LVwG-700141/3/MZ

Linz, 30.03.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Markus Zeinhofer über die Beschwerde der M M, geb x, Innenstadtbereich, L, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 3.12.2015, GZ: VStV/915301313390/2015, wegen einer Übertretung des Polizeistrafgesetzes

 

zu Recht   e r k a n n t :

I.         Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

 

II.      Gemäß § 52 Abs 2 VwGVG hat die Beschwerdeführerin einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von 20,- Euro zu leisten.

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision der Beschwerdeführerin an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I.

 

I. Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 3.12.2015, GZ: VStV/915301313390/2015, wurde über die Beschwerdeführerin (in der Folge: Bf) gemäß § 10 Abs 1 lit b Oö. Polizeistrafgesetz eine Geldstrafe in der Höhe von 100,- Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen und 2 Stunden, verhängt.

 

Die belangte Behörde führt dabei folgenden Tatvorwurf an:

 

„Sie haben wie am 03.09.2015 um 11:35 Uhr in 4040 Linz, Hauptstraße x, festgestellt wurde, um Geld oder geldwerte Sachen an einem öffentlichen Ort gebettelt und dabei eine unmündige minderjährige Person – ein Kleinkind – mitgeführt.

 

Der Beschuldigte hat dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 1a Abs. 3 Oö. Polizeistrafgesetz

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:

Geldstrafe von falls diese uneinbringlich ist, Gemäß

Ersatzfreiheitsstrafe von

100,00 Euro 2 Tage(n) 2 Stunde(n) § 10 Abs. 1 lit. b Oö.

0 Minute(n) Polizeistrafgesetz“

 

Begründend führt die belangte Behörde ua. zunächst zum Sachverhalt aus:

 

„Der Tatbestand der Ihnen zur Last gelegten -Verwaltungsübertretung ist durch die eigene dienstliche Wahrnehmung der einschreitenden Beamten des SPK Linz, der hierüber vorgelegten Anzeige vom 5.9.2015 sowie aufgrund des behördlich durchgeführten Ermittlungsverfahrens zweifelsfrei erwiesen.

 

Es steht daher fest, dass Sie die im Spruch angeführte Verwaltungsübertretung begangen haben.

 

Gegen die Strafverfügung vom 7.9.2015 erhoben Sie fristgerecht einen schriftlichen, unbegründeten Einspruch.

 

Mit Aufforderung vom 16.09.2015 wurde Ihnen der gesamte Akteninhalt zur Kenntnis gebracht und wurden Sie zur Rechtfertigung binnen einer Frist von zwei Wochen aufgefordert. Gleichzeitig wurden Sie aufgefordert, die Ihrer Verteidigung dienlichen Beweismittel bekanntzugeben. Die Aufforderung zur Rechtfertigung enthielt gemäß § 42 Abs. 1 VStG die Androhung, dass das Strafverfahren ohne Ihre Anhörung durchgeführt wird, falls Sie dieser keine Folge leisten.

 

In Ihrer schriftlichen Rechtfertigung vom 18.11.2015 gaben Sie an, dass Sie in Begleitung Ihres Kindes still um Geldspenden ersucht haben.

 

Gemäß § 1a Abs.3 Pol. StG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer eine unmündige minderjährige Person beim Betteln, in welcher Form auch immer, mitführt.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 lit. b OÖ. Pol. StG sind Verwaltungsübertretungen gemäß § 1a Abs.3 Pol. StG mit Geldstrafe bis zu € 720,- zu bestrafen.

 

In der Sache selbst bestand für die erkennende Behörde keinerlei Anlass, an der Richtigkeit des angezeigten Sachverhaltes zu zweifeln, zumal dieser vom Meldungsleger glaubwürdig und schlüssig geschildert und in Ihrer Rechtfertigung vom 24.8.2015 [sic] auch bestätigt wurde. Somit war für die Behörde erwiesen, dass Sie tatsächlich gegen die angeführte Bestimmung des OÖ. Polizeistrafgesetzes verstoßen haben, weshalb nun spruchgemäß zu entscheiden war.

 

Bei der Bemessung der Strafe wurde das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat, berücksichtigt.

 

Die verhängte Geldstrafe entspricht dem Unrechts- und dem Schuldgehalt der Tat und erscheint der Behörde notwendig, Sie in Hinkunft von der Begehung derartiger Übertretungen abzuhalten.

 

Der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit kam Ihnen nicht mehr zugute.

 

Bei der Strafbemessung wurde davon ausgegangen, dass Sie kein hierfür relevantes Vermögen besitzen und auch kein Einkommen beziehen.

 

Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.“

 

II. Gegen das in Rede stehende Straferkenntnis richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde der Bf vom 10.2.2016, worin wie folgt ausgeführt und beantragt wird:

 

„Gegen das Straferkenntnis der LPD Oberösterreich vom 03.12.2015 mit der GZ VstV/915301313390/2015 erhebe ich hiermit in der offenen Frist Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich wegen Gesetzwidrigkeit und stelle den Antrag, das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich möge das hier angefochtene Straferkenntnis aufheben und das gegen mich eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren einstellen.

 

Zur Begründung führe ich aus:

 

Aufgrund der schwierigen finanziellen und wirtschaftlichen Lage in meiner Heimat Rumänien ist es mir nicht möglich, ein existenzsicherndes Einkommen zu erwerben. Auch in Österreich bin ich aufgrund eines Mangels an Arbeitsplätzen darauf angewiesen, mein Einkommen durch stilles (und somit erlaubtes) Betteln zu sichern.

 

Gleichzeitig ist es aber auch meine gesetzliche Pflicht, mich um das Wohlergehen meines minderjährigen Kindes zu sorgen. Da ich keinen Zugang zu Betreuungsplätzen für mein Kind habe und ich es nicht gefährden will, indem ich es alleine an einem öffentlichen Ort zurücklasse, kann ich mein Recht auf Betteln nur ausüben, wenn ich mein Kind zum Betteln mitnehme.

 

Daher beschneidet mich die derzeitige gesetzliche Regelung in meinen Rechten – vor allem erlaubt sie mir nicht, von meinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch zu machen, ohne dabei das Kindeswohl zu gefährden.

 

Auf diesem Hintergrund ersuche ich, meiner Beschwerde Folge zu geben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.“

 

III.a) Die belangte Behörde hat die Beschwerde unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsstrafaktes, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art 130 Abs 1 Z 1 iVm 131 Abs 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art 135 Abs 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

 

b) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ergibt sich unstrittig aus den Punkten I. und II.. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde von keiner der Parteien beantragt. Von dieser konnte daher gem § 44 Abs 3 Z 1 VwGVG abgesehen werden, da es sich bei der hier zu beurteilenden Frage um eine reine Rechtsfrage handelt.

 

Darüber hinaus ist festzuhalten, dass die Bf zum Tatzeitpunkt vier einschlägige Vormerkungen aufweist.

 

IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

a) Nach § 1a Abs 1 Oö. Polizeistrafgesetz, LGBl 36/1979 in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung (in der Folge: Oö. PolStG) begeht eine Verwaltungsübertretung, wer „in aufdringlicher oder aggressiver Weise, wie durch Anfassen oder unaufgefordertes Begleiten oder Beschimpfen, um Geld oder geldwerte Sachen an einem öffentlichen Ort bettelt oder von Ort zu Ort oder von Haus zu Haus umherzieht, um so zu betteln, oder gewerbsmäßig oder als Beteiligter einer organisierten Gruppe in dieser Weise bettelt“.

 

Gemäß § 1a Abs 3 OÖ. PolStG begeht eine Verwaltungsübertretung, „[w]er eine unmündige minderjährige Person beim Betteln, in welcher Form auch immer, mitführt“.

 

Gemäß § 10 Oö. PolStG sind Verwaltungsübertretungen gemäß den §§ 1, 1a, § 2 Abs 2 und § 3 Oö. PolStG von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist, von der Landespolizeidirektion, bei Übertretungen nach § 1a Abs 1, 3 und 4 und § 2 Abs. 2 Oö. PolStG mit Geldstrafe bis 720 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu einer Woche zu bestrafen.

 

b) § 1a Abs 3 Oö. PolStG knüpft, anders als Abs 1 leg cit, an das Betteln schlechthin an (arg. „...in welcher Form auch immer...“). Es ist hingegen nicht erforderlich, dass das Betteln tatbildlich gem § 1a Abs 1 Oö. PolStG, also etwa aggressiv, aufdringlich oder oä, ist. Gefordert wird lediglich, dass beim Betteln eine minderjährige unmündige Person mitgeführt wird. Als derartige unmündige minderjährige Personen sind Personen zu verstehen, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Blg 317/2011 StenProt LT 27. GP 4). Insofern tritt zum Schutz der Passanten und dem Schutz der bettelnden Personen vor Ausbeutung auch der Schutz von Kindern zum Schutzzweck der Norm hinzu (Blg 1172/2014 StenProt LT 27. GP 4).

 

c) Vor diesem Hintergrund gilt es das Verhalten der Bf einzuordnen. Wie die Bf im Beschwerdeschriftsatz selbst angibt hat sie still gebettelt. Hinzu tritt, dass die Bf nach eigenen Angaben bei diesem Vorgang ihren minderjährigen Sohn bei sich hatte. Das Tatbild des § 1a Abs 3 Oö. PolStG ist sohin als erfüllt anzusehen.

 

d) § 1a Abs 3 Oö. PolStG stellt ein Ungehorsamsdelikt dar. Die Bf hat keine dem § 38 VwGVG iVm § 5 VStG entsprechende Glaubhaftmachung dargelegt und sind derartige Umstände auch nicht indiziert. Sohin ist die subjektive Tatseite als erfüllt anzusehen.

 

Mit ihrem weiteren Vorbringen vermag die Bf auch keinen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund aufzuzeigen. Insbesondere der implizit angesprochene wirtschaftliche Notstand – sei es in direkter oder indirekter Form – vermag die Bf weder zu rechtfertigen noch zu entschuldigen (s dazu grundlegend Kienapfel/Höpfel/Kert, Strafrecht Allgemeiner Teil14, Z 12 Rz 10, 29 und Z 20 Rz 12 mwN). Eine rechtfertigende Pflichtenkollision scheidet aufgrund des Nichtvorliegens der Rechtfertigungssituation ebenso aus.

 

Verfassungsrechtliche Bedenken entstehen beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vor dem Hintergrund der Ausführungen der Bf in der Beschwerde nicht, da die Bezugnahme auf die Meinungsfreiheit nicht nachvollzogen zu werden vermag.

 

e) Betreffend die Strafbemessung gilt es festzuhalten, dass diese von der Bf in ihrer Beschwerde nicht bekämpft wird (§ 27 VwGVG). Für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich ist zudem auch nicht ersichtlich, dass der Strafbemessung der belangten Behörde, welche die einschlägigen Vormerkungen der Bf berücksichtigt und in Bezug auf die Beurteilung der spezialpräventiven Wirkung der Strafe kein relevantes Vermögen der Bf angenommen hat, entgegen getreten werden könnte.

 

f) In diesem Sinn ist der Bf auch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht in der Höhe von 20 % der verhängten Strafe aufzuerlegen (vgl § 52 VwGVG).

 

V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision

 

Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da hinsichtlich der Frage, ob jedwede Form der Bettelei bei der Mitführung von Kindern verboten ist, der Wortlaut des § 1a Abs 3 Oö. PolStG völlig unzweideutig ist.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art 133 Abs 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde / der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Markus Zeinhofer