LVwG-750323/2/MZ – 750324/2

Linz, 12.02.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Dr. Markus Zeinhofer über die Beschwerde des 1) O M, geb x sowie der 2) F M, geb x, gegen die Bescheide des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 16.12.2015, GZ. Pol18-4214 und Pol18-4216, betreffend die Abweisung eines Antrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung-Angehöriger nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. Mit Bescheiden des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 16.12.2015, GZ. Pol18-4214 und Pol18-4216, wurden die Erstanträge der Beschwerdeführer (in Folge: Bf) auf Erteilung einer „Niederlassungsbewilligung-Angehöriger“ gemäß § 11 Abs 2 Z 1 iVm Abs 4 und Abs 2 Z 4 iVm Abs 5 NAG abgewiesen.

 

Ihre Entscheidung begründend führt die belangte Behörde folgendes aus:

 

„Sie haben am 24.08.2015 im Wege der Österreichischen Botschaft in S einen Erstantrag auf Erteilung einer „Niederlassungsbewilligung – Angehöriger“ eingebracht.

 

Als beabsichtigten Wohnsitz haben Sie die Adresse X-Str. 9, in A, angegeben. Von der Zusammenführenden Frau M S wurde eine Haftungserklärung abgegeben.“

 

Nach Wiedergabe der einschlägigen Rechtsvorschriften setzt die Behörde wie folgt fort:

„Da der Aufenthalt eines Fremden gem. § 11 Abs. 2 Z 4 NAG zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen darf, muss Ihre Schwiegertochter Frau M S ein monatliches Einkommen erzielen, das über dem derzeit geltenden ASVG-Richtsatz liegt und zudem Kosten für den Wohnungsaufwand und eventuelle Kredite abdeckt. Der Richtsatz für ein Ehepaar + 3 Kinder + 2 Einzelpersonen beträgt für das Jahr 2015 € 3.456,28 (= 1.307,89 + [134,59 x 3) + (872,31 x 2]) monatlich. Aus den vorgelegten Lohnzetteln Ihrer zusammenführenden Schwiegertochter ist ersichtlich, dass sie ein monatliches Durchschnittseinkommen in der Höhe von € 930,81 netto besitzt. Somit entsteht ein monatlicher Differenzbetrag von -2.551,07. Einen Nachweis darüber, dass Sie eigene feste und regelmäßige Einkünfte bzw. Unterhaltsmittel in der Höhe des ASVG-Richtsatzes haben, haben Sie nicht erbracht.

 

Aus den oben dargelegten Gründen wird festgestellt, dass Ihre Schwiegertochter nicht in der Lage ist, für Ihren Unterhalt aufzukommen. Aus diesem Grund besteht die begründete Gefahr, dass Ihr Aufenthalt im Bundesgebiet der Republik Österreich zu einer finanziellen Belastung einer öffentlichen Gebietskörperschaft führen wird. Des Weiteren gefährdet dieser Mangel an Unterhaltsmittel – laut Erkenntnis des VwGH vom 30.01.2007, GZ 2006/18/0448 – die öffentliche Ordnung und Sicherheit.

 

Im oben zitierten Erkenntnis führt der VwGH aus, dass nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aus der Mittellosigkeit eines Fremden die Gefahr der finanziellen Belastung der Republik Österreich und die Gefahr der illegalen Beschaffung der Mittel zum Unterhalt resultiert. Vermag ein Fremder den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen, so ist sowohl der Versagungsgrund des § 11 Abs. 2 Z 1 iVm Abs. 4 NAG als auch der Versagungsgrund des Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 leg.cit. erfüllt. Dass dieser Mangel an Unterhaltsmitteln die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet, ergibt sich im Übrigen auch aus § 60 Abs. 2 Z 7 iVm Abs. 1 Z 1 FPG.“

 

Es folgt die Wiedergabe des § 11 Abs 3 NAG sowie von Art 8 EMRK. Im Anschluss führt die Behörde weiter aus:

„Im vorliegenden Fall handelt es sich um einen Erstantrag der im Wege der Österreichischen Botschaft eingebracht wurde. Sie haben bis auf einige Besuche in Österreich Ihr gesamtes Leben in Ihrem Heimatland verbracht. Es wurden keine Umstände bekannt, die auf bereits bestehende Integration in Österreich hindeuten würden. Obwohl Sie strafrechtlich unbescholten sind kommt die Erteilung des Aufenthaltstitels trotz Ermangelung der Erteilungsvoraussetzungen nach § 11 Abs 2 Z 4 NAG nicht in Frage. Ein unverhältnismäßiger Eingriff in Ihr Privat und Familienleben wird durch die Abweisung Ihres Antrages nicht begründet.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.“

 

 

II. Gegen den genannten Bescheid erhoben die Bf im Wege rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde.

 

Auf das Wesentliche verkürzt wird im Beschwerdeschriftsatz folgendes vorgebracht:

„Laut Bescheid vom 16.12 ist festgehalten worden, dass unsere Schwiegertochter Frau M S aufgrund ihres Einkommens nicht in der Lage ist, für unseren Unterhalt aufzukommen und aus diesem Grund ist unser Antrag abgewiesen worden.

 

Von der Österreichischen Botschaft in S, ist uns über den ASVG-Richtsatz nichts gesagt worden. Sie teilten uns mit, dass nur ein Lohnzettel von unsere[r] Schwiegertochter Frau S M als Zusammenführende benötigt wird.

 

Unser Sohn, und der Ehemann von Frau S M, Herr E M ist als Selbstständiger in Österreich berufstätig und verfügt über ein Einkommen von € 5000 Brutto (€ 2850 Netto).

 

Da das Einkommen von unserem Sohn und unsere[r] Schwiegertochter gemeinsam € 3780,81 (ASVG-Richtsatz: € 3.456,28) beträgt, besteht keine begründete Gefahr, dass unser Aufenthalt im Bundesgebiet der Republik Österreich zu einer finanziellen Belastung einer öffentlichen Gebietskörperschaft führen kann und somit auch nicht die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet.

 

Als Beweis legen wir dazu eine Haftungserklärung von unserem Sohn Herr[n] E M und die Lohnzetteln der letzten 6 Monate [vor].

 

Aus diesen Gründen beantragen wir die Aufhebung der Bescheide.“

 

 

III.a.) Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat die Beschwerden unter Anschluss der Bezug habenden Verwaltungsakte, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art 130 Abs 1 Z 1 iVm 131 Abs 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art 135 Abs 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

 

b) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakte. Gemäß § 24 Abs 1 iVm Abs 4 VwGVG konnte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung aufgrund der Tatsache, dass der für das Verfahren wesentliche Sachverhalt aufgrund Aktenlage für das erkennende Gericht hinreichend geklärt vorliegt und eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ, unterbleiben. Dass dem Entfall der Verhandlung Art 6 EMRK oder Art 47 der EU-Charta der Grundrechte entgegenstünde, vermag nicht erkannt zu werden.

 

c) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von dem in den Punkten I. und II. dargestellten, an sich unstrittigen Sachverhalt aus.

 

Zudem ist festzuhalten:

Der Sohn der beiden Bf ist bosnischer Staatsbürger und mit der Zusammenführenden Frau S M verheiratet; der Ehe entstammen drei minderjährige Kinder.

 

In den vorgelegten Verwaltungsakten finden sich, abgesehen von den Personalien, wortgleiche Schreiben des Vertrauensarztes der Österreichischen Botschaft in S Dr. T H vom 20.8.2015. Die Schreiben weisen – der beglaubigten Übersetzung zufolge – folgenden Inhalt auf:

„BESTÄTIGUNG

Zum Zwecke der Regulierung der Aufenthaltserlaubnis in Österreich

 

In Berücksichtigung auf das Alter der Patientin M (D) F (1950) und die Krankheiten unter denen die Patientin leidet (Kurzsichtigkeit, Atherosklerose, …) meine ich, dass sie nicht im Stande ist an einer Deutschprüfung teilzunehmen.“

 

 

IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

a.1) Die einschlägigen rechtlichen Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes – NAG lauten in der geltenden Fassung:

 

„Aufenthaltstitel `Familienangehöriger´ und `Niederlassungsbewilligung – Angehöriger´

§ 47. (1) Zusammenführende im Sinne der Abs. 2 bis 4 sind Österreicher oder EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, die in Österreich dauernd wohnhaft sind und nicht ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in Anspruch genommen haben.

(2) Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige von Zusammenführenden sind, ist ein Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen.

(3) Angehörigen von Zusammenführenden kann auf Antrag eine „Niederlassungsbewilligung – Angehöriger“ erteilt werden, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und

1. Verwandte des Zusammenführenden, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie sind, sofern ihnen von diesen tatsächlich Unterhalt geleistet wird,

2. Lebenspartner sind, die das Bestehen einer dauerhaften Beziehung im Herkunftsstaat nachweisen und ihnen tatsächlich Unterhalt geleistet wird oder

3. sonstige Angehörige des Zusammenführenden sind,

a) die vom Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat Unterhalt bezogen haben,

b) die mit dem Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben oder

c) bei denen schwerwiegende gesundheitliche Gründe die persönliche Pflege durch den Zusammenführenden zwingend erforderlich machen.

Unbeschadet eigener Unterhaltsmittel hat der Zusammenführende jedenfalls auch eine Haftungserklärung abzugeben.

(4) Angehörigen von Zusammenführenden, die eine „Niederlassungsbewilligung – Angehöriger“ besitzen (Abs. 3), kann ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ erteilt werden, wenn

1. sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen,

2. ein Quotenplatz vorhanden ist und

3. eine schriftliche Mitteilung der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice gemäß § 20e Abs. 1 Z 1 AuslBG vorliegt.

(5) In den Fällen des Abs. 4 ist von der Einholung einer schriftlichen Mitteilung der regionalen Geschäftsstelle oder eines Gutachtens der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice abzusehen, wenn der Antrag

1. wegen eines Formmangels oder Fehlens einer Voraussetzung gemäß §§ 19 bis 24 zurück- oder abzuweisen ist,

2. wegen des Mangels an einem Quotenplatz zurückzuweisen ist, oder

3. wegen zwingender Erteilungshindernisse gemäß § 11 Abs. 1 abzuweisen ist.

Erwächst die negative Entscheidung der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice über die Zulassung im Fall des § 20e Abs. 1 Z 1 AuslBG in Rechtskraft, ist das Verfahren ohne Weiteres einzustellen.

 

Allgemeine Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel

§ 11. (1) …

(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn

1.

der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;

2.

der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;

3.

der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;

4.

der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;

5.

durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden, und

6.

der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§ 24) das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a rechtzeitig erfüllt hat.

(3) …

(4) Der Aufenthalt eines Fremden widerstreitet dem öffentlichen Interesse (Abs. 2 Z 1), wenn

1.

sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde oder

2.

der Fremde ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können.

(5) Der Aufenthalt eines Fremden führt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) oder durch eine Haftungserklärung oder Patenschaftserklärung (Abs. 2 Z 15 oder 18), ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. In Verfahren bei Erstanträgen sind soziale Leistungen nicht zu berücksichtigen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen würde, insbesondere Sozialhilfeleistungen oder die Ausgleichszulage.“

 

Begriffsbestimmungen

§ 2. (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist

1. …

6. Drittstaatsangehöriger: ein Fremder, der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist;

7. …

10. Zusammenführender: ein Drittstaatsangehöriger, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder von dem ein Recht im Sinne dieses Bundesgesetzes abgeleitet wird;

11. …

15. Haftungserklärung: die von einem österreichischen Notar oder einem inländischen Gericht beglaubigte Erklärung Dritter mit mindestens fünfjähriger Gültigkeitsdauer, dass sie für die Erfordernisse einer alle Risken abdeckenden Krankenversicherung, einer Unterkunft und entsprechender Unterhaltsmittel aufkommen und für den Ersatz jener Kosten haften, die einer Gebietskörperschaft bei der Durchsetzung einer Rückkehrentscheidung, eines Aufenthaltsverbotes, einer Ausweisung, einer Zurückschiebung, der Vollziehung der Schubhaft oder als Aufwendung für den Einsatz gelinderer Mittel, sowie aus dem Titel der Sozialhilfe oder eines Bundes- oder Landesgesetzes, das die Grundversorgungsvereinbarung nach Art. 15a B-VG, BGBl. I Nr. 80/2004, umsetzt, entstehen, und die Leistungsfähigkeit des Dritten zum Tragen der Kosten zum Zeitpunkt der Erklärung nachgewiesen wird;

16. …

(2) …

(6) Für einen Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels ist die Vorlage nur jeweils einer Haftungserklärung (Abs. 2 Z 15) zulässig. Treten mehrere Personen als Verpflichtete in einer Erklärung auf, dann haftet jeder von ihnen für den vollen Haftungsbetrag zur ungeteilten Hand.

(7) …

 

Nachweis von Deutschkenntnissen

§ 21a. (1) Drittstaatsangehörige haben mit der Stellung eines Erstantrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 2, 4, 5, 6 oder 8 Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen. Dieser Nachweis hat mittels eines allgemein anerkannten Sprachdiploms oder Kurszeugnisses einer durch Verordnung gemäß Abs. 6 oder 7 bestimmten Einrichtung zu erfolgen, in welchem diese schriftlich bestätigt, dass der Drittstaatsangehörige über Kenntnisse der deutschen Sprache zumindest zur elementaren Sprachverwendung auf einfachstem Niveau verfügt. Das Sprachdiplom oder das Kurszeugnis darf zum Zeitpunkt der Vorlage nicht älter als ein Jahr sein.

(2) Abs. 1 gilt auch für Drittstaatsangehörige, die einen Antrag auf erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 2, 4, 5, 6 oder 8 im Zuge eines Verfahrens gemäß § 24 Abs. 4 oder § 26 stellen.

(3) Der Nachweis gilt überdies als erbracht, wenn die Voraussetzungen zur Erfüllung des Moduls 1 oder 2 der Integrationsvereinbarung (§§ 14a und 14b) vorliegen.

(4) Abs. 1 gilt nicht für Drittstaatsangehörige,

1. die zum Zeitpunkt der Antragstellung unmündig sind,

2. denen auf Grund ihres physischen oder psychischen Gesundheitszustandes die Erbringung des Nachweises nicht zugemutet werden kann; dies hat der Drittstaatsangehörige durch ein amtsärztliches Gutachten oder ein Gutachten eines Vertrauensarztes einer österreichischen Berufsvertretungsbehörde nachzuweisen, oder

3. die Familienangehörige von Inhabern eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 41 Abs. 1, 42 oder 45 Abs. 1, letztere sofern der Zusammenführende ursprünglich einen Aufenthaltstitel „Blaue Karte EU“ innehatte, sind.

(5) Die Behörde kann auf begründeten Antrag eines Drittstaatsangehörigen von einem Nachweis nach Abs. 1 absehen:

1. im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen (§ 2 Abs. 1 Z 17) zur Wahrung des Kindeswohls, oder

2. zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK (§ 11 Abs. 3).

Die Stellung eines solchen Antrages ist nur bis zur Erlassung des Bescheides zulässig. Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.

(6) …“

 

a.2) Die einschlägige rechtliche Bestimmung der Europäischen Menschenrechtskonvention lautet in der geltenden Fassung:

 

„Artikel 8 - Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens

(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.“

 

b.1) Beide Bf haben einen Antrag gemäß § 47 Abs 3 NAG auf Erteilung einer „Niederlassungsbewilligung-Angehöriger“ gestellt und als Zusammenführende ihre Schwiegertochter, die österreichische Staatsbürgerin Frau S M namhaft gemacht. Dem Einleitungssatz der zitierten Bestimmung zufolge kann Angehörigen von (im die österreichische Staatsbürgerschaft oder eine Staatsbürgerschaft aus EWR-Ländern besitzende [siehe Abs 1 leg cit]) Zusammenführenden eine solche „Niederlassungsbewilligung – Angehöriger“ erteilt werden, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen.

 

Der dem 1. Teil des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes angehörige § 11 Abs 2 Z 4 NAG normiert, dass der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen darf. § 11 Abs 5 NAG gestaltet diese Anordnung näher aus und normiert, dass der Aufenthalt eines Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führt, wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) entsprechen. Bei Anträgen nach § 47 Abs 3 NAG genügt es allerdings nicht, wenn der Aufenthaltstitelwerber selbst die genannten Voraussetzungen erfüllt sondern es muss der Zusammenführende zudem eine entsprechend gedeckte Haftungserklärung abgeben.

 

Im vorliegenden Fall verdient die von den Bf als Zusammenführende genannte Frau S M monatlich durchschnittlich € 930,81 netto. Der Richtsatz für ein Ehepaar + 3 Kinder + 2 Einzelpersonen beträgt für das Jahr 2016 3.497,77 Euro (= 1.323,58 + [136,21 x 3) + (882,78 x 2]) monatlich. Somit entsteht ein monatlicher Differenzbetrag von -2.566,96 Euro. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Zusammenführende keine Unterhaltspflicht für drei Kinder trifft, was – soweit ersichtlich – dem vorliegenden Akt nämlich nicht weiter zu entnehmen (aber freilich unwidersprochen) ist, käme man auf einen Differenzbetrag von -2.158,33 Euro.

 

Dieses Manko versuchen die Bf nunmehr mit einer Haftungserklärung ihres Sohnes zu beseitigen, da, stellt man auf das Haushaltseinkommen ab, die notwendigen Mittel vorhanden sind. Die Bf übersehen dabei allerdings, dass durch die in § 2 Abs 6 NAG vorgesehene Haftung zur ungeteilten Hand jeder Verpflichtete für sich über die erforderlichen Mittel verfügen muss, was jedenfalls schon bei der Zusammenführenden nach den obigen Feststellungen nicht der Fall ist (so auch VwGH 22.01.2014, 2011/22/0050).

 

b.2) Da, wie die belangte Behörde zu Recht ausführt, die Bf bis auf einige Besuche in Österreich ihr gesamtes Leben in ihrem Heimatland verbracht haben und dementsprechend – im Gegensatz zu in Österreich – dort integriert sind, vermag eine Abweisung ihres Antrages auch in Ansehung des § 11 Abs 3 NAG nicht unverhältnismäßig in ihr im Verfassungsrang stehendes Recht auf Privat- und Familienleben einzugreifen. Schon vor diesem Hintergrund sind die Beschwerden daher als unbegründet abzuweisen.

 

b.3) Des Weiteren ist festzuhalten, dass die sich auf den Ausnahmetatbestand des § 21a Abs 4 Z 2 NAG stützenden Bf kein Gutachten eines Vertrauensarztes einer österreichischen Berufsvertretungsbehörde vorgelegt haben, aus welchem hervorginge, dass ihnen auf Grund ihres physischen oder psychischen Gesundheitszustandes die Erbringung eines solchen Nachweises nicht zugemutet werden kann. Der Arzt „meint“ lediglich, dass „[i]n Berücksichtigung auf das Alter … und die Krankheiten … (Kurzsichtigkeit, Atherosklerose, …)“ die Bf nicht im Stande seien, an einer Deutschprüfung teilzunehmen. In einem sachgemäßen Gutachten werden jedoch beweiserhebliche Tatsachen festgestellt (Befundaufnahme), zusammengefasst (Befund) und aus dem Befund rechtsrelevante Schlüsse gezogen und begründet (Gutachtenserstattung). Von einem derartig aufgebauten, nachvollziehbaren und schlüssigen Gutachten, dem entnommen werden könnte, dass die Bf gesundheitlich nicht in der Lage sind, die geforderten Deutschkenntnisse zu erlernen und eine Prüfung darüber positiv abzuschließen, kann bei dem Schreiben des Dr. H nicht ausgegangen werden. Abgesehen davon ist für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich nicht ersichtlich, inwieweit die angeführten körperlichen Beeinträchtigungen daran hindern sollen, Deutsch zu erlernen bzw entsprechende Kenntnisse nachzuweisen.

Auf die Frage, ob aufgrund der beiden inhaltlich wortgleichen Stellungnahmen nicht überhaupt von einem keinen Beweiswert beinhaltenden Gefälligkeitsschreiben auszugehen ist, braucht vor diesem Hintergrund nicht weiter eingegangen zu werden.

 

Hinsichtlich weiterer in § 11 Abs 2 NAG genannter Voraussetzungen – wie der notwendigen Krankversicherung – fehlen ausreichende Angaben, um deren Deckungsschutz in Österreich beurteilen zu können. Soweit ersichtlich fehlen zudem wesentliche Angaben zur Frage, ob die Bf bei Erfüllung der Voraussetzungen des 1. Teiles des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes überhaupt unter einen der in den Ziffern 1 bis 3 genannten Fällen des § 47 Abs 3 NAG zu subsumieren sind.

 

 

 

 

 

V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da die von der Behörde als Abweisungsgrund herangezogene finanzielle Situation der Zusammenführenden nicht verallgemeinerungsfähig ist. Es ist zudem nicht ersichtlich, dass die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf § 2 Abs 6 NAG abweist, eine solche fehlt oder uneinheitlich ist.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Dr. Markus Zeinhofer