LVwG-300789/15/BMa/PP/JW

Linz, 27.04.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag.a Gerda Bergmayr-Mann über die Beschwerde des S K vom 20. August 2015, vertreten durch Dr. S M, Rechtsanwalt in x, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 21. Juli 2015, SV96-36-2014, wegen Zurückweisung sowohl des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als auch der Beschwerde vom 7. Juli 2015

 

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde hinsichtlich des Spruchpunktes II des bekämpften Bescheides (Antrag auf Wieder­einsetzung in den vorigen Stand) als unbegründet abgewiesen und der bekämpfte Bescheid bestätigt.

Der Spruchpunkt I des bekämpften Bescheides (Zurückweisung der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 27.02.2015, SV96-36-2014) wird aufgehoben und vom Oö. LVwG ausge­sprochen, dass die Beschwerde vom 07.07.2015 als verspätet eingebracht zurückgewiesen wird.

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

zu I.

1.1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 21. Juli 2015, GZ: SV96-36-2014, wurde sowohl die Beschwerde des S K (im Folgenden: Bf) gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 27. Februar 2015, GZ: SV96-36-2014, als auch der Antrag auf Wiederein­setzung, jeweils vom 7. Juli 2015, zurückgewiesen.

 

In der dagegen erhobenen Beschwerde vom 20. August 2015 wird im Wesentlichen ausgeführt, der Bf habe bis zum 30. Juni 2015 keine Kenntnis über das gegen ihn geführte Strafverfahren gehabt. Anfang bis Mitte Juni sei ihm ein Zahlschein von der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land zu GZ: SV96-36-2014 zugestellt worden und eine Anfrage bei der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land habe ergeben, dass ein Straferkenntnis wider ihn existiere.

Die Aufforderung zur Rechtfertigung sei an eine Adresse zugestellt worden, an der er bereits seit zirka fünf Jahren abgemeldet sei und die Hinterlegungs­anzeige, die im Zuge des Zustellvorgangs des Bescheids vom 27. Februar 2015, GZ: SV96-36-2014, an ihn ergangen sein soll, habe er nicht erhalten.

Abschließend wurden die Anträge auf Aufhebung des bekämpften Strafbescheids und Einstellung des Verfahrens, in eventu auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde, gestellt.

 

2.1. Mit Schreiben vom 15. September 2015 hat die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land die eingebrachten Rechtsmittel samt dem Bezug habenden Verwaltungsakt dem Oö. LVwG zur Entscheidung vorgelegt.

 

2.2. Das Oö. LVwG hat Einsicht genommen in den Verwaltungsakt der belangten Behörde und am 18. April 2016 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, zu der der Rechtsmittelwerber in rechtsfreundlicher Vertretung gekommen ist. Als Zeuge wurde M D einvernommen.

 

3. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

3.1. Folgender rechtlich relevanter Sachverhalt wird festgestellt:

 

Der Bescheid vom 27. Februar 2015, SV96-36-2014, wurde dem Bf an der Adresse x, durch Hinterlegung am 5. März 2015 zugestellt. Weil die RSa - Postsendung innerhalb der Hinterlegungs­frist nicht behoben wurde, wurde diese an die belangte Behörde retourniert.

 

Die zuvor dem Rechtsmittelwerber zugestellte Aufforderung zur Rechtfertigung vom 29. Jänner 2015 wurde ebenfalls an die Adresse x, durch Hinterlegung am 6. Februar 2015 zugestellt. Das im Briefkuvert innenliegende Schreiben enthält die Adresse „x “. Die Adresse auf dem Schreiben war für den Postbeamten, weil diese nicht auf dem Kuvert vermerkt war, nicht relevant und er hat dieser keine weitere Beachtung geschenkt.

 

Der Zusteller ist schon seit zirka 26 Jahren in Postdiensten tätig und es hat vermutlich während dieser Zeit Beschwerden gegeben, konkrete Umstände dazu konnten aber nicht festgestellt werden. Von Herrn K ist keine Beschwerde hinsichtlich einer mangelnden Zustellung bekannt.

Der übliche Ablauf der Zustellung im Hochhaus x  in x ist in der Weise, dass zunächst die Briefe in die Postkästen einsortiert werden. Danach fährt der Postbeamte in den obersten Stock des Hochhauses und stellt die Briefe die er persönlich zu übergeben hat, an der jeweiligen Wohnungstür zu. Auf der Verständigung über die Hinterlegung wurde vom Postboten D vermerkt, dass diese in die Abgabeeinrichtung eingelegt wurde.

Die Hinterlegung der Sendung erfolgte am 5. März 2015. Dem Zusteller sind keine Abweichungen vom üblichen Zustellvorgang in diesem Fall in Erinnerung. Er hat auch die Verständigung über die Hinterlegung der Aufforderung zur Rechtfertigung, mit Beginn der Abholfrist am 6. Februar 2015 selbst ausgefüllt und ebenfalls in die Abgabeeinrichtung eingelegt. Eine Zustellung dieser Sendung an der Adresse x  in x kann deshalb ausgeschlossen werden, weil der Zusteller nicht in dem Rayon tätig ist, zu dem die x  in x zugehörig ist.

 

Der Rechtsmittelwerber geht davon aus, dass in seinem Postkasten an unterer Stelle die Werbesendungen einlangen und darüber die für ihn wichtigen Schriftstücke. Er kann nicht ausschließen, Rückscheine, die sich im Bereich der Werbesendungen befunden haben, übersehen zu haben.

 

Die belangte Behörde hat über die Beschwerde vom 7. Juli 2015, die am 8. Juli 2015, gegen ihren Bescheid vom 27. Februar 2015, GZ: SV96-36-2014, bei ihr eingebracht wurde (gemeinsam mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand), mit Spruchpunkt I des nunmehr bekämpften Bescheides abgesprochen.   

 

3.2. Beweiswürdigend wird ausgeführt, dass sich der festgestellte Sachverhalt aus den vorgelegten Verfahrensakten und den Aussagen des Beschwerdeführers und des Zeugen D in der mündlichen Verhandlung am 18. April 2016 ergibt.

Aufgrund der Aussage des Zeugen D konnte festgestellt werden, dass bereits die Aufforderung zur Rechtfertigung, die im Briefkuvert innenliegend die alte Wohnadresse des Beschwerdeführers angeführt hatte, an die Adresse in der x  in W zugestellt wurde, wurde doch die Verständigung über die Hinterlegung vom Postboten D ausgefüllt und unterzeichnet, der zwar für die Sendungen in der x zuständig war, nicht jedoch für jene in der x  in W. Weil dem Zusteller in beiden Fällen keine Besonderheiten beim Zustellvorgang in Erinnerung waren, ist die Angabe des Beschwerdeführers, er habe keine der beiden Hinterlegungsanzeigen erhalten (damit auch nicht jene bezüglich des Straferkenntnisses vom 27. Februar 2015), als Schutzbehauptung zu werten.

Der Beschwerdeführer selbst konnte nicht ausschließen, dass er beim Ausheben seiner Post, die auch Werbematerial beinhaltet, die Verständigung über die Hinterlegung einfach übersehen hat.

 

3.3. In rechtlicher Hinsicht hat das Oö. Landesverwaltungsgericht erwogen:

 

3.3.1. Nach § 38 VwGVG sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG in Verwaltungsstrafsachen die Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG, BGBl. Nr. 52/1991, mit Ausnahme des 5. Abschnitts des II. Teiles, und des Finanzstrafgesetzes – FinStrG, BGBl. Nr. 129/1958 und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem den Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangen Verfahren ange­wendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

Demnach sind im vorgenannten Umfang die Bestimmungen des VStG, auch mit Verweis auf das AVG, anzuwenden.

 

Gemäß § 24 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) iVm § 63 Abs. 5 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) ist die Berufung von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Fall bloß mündlicher Verkündung mit dieser. Wird eine Berufung innerhalb dieser Frist bei der Berufungsbehörde eingebracht, so gilt dies als rechtzeitige Einbringung; die Berufungsbehörde hat die bei ihr eingebrachte Berufung unverzüglich an die Behörde erster Instanz weiterzuleiten.

 

Gemäß § 71 Abs. 1 Z 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

 

Gemäß Art. 130 Abs.1 Z1 B-VG erkennen Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

 

3.3.2. Das angefochtene Straferkenntnis wurde laut Postrückschein dem Beschwerdeführer durch Hinterlegung am 5. März 2015 zugestellt.

Damit begann die gemäß § 63 Abs. 5 AVG iVm § 25 VStG mit zwei Wochen bemessene Rechtsmittelfrist zu laufen und endete sohin mit Ablauf des 19. März 2015.

Trotz ordnungsgemäßer Rechtsmittelbelehrung wurde die Beschwerde gegen diesen Bescheid jedoch erst am 8. Juli 2015 eingebracht.

Die verspätete Einbringung des Rechtsmittels, die der Beschwerdeführer darauf zurückführt, dass er keine Kenntnis vom Zustellvorgang hatte, geht daher zu Lasten des Beschwerdeführers, weshalb die Beschwerde zurückzuweisen war. Zur Erläuterung für den Bf wird bemerkt, dass es sich bei einer Beschwerdefrist um eine gesetzliche Frist handelt, deren Verlängerung oder Verkürzung einer Behörde nicht zusteht.

Die Zurückweisung der Beschwerde hatte durch das Oö. LVwG zu erfolgen, weil die Bezirksverwaltungsbehörde nicht zur Zurückweisung von Beschwerden gegen ihre Entscheidungen zuständig ist (Art. 130 B-VG), sodass Spruchpunkt I des bekämpften Bescheides vom 21. Juli 2015 aufzuheben und durch den (im Wesentlichen gleichlautenden) Ausspruch des LVwG zu ersetzen war. Dass die belangte Behörde eine Beschwerdevorentscheidung i.S. des § 14 VwGVG erlassen wollte, geht aus dem bekämpften Bescheid in keiner Weise hervor.

 

3.3.3. Das gegen die Nichtstattgabe des Antrags auf Wiedereinsetzung erhobene Rechtsmittel war abzuweisen, ist doch die bloße Behauptung, keine Hinterlegungsanzeige vorgefunden zu haben, nicht als Angebot eines Gegen­beweises anzusehen (VwGH vom 19.3.2003, Zl. 2002/08/0061). Im Erkenntnis des VwGH vom 17.02.2011, Zl. 2009/07/0082, wird ausgeführt, dass im Fall eines mit Werbematerial angefüllten Postkastens die Durchsicht des Inhalts des Postkastens besonders genau zu erfolgen hat, um nichts zu übersehen. Das Höchstgericht hält fest, dass das Übersehen der Hinterlegungsanzeige unter dem umfangreichen Werbematerial nicht nur ein bloß minderer Grad des Versehens darstellt (VwGH vom 28.3.2006, Zl. 2005/06/0308).

 

Auch im vorliegenden Fall kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Übersehen der Hinterlegungsanzeige ein bloß minderer Grad des Versehens darstellt, wurde doch sowohl hinsichtlich der Hinterlegungsanzeige betreffend die Aufforderung zur Rechtfertigung als auch jener betreffend den bekämpften Bescheid behauptet, dass diese Verständigungen nicht vorgefunden wurden, obwohl diese in den Postkasten des Rechtsmittelwerbers eingelegt wurden. Die Entsorgung der Verständigungen über die Hinterlegungen gemeinsam mit dem im Postkasten befindlichen Werbematerial geht zu Lasten des Beschwerde­führers.

Wie sich aus den Feststellungen ergibt, erfolgte die Zustellung ordnungsgemäß und es wurde vom Bf kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ins Treffen geführt, das die Einhaltung der Rechtsmittelfrist verhindert hätte, sodass keiner der in § 71 Abs. 1 Z 1 angeführten Wiedereinsetzungsgründe zum Tragen kommt.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

zu II. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Insbesondere weicht die gegenständliche Entscheidung von der als einheitlich zu beurteilenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ab.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag.a Gerda Bergmayr-Mann