LVwG-170010/15/WP

Linz, 01.06.2016

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Wolfgang Peterseil über die Säumnisbeschwerde der Dipl.-Biol. C K, x, x, bezüglich Säumigkeit des Gemeinderates der Gemeinde Gallneukirchen bei der Erledigung der Berufung der Beschwerdeführerin vom 7. Juni 2014 gegen den Bescheid der Bürgermeisterin der Gemeinde Gallneukirchen vom 27. Mai 2014, GZ: 0300-1411-UJ28-Lei/Ru, betreffend einen Beseitigungsauftrag nach der Oö. Bau­ordnung 1994, den

B E S C H L U S S

gefasst:

 

I.          Die Beschwerde wird gemäß Art 132 Abs 3 Bundes-Verfassungs­gesetz (B-VG) iVm §§ 28 Abs 1 iVm 31 Abs 1 iVm 36 Verwaltungs­gerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) mangels Beschwerde­legitimation als unzulässig zurückgewiesen.

 

II.         Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.            Bisheriges Verwaltungsgeschehen, maßgeblicher Sachverhalt:

 

1. Die Beschwerdeführerin (in der Folge kurz: Bf) ist Miteigentümerin des verfahrensgegenständlichen Grundstücks Nr x, EZ x der KG G. Mit Bescheid der Bürgermeisterin der Gemeinde Gallneukirchen (in der Folge kurz: Bürgermeisterin) vom 27. Mai 2014 wurde der Bf (sowie dem weiteren Miteigentümer des Grundstücks, dem Ehegatten der Bf) aufgetragen, „den auf dem Grundstück x, KG G, festgestellten Baumangel der Geländeveränderung so abzutragen, dass sie den Vorgaben des Bebauungsplanes Nr. x ‚x‘ Punkt G4/Geländeveränderungen – ‚Die Höhe von Abgrabungen, Anschüttungen und Stützmauern darf je nach Geländeneigung 1,0 – 1,5 m nicht überschreiten, gemessen vom gewachsenen Gelände‘ entspricht“.

 

Dieser Bescheid wurde der Bf sowie ihrem Ehegatten mit einem (gemeinsamen) Rückscheinbrief zugestellt und vom Ehegatten der Bf am 30. Mai 2014 persönlich übernommen.

 

2. Gegen diesen Bescheid erhob die Bf (gemeinsam mit ihrem Ehegatten) mit Schriftsatz vom 7. Juni 2014 Berufung und brachte auf das Wesentliche zusammengefasst vor, die vom Beseitigungsauftrag umfasste Gelände­veränderung sei bei der zuständigen Behörde angezeigt worden. Eine wirksame rechtskräftige Bauanzeige stünde einer Baubewilligung gleich und sei daher ein Bauauftrag angeschlossen. Abschließend beantragte die Bf, der Gemeinderat möge den erstinstanzlichen Bescheid ersatzlos beheben.

 

3. Mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2014, beim Stadtamt Gallneukirchen am selben Tag eingelangt, erhob die Bf – gemeinsam mit ihrem Ehegatten (zum diesbezüglichen Verfahren siehe das Erkenntnis des LVwG Oberösterreich, GZ: LVwG-170011) – Säumnisbeschwerde an das Landes­verwaltungsgericht Ober­österreich. Begründend führt die Bf dazu aus, der Gemeinderat der Gemeinde Gallneukirchen (in der Folge kurz: belangte Behörde) sei trotz Ablauf der sechsmonatigen Entscheidungsfrist untätig geblieben. Die Bf beantragt, das Landesverwaltungsgericht möge über die Berufung der Bf entscheiden und den erstinstanzlichen Entfernungsauftrag aufheben sowie gemäß § 24 Abs 1 VwGVG eine mündliche Verhandlung durchführen.

 

4. Nach einem (weiteren) Schriftwechsel zwischen der belangten Behörde und der Bf wurde die Berufung der Bf in der Sitzung des Gemeinderates der Gemeinde Gallneukirchen vom 26. Februar 2015 unter Tagesordnungspunkt 27 behandelt. Nach ausführlicher und lebhafter Diskussion unter den Gemeinderatsmitgliedern wurde vom Vizebürgermeister abschließend der Antrag gestellt, der Gemeinderat möge den Berufungsbescheid – wie verlesen – beschließen, was dieser nicht tat.

 

5. Mit Vorlageschreiben vom 20. März 2015, beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich am 24. März 2015 eingelangt, legte die belangte Behörde die Säumnisbeschwerde samt verwaltungsbehördlichen Verfahrensakt mit der Anregung, das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich möge in der Sache selbst entscheiden, zur Entscheidung vor.

 

 

II.          Beweiswürdigung:

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde samt den Schriftsätzen der Bf sowie durch Beischaffung eines aktuellen Grundbuchsauszugs. Aus den genannten Beweismitteln ergibt sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt widerspruchsfrei. Die Zuordnung der Unterschrift zum Ehegatten der Bf auf der Empfangsbestätigung zur Zustellung des Bescheides der Bürgermeisterin ergab sich eindeutig aus einem Unterschriftenvergleich mit den weiteren – im vorgelegten Verfahrensakt einliegenden – Schriftsätzen im gegenständlichen Verwaltungsverfahren.

 

Die – von der Bf beantragte – öffentliche mündliche Verhandlung konnte gem § 24 Abs 2 Z 2 VwGVG entfallen, da die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen ist.

 

 

III.        Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (Art 130 Abs 1 Z 3 iVm 131 Abs 1 B-VG iVm § 3 VwGVG) hat gem Art 135 Abs 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG durch seinen nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter über die Säumnisbeschwerde der Bf erwogen:

 

1. Der erstinstanzliche Bescheid der Bürgermeisterin vom 27. Mai 2014 wurde an die Bf sowie an den – an derselben Adresse wohnhaften – Ehegatten der Bf adressiert. Aus dem im Verfahrensakt einliegenden Rückschein ist erkennbar, dass die Zustellung mittels eines Rückscheinbriefes an die Bf sowie ihren Ehegatten zugleich verfügt wurde. Zur wirksamen Erlassung des in Rede stehenden Bescheides wäre es allerdings erforderlich gewesen, abweichend von ihrer materiellen Adressierung, an beide Ehegatten die Zustellung je einer Ausfertigung an jeden von ihnen zu verfügen und durchzuführen. Da eine Ausfertigung eines Bescheides nicht für zwei Adressaten bestimmt sein kann, vermochte die formelle Adressierung der Erledigung der Bürgermeisterin an beide Ehegatten allenfalls für einen von ihnen Wirksamkeit zu entfalten (vgl VwGH 24.5.1996, 94/17/0320).

 

Eine Sendung, die an beide Ehegatten adressiert ist und deren Zustellnachweis von einem Ehegatten unterfertigt wurde, kann für den anderen Ehegatten nicht als Ersatzzustellung rechtswirksam sein. Daraus folgt, dass die Zustellung des Bescheides der Bürgermeisterin vom 27. Mai 2014 durch persönliche Ausfolgung an den Ehegatten der Bf nur gegenüber diesem, nicht jedoch gegenüber der Bf wirksam wurde (vgl VwGH 24.5.1996, 94/17/0320). Insofern scheidet aber eine Heilung des Zustellmangels bezüglich der Zustellung der Sendung an die Bf aus, da die Sendung schon einem der darin genannten Adressaten zugekommen ist (vgl VwGH 29.8.1996, 95/06/0128). Einen – diesen Fehler korrigierenden – zweiten Zustellversuch an die Bf lässt der vorgelegte Verwaltungsakt nicht erkennen. Das Landesverwaltungs­gericht Oberösterreich geht davon aus, dass eine Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides der Bürgermeisterin an die Bf persönlich nicht erfolgt ist.

 

2. Wird im Mehrparteienverfahren einer Person, obwohl sie Parteistellung hat, ihr gegenüber der in der Sache ergehende Bescheid nicht erlassen, verliert die übergangene Partei dadurch grundsätzlich weder die Parteistellung noch das – unmittelbar aus der Parteistellung erfließende – Berufungsrecht (vgl Hengstschläger/Leeb, [2. Ausgabe 2014] § 63 Rz 66 [Stand 1.7.2007, rdb.at] und die dort zitierte Rspr). Wurde daher in einem Mehrparteienverfahren der Bescheid auch nur einer Partei gegenüber erlassen, können die übrigen Parteien bereits Berufung erheben. Dies ist jedoch nur in Mehrparteienverfahren der Art des anlagenrechtlichen Bewilligungsverfahrens der Fall, nicht jedoch im Zusammenhang mit verwaltungspolizeilichen Aufträgen (wie beispielsweise bei baubehördlichen Beseitigungsaufträgen), die – wie etwa im Fall des Miteigentums – an mehrere Parteien zu erlassen wären oder in Verfahren, in denen verschiedene Bescheidadressaten in Frage kämen, jedoch (zunächst) nur einer von der Behörde als Adressat gewählt wurde (Hengstschläger/Leeb aaO; VwGH 22.5.1999, 99/06/0035).

 

Da der Bescheid der Bürgermeisterin der Bf gegenüber nicht erlassen wurde, konnte dieser gegenüber ihr auch nicht wirksam werden. Mangels Betroffenheit in Rechten war die Bf nicht Partei im (erstinstanzlichen) Verfahren zur Beseitigung der Geländeänderung gegenüber ihrem Ehegatten. Die aus der Parteistellung erfließende Legitimation zur Erhebung einer Berufung gegen den Bescheid der Bürgermeisterin kam der Bf daher nicht zu.

 

3. Gemäß Art 132 Abs 3 B-VG kann wegen Verletzung der Entscheidungspflicht Beschwerde erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt zu sein behauptet. Da die Bf über keine Parteistellung im Verfahren betreffend den Bescheid der Bürgermeisterin vom 27. Mai 2014 besitzt, war sie auch nicht berechtigt, die Entscheidungspflicht der belangten Behörde durch Säumnisbeschwerde geltend zu machen. Die Säumnisbeschwerde war daher mangels Parteistellung im zugrundeliegenden Verwaltungsverfahren als unzulässig zurückzuweisen.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

IV.         Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Mag. Wolfgang Peterseil