LVwG-840110/5/KLi/TO

Linz, 17.06.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Lidauer über den Antrag vom 13. Juni 2016 der S G V GmbH, vertreten durch B Rechtsanwälte GmbH & Co KG, x, W, auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Vergabeverfahren der MG M betreffend das Vorhaben "Nx M – A",

zu Recht    e r k a n n t :

I.         Dem Antrag wird gemäß § 1, 2, 8 und 11 Oö. Vergaberechts-schutzgesetz 2006 – Oö. VergRSG 2006, LGBl.Nr. 130/2006 idF LGBl. Nr. 90/2013, stattgegeben und der Auftraggeberin MG M die Erteilung des Zuschlags für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens, längstens aber bis 13. August 2016, untersagt.

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1.1. Mit Eingabe vom 13. Juni 2016 hat die S G V GmbH (im Folgenden: Antrag­stellerin) einen Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung sowie auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, der Auftraggeberin die Zuschlagsertei­lung bis zur Entscheidung im Nachprüfungsverfahren, zu untersagen, gestellt. Im Übrigen wurde die Zuerkennung der entrichteten Pauschalgebühren in Höhe von € 1.500 beantragt.

 

I.1.2. Begründend führte die Antragstellerin eingangs hierzu aus, die Auftrag­geberin habe das Vergabeverfahren „Nx M – A“ im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union bekanntgemacht. Die Ausschreibung sei in einem offenen Verfahren gemäß BVergG 2006 im Oberschwellenbereich zur Vergabe eines Lieferauftrages erfolgt. Es sei das Billigstbieterprinzip festgelegt worden.

 

Die Antragstellerin habe ein ausschreibungskonformes Angebot erstellt und mit Schreiben vom 3. Juni 2016 (eingelangt bei der Antragstellerin am 3. Juni 2016) sei der Antragstellerin mitgeteilt worden, dass beabsichtigt sei, den Zuschlag der L K C C GmbH zu einer Vergabesumme von € 137.267,95 (inkl. USt) zu erteilen. Der gegenständliche Nachprüfungsantrag sei daher jedenfalls fristgerecht.

 

Die Antragstellerin habe Pauschalgebühren in Höhe von € 1.000,- für den Nach­prüfungsantrag sowie in Höhe von € 500,- für den Antrag auf Erlassung einer Einstweiligen Verfügung, gesamt sohin € 1.500,-, entrichtet. Festzuhalten sei, dass es sich um ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich handle, der geschätzte Auftragswert des gegenständlichen Loses/Gewerks laut Bekannt­machung aber € 110.000- bis € 140.000,- (exkl. USt) betrage, sodass gemäß § 22 Abs. 2 Oö.VergRSG die Gebührenansätze für den Unterschwellenbereich maßgeblich seien.

 

Aufgrund der bisherigen Beteiligung der Antragstellerin am gegenständlichen Vergabeverfahren seien Kosten angefallen, die zumindest € 4.800,- (exkl. USt) betragen würden. Diese Aufwendungen wären jedenfalls frustriert, wenn die gegenständlichen Vergaberechtswidrigkeiten bestehen blieben und die Antrag­stellerin den gegenständlichen Auftrag nicht erhalte.

 

Darüber hinaus drohe der Antragstellerin ein Schaden in der Höhe des ent­gangenen Gewinns. Der entgangene Gewinn und die vorgenannten frustrierten Aufwendungen würden jedenfalls einen Schaden darstellen (vgl. etwa BVA 23.04.2001, N-40/01-10).

 

Bestandteil des Schadens seien auch die Kosten der rechtsfreundlichen Ver­tretung im Nachprüfungsverfahren, die derzeit rund € 2.000,- (exkl. USt) betra­gen und von den Vertretern der Antragstellerin mit Unterfertigung der gegen­ständlichen Eingabe bescheinigt würden. Darüber hinaus entginge der Antrag­stellerin durch die Aufrechterhaltung der angefochtenen Entscheidung die Chance auf die Erlangung eines wichtigen Referenzprojektes für künftige Vergabe­verfahren.

 

Die Antragstellerin habe im gegenständlichen Vergabeverfahren ein evidentes und rechtliches Interesse am Vertragsabschluss. Die Antragstellerin habe recht­zeitig ein ausschreibungskonformes Angebot gelegt. Dieses Interesse am Ver­tragsabschluss sei schließlich auch durch diesen Nachprüfungsantrag bestätigt. Die Rechte der Antragstellerin könnten nur durch den vorliegenden Antrag gewahrt werden.

 

Die Antragstellerin werde durch die rechtswidrige Vorgehensweise der Auftrag­geberin in ihrem Recht auf Durchführung eines ordnungsgemäßen vergabe­rechtskonformen Vergabeverfahrens, in ihrem Recht auf Ausschluss von Unter­nehmen, die an der Erarbeitung der Unterlagen für das Vergabeverfahren unmittelbar oder mittelbar beteiligt gewesen seien (§ 20 Abs. 5 BVergG 2006), in ihrem Recht auf Ausscheiden von Angeboten von gemäß § 20 Abs. 5 BVergG 2006 auszuschließenden Bietern (§ 129 Abs. 1 2 1 BVergG 2006) sowie in ihrem Recht auf Zuschlagserteilung verletzt.

 

Die präsumtive Zuschlagsempfängerin habe die Planung sowie das Leistungs­verzeichnis der gegenständlich ausgeschriebenen A erstellt bzw. diese Unterlagen zumindest maßgeblich miterarbeitet. Sie habe dement­sprechend auch die Bedingungen der gegenständlich ausgeschriebenen Leistungen maßgeblich in einem für sie günstigen Sinne beeinflussen können.

 

Dies sei auch tatsächlich erfolgt. Beispielsweise seien die Anforderungen und Spezifikationen betreffend Pos. Nr. x „H- & K x W x Cx-S" des Leistungs­verzeichnisses so festgelegt worden (und zum Teil wortwörtlich aus Produkt­beschreibungen der präsumtiven Zuschlagsempfängerin übernommen worden), dass nur ein Produkt der präsumtiven Zuschlagsempfängerin (nämlich die Type: „C x“) in Betracht komme. Im Leistungsverzeichnis seien insbesondere auch keinerlei Toleranzen in Bezug auf die Maße angegeben. Bieter hätten hier keine andere Wahl, als das entsprechende Produkt der präsumtiven Zuschlags­empfängerin anzubieten.

 

Gemäß § 20 Abs. 5 BVergG 2006 seien Unternehmen, die an der Erarbeitung der Unterlagen für das Vergabeverfahren unmittelbar oder mittelbar beteiligt waren, sowie mit diesen verbundene Unternehmen, soweit durch ihre Teilnahme ein fairer und lauterer Wettbewerb ausgeschlossen wäre, von der Teilnahme am Vergabeverfahren um die Leistung auszuschließen.

 

Weiters habe ein Auftraggeber gemäß § 129 Abs. 1 Z 1 BVergG 2006 vor der Wahl des Angebotes für die Zuschlagsentscheidung Angebote von Bietern auszuscheiden, die von der Teilnahme am Vergabeverfahren gemäß § 20 Abs. 5 BVergG 2006 auszuschließen seien.

 

Der Begriff „Erarbeitung der Unterlagen für das Vergabeverfahren" erfasse vor allem die Erstellung der Ausschreibungsunterlagen selbst oder die Herstellung sonstiger Unterlagen, auf denen die Ausschreibungsunterlagen aufbauen. Nach der Rechtsprechung handle es sich insbesondere etwa um die Erstellung von Ausschreibungsplänen, Leistungsverzeichnissen oder die Erstellung von Detail­planungen zur Vorbereitung eines Vergabeverfahrens (BVA 12.5.2003, 02N-19/03-31). Eine Beteiligung an der Erarbeitung der Unterlagen für das gegen­ständliche Vergabeverfahren liege daher jedenfalls vor.

 

Es möge zwar sein, dass nicht jede geringfügige Vorarbeit per se das Aus­scheiden eines Angebotes bzw. den Ausschluss eines Bieters bedinge; dies habe aber jedenfalls dann zu erfolgen, wenn durch die Teilnahme eines vorarbeitenden Unternehmens am Vergabeverfahren der faire und lautere Wettbewerb ausge­schlossen wäre.

 

Nach der Rechtsprechung liege eine solche im Sinne des fairen und lauteren Wettbewerbs schädliche Beteiligung insbesondere dann vor, „wenn eine Person, die bestimmte Vorarbeiten und Arbeiten für den Auftraggeber ausgeführt hat, Informationen im Hinblick auf den fraglichen Auftrag erlangen konnte oder auch wegen der Lage, in der sie sich befindet, die möglicherweise auf einen Inter­essenskonflikt hinausläuft, da sie die Bedingungen für den fraglichen Auftrag, und sei es unbeabsichtigt, in einem für sie günstigen Sinne beeinflussen kann, wenn sie selbst Bieter für diesen Auftrag ist" (BVA 3.2.2009, N/0170-BVA/03/2008-30). Wirke etwa ein Bieter bei der Erstellung des Leistungs-verzeichnisses mit, bestehe die Möglichkeit, dass er die Ausschreibungs-bedingungen für die Lieferung in einem „für ihn günstigen Sinn beeinflussen könne" (EuGH 3.3.2005, Rs C-21/03).

 

Genau dies sei gegenständlich der Fall. Insbesondere habe die präsumtive Zuschlagsempfängerin aufgrund des Umstands, dass die Ausschreibungsunter­lagen so gestaltet worden seien, dass die übrigen Bieter zwangsläufig ihre Produkte anbieten müssten, maßgeblichen Einfluss auf den Wettbewerb nehmen können (UVS Oö. 29.6.2012; VwSen-550600, VwSen-550602). Dass sich die präsumtive Zuschlagsempfängerin auch selbst am gegenständlichen Vergabe­verfahren beteiligt habe, stelle dementsprechend jedenfalls einen massiven Wettbewerbsnachteil für die übrigen Bieter dar, der einen fairen und lauteren Wettbewerb ausschließe und der auch vom Auftraggeber nicht ausgeglichen worden sei.

 

Es erscheine zwar fraglich, ob bzw. inwieweit der Wettbewerbsvorteil der präsumtiven Zuschlagsempfängerin unter den gegenständlichen Ausschreibungs-bedingungen überhaupt ausgeglichen werden hätte können, zumal die Leistungs­beschreibung in wesentlichen Teilen nicht offen für einen Wettbewerb sei (UVS Oö. 29.6.2012; VwSen-550600, VwSen-550602).

 

Festzuhalten sei aber, dass die Auftraggeberin ohnehin keine entsprechenden Ausgleichsmaßnahmen gesetzt habe. Insbesondere sei auch die gesetzliche Mindestangebotsfrist nicht eingehalten worden. Diese habe entgegen § 60 Abs. 1 BVergG 2006 lediglich 26 Tage betragen. Die Auftraggeberin habe zwar eine Vorinformation veröffentlicht, die Vorgaben des § 61 BVergG 2006, insbesondere die Frist von 52 Tagen vor Absendung der Bekanntmachung, aber nicht eingehalten, sodass eine Verkürzung der Angebotsfrist nach Maßgabe des § 61 BVergG 2006 gegenständlich nicht zum Tragen gekommen sei. Die Vorinfor­mation sei am 19. Februar 2016 versendet worden, die Bekanntmachung am 8. April 2016.

 

Auch Maßnahmen zu einem Informationsausgleich seien seitens der Auftrag­geberin nicht entsprechend erfolgt.

 

Die präsumtive Zuschlagsempfängerin wäre daher bei vergaberechtskonformer Vorgehensweise vom gegenständlichen Vergabeverfahren nach Maßgabe des § 20 Abs. 5 BVergG 2006 auszuschließen gewesen bzw. ihr Angebot gemäß § 129 Abs. 1 Z 1 BVergG 2006 auszuscheiden gewesen.

 

Zumindest wäre aber die Angebotsprüfung in einem wesentlichen Punkt als mangelhaft anzusehen, soweit die Auftraggeberin die oben genannten Umstände der präsumtiven Zuschlagsempfängerin nicht entsprechend vorgehalten habe.

 

Die oben genannten Rechtswidrigkeiten seien auch wesentlich für den Ausgang des Vergabeverfahrens. Das Angebot der Antragstellerin liege preislich an zweiter Stelle. Bei vergaberechtskonformer Vorgehensweise wäre das Angebot der prä­sumtiven Zuschlagsempfängerin auszuscheiden und die Zuschlagsentscheidung zu Gunsten der Antragstellerin zu treffen gewesen. In weiterer Folge wäre der Antragstellerin der Zuschlag zu erteilen.

 

1.3. Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung verweist die Antragstellerin zunächst auf die Ausführungen im Hauptantrag.

 

Das Interesse der Antragstellerin an der Erlassung einer einstweiligen Verfügung gründe sich insbesondere darauf, dass die Auftraggeberin eine Zuschlagsent­scheidung getroffen habe und dementsprechend beabsichtige, der Antragstellerin rechtswidrig den Zuschlag nicht zu erteilen. Dies, obwohl das gegenständliche Vergabeverfahren aufgrund der geschilderten Vergabeverstöße mit gravierenden Mängeln behaftet sei, die im Ergebnis den Anspruch der Antragstellerin auf ein vergaberechtskonformes Vergabeverfahren und letztlich den Anspruch der Antragstellerin auf Zuschlagserteilung umgehen würden.

 

Das Interesse der Antragstellerin an der Erlassung einer einstweiligen Verfügung gründe sich auch darauf, dass der Antragstellerin der Entgang des Auftrages, sohin der Entgang von Gewinn, Frustration der Kosten für die Teilnahme am Vergabeverfahren sowie der Kosten für die rechtsfreundliche Vertretung im vor­liegenden Vergabeverfahren drohen würden. Darüber hinaus entginge der Antragstellerin ein Referenzprojekt, das weitere Folgeaufträge für den (öster­reichischen und europäischen) Markt sichergestellt hätte.

 

Es seien keine besonderen Interessen der Auftraggeberin ersichtlich, die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechen würden. Die Auftraggeberin behalte sich im Übrigen eine Zuschlagsfrist von drei Monaten ab dem Ende der Angebotsfrist vor.

 

In diesem Zusammenhang sei weiters darauf hinzuweisen, dass jeder umsichtige Auftraggeber bei der Gestaltung des Zeitplanes, Zeitpolster für Nachprüfungs-verfahren einplanen müsse (BVA 15.9.2003, 14 N-91/03-10; BVA 19.5.2003, 07 N-48/03-15; BVA 10.7.2003, 04 N-65/03-7; BVA 11.8.2003, 16 N-74/03-7; BVA 29.5.1998, N 16/98-7).

 

Besondere öffentliche Interessen, die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechen könnten, seien ebenfalls nicht ersichtlich. Damit handle es sich bei der begehrten einstweiligen Verfügung jedenfalls um die einzige und gleichzeitig gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme.

 

2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat die MG M als Auftraggeberin am Nachprüfungsverfahren beteiligt und die Möglichkeit einer Stellungnahme bis zum 15. Juni 2016 beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einlangend eingeräumt.

 

Mit Eingabe vom 15. Juni 2016 nahm die Auftraggeberin dahingehend Stellung, dass die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich abge­wartet werde und sprach sich somit nicht gegen die Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung aus.

 

3. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 1 Abs. 1 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 (Oö. VergRSG 2006) regelt dieses Landesgesetz den Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Auftraggeber in Verfahren nach den bundesrechtlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesen (Vergabeverfahren), die gemäß Art. 14b Abs. 2 Z 2 B-VG in den Vollzugsbereich des Landes fallen.

 

Gemäß Art 14b Abs. 2 Z 2 lit.a B-VG ist die Vollziehung Landessache hinsichtlich der Vergabe von Aufträgen durch die Gemeinde. Das gegenständliche Nach­prüfungsverfahren unterliegt daher den Bestimmungen des Oö. VergRSG. Gemäß § 2 Abs. 1 Oö. VergRSG 2006 obliegt dem Landesverwaltungsgericht Oberöster­reich die Gewährung von Rechtsschutz gemäß § 1 Abs. 1 leg.cit.

 

3.2. Gemäß § 2 Abs. 3 Oö. VergRSG 2006 ist das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich bis zur Zuschlagsentscheidung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen die bundes­gesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens und die dazu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht zuständig zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen (§ 2 Z 16 lit.a BVergG 2006) des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw. der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte.

 

Der gegenständliche Antrag ist rechtzeitig und zulässig. Aufgrund der Höhe des Auftragswertes des ausgeschriebenen Bauauftrages sind die Bestimmungen für Liefer- und Dienstaufträge im Oberschwellenbereich anzuwenden. Hinsichtlich der zu entrichteten Pauschalgebühren ist auf § 22 Abs. 2 VergbRSG hinzuweisen.

 

3.3. Gemäß § 8 Abs. 1 Oö. VergRSG 2006 hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich auf Antrag durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet scheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstan­dene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin zu beseitigen oder zu verhindern.

 

Gemäß § 11 Abs. 1 leg.cit. hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vor Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin, der sonstigen Bewerber oder Bieter bzw. Bewerberinnen oder Bieterinnen und des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf ihre Erlassung abzuweisen.

 

Gemäß § 11 Abs. 3 leg.cit. ist in einer einstweiligen Verfügung die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Ver­fügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung über den Antrag auf Nichtigerklärung, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird, außer Kraft.

 

3.4. Bereits zu der vorausgegangenen sinngemäßen Regelung des Bundes­vergabegesetzes 1997 führte Elsner, Vergaberecht (1999), auf Seite 86 aus: Die Entscheidung hängt von einer Abwägung der möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers und einem allfälligen besonderen öffentlichen Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens ab. Dabei muss es sich um ein "besonderes" öffentliches Interesse handeln. Es wird nämlich (hoffentlich) bei jeder öffentlichen Auftragsvergabe ein öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens und Vergabe eines Auftrages bestehen. Aber auch daran, dass Vergabeverfahren fehlerfrei ablaufen, besteht öffentliches Interesse. Eine Nichterlassung einstweiliger Verfügungen wird daher nur bei sonstiger Gefahr für Leib und Leben und besonderer Dringlichkeit zulässig sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn besondere Interessen der Daseinsvorsorge gefährdet würden.

 

Art. 2 Abs. 4 Satz 1 (entspricht nunmehr Art. 2 Abs. 5) der Rechtsmittelrichtlinie darf nicht fälschlicherweise so ausgelegt werden, dass der vorläufige Rechts­schutz regelmäßig leerläuft. Mit diesem Interesse ist nicht das bei jeder Auftragsvergabe bestehende öffentliche Interesse an der zügigen Abwicklung gemeint. Nach der Beschlusspraxis des EuGH kommt es in der Interessens-abwägung maßgeblich darauf an, wer durch sein Verhalten die besondere Dringlichkeit der Auftragsvergabe verursacht hat. Für die öffentlichen Auftrag-geber ergibt sich daraus eine echte Obliegenheit zu rechtzeitig geplanten und durchgeführten Beschaffungsvorgängen. Das Rechtsschutzinteresse des diskrimi­nierten Bieters kann insoweit nur vom vorrangigen Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter der Allgemeinheit zurückgedrängt werden (vgl. Schenk, Das neue Vergaberecht, 1. Auflage 2001, S. 172f).

 

Auch der Verfassungsgerichtshof hat insbesondere in seiner Entscheidung zu Zl. B 1369/01 vom 15.10.2001 ein öffentliches Interesse im Hinblick auf das Postulat effizienten Einsatzes öffentlicher Mittel in der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter gesehen, dem die Nachprüfung des Vergabeverfahrens letztlich dienen soll.

 

3.5. In Anbetracht der Tatsache, dass es sich beim gegenständlichen Vorhaben nicht um eine vordringliche Leistungserbringung handelt, kann daraus geschlossen werden, dass eine Gefährdung von Leib und Leben nicht aktuell ist. Auch trifft die Auftraggeberin im Hinblick auf die Rechtsnatur des Provisorial-verfahrens und auf die allgemeine Mitwirkungspflicht der Parteien im Verwal­tungsverfahren die Behauptungslast betreffend die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen. Die Auftraggeberin hat im Verfahren konkrete, mit der Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung drohende Nachteile nicht dargelegt, sodass davon auszugehen ist, dass die nachteiligen Folgen des vorläufigen Zuschlagsverbotes nicht überwiegen und daher dem Antrag stattzugeben ist (vgl. BVA 1.12.2000, N-56/00-9).

 

Die Antragstellerin hat denkmöglich ausgeführt, dass ihr durch die behauptete Rechtswidrigkeit der Entgang des Auftrages droht, sohin ein Schaden, der nur durch die vorläufige Untersagung der Zuschlagserteilung abgewendet werden kann. Abgesehen von dem vorausgesetzten öffentlichen Interesse an der Ver­gabe des gegenständlichen Auftrages ist aber ein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens weder durch die Auftraggeberin vorgebracht worden noch dem Landes-verwaltungsgericht Oberösterreich zur Kenntnis gelangt. Vielmehr ist bei der Interessensabwägung iSd Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu berück­sichtigen, dass die Auftraggeberin ein Interesse an einem rechtmäßigen Vergabeverfahren haben muss. Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Vergabekontrollinstanzen, dass ein öffentlicher Auftraggeber bei der Erstellung des Zeitplanes für eine Auftragsvergabe die Möglichkeit von Nachprüfungsver­fahren und die damit einhergehende Verzögerung ins Kalkül zu ziehen hat, zu verweisen. Dass sich durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung eine Verzögerung der Bedarfsdeckung und ein organisatorischer und finanzieller Mehraufwand ergeben können, liegt in der Natur der Sache. Da - wie bereits erwähnt - kein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an einem möglichst raschen Vertragsabschluss geltend gemacht wurde und auch nicht auf der Hand liegt, war dem Antrag stattzugeben.

 

Die im Vorbringen der Antragstellerin behaupteten Rechtswidrigkeiten sind zumindest denkmöglich. Eine Überprüfung, ob die behaupteten Rechtswidrig­keiten auch tatsächlich vorliegen, war im Rahmen des Provisorialverfahrens nicht durchzuführen.

 

Die Dauer der Aussetzung der Zuschlagserteilung ergibt sich aus § 11 Abs. 3 Oö. VergRSG 2006 iVm § 20 Abs. 1 Oö. VergRSG 2006.

 

Gemäß § 20 Abs. 1 Oö. VergRSG 2006 ist über Anträge auf Nichtigerklärung von Entscheidungen eines Auftraggebers bzw. einer Auftraggeberin unverzüglich, spätestens aber zwei Monate nach Einlangen des Antrages zu entscheiden.

 

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass für das Landesverwaltungs­gericht Oberösterreich somit die Möglichkeit besteht, die Aussetzung der Zuschlagserteilung für zwei Monate, auszusprechen.

 

Die einstweilige Verfügung ist gemäß § 11 Abs. 4 Oö. VergRSG 2006 sofort vollstreckbar.

 

 

II. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechts­frage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen  durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt oder eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Lidauer