LVwG-601279/2/KLi/Bb

Linz, 13.05.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin           Dr. Karin Lidauer über die Beschwerde vom 23. Februar 2016 der M L, geb. 19xx, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. N N, R, G, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Brauanau am Inn vom 18. Jänner 2016, GZ VerkR96-6897-2015, wegen Übertretung des § 82 Abs. 8 des Kraftfahrgesetzes 1967 – KFG,

 

zu Recht  e r k a n n t :

 

 

I.          Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt.

 

II.         Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat die Beschwerdeführerin weder einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens noch einen Kostenbeitrag zum behördlichen Verfahren zu leisten (§ 38 VwGVG iVm § 66 Abs. 1 VStG).

 

III.        Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn (im Folgenden: belangte Behörde) warf M L (Beschwerdeführerin – im Folgenden kurz: Bf) mit Straferkenntnis vom 18. Jänner 2016, GZ VerkR96-6897-2015, eine Verwaltungsübertretung gemäß § 82 Abs. 8 2. Satz KFG vor und verhängte gemäß § 134 Abs. 1 KFG eine Geldstrafe in Höhe von 220 Euro, ersatzweise eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 96 Stunden. Weiters wurde der Bf von der belangten Behörde gemäß § 64 Verwaltungsstrafgesetz - VStG ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 22 Euro auferlegt.

 

Dem Schuldspruch liegt folgender Tatvorwurf zugrunde (auszugsweise Wiedergabe):

 

„Sie haben als Benutzer eines Fahrzeuges mit einem ausländischen Kennzeichen dieses länger als 1 Monat nach der Einbringung des Fahrzeuges nach Österreich verwendet, obwohl Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit dem Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht und in diesem verwendet werden, bis zum Gegenbeweis als Fahrzeug mit dem dauernden Standort im Inland anzusehen sind. Die Verwendung solcher Fahrzeuge ohne Zulassung gemäß § 37 KFG ist nur während eines Monats ab ihrer Einbringung in das Bundesgebiet zulässig. Das KFZ wurde im Mai 2010 in Österreich eingebracht. Sie haben Ihren Hauptwohnsitz in Österreich und haben das KFZ zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort verwendet.

 

Tatort: Gemeinde St. Pantaleon, Gemeindestraße Ortsgebiet, R, G.

 

Tatzeit: 27.11.2015, 15:45 Uhr.

 

Fahrzeug:
Kennzeichen SLK-x, PKW, Volkswagen Sharan.“

 

In ihrer Begründung führte die belangte Behörde ua. aus, dass die Verwaltungsübertretung aufgrund der vorliegenden Anzeige der Polizeiinspektion Ostermiething vom 28. November 2015, GZ VStV/915100583030/001/2015, festgestellt und als erwiesen anzusehen sei. Die mit 220 Euro festgesetzte Geldstrafe wurde unter Hinweis auf § 19 VStG, der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit der Bf, dem Nichtvorliegen von straferschwerenden Gründen und den geschätzten persönlichen Verhältnissen der Bf begründet.

 

II. Gegen dieses Straferkenntnis, zugestellt am 26. Jänner 2016, richtet sich die vorliegende, durch die rechtsfreundliche Vertretung der Bf mit Schriftsatz vom 23. Februar 2016 rechtzeitig erhobene Beschwerde, in der die Aufhebung des Straferkenntnisses und die Verfahrenseinstellung, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Abführung der bisher unerledigt gebliebenen Beweisanträge sowie in eventu eine Ermahnung bzw. Herabsetzung der Geldstrafe begehrt wird.

 

Im Rechtsmittel hat die Bf ausdrücklich bestritten, dass die Einbringung des Fahrzeuges im Mai 2010 erfolgt sei. Diese Angabe in der Anzeige der Polizeiinspektion Ostermiething entspreche nicht den Tatsachen. Die Bf hat auch in Abrede gestellt, dass das verfahrensgegenständliche Fahrzeug permanent über den gesetzlichen 1-Monats-Zeitraum dauerhaft in Österreich gelenkt worden sei. Wie der Anzeige zu entnehmen sei, sei niemals eine Anhaltung erfolgt und sei daher auch niemals erhoben und festgestellt worden, ob sich das Fahrzeug dauerhaft im Staatsgebiet der Republik Österreich befunden oder es nur mehrfache Einfuhren des Fahrzeuges nach Österreich gegeben habe.

 

Die Annahme des Meldungslegers, dass sich das Fahrzeug bereits mehrere Jahre durchgehend auf österreichischem Staatsgebiet befunden habe, sei unrichtig. Dies sei auch dadurch bewiesen, dass sie beispielsweise im Zeitraum von 26. Juni 2014 bis 21. August 2015 einen auf sie zugelassenen Pkw, Opel Corsa mit dem österreichischen Kennzeichen BR-x besessen und gelenkt habe.

 

Wie aus den beiliegenden medizinischen Unterlagen ersichtlich sei, habe sie sich am 22. September 2015 den rechten Fuß gebrochen, weshalb ihr die Nutzung eines Fahrzeuges für mehrere Monate gar nicht möglich gewesen sei. Das Fahrzeug sei wiederkehrend in der Bundesrepublik Deutschland bewegt worden. Vor allem im Zeitraum von einem Monat nach dem angelasteten Tatzeitpunkt und auch über Monate davor sei das Fahrzeug von dritten Personen außerhalb von Österreich - z. B. am 14. Sepember 2015 in Tittmoning und Burghausen, am 21. September 2015 in Tittmoning, am 23. September 2015 in Burghausen, am 16. Oktober 2015 wiederrum in Tittmoning sowie am 22. Oktober, 7. November, 14. November, 19. November und 27. November 2015 in Burghausen - gelenkt worden.

 

Als richtig gestand die Bf zu, einen Wohnsitz in Österreich zu haben. Tatsächlich habe sie aber auch in Deutschland an der Adresse S (Elbe), S einen weiteren ordentlichen Wohnsitz. Weiters wies die Bf darauf hin, dass der verfahrensgegenständliche VW Sharan zwischenzeitig abgemeldet bzw. außer Betrieb gesetzt worden sei.

 

III.a) Die belangte Behörde hat die Beschwerde dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit Vorlageschreiben vom 23. Februar 2016 unter Anschluss des Verwaltungsstrafaktes mit der GZ VerkR96-6897-2015 zur Entscheidung vorgelegt, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu fällen.

 

Mit der Aktenvorlage wurde die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung begründet (Art. 130 Abs. 1 Z 1 iVm Art. 131 Abs. 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art. 135 Abs. 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelrichterin.

 

b) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt und das Beschwerdevorbringen.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte trotz entsprechenden Antrages der Bf Abstand genommen werden, da aufgrund der Aktenlage fest steht, dass das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist (§ 44 Abs. 2 VwGVG). 

 

c) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht von folgendem entscheidungsrelevantem Sachverhalt aus:

 

Gemäß der Anzeige der Polizeiinspektion Ostermiething vom 28. November 2015 wurde die Bf am 27. November 2015 um 15.45 Uhr in der Gemeinde                St. Pantaleon in R auf dem G im Zuge einer Fahrzeuganhaltung beanstandet, weil sie den auf ihre Mutter M O, wohnhaft S, S, Deutschland, zugelassenen Pkw, VW Sharan, mit  dem deutschen Kennzeichen SLK-x im Ergebnis rechtswidrig in Österreich betrieben hätte.

 

Der Meldungsleger führt in der Anzeige aus, dass der beanstandete Pkw in der Vergangenheit mehrmals aufgefallen sei, es zu einer Anhaltung mit entsprechender Kontrolle bislang aber nicht gekommen sei. Nach anfänglichen Ausreden habe die Bf im Rahmen der Anhaltung eingestanden, dass sie seit Mai 2010 den auf ihre Mutter zugelassenen Pkw mit deutschem Kennzeichen überwiegend in Österreich verwende.

 

Die Bf gab im Verfahren vor der belangten Behörde als auch in der Beschwerde an, dass die Annahme, das Fahrzeug befände sich bereits mehrere Jahre durchgehend auf österreichischem Staatsgebiet unrichtig sei. Das Fahrzeug sei nie über den Zeitraum eines Monats in Österreich verwendet worden. Dies sei ua. dadurch bewiesen, dass sie im Zeitraum von 26. Juni 2014 bis 21. August 2015 einen Pkw mit österreichischem Kennzeichen besessen und gelenkt habe.

 

Laut Ambulanzbefund vom 27. Jänner 2016 der Abteilung Unfallchirurgie des Krankenhauses St. J B zog sich die Bf am 22. September 2015 eine Fraktur des rechten Vorfußes zu. Aus diesem Grund ist ihr eine Nutzung des in Rede stehenden Fahrzeuges gesundheitsbedingt für mehrere Monate nicht möglich gewesen. Das Fahrzeug ist in diesem Zeitraum wiederkehrend in der Bundesrepublik Deutschland bewegt worden. So ist der Pkw etwa am 16. Oktober 2015 in Tittmoning sowie am 22. Oktober, 7. November, 14. November, 19. November und 27. November 2015 in Burghausen gelenkt worden.

 

Die Bf ist seit 1. August 2008 in Österreich mit Hauptwohnsitz an der Adresse N, O gemeldet. Überdies verfügt sie auch in Deutschland in S (Elbe), S über einen Wohnsitz.

 

d) Beweiswürdigung:

 

Dass die Bf den Pkw, VW Sharan, mit dem deutschen Kennzeichen SLK-x, wie ihr im behördlichen Straferkenntnis vorgeworfen wurde, im Mai 2010 nach Österreich eingebracht hat und seither überwiegend im Inland verwendet, ergibt sich ausschließlich aus dem Inhalt der polizeilichen Anzeige vom 28. November 2015, wonach die Bf dies anlässlich der Anhaltung am 27. November 2015 nach anfänglichen Ausreden angegeben habe. Sowohl im behördlichen Verfahren als auch in der Beschwerde hat die Bf dies aber ausdrücklich in Abrede gestellt, sodass sich dieser Vorhalt mangels sonstiger konkreter Fakten auf keinerlei sachlich begründbare Anhaltspunkte stützen lässt.

 

Tatsächlich wurde die Bf am 27. November 2015 erstmalig mit dem in Deutschland zugelassenen Kraftfahrzeug in Österreich betreten. Da § 82 Abs. 8 Satz 2 KFG die Verwendung solcher Fahrzeuge „nur während eines Monats ab der erstmaligen Einbringung in das Bundesgebiet“ als zulässig ansieht, ist daher entscheidungswesentlich, ob die Bf dieses Fahrzeug im Zeitraum von zumindest 27. Oktober 2015 bis 27. November 2015 in Österreich verwendet hat.

 

Die Bf hat durch entsprechende Nachweise belegt, dargetan, dass sie im September 2015 einen Bruch des rechten Beines erlitten hat und ihr daher für mehrere Monate das Lenken eines Fahrzeuges nicht möglich war.

 

Sie hat auch durchaus glaubhaft aufgezeigt, dass sich der betreffende Pkw im fraglichen Zeitraum – vor allem im Oktober und November 2015 - wiederkehrend an verschiedenen Orten in Deutschland befunden hat und auch dort gelenkt wurde.

 

Ihr Vorbringen über die Verwendung des Pkws im Zeitraum von Ende Oktober 2015 bis zum Zeitpunkt der Kontrolle am 27. November 2015 erscheint schlüssig und nachvollziehbar und kann aufgrund mangelnder gegenteiliger Beweisgrundlagen nicht widerlegt werden. Im Ergebnis ist daher der Version der Bf zu folgen.

 

 

IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

 

a) § 82 Abs. 8 KFG bestimmt, dass Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit dem Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht oder in diesem verwendet werden, bis zum Gegenbeweis als Fahrzeug mit dem dauernden Standort im Inland anzusehen sind. Die Verwendung solcher Fahrzeuge ohne Zulassung gemäß § 37 ist nur während eines Monats ab der erstmaligen Einbringung in das Bundesgebiet zulässig. Eine vorübergehende Verbringung aus dem Bundesgebiet unterbricht diese Frist nicht. Nach Ablauf eines Monats ab der erstmaligen Einbringung in das Bundesgebiet sind der Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln der Behörde, in deren örtlichem Wirkungsbereich sich das Fahrzeug befindet, abzuliefern. Wenn glaubhaft gemacht wird, dass innerhalb dieses Monats die inländische Zulassung nicht vorgenommen werden konnte, darf das Fahrzeug ein weiteres Monat verwendet werden. Danach sind der Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln der Behörde, in deren örtlichem Wirkungsbereich sich das Fahrzeug befindet, abzuliefern. Die Ablieferung begründet keinen Anspruch auf Entschädigung.

 

Gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegene Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet.

 

b) Wie im Rahmen der Beweiswürdigung unter Punkt II.d) dargestellt, kann weder der Nachweis erbracht werden, dass die Bf den Pkw, VW Sharan, mit dem deutschen Kennzeichen SLK-x tatsächlich im Mai 2010 nach Österreich eingebracht noch, dass sie diesen im Zeitraum (zumindest) von 27. Oktober 2015 bis 27. November 2015 in Österreich benützt hat.

 

In Anbetracht dessen war der Beschwerde stattzugeben, das behördliche Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 38 VwGVG iVm § 45 Abs. 1 Z 1 VStG einzustellen. Weitere Feststellungen und Ausführungen konnten damit unterbleiben.

 

 

V. Aufgrund der Einstellung des Strafverfahrens entfällt für die Bf gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Beschwerdeverfahren als auch gemäß § 66 Abs. 1 VStG iVm § 38 VwGVG zur Bezahlung eines Beitrages zu den Kosten des behördlichen Verfahrens.

 

 

VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des
Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

Dr.  Karin  L i d a u e r