LVwG-600112/10/Bi/CG

Linz, 06.03.2014

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Karin Bissenberger über die Beschwerde des Herrn x, vertreten durch x, vom 16. September 2013 gegen das  Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung vom 27. August 2013, VerkR96-1533-2013, wegen Übertretung der StVO 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 24. Februar 2014 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht  e r k a n n t:

 

 

 

I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt, wobei Verfahrenskosten nicht anfallen.

 

 

II. Gemäß § 52 Abs.8 VwGVG entfällt ein Beitrag zu den Verfahrenskosten.  

 

 

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

Zu I.:

I. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 9 Abs.2 iVm 99 Abs.2c Z1 StVO 1960 eine Geldstrafe von 150 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 36 Stunden verhängt sowie ihm gemäß § 64 Abs.1 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag von 15 Euro auferlegt, weil er am 19. Februar 2013, 17.50 Uhr im Ortsgebiet Linz, x gegenüber Nr.x, mit dem Pkw x einem Fußgänger, welcher sich auf dem Schutzweg befunden habe, das unbehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn nicht ermöglicht und diesen gefährdet habe, da er die Geschwindigkeit beibehalten habe und sich der Fußgänger nur durch einen Sprung nach vorwärts auf den Gehsteig retten habe können.

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Diese Berufung ist nunmehr als Beschwerde gemäß § 7 VwGVG iVm Art.130 Abs.1 Z1 B-VG anzusehen, über die gemäß Art.131 B-VG das Landes­verwaltungsgericht zu entscheiden hat. Am 24. Februar 2014 wurde eine öffentliche mündliche Verhandlung in Anwesenheit des Beschwerdeführers, seines Rechtsvertreters x, des BH-Vertreters x, der Zeugen x (Z) und x (K) sowie des technischen Amtssachverständigen x (SV) beim Schutzweg gegenüber dem Haus x, Kreuzung mit der x­straße, durchgeführt. Auf die mündliche Verkündung des Erkenntnisses wurde verzichtet.   

 

3. Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, die belangte Behörde habe sich mit seinen Aussagen nicht auseinandergesetzt, wonach der Anzeiger provokant langsam über den Schutzweg gegangen sei, sodass genügend Platz vorhanden gewesen sei und er ihn zu keinem Zeitpunkt behindert geschweige denn gefährdet habe. Fußgänger hätten außerdem den Schutzweg in ange­messener Eile zu überqueren. Der Anzeiger gestehe selbst zu, schon in der Mitte des Schutzweges gewesen zu sein, als der Angezeigte diesen passiert habe. In Wahrheit sei er bereits kurz vor Ende des Schutzweges gewesen. Das Tatbild des § 99 Abs.2c Z1 StVO sei nicht erfüllt und liege auch keine Übertretung nach § 9 Abs.2 StVO vor, zumal er in ausreichendem Sicherheitsabstand hinter dem Fußgänger vorbeigefahren sei. Die Fahrbahnbreite sei ebenso wenig erhoben worden wie die tatsächliche Position des Fußgängers bei seinem Vorbeifahren. Auch zu den Aussagen seiner Tochter seien nie Ermittlungen durchgeführt worden, sodass das Straferkenntnis rechtswidrig sei. Die Behinderung eines Fußgängers auf einem Schutzweg sei nur nach § 99 Abs.2c Z1 StVO strafbar, wenn besonders gefährliche Verhältnisse vorlägen. Der von ihm in dieser Situation eingehaltene Abstand von 1,5 m begründe per se noch kein pflicht­widriges Verhalten und das Fehlen jeglicher Begründung dazu belaste das Straferkenntnis mit materieller Rechtswidrigkeit. Sein Verhalten sei nicht tatbestandsmäßig. Der Anzeiger sei unglaubwürdig, während seine Tochter seine Verantwortung glaubhaft stütze. Die Beweis­würdigung der belangten Behörde sei nicht nachvollziehbar. Beantragt wird ein Ortsaugenschein, Einvernahme der Zeugin Z sowie seine Einvernahme, im übrigen Verfahrenseinstellung, in eventu Strafherabsetzung.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am Ort des vorgeworfenen Verhaltens, bei der beide Parteien gehört, die genannten Zeugen – die Zeugin Z als Tochter auf ihr Entschlagungsrecht hingewiesen und nach ausdrücklicher Erklärung, sie wolle aussagen – unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht des § 288 StGB einver­nommen wurden sowie ein technisches SV-Gutachten zur Frage der Nachvoll­ziehbarkeit der Aussagen des Privatanzeigers K und zum Vorliegen einer Gefährdung eingeholt wurde.  

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Der Beschwerdeführer lenkte am Dienstag, dem 19. Februar 2013, gegen 17.50 Uhr den Pkw x auf der x aus Richtung x kommend in Richtung x Straße. Bei der Kreuzung mit der xstraße befinden sich zwei Schutzwege zwischen dem rechten Fahrbahnrand und Fahrbahnteilern – in der Mitte der xstraße sind vor und nach der Kreuzung jeweils Straßenbahnhaltestellen. Vor dem 1. Schutzweg in seiner Fahrtrichtung hielt der Beschwerdeführer, wie auch die Zeugin Z bestätigte, wegen eines Fußgängers an. Dann setzte er die Fahrt fort, wobei er bemerkte, dass sich von rechts ein Fußgänger dem 2. Schutzweg näherte, nämlich der Zeuge K. Dieser kam von der xstraße und war bereits vor dem Erreichen des Schutzweges für den Beschwerdeführer und die Zeugin Z sichtbar, etwa ab dem Stiegenaufgang des dortigen Autohauses. Die Zeugin Z bestätigte in der Verhandlung, dass der Zeuge K beim Annähern an den Schutzweg die gleiche Geschwindigkeit eingehalten habe wie beim Überqueren, dh er war bereits vor dem Betreten des Schutzweges von der Gehgeschwindig­keit her einschätzbar. Der Beschwerdeführer führte in der Verhandlung aus, er habe zunächst nicht einschätzen können, ob der Zeuge K Richtung stadtauswärts weitergehen oder den Schutzweg überqueren würde, der Mann sei aber dann doch Richtung Schutzweg gegangen. Er habe sich bei Weiterfahren nach dem 1. Schutzweg gedacht, das gehe sich leicht aus, wenn er langsam weiterfahre. Seine Formulierung, der Zeuge K sei „provokant langsam gegangen“, erklärte er so, dass er den Eindruck gehabt habe, dieser wolle ihn zum Anhalten „zwingen“. 

 

Der Zeuge K bestätigte in der Verhandlung, er habe beim Annähern an den Schutzweg gesehen, dass ein Pkw beim 1. Schutzweg jemanden hinübergehen habe lassen, habe sich gedacht, das gehe sich leicht aus, und habe mit dem Überqueren begonnen, wobei er ganz normal schnell, wie auch vorher weiter­gegangen sei.

Nach übereinstimmenden Aussagen aller Genannten befand sich der Zeuge K bereits bei der vorletzten Quermarkierung des Schutzweges, also am Beginn des letzten Viertels, als der Beschwerdeführer, der nicht angehalten hatte, sondern langsam weitergefahren war, hinter ihm vorbeifuhr, wobei er einen geringen Abstand zum rechten Fahrbahnrand einhielt, sodass der Abstand zwischen Pkw und dem Zeugen K etwa einen Meter betrug. Der Beschwerdeführer und die Zeugin K wunderten sich nach eigenen Angaben, als der Zeuge K sich umdrehte und dem Beschwerde­führer den „Stinkefinger“ gezeigt habe, dieser fuhr aber weiter.

Der Zeuge K führte in der Verhandlung aus, er habe in der Zeit vor diesem Vorfall unangenehme Vorfälle im Zusammenhang mit dem Überqueren von Schutzwegen gehabt. Er habe einen Pkw zwar als von links kommend registriert, ihn aber nicht weiter beobachtet und sei daher überrascht gewesen, als er ihn plötzlich nah am Schutzweg in seine Richtung auf ihn zu fahrend bzw rollend bemerkt habe. Er habe möglicherweise aufgrund seiner vorherigen Erlebnisse überreagiert und dem Lenker mit der Hand ein Zeichen gegeben und einen Schritt nach vorne gemacht – er habe die überraschende Nähe des Pkw bemerkt, sich gedacht, dass er von da „weg müsse“, und einen vielleicht etwas schnelleren Schritt gemacht. Einen „Sprung“, wie in der kurze Zeit darauf bei der PI xstraße von ihm erstatteten Anzeige steht, schloss er dezidiert aus – ebenso der Beschwerdeführer und die Zeugin K. Letztlich gab auch der Zeugen K an, er habe sich etwa bei der Vorletzten Quermarkierung des Schutzweges befunden und der Abstand zwischen ihm und dem Pkw sei etwa 1 Meter gewesen. Er räumte im Ergebnis auch ein, aufgrund seiner vorherigen Erlegbisse mit der Anzeige etwas überreagiert zu haben.

 

Aus der Sicht des SV ist zum einen nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer, wenn er nach dem Überquerenlassen eines Fußgängers am 1. Schutzweg ein normales Anfahrmanöver durchführte, sich dem Zeugen K mit etwa 20 bis 25 km/h näherte. Wenn der Zeuge K aber den Schutzweg betrat, als der Beschwerde­führer vom 1. Schutzweg wegfuhr, ist es unter Zugrundelegung eines Zeit-Weg-Diagramms durchaus möglich, dass sich der Fußgänger praktisch knapp vor dem Fahrbahnteiler befand – daraus wiederum ist bei der gegebenen Breite des dortigen Fahrstreifens ein Abstand zwischen Pkw und Fußgänger von 1m oder etwas mehr nachvollziehbar. Die Fahrgeschwindigkeit des Beschwerde­führers vermochte der SV letztlich nicht zu objektivieren, schloss aber auch nicht aus, dass der Zeuge K durch das Aufheulen des Motors bzw zumindest Gasgeben subjektiv den Eindruck bekam, dass ein Fahrzeug rasch auf ihn zufahre. Der tatsächliche Abstand zwischen dem Pkw und dem Zeugen K war nach den Schilderungen aller Genannten, die von 50 cm bis 1 m oder auch etwas mehr reichten, nichts objektivierbar, was auf eine tatsächliche Gefährdung des Fußgängers schließen hätte lassen.

 

In rechtlicher Hinsicht hat das Landesverwaltungsgericht erwogen:

Gemäß § 9 Abs.2 StVO hat der Lenker eines Fahrzeuges, das kein Schienen­fahrzeug ist, einem Fußgänger oder Rollschuhfahrer, der sich auf einem Schutzweg befindet oder diesen erkennbar benützen will, das unbehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen. Zu diesem Zweck darf sich der Lenker eines solchen Fahrzeuges einem Schutzweg nur mit einer solchen Geschwindigkeit nähern, dass er das Fahrzeug vor dem Schutzweg anhalten kann, und er hat, falls erforderlich, vor dem Schutzweg anzuhalten.

Gemäß § 99 Abs.2c Z1 StVO begeht eine Verwaltungsübertretung  und ist mit einer Geldstrafe von 72 Euro bis 2 180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von 24 Stunden bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges Fußgänger, die Schutzwege vorschriftsmäßig benützen, gefährdet.

 

Zusammenfassend ist nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens eine Behinderung des Fußgängers von der Gehrichtung her auszuschließen und eine Gefährdung nicht objekti­vierbar – einen „Sprung“ hat der Zeuge K in der Verhandlung dezidiert selbst ausgeschlossen. Allerdings wurde bei der PI xstraße keine Niederschrift aufgenommen, sodass es sich theoretisch auch um eine Wortschöpfung des dortigen Polizeibeamten handeln kann. Seine Zeugenaussage vom 10. Juli 2013 hat er aber selbst unterschrieben.

Dass der Zeuge K dem Beschwerdeführer ein Zeichen mit der Hand, wie er es nannte, gab, hat er in der Verhandlung mit seinen vorangegangenen Erlebnissen begründet, die ihn schließlich auch zur Anzeige bewogen haben. Letztlich ergab sich aber in der Verhandlung kein Anhaltspunkt für eine Verwirklichung des zur Last gelegten Tatbestandes, sodass gemäß § 45 Abs.1 Z1 2.Alt VStG spruch­gemäß zu entscheiden war – Verfahrenskosten fallen naturgemäß nicht an.

     

Zu II.:

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 abs.8 VwGVG.

 

Zu III.:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Bissenberger