LVwG-700131/2/MB/BD

Linz, 31.03.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Markus Brandstetter über die Beschwerde der A B, Innenstadtbereich, L, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 4. November 2015, GZ: VStV/915301261769/2015, wegen einer Übertretung des Polizeistrafgesetzes

 

zu Recht   e r k a n n t :

I.         Die Beschwerde wird gem. § 50 VwGVG abgewiesen und das Straferkenntnis der belangten Behörde bestätigt.

 

II.      Gemäß § 52 VwGVG hat die Beschwerdeführerin einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von 20 Euro zu leisten.

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision der Beschwerdeführerin an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I.

 

1. Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 4. November 2015, GZ: VStV/915301261769/2015, wurde über die Beschwerdeführerin (in der Folge: Bf) gemäß § 10 Abs. 1 lit. b Oö. Polizeistrafgesetz eine Geldstrafe in der Höhe von 100 Euro sowie im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen 2 Stunden verhängt.

 

Die belangte Behörde führt dabei folgenden Tatvorwurf an:

 

„Sie haben wie am 25.08.2015 um 15:00 Uhr in 4020 Linz, Landstraße x, Linz, Landstraße Höhe Hausnummer x. festgestellt wurde, in aufdringlicher oder aggressiver Weise von Person zu Person gehend durch Anfassen oder unaufgefordertes Begleiten oder Beschimpfen um Geld oder geldwerte Sachen an einem öffentlichen Ort gebettelt bzw. sind Sie von Ort zu Ort oder von Haus zu Haus umhergezogen, wobei Sie eine unmündige minderjährige Person E K M beim Betteln mitgeführt haben.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 1a Abs. 3 Oö. Polizeistrafgesetz

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von falls diese uneinbringlich ist, Gemäß

Ersatzfreiheitsstrafe von

100,00 Euro 2 Tage(n) 2 Stunde(n) § 10 Abs. 1 lit. b Oö.

0 Minute(n) Polizeistrafgesetz

 

Ferner hat der Beschuldigte gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen: € 10,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe, mindestens jedoch 10 Euro (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich € 100,00 angerechnet).

 

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

110,00 Euro

 

 

Zahlungsfrist:

 

Wird keine Beschwerde erhoben, so ist dieses Straferkenntnis sofort vollstreckbar. Der Gesamtbetrag (Strafe, Kosten, Barauslagen) ist sodann binnen zwei Wochen nach Eintritt der Rechtskraft des Straferkenntnisses entweder mit dem beiliegenden Zahlschein zu überweisen oder bei uns einzuzahlen. Bitte bringen Sie in diesem Fall das Straferkenntnis mit.

 

Erfolgt binnen dieser Frist keine Zahlung, kann der gesamte Betrag eingemahnt werden. In diesem Fall ist ein pauschalierter Kostenbeitrag in der Höhe von 5 Euro zu entrichten. Erfolgt dennoch keine Zahlung wird der ausstehende Betrag vollstreckt und im Falle seiner Uneinbringlichkeit die diesem Betrag entsprechende Ersatzfreiheitsstrafe vollzogen.“

 

Begründend führt die belangte Behörde ua. zunächst zum Sachverhalt aus:

 

„Der Tatbestand der Ihnen zur Last gelegten -Verwaltungsübertretung ist durch die eigene dienstliche Wahrnehmung der Beamten des SPK der Stadt Linz, der hierüber vorgelegten Anzeige vom 26.08.2015 sowie aufgrund des behördlich durchgeführten Ermittlungsverfahrens zweifelsfrei erwiesen.

 

Es steht daher fest, dass Sie die im Spruch angeführte Verwaltungsübertretung begangen haben.

 

Gegen die Strafverfügung vom 28.8.2015 erhoben Sie fristgerecht einen schriftlichen unbegründeten Einspruch.

 

 

Mit Aufforderung vom 16.09.2015 wurde Ihnen der gesamte Akteninhalt zur Kenntnis gebracht und wurden Sie zur Rechtfertigung binnen einer Frist von 2 Wochen aufgefordert. Gleichzeitig wurden Sie aufgefordert, die Ihrer Verteidigung dienlichen Beweismittel bekanntzugeben. Die Aufforderung zur Rechtfertigung enthielt gemäß § 42 Abs. 1 VStG die Androhung, dass das Strafverfahren ohne Ihre Anhörung durchgeführt wird, falls Sie dieser keine Folge leisten.

 

Laut Rückschein wurde Ihnen die Aufforderung am 18.09.2015 zu eigenen Händen zugestellt. Sie haben weder innerhalb der Frist von zwei Wochen noch bis zum heutigen Tag eine Stellungnahme abgegeben, sodass das Strafverfahren, wie bereits angedroht, ohne Ihre Anhörung durchgeführt wurde.

 

Gemäß § 1a Abs,3 Pol. StG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer eine unmündige minderjährige Person beim Betteln, in welcher Form auch immer, mitführt.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 lit. b OÖ. Pol. StG sind Verwaltungsübertretungen gemäß § 1a Abs.3 Pol. StG mit Geldstrafe bis zu € 720,- zu bestrafen.

 

In der Sache selbst bestand für die erkennende Behörde keinerlei Anlass, an der Richtigkeit des angezeigten Sachverhaltes zu zweifeln, zumal dieser vom Meldungsleger in der Anzeige glaubwürdig und schlüssig geschildert wurde. Da von Ihnen weitere Angaben im Strafverfahren unterblieben sind, war für die erkennende Behörde erwiesen, dass Sie tatsächlich gegen die angeführte Bestimmung des OÖ. Polizeistrafgesetzes verstoßen haben, weshalb nun spruchgemäß zu entscheiden war.

 

 

Bei der Bemessung der Strafe wurde das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat, berücksichtigt.

 

Die verhängte Geldstrafe entspricht dem Unrechts- und dem Schuldgehalt der Tat und erscheint der Behörde notwendig, Sie in Hinkunft von der Begehung derartiger Übertretungen abzuhalten.

 

Der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit kam Ihnen nicht mehr zugute.

 

Bei der Strafbemessung wurde davon ausgegangen, dass Sie kein hierfür relevantes Vermögen besitzen und auch kein Einkommen beziehen.

 

Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.“

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende rechtzeitig eingebrachte Beschwerde der Bf vom 18. November 2015, worin wie folgt ausgeführt und beantragt wird.

 

„Gegen das Straferkenntnis der LPD Oberösterreich vom 04.11.2015 mit der GZ VstV/915301261769/2015 erhebe ich hiermit in der offenen Frist Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich wegen Gesetzwidrigkeit und stelle den Antrag, das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich möge das hier angefochtene Straferkenntnis aufheben und das gegen mich eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren einstellen.

 

Zur Begründung führe ich aus:

 

Aufgrund der schwierigen finanziellen und wirtschaftlichen Lage in meiner Heimat Rumänien ist es mir nicht möglich, ein existenzsicherndes Einkommen zu erwerben. Auch in Österreich bin ich aufgrund eines Mangels an Arbeitsplätzen darauf angewiesen, mein Einkommen durch stilles (und somit erlaubtes) Betteln zu sichern.

 

Die im Strafbescheid angeführte minderjährige Person E K M ist mir unbekannt. Ich war mit meinem Sohn D R unterwegs. Es ist meine gesetzliche Pflicht, mich um das Wohlergehen meines minderjährigen Kindes zu sorgen. Da ich keinen Zugang zu Betreuungsplätzen für mein Kind habe und ich es nicht gefährden will, indem ich es alleine an einem öffentlichen Ort zurücklasse, kann ich mein Recht auf Betteln nur ausüben, wenn ich mein Kind zum Betteln mitnehme. Mein Kind ist im Sommer 2014 geboren und kann daher nicht allein in einem Park oder im Zelt, in dem wir schlafen, bleiben. Zusätzlich stille ich meinen Sohn.

 

Daher beschneidet mich die derzeitige gesetzliche Regelung in meinen Rechten -vor allem erlaubt sie mir nicht, von meinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch zu machen, ohne dabei das Kindeswohl zu gefährden.

 

Auf diesem Hintergrund ersuche ich, meiner Beschwerde Folge zu geben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.“

 

3. Mit Schreiben vom 9. Dezember 2015 legte die Landespolizeidirektion Oberösterreich den in Rede stehenden Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung vor.

 

 

II.

 

1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt und das Beschwerdevorbringen. Gem. § 44 Abs. 3 VwGVG konnte von der Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

2. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt erweist sich insofern als unstrittig als die Bf einerseits selbst anführt gebettelt zu haben – zwar still – andererseits das Mitführen ihres Sohnes (geboren 2014) vorbringt. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich stellt daher nachfolgenden Sachverhalt fest: Die Bf hat am 25.8.2015 um 15.00 Uhr auf der Landstraße x in Linz gebettelt, und dabei ihren 2014 geborenen Sohn mitgeführt. Darüber hinaus ist festzustellen, dass die Bf 5 einschlägige rechtskräftige Verwaltungsvorstrafen gegen sich gelten lassen muss.

 

 

III.

 

1. Gem. § 1a Abs. 3 Oö. Polizeistrafgesetz, LGBl 36/1979 in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung (in der Folge: Oö. PolStG) begeht eine Verwaltungsübertretung, wer eine unmündige minderjährige Person beim Betteln, in welcher Form auch immer, mitführt.

 

Gem. § 10 Oö. PolStG sind Verwaltungsübertretungen gemäß den §§ 1, 1a, § 2 Abs. 2 und § 3 Oö. PolStG von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist, von der Landespolizeidirektion, bei Übertretungen nach § 1a Abs. 1, 3 und 4 und § 2 Abs. 2 Oö. PolStG mit Geldstrafe bis 720 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu einer Woche zu bestrafen.

 

2. § 1a Abs. 3 Oö. PolStG knüpft an das Betteln schlechthin an (arg. „...in welcher Form auch immer...“). Es ist nicht erforderlich, dass das Betteln tatbildlich gem. § 1a Abs. 1 Oö. PolStG ist. Gefordert wird lediglich, dass beim Betteln eine minderjährige unmündige Person mitgeführt wird. Als derartige unmündige minderjährige Personen sind Personen zu verstehen, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Blg 317/2011 StenProt LT 27. GP, 4). Insofern tritt zum Schutz der Passanten und dem Schutz der bettelnden Personen vor Ausbeutung auch der Schutz von Kindern zum Schutzzweck der Norm hinzu (Blg 1172/2014 StenProt LT 27. GP, 4).

 

3. Vor diesem Hintergrund gilt es das Verhalten der Bf einzuordnen. Wie die Bf selbst angibt, hat sie (still) gebettelt (Beschwerde 2. Absatz). Hinzutritt, dass die Bf nach eigenen Angaben bei diesem Vorgang ihren Sohn (D R) bei sich hatte und ihr Sohn im Sommer 2014 geboren wurde. Insofern hat der Sohn der Bf auch das 14. Lebensjahr nicht überschritten. Das Tatbild des § 1a Abs. 3 Oö. PolStG ist sohin als erfüllt anzusehen.

 

4. § 1a Abs. 3 Oö. PolStG stellt ein Ungehorsamsdelikt dar. Die Bf hat keine dem § 5 VStG entsprechende Glaubhaftmachung dargelegt und sind derartige Umstände auch nicht indiziert. Sohin ist die subjektive Tatseite als erfüllt anzusehen.

 

5. Mit ihrem weiteren Vorbringen vermag die Bf auch keinen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund aufzuzeigen. Insbesondere der implizit angesprochene wirtschaftliche Notstand – sei es in direkter oder indirekter Form – vermag die Bf weder zu rechtfertigen noch zu entschuldigen (s dazu grundlegend Kienapfel/Höpfel/Kert, Strafrecht Allgemeiner Teil14, Z 12 Rz 10, 29 und Z 20 Rz 12 mwN). Eine rechtfertigende Pflichtenkollision scheidet aufgrund des Nichtvorliegens der Rechtfertigungssituation ebenso aus.

 

Auch die Falschangabe des Namens des beim Bettelvorgang anwesenden Kindes vermag keinen entscheidungserheblichen Mangel – v.a. vor dem Hintergrund des § 44a VStG – darstellen, da tatbildlich nur der Umstand der unmündigen Minderjährigkeit des sonst anwesenden Kindes ist. Insofern war die Bf in jeder Lage des Verfahrens (s dazu Aufforderung zur Rechtfertigung vom 16.9.2015) befähigt sich zu verteidigen.

 

Verfassungsrechtliche Bedenken entstehen beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vor dem Hintergrund der Ausführungen der Bf in der Beschwerde nicht – v.a. im Hinblick auf Art. 10 EMRK.

 

6. Betreffend die Strafbemessung gilt es festzuhalten, dass diese von der Bf in ihrer Beschwerde nicht bekämpft wird (§ 27 VwGVG) und für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich auch keine Umstände ersichtlich sind von der Strafbemessung der belangten Behörde abzuweichen.

 

7. In diesem Sinn war der Bf auch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem LVwG in der Höhe von 20 % der verhängten Strafe aufzuerlegen (vgl. § 52 VwGVG).

 

 

IV.

Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde / der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Markus Brandstetter