11. Vollständigkeit des Angebotes

Soweit zur vollständigen und sach- und fachgerechten Ausführung der bedun­genen Leistung geringfügige weitere Leistungen, die nicht eigens im Leistungs­verzeichnis angeführt sind, notwendig sind und mit der vertraglichen Leistung in unmittelbaren Zusammenhang stehen, sind diese auszuführen. Sie gelten mit den vereinbaren Preisen als abgegolten.

[...]

 

4.13. Ausscheiden von Angeboten

Ergibt die Prüfung der Angebote einen Ausscheidensgrund im Sinne des § 129 BVergG 2006 wird das Angebot vom weiteren Vergabeverfahren ausgeschlossen.

[...]

 

III. ZUSCHLAGSVERFAHREN

Die Bieter haben alle Anforderungen und Voraussetzungen der gegenständlichen Ausschreibung genauestens einzuhalten bzw. zu erfüllen.

 

Nicht ausschreibungskonforme Angebote werden ausnahmslos ausgeschieden!

 

Der Zuschlag erfolgte auf das Angebot mit dem niedrigsten Preis.

[...]

 

IV. BEILAGEN UND ZUSAMMENFASSUNG

1. Beilagen

Folgende Beilagen stellen einen integrierenden Bestandteil dieser Ausschreibung dar:

Beilage 1: Angebotsblatt

[...]

 

Beilage 8: Leistungsbeschreibung

Beilage 9: Leistungsvertrag

[...]“

 

Beilage 1 der Ausschreibung (Angebotsblatt) weist unter anderem folgenden Wortlaut auf (Beilage 1 der Ausschreibung):

 

„Ich (Wir) erkenne(n) an, dass meinem (unserem) Angebot sämtliche Bestim­mungen der gegenständlichen Ausschreibungsunterlage samt aller Beilagen zugrunde gelegt werden und unterwerfe(n) mich (uns) ausdrücklich diesen Rege­lungen.“

[...]

 

„Ich (Wir) bieten die ausschreibungsgegenständlichen Leistungen zu nachstehen­den Preisen an: [...]“

 

Beilage 8 der Ausschreibung (Leistungsbeschreibung) weist unter anderem folgenden Wortlaut auf (Beilage 8 der Ausschreibung):

 

„10. Behördliche Bewilligungen

Eine Baubewilligung für die Kesselanlage ist vorhanden (siehe beiliegende Baubewilligung in Beilage 10).

 

Alle eventuell sonst noch für die Errichtung und den Betrieb notwendigen behörd­lichen Bewilligungen sind vom Contractor auf eigene Kosten beizubringen.

 

Allfällige behördliche Auflagen sind vom Contractor einzuhalten.“

 

Beilage 9 der Ausschreibung (Leistungsvertrag) weist unter anderem folgenden Wortlaut auf (Beilage 9 der Ausschreibung):

 

㤠3 Grundlagen des Vertrages

(1) Vertragsgrundlage sind in nachstehender Reihenfolge

1. die Bestimmungen dieses Vertrages,

2. die Ausschreibungsunterlagen einschließlich aller Beilagen,

3. das Angebot des Contractors und

4. sonstige bezughabende Gesetze, Verordnungen und Normen

Bei Widersprüchen gilt der Inhalt des jeweils Vorgereihten als verbindlich.

[...]

 

§ 4 Leistungsumfang

Der Leistungsumfang ergibt sich aus diesem Vertrag, sämtlichen Angebots­bestandteilen sowie den Ausschreibungsunterlagen samt allen Beilagen, insbe­sondere der Leistungsbeschreibung.

[...]

 

§ 15 Einhaltung von Rechtsvorschriften

(1) Der Contractor ist bei der Leistungserbringung verpflichtet, die auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene bestehenden einschlägigen Rechtsvor­schriften einzuhalten und den Auftraggeber auf alle mit der Erbringung der Leistung verbundenen Risiken hinzuweisen. Der Contractor ist insbesondere zur Einhaltung allfälliger behördlicher Auflagen verpflichtet und hat deren Kosten zu tragen.

[...]“

 

Die Antragstellerin hat innerhalb der Angebotsfrist am 21. Jänner 2016 ein Angebot abgegeben. Dieses Angebot bestand unter anderem aus dem unterfertigten Angebotsblatt, welches unter der Überschrift „Bietererklärung“ unter anderem folgenden Text enthielt (Angebot der Antragstellerin):

„Ich (Wir) erkenne(n) an, dass meinem (unserem) Angebot sämtliche Bestim­mungen der gegenständlichen Ausschreibungsunterlage samt aller Beilagen zugrunde gelegt werden und unterwerfe(n) mich (uns) ausdrücklich diesen Regelungen.“

Weiters war auch ein Begleitschreiben, welches nur von Dipl.-Ing. S A unter­fertigt wurde, beigelegt. Dieses auf Briefpapier der Antragstellerin geschriebene Begleitschreiben hat unter anderem folgenden Wortlaut (Begleitschreiben):

 

„Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Beiliegend erhalten Sie unser Angebot basierend auf den veröffentlichten Ausschreibungsunterlagen.

 

Ergänzend dürfen wir festhalten:

 

zur technischen Ausführung:

+ Anlagenkonzept basierend auf Grundrissplan gemäß Ausschreibung;

+ Anlagenkonzept unter Berücksichtigung und Einhaltung der allgemein geltenden gesetzlichen Bestimmungen. Technische Ausrüstungen und organisa­torische Maßnahmen, die auf Grund etwaiger besonderer behördlicher Vorschrei­bungen erforderlich sind, sind nicht im Angebot enthalten.

[...]“

 

Die Angebotsöffnung erfolgte am 21. Jänner 2016, das Angebot der Antrag­stellerin weist den niedrigsten Preis auf (Niederschrift vom 21. Jänner 2016). Mit Schreiben vom 16. Februar 2016, zugestellt per Telefax am selbigen Tag, wurde der Antragstellerin mitgeteilt, dass ihr Angebot ausgeschieden werden müsse. Dieses Schreiben vom 16. Februar 1016 weist unter anderem folgenden Wortlaut auf (Schreiben vom 16. Februar 2016):

 

„In Punkt 10. der Leistungsbeschreibung (Beilage 8) wird ausgeführt, dass eine Baubewilligung für die Kesselanlage vorhanden ist. Alle eventuell sonst noch für die Errichtung und den Betrieb notwendigen behördlichen Bewilligungen sind vom Contractor auf eigene Kosten beizubringen. Allfällige behördliche Auflagen sind vom Contractor jedenfalls einzuhalten.

 

Gemäß Punkt 1.4.9. der Ausschreibungsunterlage sind die Preise nach dem Preisangebotsverfahren als Pauschalpreise in Euro zu erstellen. Mit den verein­barten Preisen sind sämtliche zur Erfüllung des Vertrages zu erbringenden Leis­tungen, einschließlich aller allenfalls erforderlichen Nebenleistungen abgegolten, auch wenn diese nicht gesondert angeführt, aber zur Erfüllung des vertraglichen Leistungserfolges erforderlich sind.

 

In den bestandsfesten Ausschreibungsunterlagen - an die sowohl der Auftrag­geber als auch die Bieter gebunden sind - wird somit ausdrücklich festgelegt, dass die angebotenen Preise die Erfüllung sämtlicher behördlicher Auflagen zu umfassen haben.

 

Im Begleitschreiben zu Ihrem Angebot vom 21. Jänner 2016 wird unter anderem ausgeführt:

[...]

 

Damit wird durch Ihr Begleitschreiben - welches entsprechend der vergaberecht­lichen Judikatur eine verbindliche Erklärung zum Angebot und insofern eine Einheit mit diesem darstellt - leider von den Festlegungen in der Ausschreibung abgewichen, da darin klar zum Ausdruck gebracht wird, dass vom Angebot eben nicht alle behördlichen Auflagen umfasst sind.

[...]

 

Aus den genannten Gründen müssen wir bedauerlicherweise Ihr Angebot gemäß § 129 Abs. 1 Z. Z 7 BVergG 2006 ausscheiden, da dieses den Ausschreibungsbe­stimmungen widerspricht.“

 

Dipl.-Ing. S A ist Geschäftsführer der Antragstellerin, er ist jedoch nicht allein­vertretungsbefugt. Der Inhalt des Begleitschreibens war dem zweiten Geschäfts­führer der Antragstellerin vor Angebotsabgabe nicht bekannt (Angaben des GF der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung).

 

II.3. Beweiswürdigung:

 

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem durchgeführten Beweisver­fahren, wobei die einzelnen Feststellungen widerspruchsfrei aufgrund der bei den jeweiligen Feststellungen in Klammer angeführten Beweismittel getroffen werden konnten.

 

 

III. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

 

III.1. Gemäß § 1 Abs. 1 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 (Oö. VergRSG 2006) regelt dieses Landesgesetz den Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Auftraggeber in Verfahren nach den bundesrechtlichen Vor­schriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens (Vergabeverfahren), die gemäß Art. 14b Abs. 2 Z 2 B-VG in den Vollzugsbereich des Landes fallen. Die Vollziehung der gegenständlichen Vergabe ist Landessache. Folglich unterliegt das gegenständliche Nachprüfungsverfahren den Bestimmungen des Oö. VergRSG 2006.

 

III.2. Gemäß § 2 Abs. 1 Oö. VergRSG 2006 obliegt dem Landesverwaltungs­gericht Oberösterreich die Gewährung von Rechtsschutz gemäß § 1 Abs. 1 leg. cit. Gemäß § 2 Abs. 3 Oö. VergRSG 2006 ist das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich bis zur Zuschlagsentscheidung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen die bundes­gesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens und die dazu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht zuständig zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen des Auftrag­gebers im Rahmen der vom Antragsteller bzw. der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte.

 

Gemäß § 7 Abs. 1 Oö. VergRSG 2006 hat das Landesverwaltungsgericht eine im Zuge eines Vergabeverfahrens ergangene gesondert anfechtbare Entscheidung eines Auftraggebers bzw. einer Auftraggeberin für nichtig zu erklären, wenn

1.   sie oder eine ihr vorangegangene nicht gesondert anfechtbare Entscheidung den Antragsteller bzw. die Antragstellerin in dem von ihm bzw. von ihr nach § 5 Abs. 1 Z 5 Oö. VergRSG 2006 geltend gemachten Recht verletzt und

2.   diese Rechtswidrigkeit für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesent­lichem Einfluss ist.

 

III.3. Gemäß § 2 Z 16 lit. a BVergG 2006 ist die Entscheidung über das Aus­scheiden von Angeboten eine gesondert anfechtbare Entscheidung.

 

Gemäß § 129 Abs. 1 Z 7 BVergG 2006 hat der Auftraggeber vor der Wahl des Angebotes für die Zuschlagsentscheidung den Ausschreibungsbestimmungen widersprechende Angebote sowie fehlerhafte oder unvollständige Angebote, wenn deren Mängel nicht behoben wurden oder nicht behebbar sind, auszu­scheiden.

 

Gemäß § 108 Abs. 2 BVergG 2006 erklärt der Bieter mit der Abgabe seines Angebotes, dass er die Bestimmungen der Ausschreibungsunterlagen kennt, dass er über die erforderlichen Befugnisse zur Ausführung des Auftrages verfügt, dass er die ausgeschriebene Leistung zu diesen Bestimmungen und den von ihm angegebenen Preisen erbringt und dass er sich bis zum Ablauf der Zuschlagsfrist an sein Angebot bindet.

 

Gemäß § 126 Abs. 1 BVergG 2006 ist vom Bieter eine verbindliche schriftliche Aufklärung zu verlangen, wenn sich bei der Prüfung der Angebote Unklarheiten über das Angebot oder über die geplante Art der Durchführung ergeben oder Mängel festgestellt werden, sofern die Unklarheiten für die Beurteilung der Angebote von Bedeutung sind.

 

III.4. Die verfahrensgegenständliche Ausscheidensentscheidung wird im Wesent­lichen damit begründet, dass das Begleitschreiben zum Angebot der Antrag­stellerin den Ausschreibungsbedingungen widersprechen würde. Ein wider­sprechendes Angebot liegt vor, wenn der Bieter in seinem Angebot erklärt, den zu vergebenden Vertrag nicht zu den Bedingungen der Ausschreibung, sondern zu anderen Bedingungen abschließen zu wollen (Öhler/Schramm in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, Kommentar zum Bundesvergabe-gesetz 2006 [2009], § 129 Rz 72; VwGH 27.10.2014, 2012/04/0066). Dabei kommt es auf den objektiven Erklärungswert des Angebotes an und nicht darauf, wie der Bieter sein Angebot verstanden wissen will (VwGH 27.10.2014, 2012/04/0066). Ein Bieter, der ein den Ausschreibungsbedingungen wider­sprechendes Angebot legen möchte, muss dies klar zum Ausdruck bringen (VwGH 25.01.2011, 2006/04/0200). Wird der Widerspruch klar zum Ausdruck gebracht, so ist das Angebot gemäß § 129 Abs. 1 Z 7 BVergG 2006 auszu­scheiden, und zwar ohne dem Bieter vorher eine Gelegenheit zur Verbesserung oder zur Aufklärung gemäß § 126 Abs. 1 BVergG zu geben, zumal ausschrei­bungswidrige Angebote keiner Zurücknahme des Widerspruches zugänglich sind (vgl. Fink/Hofer in Heid/Preslmayr, Handbuch Vergaberecht4 [2015] Rz 1597 mwN).

 

III.5. Ein Begleitschreiben zu einem Angebot stellt grundsätzlich eine verbind­liche Erklärung zum Angebot und insofern eine Einheit mit diesem dar, sodass auch Erklärungen im Begleitschreiben zur Auslegung des Angebotes herangezo­gen werden können sind (vgl. Fink/Hofer in Heid/Preslmayr, Handbuch Vergabe­recht4 [2015], Rz 1599 mwN). Sollte daher im vorliegenden Fall das Begleit­schreiben zum Angebot der Antragstellerin verbindlich sein (dies wird von der Antragstellerin allerdings bestritten), so könnte prima vista auch durch die in diesem Schreiben enthaltenen Erklärungen ein zum Ausscheiden führender Widerspruch vorliegen. Im vorliegenden Fall wäre daher grundsätzlich zunächst zu prüfen, ob aufgrund des Begleitschreibens der Antragstellerin, konkret der Erklärung, wonach „[t]echnische Ausrüstungen und organisatorische Maßnah­men, die auf Grund etwaiger besonderer behördlicher Vorschreibungen erforder­lich sind, [...] nicht im Angebot enthalten [sind]“, ein widersprechendes Angebot vorliegt.

 

III.6. Ob das Angebot einen zum Ausscheiden führenden Widerspruch aufweist, ist am Maßstab der Ausschreibungsbestimmungen zu messen (vgl. VwGH 27.10.2014, 2012/04/0066). Ausschreibungsbestimmungen sind nach dem objektiven Erklärungswert für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt auszulegen (VwGH 25.01.2011, 2006/04/0200; VwGH 27.10.2014, 2012/04/0066), der objektive Erklärungswert ist auch für die Auslegung der Willenserklärung des Bieters maßgeblich (VwGH 25.01.2011, 2006/04/0200). Undeutliche Vertragsbestimmungen sollen im Allgemeinen nach Möglichkeit grundsätzlich so ausgelegt werden, dass sie keinen Widerspruch enthalten und wirksam sind (vgl. Rummel in Rummel/Lukas, ABGB4 § 914 Rz 10; Kolmasch in Schwimann, ABGB Taschenkommentar3 § 914 Rz 2).

 

III.7.1. Die verfahrensgegenständliche Erklärung, wonach „Ausrüstungen und organisatorische Maßnahmen, die auf Grund etwaiger besonderer behördlicher Vorschreibungen erforderlich sind, [...] nicht im Angebot enthalten [sind]“, ist nach Ansicht des erkennenden Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich ausle­gungsbedürftig. Insbesondere kommt aus dem Begleitschreiben nicht klar hervor, was unter Ausrüstungen und Maßnahmen „auf Grund etwaiger beson­derer behördlicher Vorschreibungen“ bzw. was unter „nicht im Angebot enthal­ten“ zu verstehen ist. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin mit dem unterfertigten Angebotsblatt (Beilage 1 der Ausschreibung) einerseits die Erklärung abgibt, dass dem „Angebot sämtliche Bestimmungen der gegenständlichen Ausschreibungsunterlage samt aller Beila­gen zugrunde gelegt werden“ und andererseits, dass sie „die ausschreibungs­gegenständlichen Leistungen“ zu den im Angebotsblatt angeführten Preisen an­bietet. Unter Berücksichtigung des vorbehaltslos unterfertigten Angebotsblattes könnte man die verfahrensgegenständliche Erklärung im Begleitschreiben daher wohl auch dahingehend auslegen, dass damit nur Ausrüstungen bzw. Maß­nahmen aufgrund behördlicher Vorschreibungen erfasst werden, die nicht Teil der vom Bieter (zum angebotenen Preis) aufgrund der Ausschreibungsunterlage zu erbringenden Leistungen („ausschreibungsgegenständlichen Leistungen“) sind. Wäre im gegenständlichen Fall aber das Begleitschreiben der Antragstellerin nach seinem objektiven Erklärungswert so auszulegen, dass der ergänzende Hinweis im Begleitschreiben keinen klar zum Ausdruck gebrachten Widerspruch zur Ausschreibungsunterlage darstellt, so wäre die Begründung der Ausschei­densentscheidung jedenfalls unzutreffend.

 

III.7.2. Aber auch wenn man davon ausgeht, dass die verfahrensgegenständliche Erklärung im Begleitschreiben der Antragstellerin nach ihrem objektiven Erklä­rungswert in einem Widerspruch zu Teilen der Ausschreibungsunterlage stehen könnte, so wäre Folgendes zu berücksichtigen:

 

§ 3 des Leistungsvertrages (Beilage 9 der Ausschreibung) legt fest, dass Vertragsgrundlage in „nachstehender Reihenfolge 1. die Bestimmungen dieses Vertrages, 2. die Ausschreibungsunterlagen einschließlich aller Beilagen, 3. das Angebot des Contractors und 4. sonstige bezughabende Gesetze, Verordnungen und Normen“ sind.

 

Diese Bestimmung ist nach Ansicht des erkennenden Landesverwaltungs­gerichtes Oberösterreich nach ihrem objektiven Erklärungswert dahingehend zu verstehen, dass mit der Wortfolge „die Bestimmungen dieses Vertrages“ in Ziffer 1 (nur) die Bestimmungen des Leistungsvertrages (= Beilage 9 der Ausschrei­bung) gemeint sind. Da der Leistungsvertrag aber auch selbst eine Beilage zur Ausschreibung darstellt, ist Ziffer 2 nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich dahingehend auszulegen, dass in Ziffer 2 die Ausschreibungs­unterlagen einschließlich aller sonstigen Beilagen (also aller Beilagen ausgenom­men des Leistungsvertrages) gemeint sind, zumal die Beilage 9 (der Leistungs­vertrag) bereits von Ziffer 1 erfasst wird.

Mit Abgabe eines unterfertigten Angebotsblattes (Beilage 1 der Ausschreibung) erklärt ein Bieter unter anderem, dass seinem „Angebot sämtliche Bestimmungen der gegenständlichen Ausschreibungsunterlage samt aller Beilagen zugrunde gelegt werden“. Schon mit dieser Bietererklärung werden aber die in Ziffer 1 (Leistungsvertrag) und Ziffer 2 (Ausschreibungsunterlage samt sonstigen Beila­gen) genannten Unterlagen grundsätzlich auch Bestandteil des Angebotes des Bieters. Wenn in Ziffer 3 vom „Angebot des Contractors“ die Rede ist, so ist dies nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich daher dahingehend zu verstehen, dass damit (nur) jene Teile des Angebotes des Bieters gemeint sind, die nicht ohnedies bereits von Ziffer 1 oder Ziffer 2 umfasst sind, also insbesondere auch allfällige Begleitschreiben.

 

III.7.3. In § 3 des Leistungsvertrages wird weiters festgelegt, dass bei „Wider­sprüchen [...] der Inhalt des jeweils Vorgereihten als verbindlich“ gilt. Ausgehend von dieser Regelung gilt bei einem allfälligen Widerspruch zwischen Erklärungen in einem Begleitschreiben (welche unter § 3 Abs. 1 Ziffer 3 des Leistungs­vertrages fallen) und Bestimmungen des Leistungsvertrages bzw. der Ausschrei­bungsunterlage (welche unter § 3 Abs. 1 Ziffer 1 oder Ziffer 2 des Leistungs­vertrages fallen) grundsätzlich der Inhalt des „Vorgereihten“ als verbindlich. Dass die Widerspruchsregelung nur für bestimmte Fälle von Widersprüchen gedacht und daher einschränkend auszulegen wäre, lässt sich für das erkennende Gericht aus der gegenständlichen Ausschreibungsunterlage (inklusive Beilagen) nicht ableiten. Das bedeutet im Ergebnis aber, dass in einem Begleitschreiben eines Bieters enthaltene Erklärungen, die im Widerspruch zu Bestimmungen der Aus­schreibung stehen, grundsätzlich keine Geltung erlangen würden, sondern viel­mehr die Regelungen der Ausschreibungsunterlage als verbindlich gelten würden.

 

III.7.4. Für den vorliegenden Fall bedeutet die unter den Punkten III.7.2. und III.7.3. dargelegte Bedeutung von § 3 des Leistungsvertrages (Beilage 9 der Ausschreibung) Folgendes: Die Antragstellerin hat durch Abgabe des von ihr unterfertigten Angebotsformblattes erklärt, dass ihrem Angebot sämtliche Bestimmungen der Ausschreibungsunterlage samt aller Beilagen zugrunde gelegt werden und sie sich ausdrücklich diesen Regelungen unterwirft. Auch im Begleit­schreiben wird im Übrigen ausgeführt, dass das Angebot „auf den ver­öffentlichten Ausschreibungsunterlagen“ basiert (vgl. zur Erklärung in einem Begleitschreiben, wonach Basis des Angebotes die Ausschreibung ist, auch VwGH 21.03.2011, 2007/04/0007). Teil des Angebotes der Antragstellerin ist somit auch Beilage 9 der Ausschreibung und damit § 3 des Leistungsvertrages. Dass die Antragstellerin der Geltung der Regelung des § 3 des Leistungsvertrages (klar zum Ausdruck bringend) widersprochen hätte, lässt sich dem Angebot der Antragstellerin nicht entnehmen. Im Übrigen wurde auch in der mündlichen Ver­handlung von Seiten der Antragstellerin im Zusammenhang mit der Erörterung von § 3 des Leistungsvertrages die Geltung dieser Bestimmung nicht bestritten, sondern vielmehr erklärt, dass, selbst wenn ein Widerspruch aufgrund des Begleitschreibens vorliegen würde, aufgrund von § 3 des Leistungsvertrages die in Ziffer 1 und Ziffer 2 von Abs. 1 genannten Vertragsteile vorgehen würden. Es ist somit davon auszugehen, dass das Angebot der Antragstellerin auch die Regelung des § 3 des Leistungsvertrages beinhaltet. Die Antragstellerin erklärt in ihrem Angebot durch Anerkennung und Zugrundelegung der Ausschreibungs­unterlage inklusive § 3 des Leistungsvertrages daher, dass im Falle von Wider­sprüchen zwischen Erklärungen im Begleitschreiben und Bestimmungen der Aus­schreibungsunterlage (inklusive Beilagen) grundsätzlich die Regelungen der Ausschreibungsunterlagen vorgehen bzw. gelten.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 19. November 2008, 2004/04/0102, zu einer Ausschreibungsbestimmung, nach welcher Auftrags­bedingungen des Auftragnehmers - auch wenn sie Bestandteil von Angeboten sind - nicht gelten, ausgeführt, dass dies schon nach allgemeinem Sprach­gebrauch [bedeutet], dass derartige Auftragsbedingungen so zu behandeln sind, als ob sie nicht vorgelegt worden wären, dass sie also nicht zu beachten sind und demnach allfällige Widersprüche zwischen den Auftragsbedingungen des Auftraggebers und jenen des Anbieters keine Ausschreibungswidrigkeit zu begründen vermögen.“ In diesem Sinne ist nach Ansicht des Landesverwaltungs­gerichtes Oberösterreich auch im gegenständlichen Fall eine allfällig wider­sprechende Erklärung im Begleitschreiben der Antragstellerin in vergaberecht­licher Hinsicht regelmäßig so zu behandeln, als ob sie nicht abgegeben worden wäre, sodass die - überdies auch unklar formulierte - verfahrensgegenständliche Erklärung im Begleitschreiben der Antragstellerin angesichts von § 3 des Leistungsvertrages keine Ausschreibungswidrigkeit zu begründen vermag. Dass die unter der Überschrift „Ergänzend dürfen wir festhalten:“ gemachten Aus­führungen im Begleitschreiben auch im Falle eines Widerspruches zu Bestimmungen der Ausschreibungsunterlagen entgegen § 3 des Leistungs­vertrages vorgehen bzw. vorrangig gelten sollten, wurde nach Auffassung des erkennenden Gerichtes nicht klar zum Ausdruck gebracht.

 

III.7.5. In diesem Sinne wurde im Übrigen von Seiten der Antragstellerin im Zusammenhang mit der Erörterung von § 3 des Leistungsvertrages in der münd­lichen Verhandlung erklärt, dass diese Bestimmung dahingehend auszulegen sei, dass, selbst wenn ein Widerspruch aufgrund des Begleitschreibens vorliegen würde, aufgrund von § 3 des Leistungsvertrages die in Ziffer 1 und Ziffer 2 ge­nannten Vertragsteile vorgehen würden und daher auch im Falle eines allfälligen Widerspruches durch das Begleitschreiben dieser Teil des Begleitschreibens letztlich keine Gültigkeit hätte.

 

III.7.6. Zum Vorbringen der Auftraggeberseite in der mündlichen Verhandlung, wonach die Bestimmung des § 3 des Leistungsvertrages eher als Klarstellung für Fälle gedacht war, die sich im Zuge der Leistungserbringung nach Vertrags­abschluss ergeben könnten, ist Folgendes auszuführen: Gelten im Falle eines Widerspruches zwischen der verfahrensgegenständlichen Erklärung im Begleit­schrieben der Antragstellerin und den Bestimmungen der Ausschreibung samt Beilagen aufgrund von § 3 des Leistungsvertrages nach Vertragsabschluss die Regelungen der Ausschreibungsunterlage, so wird von der Antragstellerin aber auch bereits mit ihrem Angebot der Abschluss des zu vergebenden Vertrages zu den Bedingungen der Ausschreibung angeboten. Die Antragstellerin hat nach Ansicht des erkennenden Gerichtes im vorliegenden Fall nicht klar zum Ausdruck gebracht, dass sie ein den gegenständlichen Ausschreibungsbedingungen wider­sprechendes Angebot legen möchte, also, dass sie den zu vergebenden Vertrag nicht zu den Bedingungen der Ausschreibung, sondern zu anderen Bedingungen abschließen will.

 

III.7.7. Zusammenfassend ist daher nach Ansicht des erkennenden Landesver­waltungsgerichtes Oberösterreich davon auszugehen, dass, wenn die verfahrens­gegenständliche Erklärung im Begleitschreiben der Antragstellerin (wie die Auftraggeberseite vermeint) so auszulegen wäre, dass sie in einem Widerspruch zu Teilen der Ausschreibungsunterlage (inklusive Beilagen) steht, letztlich aufgrund des § 3 des Leistungsvertrages die diesbezüglichen Regelungen der Ausschreibungsunterlage vorgehen bzw. als verbindlich gelten würden, sodass die widersprechende Erklärung im Begleitschreiben dennoch zu keinem zum Ausscheiden führenden Widerspruch führen würde (siehe Punkte III.7.2. bis III.7.6.).

 

Da aber auch dann, wenn die verfahrensgegenständliche Erklärung im Begleit­schreiben der Antragstellerin in keinem Widerspruch zu Teilen der Ausschreibung stehen würde, die Begründung der Ausscheidensentscheidung nicht zutreffend wäre (siehe bereits Punkt III.7.1.), kann dahingestellt bleiben, wie diese Erklä­rung im Begleitschreiben im Einzelnen im Hinblick auf Punkt 10. der Leistungs­beschreibung (Beilage 8 der Ausschreibung) bzw. Punkt 1.4.9. der Ausschrei­bungsunterlage zu verstehen ist.

 

III.8. Da somit durch die verfahrensgegenständliche Erklärung nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich von der Antragstellerin nicht klar zum Ausdruck gebracht wurde, dass sie ein den Ausschreibungsbedingungen widersprechendes Angebot legen möchte, haftet der verfahrensgegenständlichen Auftraggeberentscheidung eine Rechtswidrigkeit an. Es kann auch nicht ausge­schlossen werden, dass bei rechtskonformer Vorgehensweise ein anderes Ergeb­nis zu Stande kommen kann, sodass die festgestellte Rechtswidrigkeit auch für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss ist. Es war daher die angefochtene Ausscheidensentscheidung für nichtig zu erklären und es wird vom Auftraggeber daher die Angebotsprüfung durchzuführen bzw. fortzusetzen sein.

 

Bei diesem Ergebnis kann dahingestellt bleiben, ob - wie die Antragstellerin vor­bringt - das nur von einem (kollektivvertretungsbefugten) Geschäftsführer unter­fertigte Begleitschreiben als gesonderte Willenserklärung zu betrachten ist, die nicht von gemeinsamem Willen der beiden Geschäftsführer getragen ist, sodass nur der restliche Teil des Angebotes einer Bindungswirkung unterliegt.

 

III.9. Gemäß § 23 Oö. VergRSG 2006 hat die Antragstellerin, die vor dem Landesverwaltungsgericht, wenn auch nur teilweise, obsiegt, Anspruch auf Ersatz der gemäß § 22 entrichteten Gebühren durch den Auftraggeber. Die Antrag­stellerin hat ferner Anspruch auf Ersatz der entrichteten Gebühren, wenn sie während des anhängigen Verfahrens klaglos gestellt wird. Ein Anspruch auf Ersatz der Gebühren für einen Antrag auf einstweilige Verfügung besteht nur dann, wenn dem Nachprüfungsantrag (Hauptantrag) stattgegeben wird und dem Antrag auf einstweilige Verfügung stattgegeben wurde. Da die Antragstellerin vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich obsiegt hat, war gemäß § 23 Abs. 1 und Abs. 2 Oö. VergRSG 2006 der Auftraggeber zum Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren in Höhe von 3.000 Euro (für das Nachprüfungs­verfahren und für die einstweilige Verfügung) zu verpflichten.

 

 

IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Ausführungen zum Ausscheiden von widersprechenden Angeboten stehen im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa VwGH 19.11.2008, 2004/04/0102; VwGH 27.10.2014, 2012/04/0066). Eine im kon­kreten Einzelfall vorgenommene Auslegung von Erklärungen (hier des Angebotes der Antragstellerin und der Bestimmungen der Ausschreibungsunterlage) wirft in der Regel keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf (vgl. VwGH 26.02.2014, Ro 2014/04/0022; VwGH 26.11.2015, Ro 2015/07/0040).

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsge­richtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichts­hof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwal­tungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Be­schwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsan­walt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240,- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzu­bringen.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Dr. Wiesinger