LVwG-410168/2/MS/TK

Linz, 05.03.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Dr. Monika Süß über die Beschwerde von Herrn x, vertreten durch Prof. Dr. x, Rechtsanwalt, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 13. August 2013, GZ: Pol96-58-2012,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren eingestellt.

 

II.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.             Mit dem angefochtenem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis, vom 13. August 2013, Pol96-58-2012 wurde der Beschwerdeführer wie folgt schuldig erkannt:

„Sie haben am 10.09.2012, ab ca. 13.00 Uhr in dem von der x AG und der Firma x betriebenen Lokal „x“ in x, im Rahmen einer Kontrolle durch das Finanzamt Salzburg-Land, Team Finanzpolizei, nach dem Glücksspielgesetz als Antragsteller der Lokalbetreiber und im Lokal anwesenden Person, die Glücksspieleinrichtungen bereit hält, Ihre Mitwirkungspflicht verletzt, weil Sie den Organen der Finanzpolizei gegenüber die geforderten Auskünfte zu den Glücksspielgeräten bzw. sonstigen Eingriffsgegenständen verweigerten, indem Sie auf die Dienstanweisung der Firma x vom 01.04.2012 verwiesen, in der Ihnen untersagt wurde, Auskünfte über die von der Firma x aufgestellten und betriebenen bzw. bereitgestellten Auftragsterminals zu erteilen.“

 

Begründend führt die Behörde im Wesentlichen zusammengefasst Folgendes aus: Aufgrund der ausführlichen und umfassenden Dokumentation der Kontrolle vom 10.09.2012 durch Organe der Finanzpolizei steht fest, dass der Bf seine Mitwirkungspflicht verletzt hat, in er alle Auskünfte zu den im Lokal „x“ betriebenen Glücksspieleinrichtungen verweigerte. Der Bf berief sich auf die von der Firma x ihm gegenüber verlassene Dienstanweisung, von der die Wettterminals nicht erfasst gewesen sind, da es sich dabei um Auftragsterminals der Firma x handelt. Aufgrund von Aussagen, der im Zeitpunkt der Kontrolle anwesenden Spieler ist bekannt, dass von den Mitarbeitern, und daher auch vom Bf, Gewinne ausbezahlt werden, sodass davon auszugehen ist, dass der Bf mit der Bedienung und Funktionsweise der aufgestellten Geräte vertraut ist. Dennoch hat der Bf die Auskunft über die Geräte verweigert.

Der Bf war im Zeitpunkt der Kontrolle der einzig im Lokal anwesende Mitarbeiter, der mit den dort aufgestellten und betriebenen Geräten vertraut ist, und daher gleichzeitig als Person zu qualifizieren, die Glücksspieleinrichtungen bereit hält, sodass der Bf zur Erteilung umfassender Auskünfte verpflichtet gewesen wäre.

 

Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bf zu Handen des Rechtsvertreters am 19. August 2013 zugestellt wurde, richtet sich die rechtzeitige Berufung (nunmehr Beschwerde) vom 29. August 2013.

 

Gemäß § 3 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 2013/33 idgF gilt eine bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 erhobene Berufung gegen einen Bescheid, der vor Ablauf des 31. Dezember 2013 erlassen wurde, als rechtzeitig erhobene Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG.

Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, dass das Straferkenntnis an einer Vielzahl von Begründungsmängeln leidet.

Hinsichtlich der Dienstanweisung verweist der Bf auf die Rechtsprechung des Oö. Verwaltungssenats zu den Zahlen VwSen-301206, VwSen-301232 und VwSen-360070, wonach feststeht, dass das Erteilen von Dienstanweisungen im Verwaltungsstrafverfahren zulässig ist um Schaden durch die Preisgabe von Geschäftsgeheimnissen oder Betriebsgeheimnissen zu verhindern.

 

Die Duldungs- und Mitwirkungspflicht gemäß § 50 Abs 4 GSpG verstoße ferner gegen den verfassungsrechtlich geschützten Grundsatz „nemo tenetur se ipsum accusare“, zumal es für einen Beschuldigten keine Verpflichtung gebe, sich selbst zu belasten. Ferner rügt der Bf eine Vielzahl von Begründungsmängeln.

 

Der Bf beantragt daher, der Berufung Folge zu geben und das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos zu beheben und das Strafverfahren einzustellen.

 

 

II.             Die belangte Behörde legte mit Schreiben vom 02. September 2013 die Berufung und ihren Bezug habenden Verfahrensakt dem Oö. Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

 

 

III.            Das OÖ. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt der belangten Behörde (einschließlich der Schriftsätze der Parteien) sowie der ergänzend beigeschafften Aktenvermerke über die Kontrolle und der Befragung von zwei Spielern zu Beginn der Kontrolle sowie den GSp26-Formularen.

 

Für den Oö. Verwaltungssenat steht folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt fest:

 

Am 10. September 2012 fand um 13:25 Uhr im Lokal „x“ in x, eine vom Finanzamt Salzburg, Team Finanzpolizei, durchgeführte Glücksspielkontrolle statt.

 

Zum Kontrollzeitpunkt befand sich der Lokalangestellte x im Lokal. Er ist Angestellter der Firma x und für das Ein- und Ausschalten der Geräte, das Abbuchen und die Gewinnauszahlung zuständig. Bezugnehmend auf eine von ihm am 01. April 2012 unterfertigte Dienstanweisung der Firma x verweigerte er die Auskunftserteilung an die Organe der Finanzpolizei. Um 14:30 Uhr wurde der zwischenzeitlich ins Lokal gerufene Vorgesetzte des Lokalangestellten, Herr x, Vertreter der Firma x AG, von der Finanzpolizei befragt, wobei dieser die Beantwortung einiger Fragen unter Bezugnahme auf eine von ihm unterzeichnete Dienstanweisung der Firma x AG verweigerte bzw. auf die Fa. x selbst verwies.

Weitere Beschuldigte waren zum Zeitpunkt der Kontrolle nicht im Lokal anwesend.

 

Unmittelbar nach dem Betreten des Raumes mit den 10 Geräten wurde durch Tippen auf den jeweiligen Touchscreen die Funktionstauglichkeit der Geräte überprüft. An den Geräten Nr. 4, 5 und 8 erschien ein Hinweis, dass es sich nicht um Spielgeräte handelt. Das Gerät 11 war ein hinter der Bar situierter Wettterminal, auf den der Kellner Wetttipps für die Kunden abgab.

An den Geräten 1 bis 8 wurde versucht Testspiele durchzuführen, die jedoch spätestens nach dem Aufbuchen des Einsatzes durch Offline-Schalten der Geräte unterbrochen wurde und somit ein Bespielen nicht mehr möglich war. Davor war auf einigen Startbildschirmen eine Auswahl der Spiele sichtbar.

An den Geräten 9 und 10 wurden Testspiele durchgeführt.

Ein Sachverständiger für den Bereich Glücksspiel begutachtete das Gerät 11 und stellte fest, dass es sich dabei um ein Gerät handelt, welches gegen das Glücksspielmonopol verstoße.

 

Aufgrund der bei der Überprüfung getätigten Feststellungen, schloss die Finanzpolizei hinsichtlich jedes einzelnen Geräts einen hinreichend begründeten Verdacht eines fortgesetzten Eingriffs in das Glücksspielmonopol des Bundes.

 

Zwischen der Firma x und dem Bf wurde eine Dienstvereinbarung, datiert mit 01. April 2012, abgeschlossen, die die Frage der Auskunftserteilung im Fall von Auskunftsbegehren nach dem Glücksspielgesetz zum Inhalt hat.

 

Da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde bekämpfte Bescheid aufzuheben war, konnte gemäß § 44 Abs. 2 VwGG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

 

IV.           Das OÖ. Landesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

Gemäß § 50 Abs 4 GSpG (in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung BGBl I Nr. 112/2012) sind die Behörde nach § 50 Abs 1 GSpG und die im § 50 Abs 2 und 3 leg.cit. genannten Organe zur Durchführung ihrer Überwachungsaufgaben berechtigt, Betriebsstätten und Betriebsräume sowie Räumlichkeiten zu betreten, auch wenn dies sonst der Allgemeinheit untersagt ist, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes erforderlich ist. Veranstalter, Anbieter und Personen, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten, haben der Behörde nach § 50 Abs 1 GSpG, dem Amtssachverständigen (§ 1 Abs 3 GSpG) und den Organen der öffentlichen Aufsicht umfassend Auskünfte zu erteilen, umfassende Überprüfungen und Testspiele zu ermöglichen und Einblick in die geführten Aufzeichnungen sowie die nach diesem Bundesgesetz aufzulegenden Spielbeschreibungen zu gewähren sowie dafür zu sorgen, dass eine anwesende Person diesen Verpflichtungen gegenüber Kontrollorganen nachkommt.

 

Gemäß § 44 a VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

1. die als erwiesen angenommene Tat;

2. die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist;

3. die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung;

4. den etwaigen Anspruch über privatrechtliche Ansprüche;

5. im Fall einen Straferkenntnisses die Entscheidung über die Kosten.

 

Gemäß § 52 Abs 1 Z 5 GSpG (idF BGBl I Nr. 54/2010) begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde mit Geldstrafe bis zu 22 000 Euro zu bestrafen, wer gegen eine Bestimmung der in § 2 Abs 3 GSpG vorgesehenen Verordnung, gegen die Auflageverpflichtung von Spielbeschreibungen, die Anzeigeverpflichtung gemäß § 4 Abs 6 GSpG oder eine Duldungs- oder Mitwirkungspflicht nach § 50 Abs 4 GSpG verstößt.

§ 50 Abs 4 GSpG normiert eine "umfassende" Mitwirkungs- und Duldungspflicht, welche sich an verschiedene Adressaten richtet. Im Grunde soll diese Mitwirkungs- und Duldungspflicht die Effizienz der Kontrolle im Rahmen des GSpG steigern (vgl grundlegend EBRV 658 BlgNR 24. GP, 3) und zur Gewinnung der notwendigen Informationen zur Durchführung der Überwachungsaufgaben im Rahmen des GSpG führen, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des GSpG erforderlich ist (vgl dazu § 50 Abs 4 1. Satz GSpG).

Schon aus dem Wortlaut der Bestimmung wird eine erste Grenze der Duldungs- und Mitwirkungspflicht ersichtlich. Diese Pflichten erstrecken sich nur auf den Bereich der Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des GSpG. Liegt hingegen der Verdacht – welcher im Kern des Begriffes notwendig ein begründeter, d.h. auf Tatsachen zurückzuführender, ist (siehe zum retrospektiv diagnostischen Element des Verdachtsbegriffes im Rahmen der abduktiven Entdeckung und Bewertung von Hypothesen Schulz, Normiertes Misstrauen, 224 ff, 312 ff und 528 f) – auf einen Verstoß gegen das GSpG vor, so endet die Duldungs- und Mitwirkungspflicht. Ab diesem Zeitpunkt handelt es sich nicht mehr um die Durchführung von Überwachungsaufgaben zum Zwecke (arg.: "erforderlich") der Einhaltung des GSpG, sondern zum Zwecke der Tataufklärung und Ermittlung wegen eines angenommenen Verstoßes gegen das GSpG.

 

Diese Auslegung zur Mitwirkungspflicht korreliert in den überwiegenden Fallkonstellationen mit den Vorgaben des verfassungsrechtlich verankerten Prinzips "nemo tenetur se ipsum accusare", nach dem der Gesetzgeber keine Regelung treffen darf, die eine im Verdacht einer strafbaren Handlung stehende Person verpflichtet, Beweise gegen sich selbst zu liefern (dazu mwN Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10 Rz 786).

 

Darüber hinaus ist aus dem Wortlaut abzuleiten, dass die Duldungs- und Mitwirkungspflicht nicht nur ad personam durch die Anwendbarkeit des Selbstbezichtigungsverbotes begrenzt ist, sondern dass das Entstehen der Verdachtslage auch generell die Zäsur darstellt.

 

Ist somit aus der objektiven Sichtweise ex ante eine Verdachtslage auf einen Verstoß gegen das Glücksspielgesetz gegeben, so endet die Mitwirkungs- und Duldungspflicht (siehe zur vorzunehmenden Art der Abgrenzung in ähnlichen Konstellationen Lienbacher, Ist staatsanwaltliches Handeln ein zulässiger Kontrollgegenstand, in Lienbacher/Wielinger, Jahrbuch Öffentliches Recht 2010, 73 f). Denn es geht dann nicht mehr nur um die Wahrnehmung von Überwachungsaufgaben zur Kontrolle der Einhaltung des Glücksspielgesetzes, sondern um strafrechtliche Verfolgungsmaßnahmen im Hinblick auf den Verdacht einer Übertretung des Glücksspielgesetzes.

 

Selbst wenn man im bloßen Einschreiten von Hilfsorganen - deren Verhalten allerdings der zuständigen Verwaltungsstrafbehörde zuzurechnen ist - der öffentlichen Aufsicht (Finanzpolizei) noch keinen formalen Beginn eines Strafverfahrens im Sinne des § 32 VStG (arg.: noch keine behördliche Verfolgungshandlung) erkennen wollte, vermag dies am oben dargelegten, verfassungsrechtlich gebotenen Interpretationsergebnis, das nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs aus der materiellen Bedeutung des Anklageprinzips nach Art 90 Abs 2 B-VG folgt und daher auch im Verwaltungsstrafverfahren gilt (vgl mit Nachw Mayer, B-VG4 [2007] Art 90 B-VG Anm III), sachlich nichts zu ändern. Es liegt auf der Hand, dass das bloße Abstellen auf behördliche Verfolgungshandlungen und ein Ausblenden des Verfolgungsverhaltens von Hilfsorganen nur ein der Aushöhlung und Umgehung dienender Formalismus wäre, der dem Wesensgehalt des verfassungsrechtlichen Selbstbezichtigungsverbots und der Unschuldsvermutung des Art 6 Abs 2 EMRK diametral zuwiderliefe.

 

Vor diesem Hintergrund ist nun aus der Zusammenschau des Akteninhalts, insbesondere der Anzeige der Finanzpolizei sowie der Protokolle der Kontrolle, und aus dem Umstand, dass in Oberösterreich auch das kleine Glücksspiel immer verboten war (weshalb keine Übergangsfristen gemäß § 60 Abs 25 GSpG in Betracht kommen) zu erkennen, dass für das Einschreiten der Finanzpolizei im gegenständlichen Fall der Verdacht von Eingriffen in das Glücksspielmonopol und damit von Übertretungen der Strafbestimmung des § 52 GSpG im Vordergrund stand. So wird in der Anzeige der Finanzpolizei vom 21. Juni 2013 zur Tathandlung festgehalten, dass der Bf "die geforderten Auskünfte zu den Glücksspielgeräten bzw. sonstigen Eingriffsgegenständen" nicht erteilt habe, obwohl er aufgrund der niederschriftlich festgehaltenen Eigenschaft als für die Betreuung der Glücksspielgeräte als zur Auskunft verpflichtete Person anzusehen sei. Zudem ist aus der von der Finanzpolizei  am 10. September 2012 angefertigten Fotodokumentation über die am selben Tag durchgeführte Kontrolle im Lokal „x“, x, zu ersehen, dass  die Glücksspielgeräte bei Betreten des Lokals durch die Finanzpolizei betriebsbereit aufgestellt vorgefunden worden sind. Die Geräte sind vor dem Durchführen von Testspielen offline geschaltet worden. Schon zu Beginn der Kontrolle lag somit offenkundig die oben beschriebene Verdachtslage vor und endete bei verfassungskonformer Auslegung die Mitwirkungspflicht gem § 50 Abs 4 GSpG. Dies wird insbesondere dadurch bekräftigt, dass die Finanzpolizei – abgesehen vom Fotografieren der auf den Bildschirmen aufscheinenden Spielangebote – keinerlei weitere Feststellungen zu den Geräten und den darauf angebotenen Spielen getroffen hat. Allein der Umstand, dass die Geräte nach Auffassung der Finanzpolizei betriebsbereit waren, begründete die beschriebene Verdachtslage.

 

Im Aktenvermerk wird ausdrücklich festgehalten, dass hinsichtlich jedes einzelnen Geräts "ein hinreichend begründeter Verdacht eines fortgesetzten Eingriffes in das Glücksspielmonopol des Bundes" vorliege und mit den Glücksspieleinrichtungen fortgesetzt gegen Bestimmungen des § 52 Abs 1 GSpG verstoßen worden sei und diente die Kontrolle offenkundig dem Ziel der strafrechtlichen Aufklärung (= Strafverfolgung).

 

Damit steht fest, dass für das Einschreiten der Finanzpolizei im gegenständlichen Fall der Verdacht von Eingriffen in das Glücksspielmonopol und damit von Übertretungen der Strafbestimmung des § 52 GSpG im Vordergrund stand.

 

Da aber – wie bereits oben ausgeführt – schon aufgrund des Wortlauts des § 50 Abs. 4 1. Satz GSpG die Duldungs- und Mitwirkungspflicht schon bei Bestehen eines begründeten Verdachts auf einen Verstoß gegen das GSpG endet und ein solcher – wie sich aus den im Verwaltungsakt einliegenden Unterlagen der Finanzpolizei zur gegenständlichen Kontrolle zweifelsfrei ergibt – bereits im Rahmen der Kontrolle vorgelegen ist bzw. gar den Grund für die Kontrolle gebildet hat, war mangels Mitwirkungspflicht an der Strafverfolgung und Aufklärung von Delikten keine mit Strafe bedrohte Handlung möglich.

 

Darüber hinaus ist augenfällig, dass der Bf in seiner Funktion die Glücksspielgeräte bereit zu halten durch die Erteilung von Auskünften selbst Gefahr laufen würde, sich der verwaltungsstrafrechtlichen Verfolgung auszusetzen, worauf nicht zuletzt der vom Bf in seiner Berufung erhobene Einwand des Grundsatzes „nemo tenetur se ipsum accusare“ hinweist.

 

Mangels Mitwirkungspflicht an der eigenen Strafverfolgung iSd unter 4.3. dargelegten Grundsatzes „nemo tenetur se ipsum accusare“ wurde auch aus diesem Grund durch die Verweigerung der Mitwirkung keine mit Strafe bedrohte Handlung gesetzt.

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu den Sprucherfordernissen nach § 44a Z 1 VStG ist die Tat so weit zu konkretisieren, dass diese erstens nach Tatort und Tatzeit unverwechselbar feststeht sowie zweitens eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und damit auch die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (stRsp seit verst. Senaten VwSlg 11.466 A/1984 und VwSlg 11.894 A/1985); im Spruch sind daher alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind.

 

Der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG ist dann entsprochen, wenn im Spruch die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhalten nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Eine Umschreibung der Tat bloß in der Begründung reicht im Verwaltungsstrafrecht nicht aus (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004] 1522, Anm 2 zu § 44a VStG).

 

Die Behörde hat eine differenzierte und konkretisierte Fassung des Tatvorwurfes vorzunehmen. Dabei können sich weitgehend mit dem Gesetzeswortlaut deckende Formulierungen der Strafbehörde für die Bestimmtheit iSd § 44a Z 1 VStG nicht genügen. Durch die substanzlose Verwendung der verba legalia wird nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs noch keine Konkretisierung im Sinne der Anforderungen des § 44a Z 1 VStG vorgenommen. Denn es reicht nicht aus, den bloßen Gesetzeswortlaut unter Anführung von Tatzeit und Tatort wiederzugeben, sondern die Tat ist entsprechend den Gegebenheiten des jeweiligen Falles zu individualisieren (vgl mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004] 1522, Anm 2 zu § 44a VStG).

 

Diese einzelfallbezogene Konkretisierung des Spruches iSd § 44a Z 1 VStG ist einerseits deshalb erforderlich, damit der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und andererseits um den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl VwGH 18.10.2011, Zl. 2011/02/0281 unter Bezugnahme auf Vorjudikatur) und damit der Gefahr einer allfälligen Doppelbestrafung ausgesetzt zu sein (vgl speziell für Übertretungen nach dem GSpG VwGH 12.3.2010, Zl. 2010/17/0017).

 

Im konkreten Fall wird dem Bf die Tatbegehung als unmittelbarer Täter vorgeworfen, weil er trotz mehrfacher Aufforderung und Belehrung gegen die ihm zukommende Mitwirkungspflicht gemäß § 50 Abs. 4 GSpG verstoßen habe, indem er zum Zeitpunkt der Kontrolle der öffentlichen Aufsicht die geforderte Auskunft nicht erteilte.

 

Bei dieser spruchförmigen Tatanlastung handelt sich allerdings um eine bloße Leerformel, die nur eine weitgehende Wiederholung des Gesetzeswortlautes darstellt und nicht geeignet ist, dem Bf eine individuelle Tat unverwechselbar vorzuwerfen. Genau betrachtet enthält der Spruch keine Substanz und damit auch keinen "echten" Tatvorwurf. Bestätigt wird dies aus dem Akteninhalt bzw. der Anzeige des Finanzamtes. Darin findet sich lediglich der Hinweis, dass die "geforderten bzw. gewünschten" Auskünfte zu erteilen gewesen wären. Welche das konkret gewesen und welche Fragen vergeblich gestellt worden wären, wird nicht angesprochen. Ein Erhebungsergebnis ist zu diesem Tatvorwurf nicht vorzufinden. Weiters wird im Spruch nicht klar zum Ausdruck gebracht, worin das Bereithalten der Glückspielgeräte gelegen ist. Dies ergibt sich nur aus den Aussagen von Herrn x. Auch in der Begründung finden sich diesbezüglich keine entsprechenden erklärenden Hinweise, die einer freien Beweiswürdigung unterzogen worden wären.

 

Die gemäß § 50 Abs 5 2. Satz GSpG verpflichteten Personen haben u.A. den Organen der öffentlichen Aufsicht "umfassende" Auskünfte zu erteilen, "umfassende" Überprüfungen und Testspiele zu ermöglichen und Einblick in die geführten Aufzeichnungen sowie die aufzulegenden Spielbeschreibungen zu gewähren. Aus der gesetzlichen Fassung dieser Mitwirkungspflichten ist dem Grunde nach zu erkennen, dass die von der belangten Behörde vorgeworfene "Tat" nicht mit Strafe gemäß § 52 Abs 1 Z 5 iVm § 50 Abs 4 GSpG bedroht wird, da ein wesentlicher Unterschied zwischen den "geforderten" und den "umfassenden" Auskünften besteht. § 50 Abs 4 GSpG statuiert die Pflicht zur umfassenden Auskunftserteilung allein an die Behörde und die Organe der öffentlichen Aufsicht, welche die Einhaltung des Glücksspielgesetzes kontrollieren. Auf der Überwachung der Einhaltung des Glücksspielgesetzes liegt im Sinne des § 50 Abs 4 1. Satz GSpG (arg. "zur Durchführung ihrer Überwachungsaufgaben") der Bezug der umfassenden Auskunftserteilung.

 

Mit anderen Worten: Es sind jene umfassenden Auskünfte zu erteilen, die erforderlich sind, um die Überwachung der Einhaltung des Glücksspielgesetzes zu ermöglichen. Diese Zielrichtung lässt sich aus einem Kausalzusammenhang mit der Aufgabenerfüllung ableiten, wogegen sich das "Geforderte" lediglich aus der Existenz einer entsprechenden Frage bzw. Forderung determiniert. Letzteres wird jedoch vom Gesetz nicht mit Strafe bedroht. Auch insofern ist daher der Spruch des Bescheides der belangten Behörde verfehlt und mit Rechtswidrigkeit behaftet.

 

 

V.            Im Ergebnis war das angefochtene Straferkenntnis mangels Vorliegens einer strafbaren Handlung, unabhängig von den zusätzlich vorliegenden Spruchmängeln, aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen.

 

 

VI.          Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Dr. Süß