LVwG-300955/2/Kü/PP

Linz, 18.03.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Thomas Kühberger über die Beschwerde von Herrn D J, x, S, vom 21. August 2015, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 28. Juli 2015, BZ‑Pol‑78018-2014, wegen Übertretung des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungs­gesetzes sowie des Vorlageantrags des Finanzamtes Grieskirchen Wels, x, vom 22. Jänner 2016, gegen die Beschwerde­vorentscheidung des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 12. Jänner 2016, BZ Pol-78018-2014

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 iVm § 14 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird die Beschwerdevorentscheidung des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 12. Jänner 2016, BZ-Pol-78018-2014, aufge­hoben.

 

II.      Gemäß § 15 VwGVG wird der Vorlageantrag des Finanzamtes Grieskirchen Wels zurück­gewiesen.

 

III.   Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde von Herrn D J stattgegeben, das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 28. Juli 2015, BZ-Pol-78018-2014, aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

IV.     Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 28. Juli 2015, BZ-Pol-78018-2014, wurde über den Beschwerdeführer D J (im Folgenden: Bf) wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 7i Abs. 2 iVm § 7d Abs. 7 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) eine Geldstrafe von 1.000 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Woche verhängt.

 

Diesem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

Sie haben als iSd § 9 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz zur Vertretung nach außen Berufener der O d.o.o. (Arbeitgeberin), x, S zu verantworten, dass bei einer Kontrolle am 07.11.2013 gegen 11:25 Uhr durch Organe der Finanzpolizei des Finanzamtes Grieskirchen Wels auf der Baustelle S, die Lohnunterlagen nicht in deutscher Sprache bereitgehalten wurden, obwohl jene Unterlagen (Lohnunterlagen), die zur Überprüfung des den Arbeitnehmern D K, geb. x, und M K, geb. x, nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelts erforderlich sind, in deutscher Sprache für die Dauer der Beschäftigung der Arbeitnehmer am Arbeits(Einsatz)ort bereit zu halten sind.“

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die am 26.8.2015 und somit rechtzeitig eingebrachte Beschwerde in der begründend ausgeführt wird, dass beide Arbeiter alle anderen erforderlichen Unterlagen, und zwar A1 und ZKO, bei sich gehabt hätten. Leider hätten sie keine Lohnunterlagen bei sich gehabt, weil D K seit weniger als einem Monat bei ihm beschäftigt gewesen sei (Formular M1), und M K in S gearbeitet hätte und deswegen noch keinen Lohn erhalten habe. Der Lohn würde erst am 18. im Monat ausbezahlt, sodass D K, der am 4.11.2013 zu arbeiten begonnen habe, den ersten Lohn am 18.12.2013 erhalten habe, und M K mit der Montage am 30.9.2013 begonnen habe und den Lohn erst am 18.11.2013 erhalten habe.

 

Die Kontrolle sei am 7.11.2014 gewesen. Aus dem ZKO Dokument sei ersichtlich, wie viel die Arbeiter für ihre Arbeit in Österreich bekommen hätten.

 

3. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 12.1.2016, BZ-Pol-78018-2014, hat der Bürgermeister der Stadt Wels der Beschwerde stattgegeben und das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben.

 

Begründet wurde dies damit, dass nach Ansicht der erkennenden Behörde aus dem Formular über die „Meldung einer Entsendung nach Österreich gemäß § 7b Abs. 3 und 4 AVRAG“ erkennbar sei welcher Betrag den Arbeitern netto pro Stunde bezahlt würde. Die belangte Behörde führt aus, dass dieses Dokument über die Meldung der Entsendung nach Österreich die in § 7d Abs. 1 AVRAG geforderte Voraussetzung als Lohnunterlage erfüllt, da damit eine Überprüfung des nach österreichischen Vorschriften gebührenden Entgelts sehr wohl möglich sei.

 

4. Gegen diese Beschwerdevorentscheidung hat das Finanzamt Grieskirchen Wels innerhalb von 14 Tagen ab Zustellung und somit rechtzeitig Beschwerde (Vorlageantrag) eingebracht und die Aufhebung dieser Entscheidung beantragt. Begründend wurde festgehalten, dass bei der Kontrolle gar keine Lohnunterlagen vorgelegt hätten werden können, die den gesetzlichen Anforderungen entsprechen würden. In der Meldung an die Zentrale Koordinierungsstelle könne der Dienstnehmer jeglichen Betrag einsetzen den er wolle.

 

5. Mit Schreiben vom 4.2.2016 hat die belangte Behörde die eingebrachten Rechtsmittel samt Verfahrensakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidungsfindung vorgelegt. Dieses hat gemäß § 2 VwGVG durch den nach der Geschäftsverteilung berufenen Einzelrichter zu entscheiden.

 

6. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Da sich bereits aus dem Akteninhalt der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt ergibt und aufgrund dessen feststeht, dass die Beschwerdevorentscheidung aufzuheben und der Beschwerde Folge zu geben ist, konnte gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

 

II. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

1. Zur Beschwerdevorentscheidung:

 

Gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG steht es im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG der Behörde frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung).

 

Aus den vorliegenden Akten ergibt sich, dass die Beschwerde des Bf gegen das Straferkenntnis vom 28.7.2015 bei der belangten Behörde am 26.8.2015 eingelangt ist. Nach den Vorgaben des § 14 Abs. 1 VwGVG hätte die belangte Behörde somit bis 26.10.2015 eine Beschwerdevorentscheidung treffen können. Die belangte Behörde hat aber erst am 12.1.2016, somit deutlich verspätet eine Beschwerdevorentscheidung erlassen. Aufgrund der seit der Beschwerde­ein­bringung verstrichenen Zeit war damit die belangte Behörde zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung nicht mehr zuständig. Aus diesem Grund ist daher die Beschwerdevorentscheidung nichtig und war deshalb ersatzlos zu beheben.

 

Da die Beschwerdevorentscheidung somit nicht gesetzeskonform zustande gekommen ist, bedarf es auch keines Vorlageantrags durch die weitere Verfahrenspartei, weshalb daher der Vorlageantrag des Finanzamtes Grieskirchen Wels zurückzuweisen war.

 

 

2. Zur Beschwerde gegen das Straferkenntnis:

 

2.1. Gemäß § 50 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden.

 

Der dem Verwaltungsstrafverfahren zugrunde liegenden Anzeige des Finanz­amtes Grieskirchen Wels vom 23.5.2014 ist zu entnehmen, dass anlässlich einer Kontrolle der Baustelle Sc, am 7.11.2013, die s Staatsangehörigen D K und M K bei Montagearbeiten angetroffen wurden. Die beiden Arbeiter gaben gegenüber den Kontrollorganen an, dass sie bei der Firma O d.o.o., mit dem Sitz in S, beschäftigt sind und auf der gegenständlichen Baustelle als Leasingarbeiter für die Firma E A GmbH mit dem Sitz in E, beschäftigt sind. Die Arbeiter gaben an zusammen mit den Arbeitern der Firma E A GmbH Montagearbeiten durchzu­führen und von der Firma O d.o.o. kein eigenes Werk erbracht wird.

 

Im Zuge der Kontrolle konnte von Herrn K weder das Sozialver­sicherungsdokument A1 noch eine Meldung an die Zentrale Koordinierungsstelle vorgelegt werden. Herr K konnte diese Dokumente vorlegen. Beide Arbeiter konnten allerdings keine Lohnunterlagen zur Überprüfung des ihnen bezahlten Entgelts vorweisen.

 

In der Anzeige ist festgehalten, dass von Herrn K zwar die „ZKO3-Meldung“ vorgelegt werden konnte, allerdings aufgrund der Arbeitskräfteüber­lassung eine „ZKO4-Meldung“ hätte vorliegen müssen.

 

Aus der vorliegenden Anzeige ergibt sich daher, dass gegenständlich von einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung auszugehen ist und die Firma E A GmbH als Beschäftiger und die Firma des Bf (Firma O d.o.o.) als Überlasser der Arbeitskräfte anzusehen ist.

 

Ohne Durchführung weiterer Ermittlungen wurde von der belangten Behörde dem Bf in der Aufforderung zur Rechtfertigung angelastet, dass er es als Arbeitgeber zu verantworten hat, dass bei der Kontrolle am 7.11.2013 auf der Baustelle S die erforderlichen Lohnunterlagen in deutscher Sprache nicht bereitgehalten wurden. Der gleiche Tatvorwurf mit näherer Präzisierung, welche Arbeitnehmer eingesetzt wurden, findet sich auch im Straferkenntnis.

 

2.2. § 7d AVRAG in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung BGBl. Nr. 459/1993 idF BGBl. I Nr. 24/2011 lautet wie folgt:

 

„§ 7d. (1) Arbeitgeber/innen im Sinne der §§ 7, 7a Abs. 1 oder 7b Abs. 1 haben jene Unterlagen, die zur Überprüfung des dem/der Arbeitnehmer/in nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelts erforderlich sind (Lohnunterlagen), in deutscher Sprache für die Dauer der Beschäftigung der Arbeitnehmer/innen am Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten. Bei innerhalb eines Arbeitstages wechselnden Arbeits(Einsatz)orten sind die Lohnunterlagen am ersten Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten. Ist die Bereithaltung der Unterlagen am Arbeits(Einsatz)ort nicht zumutbar, sind die Unterlagen jedenfalls im Inland bereitzuhalten und der Abgabenbehörde auf Verlangen binnen 24 Stunden nachweislich zu übermitteln.

(2) Hat der/die Arbeitgeber/in im Sinne des § 7b Abs. 1 eine/n Beauftragte/n nach § 7b Abs. 1 Z 4 bestellt, so trifft die Verpflichtung nach Abs. 1 diese/n. Bei einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung trifft die Verpflichtung zur Bereithaltung der Lohnunterlagen den/die Beschäftiger/in, wobei der/die Überlasser/in dem/der Beschäftiger/in die Unterlagen bereitzustellen hat.“

 

Gemäß § 7i Abs. 2 AVRAG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von 500 Euro bis 5 000 Euro, im Wiederholungsfall von 1 000 Euro bis 10 000 Euro zu bestrafen, wer als Arbeitgeber/in im Sinne der §§ 7, 7a Abs. 1 oder 7b Abs. 1 oder als Beauftragte/r im Sinne des § 7b Abs. 1 Z 4 entgegen § 7d die Lohnunterlagen nicht bereithält oder als Überlasser/in im Falle einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung die Lohnunterlagen dem/der Beschäftiger/in nicht bereitstellt.

 

2.3. Dem § 7d AVRAG ist somit zu entnehmen, dass im Fall einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung, welche gegenständlich vorliegt, der Überlasser nur für die Bereitstellung der Lohnunterlagen an den tatsächlichen Beschäftiger verantwortlich zeichnet. In der korrespondierenden Straf­bestimmung des § 7i Abs. 2 ist enthalten, dass eine Verwaltungsübertretung begeht, wer als Überlasser im Falle einer grenzüber­schreitenden Arbeitskräfte­überlassung die Lohnunterlagen dem Beschäftiger nicht bereitstellt.

 

Dieser Tatbestand des nicht Bereitstellens der entsprechenden Lohnunterlagen an den Beschäftiger wurde dem Bf allerdings nicht angelastet bzw. kann auch im Beschwerdeverfahren aufgrund der zwischenzeitig eingetretenen Verfolgungs­verjährung (nach § 7i Abs. 5 AVRAG idF. BGBl. I Nr. 24/2011 beträgt diese ein Jahr) die angelastete Tat nicht richtiggestellt werden. Insofern ist beim gegebenen Sachverhalt davon auszugehen, dass dem Bf die falsche Tat angelastet wurde.

 

Lediglich der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle darauf verwiesen, dass die Lohnunterlagen, welche vom Beschäftiger bereitzuhalten sind bzw. vom Überlasser dem Beschäftiger bereitzustellen sind, im § 7d Abs. 1 AVRAG zwischenzeitig vom Gesetzgeber näher bestimmt wurden. Festzustellen ist, dass eine Angabe des Stundenentgelts in der Meldung über die Entsendung einer Arbeitskraft jedenfalls keine derartige Unterlage darstellt und daher den Anforderungen nicht gerecht wird.

 

Zusammenfassend ergibt sich, dass der Bf die im angefochtenen Straferkenntnis angelastete Verwaltungsübertretung nicht begangen hat, weshalb daher der Beschwerde Folge zu geben, das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen war.

 

 

III. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Thomas Kühberger