LVwG-700140/2/BP/BD

Linz, 31.03.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag.
Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde der K L, Innenstadtbereich, L, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 9. September 2015, GZ: VStV/915300800798/2015, wegen einer Übertretung des Polizeistrafgesetzes

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

I.          Die Beschwerde wird gemäß § 50 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

 

II.         Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG hat die Beschwerdeführerin einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von 20 Euro (das sind 20 % der verhängten Geldstrafe) zu leisten.

 

III.        Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision der Beschwerdeführerin an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I.

 

1. Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 9. September 2015, GZ: VStV/915300800798/2015, wurde über die Beschwerdeführerin (in der Folge: Bf) gemäß § 10 Abs. 1 lit. b Oö. Polizeistrafgesetz eine Geldstrafe in der Höhe von 100 Euro sowie im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen 2 Stunden verhängt.

 

Die belangte Behörde führt dabei folgenden Tatvorwurf an:

 

„Sie haben am 7.6.2015 um 18:23 Uhr in Linz, Bahnhofplatz x, wie durch Organe des Stadtpolizeikommandos der Stadt Linz festgestellt wurde, beim Betteln um Geld eine unmündige Person mitgeführt.

 

(...)

 

Begründend führt die belangte Behörde ua. aus:

„Der Tatbestand der Ihnen zur Last gelegten Verwaltungsübertretung ist durch die eigene dienstliche Wahrnehmung der Beamten des Stadtpolizeikommandos Linz, der hierüber vorgelegten Anzeige vom 8.6.2015 sowie aufgrund des behördlich durchgeführten Ermittlungsverfahrens zweifelsfrei erwiesen.

 

Es steht daher fest, dass Sie die im Spruch angeführte Verwaltungsübertretung begangen haben.

 

Gegen die Strafverfügung vom 9.6.2015 erhoben Sie fristgerecht einen schriftlichen unbegründeten Einspruch.

 

Mit Aufforderung vom 30.7.2015 wurde Ihnen der gesamte Akteninhalt zur Kenntnis gebracht und wurden Sie zur Rechtfertigung binnen einer Frist von 2 Wochen aufgefordert. Gleichzeitig wurden Sie aufgefordert, die Ihrer Verteidigung dienlichen Beweismittel bekanntzugeben. Die Aufforderung zur Rechtfertigung enthielt gemäß § 42 Abs. 1 VStG die Androhung, dass das Strafverfahren ohne Ihre Anhörung durchgeführt wird, falls Sie dieser keine Folge leisten.

 

Laut Rückschein wurde Ihnen die Aufforderung am 15.8.2015 zu eigenen Händen zugestellt. Sie haben weder innerhalb der Frist von zwei Wochen noch bis zum heutigen Tag eine Stellungnahme abgegeben, sodass das Strafverfahren, wie bereits angedroht, ohne Ihre Anhörung durchgeführt wurde.

 

(...)

 

In der Sache selbst bestand für die erkennende Behörde keinerlei Anlass, an der Richtigkeit des angezeigten Sachverhaltes zu zweifeln, zumal dieser vom Meldungsleger in der Anzeige glaubwürdig und schlüssig geschildert wurde. Da von Ihnen weitere Angaben im Strafverfahren unterblieben sind, war für die erkennende Behörde erwiesen, dass Sie tatsächlich gegen die angeführte Bestimmung des OÖ. Polizeistrafgesetzes verstoßen haben, weshalb nun spruchgemäß zu entscheiden war.

 

Bei der Bemessung der Strafe wurde das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat, berücksichtigt.

 

Die verhängte Geldstrafe entspricht dem Unrechts- und dem Schuldgehalt der Tat und erscheint der Behörde notwendig, Sie in Hinkunft von der Begehung derartiger Übertretungen abzuhalten.

 

Der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit kam Ihnen nicht mehr zugute.

 

Bei der Strafbemessung wurde davon ausgegangen, dass Sie kein hierfür relevantes Vermögen besitzen und auch kein Einkommen beziehen.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende rechtzeitig eingebrachte Beschwerde der Bf, worin wie folgt ausgeführt und beantragt wird.

 

„Gegen das Straferkenntnis der LPD Oberösterreich vom 09.09.2015 mit der GZ VstV/915300800798/2015 erhebe ich hiermit in der offenen Frist Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich wegen Gesetzwidrigkeit und stelle den Antrag, das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich möge das hier angefochtene Straferkenntnis aufheben und das gegen mich eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren einstellen.

 

Zur Begründung führe ich aus:

 

Aufgrund der schwierigen finanziellen und wirtschaftlichen Lage in meiner Heimat Rumänien ist es mir nicht möglich, ein existenzsicherndes Einkommen zu erwerben. Auch in Österreich bin ich aufgrund eines Mangels an Arbeitsplätzen darauf angewiesen, mein Einkommen durch stilles (und somit erlaubtes) Betteln zu sichern.

 

Gleichzeitig ist es aber auch meine gesetzliche Pflicht, mich um das Wohlergehen meines minderjährigen Kindes zu sorgen. Da ich keinen Zugang zu Betreuungsplätzen für mein Kind habe und ich es nicht gefährden will, indem ich es alleine an einem öffentlichen Ort zurücklasse, kann ich mein Recht auf Betteln nur ausüben, wenn ich mein Kind zum Betteln mitnehme. Mein Kind ist im August 2012 geboren und kann daher nicht allein in einem Park oder im Zelt, in dem wir schlafen, bleiben.

 

Daher beschneidet mich die derzeitige gesetzliche Regelung in meinen Rechten - vor allem erlaubt sie mir nicht, von meinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch zu machen, ohne dabei das Kindeswohl zu gefährden.

 

Auf diesem Hintergrund ersuche ich, meiner Beschwerde Folge zu geben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.“

 

3. Mit Schreiben vom 24. Februar 2016 legte die Landespolizeidirektion Oberösterreich den in Rede stehenden Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung vor.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt und das Beschwerdevorbringen. Gemäß § 44 Abs. 3 VwGVG konnte von der Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

5. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt erweist sich insofern als unstrittig als die Bf einerseits selbst anführt gebettelt zu haben – zwar still – andererseits das Mitführen ihres minderjährigen Kindes vorbringt. Das Landesverwaltungs-gericht Oberösterreich geht daher von dem unter dem Punkt I.1. dieses Erkenntnisses dargestellten entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus.

 

 

II.

 

Aufgrund des unwidersprochen gebliebenen Sachverhalts erübrigt sich eine detaillierte Beweiswürdigung.

 

 

III.

 

1. Gemäß § 1a Abs. 3 Oö. Polizeistrafgesetz, LGBl 36/1979 in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung (in der Folge: Oö. PolStG) begeht eine Verwaltungsübertretung, wer eine unmündige minderjährige Person beim Betten, in welcher Form auch immer, mitführt.

 

Gemäß § 10 Oö. PolStG sind Verwaltungsübertretungen gemäß den §§ 1, 1a, § 2 Abs. 2 und § 3 Oö. PolStG von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist, von der Landespolizeidirektion, bei Übertretungen nach § 1a Abs. 1, 3 und 4 und § 2 Abs. 2 Oö. PolStG mit Geldstrafe bis 720 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu einer Woche zu bestrafen.

 

2. § 1a Abs. 3 Oö. PolStG knüpft an das Betteln schlechthin an (arg. „...in welcher Form auch immer...“). Es ist nicht erforderlich, dass das Betteln tatbildlich gemäß § 1a Abs. 1 Oö. PolStG ist. Gefordert wird lediglich, dass beim Betteln eine minderjährige unmündige Person mitgeführt wird. Als derartige unmündige minderjährige Personen sind Personen zu verstehen, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Blg 317/2011 StenProt LT 27. GP, 4). Insofern tritt zum Schutz vor Passanten, dem Schutz der Bettelnden Personen vor Ausbeutung auch der Schutz von Kindern zum Schutzzweck der Norm hinzu (Blg 1172/2014 StenProt LT 27. GP, 4).

 

3. Vor diesem Hintergrund gilt es das Verhalten der Bf einzuordnen. Wie die Bf selbst angibt hat sie (still) gebettelt (Beschwerde 2. Absatz). Hinzutritt, dass die Bf nach eigenen Angaben bei diesem Vorgang ihr Kind bei sich hatte und ihr Kind im Sommer 2012 geboren wurde. Insofern hat die Tochter der Bf auch das 14. Lebensjahr nicht überschritten. Das Tatbild des § 1a Abs. 3 Oö. PolStG ist sohin als erfüllt anzusehen.

 

4. § 1a Abs. 3 Oö. PolStG stellt ein Ungehorsamsdelikt dar. Die Bf hat keine dem § 5 VStG entsprechende Glaubhaftmachung dargelegt und sind derartige Umstände auch nicht indiziert. Sohin ist die subjektive Tatseite als erfüllt anzusehen.

 

5. Mit ihrem weiteren Vorbringen vermag die Bf auch keinen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund aufzuzeigen. Insbesondere der implizit angesprochene wirtschaftliche Notstand – sei es in direkter oder indirekter Form – vermag die Bf weder zu rechtfertigen noch zu entschuldigen (s dazu grundlegend Kienapfel/Höpfel/Kert, Strafrecht Allgemeiner Teil14, Z 12 Rz 10, 29 und Z 20 Rz 12 mwN). Eine rechtfertigende Pflichtenkollision scheidet aufgrund des Vorliegens der Rechtfertigungssituation ebenso aus.

 

Insofern war die Bf in jeder Lage des Verfahrens (s dazu Aufforderung zur Rechtfertigung) befähigt sich zu verteidigen.

 

Verfassungsrechtliche Bedenken entstehen beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vor dem Hintergrund der Ausführungen der Bf in der Beschwerde nicht – v.a. im Hinblick auf Art. 10 EMRK.

 

6. Betreffend die Strafbemessung gilt es festzuhalten, dass diese von der Bf in ihrer Beschwerde nicht bekämpft wird (§ 27 VwGVG) und für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich auch keine Umstände ersichtlich sind von der Strafbemessung der belangten Behörde abzuweichen.

 

Ein Absehen von der Strafe kam allein schon mangels geringfügigen Verschuldens, aber auch mangels geringfügiger Folgen der Tat nicht in Betracht.

 

7. Im Ergebnis bedeutet dies aber, dass die in Rede stehende Beschwerde als unbegründet abzuweisen und spruchgemäß zu entscheiden war.

 

8. In diesem Sinn war der Bf auch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem LVwG in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe aufzuerlegen (vgl. § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG).

IV.

Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde / der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Bernhard Pree