LVwG-400126/6/Gf/Mu

Linz, 25.01.2016

I M  N A M E N  D E R  R E P U B L I K !

 

 

 

Das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich hat durch seinen Einzelrichter Dr. Alfred Grof über die Beschwerde der A D gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 18. August 2015, Zl. AS/PB-1389256, wegen einer Übertretung des Oberösterreichischen Parkgebührengesetzes

 

 

z u  R e c h t  e r k a n n t:

 

 

I.        Der Beschwerde wird gemäß § 50 VwGVG i.V.m. § 38 VwGVG und i.V.m. § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG insoweit stattgegeben, als das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben wird.

 

II.       Die Beschwerdeführerin hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde (vgl. § 64 Abs. 1 VStG) noch einen Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich (vgl. § 52 Abs. 9 VwGVG) zu leisten.

 

III.      Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß § 25a VwGG nicht zulässig.

 


 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

 

I.

 

Ablauf des Behördenverfahrens

 

 

1. Mit Schreiben des Magistrates der Stadt Linz vom 29. April 2015, Zl. AS/PB-1389256, wurde die Fa. „W KG“ (der Sache nach) dazu aufgefordert, binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens der Behörde den Namen, das Geburtsdatum und die Anschrift jener Person bekannt zu geben, die das auf diese Firma zugelassene mehrspurige KFZ mit dem polizeilichen Kennzeichen L‑x am 12. Februar 2015 gelenkt und zwischen 16:51 Uhr und 17:05 Uhr in Linz in der Sonnensteinstraße vor dem Haus Nr. 11 – und damit in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone – für diesen Zeitraum ohne gültigen Parkschein abgestellt hat.

 

2. Da dieses Schreiben unbeantwortet blieb, hat die belangte Behörde durch Einsichtnahme in das Firmenbuch die Beschwerdeführerin als (lt. Firmenbuch einen von „zwei gemeinsam mit sämtlichen weiteren“) unbeschränkt haftenden Gesellschafter(n) ermittelt und dieser gegenüber als Außenvertretungsbefugte i.S.d. § 9 Abs. 1 VStG mit Strafverfügung vom 22. Juli 2015, Zl. AS/PB-1389256, eine Geldstrafe von 50 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 45 Stunden) verhängt, weil sie es als verwaltungsstrafrechtlich verantwortliche Person zu vertreten habe, dass seitens der Zulassungsbesitzerin die geforderte Auskunft nicht fristgerecht erteilt wurde. Dadurch habe sie eine Übertretung des § 2 Abs. 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 lit. b des Oö. Parkgebührengesetzes, LGBl 28/1988 in der hier maßgeblichen Fassung LGBl 90/2013 (im Folgenden: OöParkGebG), begangen, weshalb sie nach § 6 Abs. 1 OöParkGebG zu bestrafen gewesen sei.

 

3. Gegen diese Strafverfügung hat die Rechtsmittelwerberin rechtzeitig Einspruch erhoben und in diesem darauf hingewiesen, dass das Aufforderungsschreiben vom 29. April 2015 ihrer KG nie zugestellt worden sei.

 

4. Hierauf wurde der Beschwerdeführerin eine Kopie des am 7. Mai 2015 unterschriebenen Rückscheines übermittelt; unter einem wurde sie dazu aufgefordert, ihre Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse bekannt zu geben, widrigenfalls die Behörde diesbezüglich von Amts wegen folgende Schätzung zu Grunde lege: monatliches Nettoeinkommen 1.600 Euro, kein Vermögen, Sorgepflicht für zwei Kinder.

 

5. Mit Schreiben vom 12. August 2015 brachte die Rechtsmittelwerberin vor, dass der Rückschein einerseits falsch adressiert gewesen sei und andererseits nicht ihre Unterschrift aufweise.

 

6. In der Folge hat die belangte Behörde mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 18. August 2015, Zl. AS/PB-1389256, über die Rechtsmittelwerberin eine Geldstrafe von 30 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 27 Stunden; Verfahrenskostenbeitrag: 10 Euro) verhängt, weil sie als zur Vertretung nach außen berufenes Organ einer KG, die Zulassungsbesitzerin des verfahrensgegenständlichen mehrspurigen KFZ sei, nicht dafür Sorge getragen habe, dass binnen zwei Wochen darüber Auskunft erteilt wurde, wer dieses Fahrzeug am 12. Februar 2015 (unmittelbar zuvor gelenkt und sodann) im Zeitraum zwischen 16:51 Uhr bis 17:05 Uhr ohne gültigen Parkschein am Vorfallsort abgestellt hat. Dadurch habe sie eine Übertretung des § 2 Abs. 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 lit. b OöParkGebG i.V.m. § 3 Abs. 2 und § 6 der Parkgebührenverordnung der Stadt Linz (im Folgenden: ParkGebV) begangen, weshalb sie nach § 6 Abs. 1 OöParkGebG zu bestrafen gewesen sei.

 

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass sich aus dem im Akt erliegenden Rückschein zweifelsfrei ergebe, dass jene das Aufforderungsschreiben zur Auskunftserteilung enthaltende Sendung von einer postbevollmächtigten Person der KG der Rechtsmittelwerberin übernommen worden sei. Somit liege eine ordnungsgemäße Zustellung vor, weshalb die Beschwerdeführerin als verwaltungsstrafrechtliche Verantwortliche dieses Unternehmens dafür Sorge zu tragen gehabt hätte, dass die geforderte Auskunft fristgerecht erteilt wird. Die ihr angelastete Tat sei sohin als erwiesen anzusehen.

 

Im Zuge der Strafbemessung seien die bisherige Unbescholtenheit der Rechtsmittelwerberin als mildernd zu werten sowie ihre Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse mangels entsprechender Mitwirkung von Amts wegen zu schätzen gewesen (monatliches Nettoeinkommen: 1.600 Euro; Sorgepflichten für zwei Kinder; kein Vermögen).

 

7. Gegen dieses ihr am 15. September 2015 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 21. September 2015 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Beschwerde.

 

Darin bringt die Rechtsmittelwerberin der Sache nach vor, dass nur sie selbst, ihr Ehegatte und der weitere Komplementär und zugleich gewerberechtliche Geschäftsführer als postbevollmächtigte Personen der verfahrensgegenständlichen KG fungieren würden und die an die Firmenadresse gerichtete Aufforderung der belangten Behörde vom 29. April 2015 von keiner dieser drei Personen unterzeichnet bzw. übernommen worden sei. Auch in der Folge sei ihr dieses Schreiben nie zugekommen, wobei es unverständlich erscheine, weshalb die Behörde nicht schon von vornherein persönlich an die Beschwerdeführerin herangetreten ist.

 

Daher wird – erschließbar – die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt. 

 

8. Der Magistrat der Stadt Linz hat von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung abgesehen und stattdessen dem Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich mit Schreiben vom 23. September 2015 den Bezug habenden Akt vorgelegt sowie unter Hinweis auf die Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses beantragt, die gegenständliche Beschwerde abzuweisen.

 

 

II.

 

Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich

und Zulässigkeit der Beschwerde

 

 

1. Die vorliegende, auf Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG gegründete Beschwerde richtet sich gegen ein Straferkenntnis einer Verwaltungsbehörde und wurde innerhalb der Vier-Wochen-Frist des § 7 Abs. 4 VwGVG bei der belangten Behörde eingebracht; da der Inhalt dieser Beschwerde den Anforderungen des § 9 VwGVG entspricht und auch sonstige Prozesshindernisse nicht vorliegen, ist sie insgesamt als zulässig anzusehen.

 

2. Weil diesbezüglich weder im OöParkGebG noch im VwGVG Abweichendes angeordnet ist, hatte das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich im vorliegenden Fall gemäß Art. 135 Abs. 1 B‑VG durch seinen nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter zu entscheiden.

 

 

III.

 

Sachverhaltsermittlung und Beweiswürdigung

durch das Verwaltungsgericht

 

 

1. Das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Magistrates der Stadt Linz zu Zl. AS/PB-1389256 sowie im Wege der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung am 20. Jänner 2016, zu der als Parteien einerseits die Beschwerdeführerin und deren Vertreter J D (Ehegatte) sowie andererseits H B als Vertreter der belangten Behörde erschienen sind.

 

2. Aus dem Akteninhalt in Verbindung mit den Aussagen der Verfahrensparteien und deren Vertreter ergibt sich insgesamt folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt:

 

2.1. Am 12. Februar 2015 war in der Zeit von 16:51 Uhr bis 17:05 Uhr in der Sonnensteinstraße vor dem Haus Nr. 11 in Linz das verfahrensgegenständliche mehrspurige Kraftfahrzeug in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone ohne gültigen Parkschein abgestellt.

 

2.2. Laut Auszug aus der Zulassungsevidenz (vgl. die „Organmandat-Auskunft“ des Magistrates der Stadt Linz vom 9. September 2015, ONr. 1 des Aktes der belangten Behörde) war dieses KFZ zum damaligen Zeitpunkt auf die von der Beschwerdeführerin als handelsrechtliche Geschäftsführerin vertretene KG zugelassen.

 

2.3. Mit einem an einen früheren Firmensitz („H“) adressierten Schreiben vom 29. April 2015, Zl. AS/PB-1389256, wurde diese Gesellschaft von der Behörde dazu aufgefordert, binnen zwei Wochen mittels beiliegendem Formular bekannt zu geben, welche Person das Fahrzeug zuletzt vor dem gegenständlichen Tatzeitpunkt gelenkt und sodann am Vorfallsort abgestellt hat.

 

2.4. Auf Grund eines entsprechenden Nachsendeantrages wurde dieses Schreiben seitens der Österreichischen Post AG an die aktuelle Firmenadresse („L“) weitergeleitet und dort am 7. Mai 2015 laut Rückschein von einem „Bevollmächtigten für RSb-Briefe“ übernommen.

 

2.5. Nachdem in der Folge seitens der KG kein Fahrzeuglenker bekannt gegeben worden war, hat die belangte Behörde über die Beschwerdeführerin als zur Vertretung nach außen berufenes Organ dieser Gesellschaft mit Strafverfügung vom 22. Juli 2015, Zl. AS/PB-1289256, wegen einer Übertretung des § 2 Abs. 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 lit. b OöParkGebG eine Geldstrafe in Höhe von 50 Euro verhängt.

 

Dagegen hat die Rechtsmittelwerberin fristgerecht Einspruch erhoben.

 

2.6. Hierauf wurde der Beschwerdeführerin eine Kopie des am 7. Mai 2015 unterschriebenen Rückscheines übermittelt; unter einem wurde sie auch dazu aufgefordert, ihre Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse bekannt zu geben, widrigenfalls die Behörde diesbezüglich von Amts wegen folgende Schätzung zu Grunde lege: monatliches Nettoeinkommen 1.600 Euro, kein Vermögen, Sorgepflicht für zwei Kinder.

 

Mit Schreiben vom 12. August 2015 brachte die Rechtsmittelwerberin vor, dass der Rückschein einerseits falsch adressiert gewesen sei und andererseits nicht ihre Unterschrift aufweise.

 

Weitere Sachverhaltsermittlungen wurden von der Behörde nicht durchgeführt.

 

2.7. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 18. August 2015, Zl. AS/PB-1389256, wurde der Einspruch abgewiesen und die angefochtene Strafverfügung hinsichtlich des Schuldspruches bestätigt; die verhängte Geldstrafe wurde auf 30 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 27 Stunden herabgesetzt.

 

2.8. Hinsichtlich der im gegenständlichen Fall allein strittigen Frage, welche Person das Aufforderungsschreiben der belangten Behörde vom 29. April 2015, Zl. AS/PB-1389256, am 7. Mai 2015 übernommen und den entsprechenden Rückschein unterzeichnet hat, hat die Beschwerdeführerin auch im Rahmen der öffentlichen Verhandlung vor dem LVwG Oberösterreich darauf beharrt, dass sich auf dieser Urkunde nicht ihre Unterschrift befinde.

 

2.8.1. Vor diesem Hintergrund hat sich im Zuge der Beweisaufnahme durch das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich insgesamt Folgendes ergeben:

 

2.8.1.1. Zunächst zeigt die Unterschrift auf diesem im Akt der belangten Behörde erliegenden Rückschein dieses Bild (= MUSTER 1):

 

 

2.8.1.2 Verglichen damit stellen sich die Rückscheine von weiteren an das Unternehmen der Rechtsmittelwerberin adressierten Sendungen wie folgt dar:

 

2.8.1.2.1. Rückschein zur Strafverfügung vom 22. Juli 2015, Zl. AS/PB-1389256 (= MUSTER 2)

 

 

2.8.1.2.2. Rückschein zur Aufforderung zur Stellungnahme vom 5. August 2015, Zl. AS/PB-1389256 (= MUSTER 3):

 

2.8.1.2.3. Rückschein zum Straferkenntnis vom 18. August 2015, Zl. AS/PB-1389256 (= MUSTER 4):

 

 

2.8.1.2.4. Rückschein zur Ladung zur öffentlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich, Zl. LVwG-400126/3 (= MUSTER 5):

 

 

2.8.1.3. Aus der Sicht des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich ergibt sich daraus insgesamt zweifelsfrei, dass alle diese Urkunden jeweils von ein und derselben Person unterzeichnet wurden. Diese Schlussfolgerung gründet sich einerseits auf das charakteristische, jeweils identische Anfangszeichen des Schriftzuges – das am ehesten dem Kleinbuchstaben „r“ in lateinischer Schreibschrift ähnelt –, auf die für das zweite Zeichen jeweils typische (Unter-)Schlinge sowie auf die auffällige Linkslastigkeit des gesamten Schriftzuges (während ansonsten in Schreibschrift gesetzte Zeichen in aller Regel rechtslastig oder zumindest gerade erscheinen).

 

2.8.1.4. Ergänzend zu diesen fünf Mustern hat der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin in der öffentlichen Verhandlung drei Eingaben an das Landesgericht Linz vorgelegt.

 

Vorweg lässt sich diesen Urkunden entnehmen, dass sich bei einem Vergleich mit der auf dem Rückschein zur Aufforderung der belangten Behörde vom 29. April 2015, Zl. AS/PB-1389256, zur Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers enthaltenen Unterschrift ergibt, dass diese offensichtlich weder vom Ehegatten der Rechtsmittelwerberin (J D) noch vom gegenwärtigen Komplementär der KG (D A) noch von dessen Vorgänger (A H) stammt, weil sich insoweit jeweils keinerlei Ähnlichkeit feststellen lässt.

 

Da sich in der öffentlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich ergeben hat, dass dieser Gesellschaft keine weiteren Personen angehören und bei diesem Unternehmen auch keine Angestellten beschäftigt sind, bleibt sohin nur noch zu untersuchen, ob die Unterschrift auf diesem Rückschein jene der Beschwerdeführerin ist; andernfalls wäre die Aufforderung zur Lenkerbekanntgabe der verfahrensgegenständlichen Gesellschaft nämlich nicht ordnungsgemäß zugestellt worden, sodass sich daran auch keine rechtlichen Konsequenzen knüpfen konnten.

 

Vergleicht man unter diesem Gesichtspunkt die zuvor angesprochenen fünf Muster mit den vom Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin vorgelegten Urkunden, so stellen sich Letztere hinsichtlich der auf diesen enthaltenen Unterschriften wie folgt dar:

 

2.8.1.4.1. Änderung des                2.8.1.4.2. Änderung des              2.8.1.4.3. Eintritt eines

Gesellschaftsvertrages                 Gesellschaftsvertrages               Gesellschafters

vom 18. November 2014              vom 4. Mai 2015                         vom 6. Mai 2015

(= MUSTER 6):                            (= MUSTER 7):                          (= MUSTER 8):

 

                        

 

2.8.1.5. Auffällig ist zunächst die (gleichsam regelkonforme) Rechtslastigkeit sämtlicher Unterschriften der Beschwerdeführerin auf den von ihrem Rechtsvertreter vorgelegten Urkunden, die in einem frappanten Gegensatz zur Linkslastigkeit aller Signaturen auf den zuvor dargestellten Mustern 1 bis 5 steht. Dazu kommt, dass das erste Zeichen sämtlicher gerichtlicher Eingaben deutlich dem lateinischen Großbuchstaben „A“ (als Abkürzung für den Vornamen A) entspricht, sodass die Unterschriften auf den Mustern 1 bis 5 einerseits von jenen der Muster 6 bis 8 andererseits auch insoweit deutlich divergieren. Schließlich enthält auch das zweite Zeichen auf den letztgenannten Mustern keine Unterlänge.

 

2.8.1.6. Keine essentielle Bedeutung kommt dem Umstand der unterschiedlichen Länge der Unterschriften auf den Mustern 1 bis 5 einerseits bzw. auf den Mustern 6 bis 8 andererseits zu, denn bei den Ersteren könnte es sich durchaus auch um firmenmäßige Kurzzeichen handeln (die wiederum auf gerichtlichen Eingaben unzulässig wären).

 

2.8.1.7. Die einzige feststellbare Ähnlichkeit besteht darin, dass das zweite Zeichen in allen Fällen die Form eines Deltas („Δ“ – in den vorstehenden Mustern jeweils grün markiert) aufweist. Dies könnte darauf schließen lassen, dass es sich insoweit um den Anfangsbuchstaben des Familiennamens der Beschwerdeführerin („D“) handelt, der – insbesondere in den Mustern 1 bis 5 – in ein firmenmäßiges Kurzzeichen eingebunden ist.

 

2.8.2. Angesichts dessen, dass die Frage, ob im vorliegenden Fall die Unterschrift auf dem Rückschein jenes Briefes, der die Aufforderung zur Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers enthielt, tatsächlich von der Rechtsmittelwerberin stammt, nicht eine auf der Ebene des Verschuldens angesiedelte Problematik darstellt – sodass eine Heranziehung der in § 5 Abs. 2 VStG normierten Beweislastumkehr schon von vornherein ausscheidet –, kommt somit als allgemeiner Grundsatz zum Tragen, dass die Strafbehörde die Tatbestandsmäßigkeit des deliktischen Handelns nachzuweisen hat, widrigenfalls gemäß Art. 6 Abs. 2 EMRK im Zweifel vom Nichtvorliegen einer Straftat auszugehen ist.

 

Unterstellt man aber vor diesem Hintergrund unter Bedachtnahme auf die hier maßgeblichen konkreten Umstände, dass sie selbst den Rückschein jenes Briefes, der die Aufforderung zur Lenkerbekanntgabe enthielt, unterzeichnet hat, ohne für diese Annahme über einschlägige Nachweise zu verfügen, erhebt sich damit die grundsätzliche Frage nach den rechtlichen Grenzen der Überzeugungskraft eines bloßen Indizienbeweises. Diese Schranken sind bei Tätigkeitsdelikten wegen der regelmäßig eingeschränkteren Möglichkeiten eines erfolgsbezogenen hypothetischen Kausalverlaufes allerdings vergleichsweise niedriger anzusetzen (vgl. dazu z.B. jüngst LVwG-400116 vom 28. September 2015) als bei (kombinierten) Unterlassungsdelikten (wobei § 6 Abs.i.V.m. § 2 Abs. 2 OöParkGebG [Nichterteilung der geforderten Lenkerauskunft] ein solches Unterlassungsdelikt verkörpert).

 

Davon ausgehend erweist sich ein Indizienbeweis i.d.R. als hinreichend, um das Vorliegen der Tatbestandsmäßigkeit einer Handlung begründet voraussetzen zu können, wenn in der Gebotsnorm (lediglich) eine einzige konkrete Ursache als für den Erfolgseintritt maßgeblich angeführt ist (wie z.B. das Nichtvorhandensein einer gültigen Vignette beim Lenken eines KFZ auf dem mautpflichtigen Straßennetz) und deren Zutreffen nach Abwägung aller dafür gegenüber allen dagegen sprechenden Indizien im Ergebnis als deutlich überwiegend anzunehmen geboten ist (vgl. in diesem Zusammenhang auch das jüngst ergangene Urteil des EGMR vom 28. September 2015, 23380/09 [ECLI:CE:ECHR:2015:0928JUD002338009], RN 82, in dem der Gerichtshof betont, dass selbst hinsichtlich jener Bereiche, die unter allen Umständen zu wahrende Schutzbereiche verkörpern, zwar prinzipiell der „Ausschluss eines vernünftigen Zweifels“ gefordert, damit jedoch eine Beweisführung auf Grund hinreichend gewichtiger, klarer und naheliegender Schlussfolgerungen oder unwiderlegter Vermutungen in Bezug auf einen naheliegend wahrscheinlichen Kausalverlauf nicht gehindert ist).

 

2.8.3. Wie zuvor unter Pkt. 2.8.1.5. bis 2.8.1.7. dargetan wurde, resultiert auf Grund der im gegenständlichen Fall konkret vorliegenden Umstände, dass jene gegen den Umstand, dass die Unterschrift auf dem hier maßgeblichen Rückschein (MUSTER 1) von der Beschwerdeführerin stammt, sprechenden Umstände im Zuge einer Abwägung der für diese Annahme sprechenden Aspekte nach Auffassung des erkennenden Richters hier in einem Verhältnis von (ca.) 3:1 zu gewichten sind, sodass Erstere die Letzteren doch deutlich überwiegen.

 

Als Ergebnis der Beweiswürdigung folgt daraus, dass im vorliegenden Fall – zumindest im Zweifel – nicht davon auszugehen ist, dass der Rückschein zum Aufforderungsschreiben der belangten Behörde vom 29. April 2015, Zl. AS/PB-1389256, am 7. Mai 2015 von der Beschwerdeführerin selbst, sondern vielmehr von einer anderen Person unterzeichnet wurde.

 

2.8.4. Vor diesem Hintergrund ist daher ihr Vorbringen, dass ihr diese Aufforderung nicht zugekommen ist, als zutreffend anzusehen.

 

 

IV.

 

Rechtliche Beurteilung

 

 

In der Sache selbst hat das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich erwogen:

 

1.1. Nach § 6 Abs. 1 lit. b i.V.m. § 2 Abs. 1 OöParkGebG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür mit einer Geldstrafe bis zu 220 Euro zu bestrafen, der als Zulassungsbesitzer der Behörde nicht innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung einer entsprechenden schriftlichen Aufforderung die begehrte Auskunft darüber erteilt, wer ein nach dem Kennzeichen bestimmtes mehrspuriges Kraftfahrzeug zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt gelenkt und danach in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellt hat.

 

1.2. Gemäß § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen strafrechtlich verantwortlich, wer zu deren Vertretung nach außen berufen ist.

 

1.2.1. Da § 161 Abs. 2 des Unternehmensgesetzbuches, dRGBl S. 219/1897 i.d.g.F. BGBl I 22/2015 (im Folgenden: UGB), generell festlegt, dass – soweit in den §§ 161 bis 178 UGB nicht anderes bestimmt ist – auf die Kommanditgesellschaft die für die offene Gesellschaft geltenden Vorschriften Anwendung finden und hinsichtlich der Vertretungsbefugnis der KG in § 170 UGB nur angeordnet ist, dass ein Kommanditist nicht befugt ist, die Gesellschaft zu vertreten, ergibt sich somit im Hinblick auf § 125 UGB insgesamt, dass zur Vertretung der KG jeder Komplementär i.S.d. § 161 Abs. 1 UGB befugt ist (Einzelvertretung), sofern nicht im Gesellschaftsvertrag bestimmt ist, dass alle oder mehrere Gesellschafter nur in Gemeinschaft zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigt sein sollen (Gesamtvertretung).

 

1.2.2. Ungeachtet dessen, dass im Gesellschaftsvertrag – wie im gegenständlichen Fall – festgelegt ist, dass die unbeschränkt haftenden Gesellschafter jeweils nur gemeinsam mit (sämtlichen) weiteren unbeschränkt haftenden Gesellschaftern zur Vertretung befugt sind, geht jedoch der Verwaltungsgerichtshof bezüglich derartiger Konstellationen einer kollektiven Vertretungsbefugnis davon aus, dass jeder Vertreter eigenständig im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch die Gesellschaft verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich ist (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. VwGH vom 10. März 1999, 97/09/0144; vom 14. November 1989, 88/04/0049; vom 14. Oktober 1986, 85/04/0230; und vom 12. Dezember 1969, VwSlg 7696/A).  

 

1.3. Gemäß § 13 Abs. 1 ZustG ist ein behördliches Schriftstück dem Empfänger an der Abgabestelle zuzustellen. Ist der Empfänger keine natürliche Person, so ist das Dokument nach § 13 Abs. 3 ZustG einem zur Empfangnahme befugten Vertreter zuzustellen.

 

Kann das Dokument nicht dem Empfänger zugestellt werden und ist an der Abgabestelle ein Ersatzempfänger anwesend, so darf es gemäß § 16 Abs. 1 ZustG an diesen zugestellt werden, sofern der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich ein Vertreter i.S.d. § 13 Abs. 3 ZustG regelmäßig an der Abgabestelle aufhält. Ersatzempfänger kann nach § 16 Abs. 2 ZustG u.a. jede erwachsene Person sein, die Arbeitnehmer des Empfängers ist und die zur Annahme bereit ist. Durch Organe eines Zustelldienstes darf an bestimmte Ersatzempfänger nicht oder nur an bestimmte Ersatzempfänger zugestellt werden, wenn der Empfänger dies schriftlich beim Zustelldienst verlangt hat (vgl. § 16 Abs. 3 ZustG). Eine Ersatzzustellung gilt gemäß § 16 Abs. 5 ZustG u.a. dann als nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Vertreter des Empfängers wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.

 

Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt die Zustellung nach § 7 ZustG als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.

 

2. Im gegenständlichen Fall wäre die Aufforderung zur Lenkerbekanntgabe der verfahrensgegenständlichen KG nur dann ordnungsgemäß zugestellt worden, wenn diese von einem befugten Vertreter oder einem Ersatzempfänger übernommen worden wäre.

 

Diesbezüglich hat sich jedoch auf Grund des vom Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich durchgeführten Ermittlungsverfahrens ergeben, dass der Rechtsmittelwerberin als Komplementärin und damit zur Vertretung nach außen berufenen Gesellschafterin das Schreiben der belangten Behörde vom 29. April 2015, Zl. AS/PB-1389256, mit dem ihr die Bekanntgabe jener Person, die das verfahrensgegenständliche, auf die KG behördlich zugelassene KFZ am 12. Februar 2015 gelenkt und zwischen 16:51 Uhr und 17:05 Uhr in Linz in der Sonnensteinstraße vor dem Haus Nr. 11 – und damit in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone – für diesen Zeitraum ohne gültigen Parkschein abgestellt hat, aufgetragen wurde, nicht in Entsprechung zu den vorangeführten Bestimmungen des ZustG zugestellt wurde: Denn einerseits wurde dieses Dokument weder von ihr selbst noch von ihrem Ehegatten übernommen (s.o., III.); und andererseits hätte auch an ihre minderjährigen Kinder (eine 13-jährige Tochter und an ein 5-jähriger Sohn) nicht wirksam zugestellt werden können, weil § 16 Abs. 2 ZustG darauf abstellt, dass der Ersatzempfänger erwachsen sein muss. Darauf, dass sich die Mutter der Beschwerdeführerin am 7. Mai 2015 im Haushalt aufgehalten hat, haben sich aber ebenso keine Hinweise ergeben wie hinsichtlich dessen, dass eine Heilung gemäß § 7 ZustG eingetreten sein könnte, im Gegenteil: Die Rechtsmittelwerberin hat während des gesamten Verfahrens stets darauf beharrt, dass sie „dieses Schreiben nie erhalten hat“ (vgl. S. 3 des Verhandlungsprotokolls, ONr. 4 des h. Aktes).

 

3. Davon ausgehend erweisen sich aber sowohl die ihr gegenüber erlassene Strafverfügung vom 22. Juli 2015 als auch das Straferkenntnis vom 18. August 2015 als rechtswidrig, weil sie die ihr darin jeweils angelastete Tat, bis zum 21. Mai 2015 für die Bekanntgabe der Fahrzeuglenkers an die belangte Behörde Sorge zu tragen, mangels Kenntnis von einer dementsprechenden Verpflichtung nicht begangen hat.

 

4. Daher war der gegenständlichen Beschwerde gemäß § 50 VwGVG i.V.m. § 38 VwGVG und i.V.m. § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG stattzugeben und das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben.

 

Eine Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens war hingegen im Hinblick auf die derzeit noch offene Verfolgungsverjährungsfrist nicht zu verfügen: Ob, in welchem Umfang und gegen welche Person das Verwaltungsstrafverfahren weitergeführt wird, hat die belangten Behörde vielmehr aus eigenem zu beurteilen, wobei in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen ist, dass die erstmalige Zustellung des Aufforderungsschreibens an die Rechtsmittelwerberin weder eine Konsumation der Auskunftsverpflichtung gemäß § 2 Abs. 2 OöParkGebG in Bezug auf diese noch bezüglich eines anderen außenvertretungsbefugten Gesellschafters nach sich gezogen hat, weil dieser Zustellversuch materiell besehen nämlich nicht zu einer Auskunftserteilung führte, sondern erfolglos geblieben ist (vgl. z.B. VwGH vom 9. Juni 2015, Ro 2015/02/0010, m.w.N., sowie vom 25. April 2005, 2005/17/0036).

 

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Beschwerdeführerin weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde (vgl. § 64 Abs. 1 VStG) noch ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich (vgl. § 52 Abs. 8 und 9 VwGVG) vorzuschreiben.

 

 

V.

 

Revision an den Verwaltungsgerichtshof

 

 

Eine ordentliche Revision ist nicht zulässig, weil einerseits mit dem angefochtenen Straferkenntnis lediglich eine Geldstrafe von höchstens 220 Euro und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte (vgl. § 6 Abs. 1 OöParkGebG i.V.m. § 25a Abs. 4 Z. 1 VwGG) und andererseits im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt.

 

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

 

Gegen dieses Erkenntnis kann eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Eine solche Beschwerde ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

Gegen dieses Erkenntnis kann innerhalb derselben Frist auch eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden, die durch einen bevollmächtigen Rechtsanwalt abzufassen und beim Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich einzubringen ist; die Eingabegebühr von 240 Euro ist hingegen unmittelbar an den Verwaltungsgerichtshof zu entrichten.

 

 

 

Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich

 

 

Dr.  G r o f

 

 

 

 

Rechtssatz:

 

LVwG-400126/6/Gf/Mu vom 25. Jänner 2016

 

Normen:

§ 125 UGB

§ 170 UGB

§ 2 OöParkGebG

§ 9 VStG

 

Rechtssatz:

 

Weisen die auf mehreren behördlichen Rückscheinen angebrachten Schriftzüge charakteristische Übereinstimmungen – wie ein jeweils identisches Anfangszeichen, eine typische (Unter‑)Schlinge beim zweiten Zeichen und eine auffällige Linkslastigkeit – auf, während  die von der Bf. vorgelegten drei Schriftproben ein gänzlich anderes Anfangszeichen und keine Unterlänge enthalten sowie jeweils durch Rechtslastigkeit gekennzeichnet sind, ergibt sich insgesamt, dass die Unterschrift auf den Rückscheinen nicht von der Bf. stammt. Die Beweiswürdigung ergibt daher, dass die an sie gerichtete Aufforderung zur Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers nicht von ihr, sondern von einer Person übernommen wurde, weshalb sie die ihr angelastete Übertretung der Nichterteilung der geforderten Auskunft nicht begangen hat.

 

 

 

Beschlagwortung:

 

Zustellung; Kommanditgesellschaft (KG); Komplementärin – Außenvertretung; Rückschein; Unterschriftenvergleich