LVwG-650652/2/MZ

Linz, 20.06.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter         Mag. Dr. Markus Zeinhofer über die Beschwerde der V T, geb x, vertreten durch RA Dr. C A, G, L, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 2.5.2016, GZ: FE-338/2016, wegen der Entziehung der Lenkberechtigung,

 

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Der Beschwerde wird insofern stattgegeben, als die Spruchpunkte 2.) und 3.) des angefochtenen Bescheides behoben werden.

Spruchpunkt 1.) hat zu lauten:

„Es wird Ihnen die von der Landespolizeidirektion Oberösterreich am 2.5.2015 zur Zahl F14/157154 für die Klassen AM, A und B erteilte Lenkberechtigung für die Dauer von zwei Wochen entzogen.“

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 2.5.2016, GZ: FE-338/2016, wurde über die Beschwerdeführerin (in Folge: Bf) wie folgt abgesprochen:

 

„Die Landespolizeidirektion Oberösterreich

1.) entzieht die von der LPD , am 02.05.2014, unter der Zahl F14/157154, für die Klassen AM, A (79.03, 70.04) und B (111) erteilte Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit für die Dauer von 2 Wochen ab Rechtskraft des Bescheides.

 

2.) Gleichzeitig wird eine allenfalls bestehende ausländische Nicht-EWR-Lenkberechtigung oder EWR-Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit für die Dauer von 2 Wochen ab Rechtskraft des Bescheides entzogen.

 

3.) Der Führerschein ist unverzüglich ab Rechtskraft des Bescheides bei der Behörde abzuliefern.

 

4.) Ein Rechtsmittel gegen diesen Bescheid hat aufschiebende Wirkung.

 

Rechtsgrundlagen: §§ 7, 24, 25, 26, 29, 30 FSG; 13 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz“

 

Ihren Bescheid begründet die belangte Behörde nach Zitierung der einschlägigen Rechtsvorschriften mit einer rechtskräftigen Bestrafung der Bf, wonach diese die durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 51 km/h überschritten habe.

 

II. Gegen die Spruchpunkte 1.), 2.) und 3.) des angefochtenen Bescheides erhob die Bf rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde.

 

Auf das Wesentliche verkürzt bringt die Bf ihr Rechtsmittel begründend vor, dass zum einen eine Bindungswirkung an die rechtskräftige Strafverfügung nicht bestehen könne, da die dieser zugrundeliegenden Verordnung fehlerhaft kundgemacht sei und zum anderen eine Bindung eines Gerichtes an eine behördliche Entscheidung aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht rechtens sei.

 

Die Bf beantragt daher, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung und nach Aufnahme vorstehend angeführter Beweise den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Einstellung des Führerscheinentzugsverfahrens auszusprechen.

 

III.a) Die belangte Behörde hat die Beschwerde unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsaktes dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art 130 Abs 1 Z 1 iVm 131 Abs 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art 135 Abs 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

 

b) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs 4 VwGVG trotz Antrags der Bf abgesehen werden. Zwar hat der EGMR im Urteil vom 11.6.2015, Becker gegen Österreich, festgehalten, dass die Entziehung der Lenkberechtigung als civil right anzusehen ist. Davon ausgehend hat der EGMR in diesem Urteil (Rn 39 bis 41) – fallbezogen (es ging dort um die Entziehung der Lenkberechtigung wegen Verweigerung der Atemalkoholuntersuchung) – die Durchführung einer (dort beantragten) mündlichen Verhandlung gemäß Art 6 EMRK für erforderlich erachtet, weil es dort im Hinblick auf die beantragte Anhörung von Zeugen und die beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens um Tatsachenfragen (questions of fact) ging und keine ausnahmsweisen Gründe für ein Absehen von der Verhandlung gegeben gewesen seien. Davon unterscheidet sich der vorliegende Fall, weil hier, aufgrund der unbestritten rechtskräftigen Strafverfügung strittige Tatsachenfeststellungen oder Fragen der Beweiswürdigung nicht zu klären sind. Daher ist eine weitere Klärung der Rechtssache durch eine mündliche Erörterung nicht zu erwarten und steht einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 EMRK noch Art 47 GRC entgegen (vgl VwGH 16.11.2015, Ra 2015/11/0091).

 

c) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht von folgendem, unstrittigem Sachverhalt aus:

 

Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 11.12.2015, VerkR96-39185-2015, wurde der Bf angelastet, als Lenkerin des PKW mit dem Kennzeichen L-x am 4.8.2015 um 18:40 Uhr im Gemeindegebiet von Pucking auf der A1 bei km 176.000 in Fahrtrichtung Wien die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 51 km/h überschritten zu haben. Die Bf habe daher gegen § 52 lit a Z 10a StVO 1960 verstoßen, weshalb über sie gemäß § 99 Abs 2e StVO 1960 eine Geldstrafe in der Höhe von 360,00 Euro verhängt wurde.

 

Diese Strafverfügung wurde von der Bf nicht beeinsprucht und erwuchs in Rechtskraft.

 

Die Überschreitung der Geschwindigkeit wurde im Wege der Nachfahrt über eine Strecke von über 1000 m unter Zuhilfenahme des Messgerätes Multavision mit der Nummer 21367503 festgestellt.

 

IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

a) Die einschlägigen Bestimmungen des Führerscheingesetzes lauten in der geltenden Fassung:

 

„Verkehrszuverlässigkeit

§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder

2. sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

(2) Handelt es sich bei den in Abs. 3 angeführten Tatbeständen um Verkehrsverstöße oder strafbare Handlungen, die im Ausland begangen wurden, so sind diese nach Maßgabe der inländischen Rechtsvorschriften zu beurteilen.

(3) Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:

1. …

3. als Lenker eines Kraftfahrzeuges durch Übertretung von Verkehrsvorschriften ein Verhalten setzt, das an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften verstoßen hat; als Verhalten, das geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, gelten insbesondere erhebliche Überschreitungen der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit vor Schulen, Kindergärten und vergleichbaren Einrichtungen sowie auf Schutzwegen oder Radfahrerüberfahrten, sowie jedenfalls Überschreitungen der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 90 km/h oder außerhalb des Ortsgebiets um mehr als 100 km/h, das Nichteinhalten des zeitlichen Sicherheitsabstandes beim Hintereinanderfahren, sofern der zeitliche Sicherheitsabstand eine Zeitdauer von 0,2 Sekunden unterschritten hat und diese Übertretungen mit technischen Messgeräten festgestellt wurden, das Übertreten von Überholverboten bei besonders schlechten oder bei weitem nicht ausreichenden Sichtverhältnissen oder das Fahren gegen die Fahrtrichtung auf Autobahnen;

4. die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 40 km/h oder außerhalb des Ortsgebiets um mehr als 50 km/h überschritten hat und diese Überschreitung mit einem technischen Hilfsmittel festgestellt wurde;

5. …

 

Sonderfälle der Entziehung

§ 26. (1) …

(3) Im Falle der erstmaligen Begehung einer in § 7 Abs. 3 Z 4 genannten Übertretung – sofern die Übertretung nicht geeignet war, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen oder nicht mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern begangen wurde (§ 7 Abs. 3 Z 3) oder auch eine Übertretung gemäß Abs. 1 oder 2 vorliegt – hat die Entziehungsdauer

1. zwei Wochen,

2. wenn die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 60 km/h oder außerhalb des Ortsgebiets um mehr als 70 km/h überschritten worden ist, sechs Wochen,

3. wenn die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 80 km/h oder außerhalb des Ortsgebiets um mehr als 90 km/h überschritten worden ist, drei Monate

zu betragen. Bei wiederholter Begehung einer derartigen Übertretung innerhalb von zwei Jahren hat die Entziehungsdauer, sofern in keinem Fall eine Qualifizierung im Sinne der Z 2 oder 3 gegeben ist sechs Wochen, sonst mindestens sechs Monate zu betragen. Eine nach Ablauf von zwei Jahren seit der letzten Übertretung begangene derartige Übertretung gilt als erstmalig begangen.

(4) Eine Entziehung gemäß Abs. 3 darf erst ausgesprochen werden, wenn das Strafverfahren in erster Instanz durch Strafbescheid abgeschlossen ist. Bei erstmaligen Entziehungen gemäß Abs. 3 darf die Behörde keine begleitenden Maßnahmen anordnen, es sei denn, die Übertretung erfolgte durch einen Probeführerscheinbesitzer.

(5) …“

 

a.2) Die einschlägige Bestimmung der Straßenverkehrsordnung lautet in der im Tatzeitpunkt geltenden Fassung:

 

㤠99. Strafbestimmungen.

(1) …

(2e) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 150 bis 2180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von 48 Stunden bis zu sechs Wochen, zu bestrafen, wer die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 40 km/h oder außerhalb des Ortsgebiets um mehr als 50 km/h überschreitet.“

 

b) Aufgrund der in Rechtskraft erwachsenen Strafverfügung vom 11.12.2015, mit welcher die Bf wegen einer Übertretung des § 99 Abs 2e StVO 1960 belangt wurde, ist für die Behörden rechtlich bindend festgestellt, dass die Bf die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb des Ortsgebiets um mehr als 50 km/h überschritten hat.

 

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die Führerscheinbehörde (und damit – entgegen der Ansicht der Bf – auch das Verwaltungsgericht [VwGH 21.4.2016, Ra 2016/11/0039]), wenn eine rechtskräftige Bestrafung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung vorliegt, jedenfalls in Ansehung des Umstands, dass der Betreffende die im Strafbescheid genannte Tat begangen hat, gebunden (vgl VwGH 27.1.2005, 2003/11/0169; 24.2.2009, 2007/11/0042; 21.8.2014, Ra 2014/11/0027). Ein allfälliger Kundmachungsmangel der Verordnung wäre, wie auch evtl Messfehler etc, von der Bf im Strafverfahren geltend zu machen gewesen.

 

Da auch nicht weiter strittig ist, dass die im Sinne des § 26 Abs 4 FSG Bindungswirkung entfaltende Geschwindigkeitsübertretung mit einem technischen Messgerät festgestellt wurde, hat die Bf den Tatbestand des § 7 Abs 3 Z 4 FSG verwirklicht und ist ihr, mangels einschlägiger Vormerkungen, gemäß § 26 Abs 3 Z 1 FSG die Lenkberechtigung für die Dauer von zwei Wochen zu entziehen.

 

c) Im Hinblick auf Spruchpunkt 3.) des angefochtenen Bescheides wäre zwar eine im Besitz der Beschwerdeführerin befindliche, konkrete ausländische Lenkberechtigung von der belangten Behörde gemäß § 30 Abs 2 FSG entsprechend zu entziehen gewesen. Nach Auffassung des erkennenden Mitglieds des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich ist es jedoch unzulässig, ein nicht näher genanntes Recht pauschal zu entziehen. Der genannte Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides war daher zu beheben.

 

d) § 29 Abs 3 Satz 1 FSG zufolge ist der über die entzogene Lenkberechtigung ausgestellte Führerschein, sofern er nicht bereits abgenommen wurde, nach Eintritt der Vollstreckbarkeit des Entziehungsbescheides unverzüglich der Behörde abzuliefern. Eine entsprechende Verpflichtung der Bf ergibt sich somit unmittelbar aufgrund des Gesetzes und es bedarf keiner weiteren behördlichen Konkretisierung. Auch Spruchpunkt 4.) des angefochtenen Bescheides ist vor diesem Hintergrund zu beheben.

 

V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da die gegenständliche Entscheidung der oben zitierten, einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vollinhaltlich entspricht.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.



 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Dr. Markus Zeinhofer