LVwG-850548/6/HW

Linz, 02.05.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Dr. Wiesinger über die Beschwerde von C H, x, K, gegen den Bescheid des Bun­desministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft vom 5. Jänner 2016, GZ: 91.508/064260-I/4/15,  

zu Recht    e r k a n n t :

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird dem Antrag des Beschwerdeführers vom 1. Juli 2015 auf Verleihung der Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung „Ingenieur“ stattgegeben.

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers (in der Folge kurz „Bf“) auf Verleihung der Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung „Ingenieur“, eingelangt bei der belangten Behörde am 1. Juli 2015, abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich bei Anwendung des § 2 Z 1 IngG 2006 eine anrechenbare Gesamtpraxis im Ausmaß von 02/05/15 (JJ/MM/TT) ergebe und auch bei Anwendung von § 2 Z 4 IngG 2006 die verlangte Mindestpraxiszeit nicht erfüllt sei.

 

I.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des Bf, in welcher begründend im Wesentlichen ausgeführt wird, dass die Voraussetzungen von § 2 Z 1 lit. b IngG 2006 erfüllt seien.

 

I.3. Die belangte Behörde legte mit Schreiben vom 9. Februar 2016, eingelangt am 15. Februar 2016, die Beschwerde samt Verfahrensakt vor.

 

I.4. Das Landesverwaltungsgericht forderte mit Schreiben vom 17. März 2016 den Bf auf, Unterlagen im Original vorzulegen und räumte Gelegenheit zum Parteiengehör ein. Von der belangten Behörde wurde mit E-Mail vom 29. März 2016 ergänzend vorgebracht, dass als Nachweis über die Praxis bei Antragstellung das Praxiszeugnis des Unternehmens E I mit der Bestätigung der fachbezogenen gehobenen Praxis über den Zeitraum vom 10. März 2005 bis 15. November 2006 vorgelegt worden sei. Dieser Nachweis sei im Zuge des Ermittlungsverfahrens durch einen Nachweis gleichen Datums ersetzt worden, der die Absolvierung einer fachbezogenen gehobenen Praxis (nur mehr) für die Zeit vom 19. Oktober 2006 bis 15. November 2006 bestätige. Es könne die als Verleihungsvoraussetzung geforderte Praxis nach § 2 Z 1 lit. b IngG 2006 zwar bereits vor Absolvierung der Prüfungen nach § 2 Z 1 lit. a IngG 2006 erlangt werden. Die erforderlichen gehobenen Kenntnisse müssten in einem solchen Fall allerdings auf eine andere Weise als durch die Reife- und Diplomprüfung erworben worden sein. Wie die Kenntnisse erworben wurden, sei von der Behörde nicht mehr zu prüfen, wenn sich aus der vorgelegten Praxisbestätigung keine offenkundigen Zweifel ergeben würden. Im gegenständlichen Fall werde der positive Abschluss des 5. Jahrganges durch das Jahreszeugnis vom 18. Oktober 2006 belegt. Es sei daher davon auszugehen, dass die fachbezogenen gehobenen Kenntnisse erwiesenermaßen auch erst ab diesem Zeitpunkt vorgelegen hätten. Gleichzeitig beweise das im Akt aufliegende Abschlusszeugnis des 5. Jahrganges mit negativer Beurteilung, dass vor diesem Zeitpunkt keine für die Ausübung einer gehobenen Praxis erforderlichen Kenntnisse vorgelegen haben können. Die gesetzliche Vermutung der Richtigkeit der vorgelegten (ersten) Praxisbestätigung sei damit eindeutig widerlegt, es wäre daher auch ohne dem korrigierten Zeugnis über den Antrag mangels Vorliegen der vorgeschriebenen Praxiszeit im Ausmaß von mindestens drei Jahren negativ zu entscheiden gewesen. Durch das korrigierte (zweite) Zeugnis der Arbeit­geberin habe diese darüber hinaus ihrerseits klargestellt, dass die für einen positiven Bescheid erforderliche gehobene Praxis ab dem Zeitpunkt des Nach­weises gehobener Kenntnisse (das sei der 18. Oktober 2006) absolviert worden sei.

 

 

II.1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsicht in die im Akt aufliegenden Unterlagen (wobei teilweise nur in Kopie aufliegende Urkunden noch ergänzend vom Bf im Original angefordert und vor­gelegt wurden). Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, da deren Durchführung nicht beantragt wurde und eine mündliche Verhandlung eine weitere Klärung der Entscheidungsgrundlagen auch nicht erwarten lässt. Der Sachverhalt ist hinreichend geklärt bzw. es konnte auf Basis der schriftlichen Unterlagen eine Entscheidung gefällt werden (vgl. Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahresrecht10 Rz. 804). Darüber hinaus wurde den Parteien mit Schreiben vom 17. März 2016 nochmals die Möglichkeit gegeben, zu den gegenständlich relevanten Rechtsfragen Stellung zu nehmen (welche von der belangten Behörde auch in Anspruch genommen wurde). Überdies wurde mit diesem Schreiben auch bekannt gegeben, dass das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich nicht beabsichtigt, eine mündliche Verhandlung von Amts wegen durchzuführen, und es wurden die Parteien auf­gefordert, sofern sie eine mündliche Verhandlung für notwendig erachten, dies mitzuteilen. Eine diesbezügliche Mitteilung durch die Parteien ist nicht erfolgt.

 

II.2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus:

 

Der Bf besuchte die H T B S, wobei er den 5. Jahrgang (Schuljahr 2003/2004) im Fach Mechanik am 26. Mai 2004 mit der Note 5 abschloss. Die Reife- und Diplomprüfung hat der Bf 2004 deswegen nicht bestanden, weil er nicht zur mündlichen Prüfung angetreten ist. Am 18. Oktober 2006 hat der Bf sowohl den 5. Jahrgang als auch die Reife- und Diplomprüfung positiv absolviert (Kopie der Jahresprüfungszeugnisse betreffend den 5. Jahrgang; E-Mail der H T B S vom 19. November 2015).

 

Der Bf war vom 16. November 2006 bis 31.Oktober 2007 bei der Firma E E M x als Konstrukteur tätig, wobei sein Aufgabengebiet in höchstem Maße ingenieur­mäßiges Wissen erforderte. Der Bf war weiters vom 14. April 2008 bis 31. Juli 2008 bei der Firma A C U E x beschäftigt, wobei der Bf in der Konstruktion im Bereich der Industrieanlagen tätig war und die Arbeiten ingenieurmäßiges Denken und Handeln voraussetzten. Zudem war der Bf vom 01. August 2008 bis 18. September 2009 bei der T P x beschäftigt, wobei der Bf als Versuchstechniker im Bereich Injektorenentwicklung tätig war und die Tätigkeit unter anderem den Aufbau der mechanischen Injektorkomponenten, die Überprüfung der Dichtheit, die Durchführung von Funktionstests im Dauer­versuch und die Erfassung, Dokumentation und Auswertung und der Prüfer­gebnisse umfasste. Er hat während diesen Zeiten eine Praxis absolviert, die gehobene Kenntnisse auf jenen Fachgebieten voraussetzt, auf denen Reife- und Diplomprüfungen abgelegt werden können (Dienstzeugnisse; angefochtener Bescheid; Angaben des Bf im Antrag).

 

Der Bf war vom 10. März 2005 bis 15. November 2006 bei der Firma e I beschäftigt und als Versuchstechniker an der Entwicklung von Hochdruckventilen für Common Rail Diesel Einspritzsysteme beteiligt. Er hat während dieser Zeit eine Praxis absolviert, die gehobene Kenntnisse auf jenen Fachgebieten voraussetzt, auf denen Reife- und Diplomprüfungen abgelegt werden können. Er konnte die ihm übertragenen Aufgaben zur vollsten Zufriedenheit bewältigen und verfügte über die notwendigen Kenntnisse (Dienstzeugnis).

 

II.3. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt sich aufgrund der im Akt aufliegenden Unterlagen, wobei die einzelnen Feststellungen vor allem auf den jeweils in Klammer angeführten Beweismitteln gründen. Ergänzend ist folgendes auszuführen: Die Feststellungen betreffend den Besuch der H T B S ergeben sich aus den Zeugnissen und der Mittelung der Schule an die belangte Behörde. Im Übrigen stimmt dies auch mit den Ausführungen der belangten Behörde überein und es ist der Bf dem nicht entgegengetreten. Dass der Bf bei der Firma E E M x, der Firma A C U E x und der Firma T P x in den angeführten Zeiträumen beschäftigt war, folgt aus den im Akt befindlichen Dienstzeugnissen dieser Unter­nehmen. Aus diesen Dienstzeugnissen ergeben sich auch die vom Bf durch­geführten Tätigkeiten. Angesichts der beschriebenen Tätigkeiten ergeben sich für das erkennende Landesverwaltungsgericht Oberösterreich auch keine Zweifel an den Ausführungen der belangten Behörde, wonach diese Zeiten eine anrechen­bare Praxiszeit im Sinne des § 2 Abs. 1 IngG 2006 darstellen, sohin gehobene Kenntnisse vorausgesetzt waren.

 

Die Feststellungen betreffend die Tätigkeit bei der Firma e I ergeben sich aufgrund folgender Überlegungen: Im Dienstzeugnis vom 26. Jänner 2016 wurde ein Praxiszeit für den Zeitraum vom 10. März 2005 bis 15. November 2006 bestätigt, wobei ausdrücklich festgehalten wurde, dass diese Praxis „gehobene Kenntnisse, auf jenen Fachgebieten [voraussetzt], auf denen Reife- und Diplomprüfungen abgelegt werden“ können und der Bf die Aufgaben zur vollsten Zufriedenheit erledigte. Dieses Dienstzeugnis spricht daher dafür, dass die gesamte Praxis vom 10. März 2005 bis 15. November 2006 gehobene Kenntnisse voraussetzte und der Bf auch in der Lage war, seine Aufgaben zu erfüllen, also auch über die erforderlichen gehobenen Kenntnisse verfügte. Auch aus dem Umstand, dass der Bf am 26. Mai 2004 den 5. Jahrgang im Fach Mechanik mit der Note 5 abschloss und die Reife- und Diplomprüfung sowie den 5. Jahrgang erst am 18. Oktober 2006 positiv absolvierte, ergeben sich für das erkennende Gericht keine Zweifel an der Richtigkeit der Bestätigung der Firma e I. Aufgrund der Zeugnisse ergibt sich letztlich allenfalls, dass der Bf im Mai 2004 noch nicht über die erforderlichen gehobenen Kenntnisse verfügte. Dass der Bf aber auch am 10. März 2005 noch nicht über die für die Ausübung einer gehobenen Praxis erforderlichen Kenntnisse verfügt hätte, lässt sich aus der negativen Beurteilung vom Mai 2004 nicht ableiten. Vielmehr spricht das Zeugnis vom Mai 2004, in welchem der Bf in allen Pflichtgegenständen ausgenommen dem Pflichtgegen­stand Mechanik positiv beurteilt wurde, dafür, dass er bereits im Mai 2004 über ein weitreichendes Wissen verfügte. Angesichts dessen erscheint es aber durch­aus realistisch, dass sich der Bf den im Mai 2004 noch fehlenden Teil der für die Ausübung einer gehobenen Praxis erforderlichen Kenntnisse bis März 2005 aneignen konnte. Aufgrund der im Akt aufliegenden Zeugnisse ergeben sich daher für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich keine Zweifel an der Richtigkeit der Angaben im Dienstzeugnis vom Jänner 2016. Derartige Zweifel entstehen auch nicht aus dem Umstand, dass die Firma e I letztlich drei Dienstzeugnisse mit (teilweise) unterschiedlichem Inhalt ausstellte. So ist zunächst zu berücksichtigen, dass sich die Zeugnisse nicht widersprechen, sondern lediglich in einer – offenbar über Anforderung durch die belangte Behörde ausgestellten – Fassung nur eine Praxiszeit ab 19. Oktober 2006 bestätigt wird, während ansonsten ein längerer Praxiszeitraum von der Bestätigung umfasst ist. Dass der Bf im Zeitraum vor dem 19. Oktober 2006 nicht bei der Firma e I beschäftigt gewesen wäre (bzw. daher auch keine Praxiszeiten erworben hätte), wird aber auch in der über Anforderung durch die belangte Behörde ausgestellten Fassung des Dienstzeugnisses nicht erklärt. Im Übrigen ist, zumal eine Berichtigung von Dienstzeugnissen zulässig ist, grund­sätzlich das jeweils jüngere Dienstzeugnis für die Beurteilung heranzuziehen. Es ist aus Sicht des erkennenden Gerichts auch davon auszugehen, dass von der Firma e I durch das Dienstzeugnis vom 26. Jänner 2016 klargestellt wurde, dass die gehobene Praxis bereits ab März 2005 absolviert wurde. Auf Basis dieses Dienstzeugnisses vom 26. Jänner 2016 ergibt sich aber auch der festgestellte Sachverhalt. Zweifel an der Richtigkeit dieses Dienstzeugnisses vom 26. Jänner 2016 bestehen für das erkennende Gericht nicht, insbesondere ergeben sich für das Gericht keine Hinweise darauf, dass von der Firma e I mit dem Dienstzeugnis vom 26. Jänner 2016 eine falsche Bestätigung abgegeben worden wäre.

 

III. In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen:

 

III.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Ingenieurgesetzes 2006, BGBl. I Nr. 120/2006, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 129/2013 (IngG 2006), lauten:

 

§ 2 IngG 2006:

Die Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung „Ingenieur“ ist Personen zu verleihen, die 1. a) die Reife- und Diplomprüfung nach dem Lehrplan inländi­scher höherer technischer und gewerblicher oder höherer land- und forstwirt­schaftlicher Lehranstalten erfolgreich abgelegt und b) eine mindestens drei­jährige fachbezogene Praxis absolviert haben, die gehobene Kenntnisse auf jenen Fachgebieten voraussetzt, auf denen Reife- und Diplomprüfungen abgelegt werden können, [...] nachweisen.

 

§ 4 Abs 4 bis 6 IngG 2006:

(4) Durch die Nachweise über die Praxis hat der Bewerber glaubhaft zu machen, dass er eine Praxis absolviert hat, die fachbezogene Kenntnisse auf jenen Fachgebieten voraussetzt, auf denen Reife- und Diplomprüfungen abgelegt werden können.

(5) Bei Bewerbern gemäß § 2 Z 1 und Z 2 ist bei Vorlage der Nachweise der Praxis der fachbezogenen Kenntnisse auf jenen Fachgebieten, auf denen Reife- und Diplomprüfungen abgelegt werden können, als gegeben anzunehmen, wenn diese im Zeugnis durch den Arbeitgeber bestätigt werden. Der Aussteller haftet für die Richtigkeit der Bestätigung.

(6) Die Verleihung ist durch den jeweils zuständigen Bundesminister zu beurkunden.

 

III.2. Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass der Bf die Reife- und Diplomprüfung nach dem Lehrplan inländischer h t L a erfolgreich abgelegt hat, sodass die Voraussetzung von § 2 Z 1 lit. a IngG 2006 erfüllt ist.

 

Der Bf hat (unstrittig) – wie sich ebenfalls aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt – nach Ablegung dieser Prüfung Praxiszeiten im Sinne des § 2 Z 1 lit. b IngG 2006 im Ausmaß von 2 Jahren, 5 Monaten und 15 Tagen erworben. § 2 Z 1 lit. b IngG 2006 verlangt auch nicht, dass die Praxis erst nach Absolvierung der vorgeschriebenen Prüfungen zurückgelegt wird. Die Praxis kann auch schon vorher erworben werden, wenn die gehobenen Kenntnisse zuvor auf andere Art erworben wurden (VwGH 06.03.2013, 2012/04/0156). Der Bf ist daher im Recht, wenn er darauf hinweist, dass die als Verleihungsvoraussetzung geforderte Praxis nach § 2 Z. 1 lit. b IngG 2006 nicht erst nach Absolvierung der Prüfungen nach § 2 Z. 1 lit. a IngG 2006 erlangt werden kann. Dies setzt aber voraus, dass schon vor diesen Prüfungen eine Praxis absolviert wird, die gehobene Kenntnisse auf jenen Fachgebieten voraussetzt, auf denen Reife- und Diplomprüfungen abgelegt werden können, und der Bewerber bei Ablegung der Praxis bereits über diese Kenntnisse verfügt (vgl. VwGH 06.03.2013, 2012/04/0156).

 

Die belangte Behörde geht aufgrund der Jahreszeugnisse der H T B S davon aus, dass beim Bf vor dem positiven Abschluss des 5. Jahrgangs im Oktober 2006 keine für die Ausübung einer gehobenen Praxis erforderlichen Kenntnisse vorgelegen haben (können). Dem ist entgegenzuhalten, dass aus dem Zeugnis vom Mai 2004 mit einer negativen Beurteilung in (nur) einem Pflichtgegenstand allenfalls folgt, dass zu diesem Zeitpunkt die erforderlichen gehobenen Kenntnisse noch nicht (vollständig) vorhanden waren, jedoch nicht, wann (nach diesem Zeitpunkt) die erforderlichen gehobenen Kenntnisse letztlich vom Bf erworben wurden. Insbesondere folgt aus einer negativen Beurteilung in einem einzigen Gegenstand im Abschlusszeugnis des 5. Jahrganges vom Mai 2004 nicht, dass auch noch im März des darauf folgenden Jahres keine ausreichenden gehobenen Kenntnisse vorgelegen hätten. Aus den verfahrensgegenständlichen Zeugnissen ergibt sich daher auch nicht, dass die gesetzliche Vermutung des § 4 Abs. 5 IngG 2006 in Bezug auf ein Zeugnis eines Arbeitgebers für den Zeitraum ab März 2005 widerlegt worden wäre. Vielmehr ist angesichts von § 4 Abs. 5 IngG 2006 für den Zeitraum ab März 2005 grundsätzlich davon auszugehen, dass bei Vorliegen einer Bestätigung, der zufolge Tätigkeiten ausgeführt wurden, bei denen gehobene Kenntnisse auf Fachgebieten vorausgesetzt werden, auf denen Reife- und Diplomprüfungen abgelegt werden können, der Nachweis als gegeben anzunehmen ist. Vergleichbar mit dem Sachverhalt des Erkenntnisses des VwGH vom 06.03.2013, 2012/04/0156, liegt auch im gegenständlichen Fall ein Zeugnis eines Arbeitgebers vor, demzufolge der Bf bereits ab dem 10. Marz 2005 eine Praxis erworben hat, bei der gehobene Kenntnisse auf Fachgebieten voraus­gesetzt werden, auf denen Reife- und Diplomprüfungen abgelegt werden können. Es ist daher auch im vorliegenden Fall die Erfüllung der Verleihungs­voraussetzung von § 2 Z. 1 lit. b IngG 2006 „durch die Bestätigung des Arbeitgebers als nachgewiesen anzunehmen“. Daran ändert auch die zwischen­zeitliche Fassung des Dienstzeugnisses der Firma e I, welche (nur) eine Praxis­zeit ab 19. Oktober 2005 bestätigt, nichts. Einerseits folgt auch aus dieser über Anforderung durch die belangte Behörde ausgestellten Fassung des Zeugnisses nur, dass jedenfalls ab 19. Oktober 2006 anrechenbare Praxiszeiten erworben wurden, hingegen folgt daraus nicht, dass vor 19. Oktober 2006 keine Praxis­zeiten vorliegen würden. Andererseits ist, zumal eine Berichtigung von Dienst­zeugnissen grundsätzlich zulässig ist (vgl. etwa Mayr, Arbeitsrecht § 1163 ABGB, E 18), grundsätzlich das jüngere (berichtigte) Dienstzeugnis für die Beurteilung heranzuziehen. Zweifel an der Richtigkeit des gegenständlich jüngeren Dienst­zeugnisses vom 26. Jänner 2016 ergeben sich im Übrigen aus den im Verfahren hervorgekommenen Umständen nicht. Vielmehr ist davon auszugehen, dass von der Firma e I durch das (dritte) Zeugnis vom 26. Jänner 2016 klargestellt wurde, dass die gehobene Praxis bereits ab März 2005 absolviert wurde. Unter Berücksichtigung der Praxiszeiten ab 10. März 2005 wurde aber vom Bf eine mindestens dreijährige fachbezogene Praxis im Sinne von § 2 Z. 1 lit. b absolviert.

 

Die Abweisung des Verleihungsantrages des Bf mangels Erfüllung der Voraus­setzungen des § 2 Z. 1 lit. b IngG 2006 war daher nicht rechtmäßig. Die Verleihungsvoraussetzungen liegen vor.

 

Da das Verwaltungsgericht grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden und somit nicht nur die gegen den verwaltungsbehördlichen Bescheid eingebrachte Beschwerde, sondern auch die Angelegenheit zu erledigen hat, die von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden war (vgl. etwa VwGH 09.09.2015, Ro 2015/03/0032), war spruchgemäß dem Antrag des Bf auf Verleihung der Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung „Ingenieur“ stattzugeben.

 

III.3. Da die Verleihung gemäß § 4 Abs. 6 IngG 2006 durch den zuständigen Bundesminister zu beurkunden ist, geht das Landesverwaltungsgericht Ober­österreich davon aus, dass vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zwar auszusprechen war, dass dem Bf die Berechtigung zur Führung der Standes­bezeichnung „Ingenieur“ zu verleihen ist bzw. antragsgemäß verliehen wird, jedoch die belangte Behörde in weiterer Folge eine Beurkundung der Verleihung im Sinne des § 4 Abs. 6 IngG 2006 vorzunehmen hat. Das Landesverwaltungs­gericht Oberösterreich hat auch mit Schreiben vom 17. März 2016 der belangten Behörde und dem Bf bekannt gegeben, dass angesichts von § 4 Abs. 6 IngG 2006, wonach die Verleihung vom Bundesminister „zu beurkunden“ ist, vorläufig davon ausgegangen wird, dass im Falle der Stattgabe der Beschwerde vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich auszusprechen ist, dass dem Bf die Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung zu verleihen ist, und die Möglichkeit eingeräumt, hierzu Stellung zu nehmen, wobei von den Parteien dem nicht entgegen getreten wurde.

 

III.4. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

IV. Zulässigkeit der ordentlichen Revision: Die ordentliche Revision ist zulässig, da – soweit ersichtlich – keine Rsp des VwGH zum IngG 2006 dahin­gehend vorliegt, ob im Falle des Vorliegens der Verleihungsvoraussetzungen auch unter Berücksichtigung von § 4 Abs. 6 IngG 2006 vom Landesverwaltungs­gericht Oberösterreich in der Sache zu entscheiden und auszusprechen ist, dass dem Antrag auf Verleihung der Berechtigung zur Führung der Standes­bezeichnung „Ingenieur“ stattgegeben wird.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Dr. Wiesinger