LVwG-050006/37/Gf/Mu

Linz, 11.07.2016

I M  N A M E N  D E R  R E P U B L I K !

 

 

 

                                                                                                                                                                                                                                                                                                    

LVwG-050006/37/Gf/Mu                                                                           Linz, 11. Juli 2016

 

 

Das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Grof über die Beschwerde der Mag. S, vertreten durch RAin Dr. E B-O, B,  W, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 29. Dezember 2011, Zl. SanRB01-51-2010, wegen Abweisung eines Antrages auf Erteilung einer Konzession zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke in P (Mitbeteiligte Partei: Dr. H, vertreten durch RA DDr. C S, D, W)

z u  R e c h t  e r k a n n t :

I. Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben; unter einem wird der Beschwerdeführerin die beantragte Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke in P mit der voraussichtlichen Betriebsstätte „G-Straße 4, P“ und dem Standort „Gemeindegebiet von P“ erteilt und ihr hierfür gemäß § 11 Abs. 2 ApG die Entrichtung einer Taxe an die Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich in Höhe von 1.104 Euro binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Erkenntnisses auferlegt.

 

II. Gemäß § 78 AVG i.V.m. § 34 GebG hat die Beschwerdeführerin binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Erkenntnisses eine Bundesverwaltungsabgabe in Höhe von 327,00 Euro sowie Stempelgebühren in einer Höhe von insgesamt 158,20 Euro zu entrichten.

 

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Abs. 1 VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

 


 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

 

 

 

I.

 

Vorgängiges Behörden- und Verwaltungsgerichtsverfahren

 

 

1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 29. Dezember 2011, Zl. SanRB01-51-2010, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 19. August 2010 auf Erteilung einer Konzession zum Betrieb einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke mit dem Standort im Gemeindegebiet von P mangels Bedarf im Sinne des § 10 des Apothekengesetzes, RGBl 5/1907 (in der nunmehr maßgeblichen Fassung BGBl I 30/2016, im Folgenden kurz: ApG), abgewiesen.

 

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass zwar das Vorhandensein von Ärzten in der Standortgemeinde aktenkundig sei, die Entfernung der geplanten zu den nächstgelegenen bereits bestehenden öffentlichen Apotheken unstrittig jeweils mehr als 500 Meter betrage und sich innerhalb eines 4-km-Umkreises um den beabsichtigten Standort nachweislich keine Arztordination mit einer Hausapothekenbewilligung befinden würde; aus dem Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer vom 12. April 2011, Zl. III-5/2/2-220/1/11, in Verbindung mit deren nachträglicher Stellungnahme vom 25. Oktober 2011, Zl. III-5/2/2-220/4/11, gehe jedoch insgesamt hervor, dass das Versorgungspotential der in der Nachbargemeinde A bereits bestehenden öffentlichen Apotheke der Mitbeteiligten Partei infolge der beantragten Neuerrichtung unter 5.500 Personen zu liegen käme, nämlich bloß 1.513 Personen betragen werde.

 

2. Gegen diesen ihr am 3. Jänner 2012 zugestellten Bescheid richtete sich der vorliegende, am 16. Jänner 2012 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene, nunmehr als Beschwerde i.S.d. Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG zu wertende Rechtsbehelf.

 

Darin wurde vorgebracht, dass in der Gutachtensergänzung der Österreichischen Apothekerkammer vom 25. Oktober 2011 eine derzeit noch bestehende, laut Infrastrukturplan der Österreichischen Bundesbahnen (im Folgenden: ÖBB) jedoch bereits in naher Zukunft aufzulassende direkte Straßenverbindung zwischen den benachbarten Gemeinden P und A berücksichtigt worden sei. Abgesehen davon, dass dieser Verkehrsweg schon gegenwärtig nur für eine minimale, im Detail nicht einmal exakt nachvollziehbare Reduktion des Versorgungspotentials der Apotheke der Mitbeteiligten Partei als kausal angesehen werden könne, hätte der Umstand, dass das Versorgungspotential dieser Apotheke schon in naher Zukunft überhaupt nicht mehr betroffen sein wird, jedenfalls entsprechend ins Kalkül gezogen werden müssen. Darüber hinaus wäre schließlich auch zu beachten gewesen, dass der bestehenden Apotheke vor allem deshalb kein Kundenpotential von 5.500 Personen gewährleistet ist bzw. sein wird, weil diese seinerzeit bereits im offenkundigen Wissen darum, dass sie ein solches Niveau nie erreichen werde, – und sohin (im Sinne der Entscheidung des VfGH vom 2. März 1998, G 37/97 u.a. [= VfSlg 15103/1998]) schon von vornherein ausschließlich auf eigenes Risiko der Mitbeteiligten Partei – errichtet wurde. 

 

3. In der Folge hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (im Folgenden kurz: Oö. Verwaltungssenat) am 22. Mai 2012 eine öffentliche Verhandlung durchgeführt.

 

In deren Zuge hat der Vertreter der Österreichischen Apothekerkammer in seiner gutachterlichen Stellungnahme ergänzend darauf hingewiesen, dass im gegenständlichen Fall die allein entscheidende Problematik darin bestehe, die Frage zu klären, ob der gegenwärtig noch bestehende und daher eine direkte Straßenverbindung zwischen A und P ermöglichende Bahnübergang künftig – wie dies in politischen Absichtserklärungen entsprechend zum Ausdruck komme – tatsächlich für den Kraftfahrzeugverkehr geschlossen werden wird. Bei Wegfall dieser zweispurigen Verkehrsachse würden nämlich die in deren Nahebereich lebenden Einwohner der Gemeinde A ihren Heilmittelbedarf auch weiterhin ausschließlich in der bereits bestehenden Apotheke der Mitbeteiligten Partei decken, sodass deren seit jeher unter 5.500 Personen liegendes Vorsorgungspotential künftig in keiner Weise, also (im Sinne der Entscheidung des VwGH vom 18. Februar 2010, 2008/10/0310) auch insoweit nicht beeinträchtigt werden würde, als sich dieses zumindest um 1 Person verringert.

 

4. Über Aufforderung des Oö. Verwaltungssenates hat die ÖBB-Infrastruktur-AG mit Schriftsatz vom 27. Juni 2012 (vgl. ONr. 28 des Aktes des Oö. Verwaltungssenates zu Zl. VwSen-590307) mitgeteilt, dass der in Rede stehende Bahnübergang (Eisenbahnkreuzung bei km 94,559) künftig aufgelassen und durch eine bloße Fußgänger- und Radfahrerunterführung ersetzt werden soll. Während bereits ein entsprechender Beschluss des Gemeinderates von P vorliege, gebe es diesbezüglich jedoch in der Gemeinde A noch einige Vorbehalte. Derzeit würden daher entsprechende Abstimmungen vorgenommen und Entwürfe erarbeitet werden. Die Errichtung würde dann im Zuge des "Gesamtpaketes 'Umbau Bahnhof G'" abgewickelt werden und frühestens im Jahr 2014 zur Ausführung kommen.

 

5. Zu diesem Zeitpunkt stellte sich die maßgebliche Rechtslage wie folgt dar:

 

5.1. Gesetzliche Regelung:

 

5.1.1. In systematischer Hinsicht unterschied (bzw. unterscheidet) das ApG zunächst im Wesentlichen vier verschiedene Typen öffentlicher, d.h. für den allgemeinen Verkehr bestimmter (vgl. § 1 ApG) Apotheken, nämlich:

 

‒ Konzessionierte Apotheken, d.h. solche, deren Betrieb nur auf Grund einer vorangehenden behördlichen Bewilligung zulässig ist (vgl. §§ 9 ff ApG);

 

‒ Realapotheken, die verkäuflich sind (in dieser Form aber nicht mehr neu begründet werden können) und zu deren Betrieb lediglich eine behördliche Genehmigung hinsichtlich der persönlichen Eignung ihres Besitzers erforderlich ist (vgl. §§ 21 ff ApG);

 

‒ von Ärzten und Tierärzten geführte Apotheken (sog. "Hausapotheken"; vgl. §§ 28 ff ApG); sowie

 

‒ von Krankenanstalten geführte Apotheken (sog. "Anstaltsapotheken"; vgl. §§ 35 ff ApG).

 

5.1.2. Für den Regelfall der begehrten Erteilung einer Bewilligung zum Betrieb einer im eben angeführten Sinne "Konzessionierten Apotheke" gemäß den §§ 9 ff ApG sah die Bestimmung des § 10 ApG (seit ihrer Novellierung durch BGBl 362/1990 mit Wirkung ab 30. Juni 1990) als sachliche Voraussetzungen folgende Kriterien vor:

 

§ 10. (1) Die Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke ist zu erteilen, wenn

 

1. in der Gemeinde des Standortes der öffentlichen Apotheke ein Arzt seinen ständigen Berufssitz hat und

2. ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke besteht.

 

(2) Ein Bedarf besteht nicht, wenn

 

1. sich zum Zeitpunkt der Antragstellung in der Gemeinde der in Aussicht genommenen Betriebsstätte eine ärztliche Hausapotheke befindet und weniger als zwei Vertragsstellen nach § 342 Abs. 1 ASVG (volle Planstellen) von Ärzten für Allgemeinmedizin besetzt sind, oder

 

2. die Entfernung zwischen der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke und der Betriebsstätte der nächstgelegenen bestehenden öffentlichen Apotheke weniger als 500 m beträgt oder

 

3. die Zahl der von der Betriebsstätte einer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus weiterhin zu versorgenden Personen sich in Folge der Neuerrichtung verringert und weniger als 5.500 betragen wird.

 

(3) Ein Bedarf gemäß Abs. 2 Z 1 besteht auch dann nicht, wenn sich zum Zeitpunkt der Antragstellung in der Gemeinde der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der öffentlichen Apotheke

 

1. eine ärztliche Hausapotheke und

2. eine Vertragsgruppenpraxis befindet, die versorgungswirksam höchstens eineinhalb besetzten Vertragsstellen nach Abs. 2 Z 1 entspricht und in der Gemeinde keine weitere Vertragsstelle nach § 342 Abs. 1 ASVG von einem Arzt für Allgemeinmedizin besetzt ist.

 

(3a) In einem Zeitraum, während dessen ein Gesamtvertrag gemäß § 341 ASVG nicht besteht, besteht ein Bedarf gemäß Abs. 2 Z 1 dann nicht, wenn in der Gemeinde der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke weniger als zwei Ärzte für Allgemeinmedizin zum Zeitpunkt der Antragstellung ihren ständigen Berufssitz haben und sich dort eine ärztliche Hausapotheke befindet.

 

(3b) Bei der Prüfung gemäß Abs. 2 Z 1 sind bloß vorübergehende Vertragsstellen, die einmalig und auf höchstens 3 Jahre befristet sind, nicht zu berücksichtigen.

 

(4) Zu versorgende Personen gemäß Abs. 2 Z 3 sind die ständigen Einwohner aus einem Umkreis von vier Straßenkilometern von der Betriebsstätte der bestehenden öffentlichen Apotheke, die auf Grund der örtlichen Verhältnisse aus dieser bestehenden öffentlichen Apotheke weiterhin zu versorgen sein werden.

 

(5) Beträgt die Zahl der ständigen Einwohner im Sinne des Abs. 4 weniger als 5.500, so sind die auf Grund der Beschäftigung, der Inanspruchnahme von Einrichtungen und des Verkehrs in diesem Gebiet zu versorgenden Personen bei der Bedarfsfeststellung zu berücksichtigen.

 

(6) Die Entfernung gemäß Abs. 2 Z 2 darf ausnahmsweise unterschritten werden, wenn es besondere örtliche Verhältnisse im Interesse einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung dringend gebieten.

 

(7) Zur Frage des Bedarfes an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke ist ein Gutachten der österreichischen Apothekerkammer einzuholen. Soweit gemäß § 29 Abs. 3 und 4 Ärzte betroffen sind, ist auch ein Gutachten der Österreichischen Ärztekammer einzuholen.

 

(8) Als bestehende Apotheken im Sinne des Abs. 2 Z 2 und 3 gelten auch alle nach der Kundmachung BGBl. I Nr. 53/1998 rechtskräftig erteilten Konzessionen zur Er-richtung einer öffentlichen Apotheke."

 

5.1.3. Unter den in diesem Zusammenhang maßgeblichen Verfahrensbestim-mungen (vgl. die §§ 44 ff ApG) kam (bzw. kommt) vornehmlich der Anordnung des § 47 Abs. 2 ApG (sog. "Sperrfristregelung") besondere Bedeutung zu:

 

"§ 47. (1) Die Bezirksverwaltungsbehörde hat den Antrag ohne weiteres Verfahren abzuweisen, wenn aus dem Konzessionsantrag und den angeschlossenen Belegen hervorgeht, dass den im § 46 bezeichneten Erfordernissen nicht entsprochen wurde.

 

(2) Ein Konzessionsantrag eines Bewerbers ist von der Bezirksverwaltungsbehörde auch dann ohne weiteres Verfahren abzuweisen, wenn ein früherer Antrag eines anderen Bewerbers um die Errichtung einer neuen Apotheke an demselben Standort wegen des Fehlens der im § 10 bezeichneten sachlichen Voraussetzungen abgewiesen worden ist, von dem Datum der Zustellung des letzten in der Angelegenheit ergangenen Bescheides an gerechnet nicht mehr als zwei Jahre vergangen sind und eine wesentliche Veränderung in den für die frühere Entscheidung maßgebenden lokalen Verhältnissen nicht eingetreten ist. Ohne weiteres Verfahren abzuweisen ist ein Antrag für den Standort einer gemäß § 3 Abs. 7 geschlossenen Apotheke vor Ablauf von zwei Jahren nach Zurücklegung der Konzession. Ebenso ist zu verfahren, wenn in der Gemeinde des angesuchten Standortes die Bewilligung zur Errichtung einer Filialapotheke vor weniger als fünf Jahren erteilt wurde."

 

5.1.4. In der Praxis erlangt(e) unter den in § 10 Abs. 1 und 2 ApG normierten und jeweils einen eigenständigen Ausschließungsgrund bildenden Genehmigungsvoraussetzungen das Kriterium des § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG, wonach dann kein Bedarf an der Neuerrichtung einer konzessionierten Apotheke besteht, wenn dadurch das Versorgungspotential einer bereits bestehenden Apotheke auf unter 5.500 Personen absinken würde, regelmäßig essentielle Bedeutung.

 

Zur näheren Determinierung des in dieser Bestimmung verwendeten, eine Prognoseentscheidung indizierenden unbestimmten Gesetzesbegriffes der "weiterhin zu versorgenden Personen" legt(e) zunächst § 10 Abs. 4 ApG ergänzend fest, dass darunter in erster Linie die in einem Umkreis von vier Straßenkilometern um die bestehende Apotheke lebenden ständigen Einwohner zu verstehen sind, die auf Grund der örtlichen Verhältnisse weiterhin von dieser zu versorgen sein werden.

 

Wenn auf diese Weise das Versorgungspotential von 5.500 Personen (noch) nicht erreicht wird, waren (bzw. sind) darüber hinaus in einem weiteren Verfahrensschritt auch jene Personen zu ermitteln, die in diesem Gebiet – ohne ständige Einwohner zu sein – ihren Heilmittelbedarf auf Grund einer Beschäftigung, einer Inanspruchnahme von Einrichtungen und/oder einer Inanspruchnahme des Verkehrs decken (sog. "Einfluter").

 

Sollte schließlich selbst im Wege einer derartigen Ergänzung das Kriterium der 5.500 weiterhin zu versorgenden Personen nicht erfüllt werden können, dann stand (bzw. steht) damit aus der Sicht des Gesetzgebers allerdings gleichzeitig fest, dass kein Bedarf an einer neuen Apotheke gegeben und der dementsprechende Konzessionsantrag abzuweisen ist. Denn anders als in § 10 Abs. 6 ApG (bezüglich des Mindestabstandes von 500 Metern) war (bzw. ist) eine analog flexible Regelung bezüglich der kritischen Grenze des der bestehenden Apotheke verbleibenden Versorgungspotentials gesetzlich nicht vorgesehen, sodass die Bestimmung des § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG eine strikte Grenze der Bedarfsprüfung bildet.

 

5.2. Judikatur der innerstaatlichen Höchstgerichtliche – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) und Verfassungsgerichtshof (VfGH):

 

In den vergangenen zwei Jahrzehnten ihrer bisherigen Geltung wurden diese unbestimmten Gesetzesbegriffe im Wege der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts – v.a. des VwGH (die ihrerseits [auch] auf den richtungsweisenden Entscheidungen des VfGH vom 2. März 1998, G 37/97 u.a. [= VfSlg 15103/1998]; vom 14. Oktober 2005, G 13/05 u.a. [= VfSlg 17682/2005]; vom 26. Juni 2008, G 12/08 [= VfSlg 18513/2008]; und vom 10. Dezember 2009, G 224/09 [= VfSlg 18948/2009] fußt) – laufend erweitert, beispielsweise (mit besonderem Blick auf den Ausgangsfall, d.h. unter Außerachtlassung von Fragestellungen im Zusammenhang mit ["externen"] Konkurrenzsituationen von konzessionierten Apotheken einerseits zu Hausapotheken, Realapotheken und/oder Anstaltsapotheken andererseits) etwa dahin, dass

 

‒ mehrere Konkurrenten, die jeweils die Voraussetzungen für eine Konzessionserteilung erfüllen, eine (weitere Interessenten gleichzeitig bis zum endgültigen Abschluss dieses Verfahrens präkludierende) Verfahrensgemeinschaft bilden (vgl. z.B. VwGH vom 21. Mai 2012, Zl. 2009/10/0078), wobei zwischen diesen – bei sonstiger Eignung und Gleichwertigkeit – letztlich ausschließlich das Kriterium der zeitlichen Priorität der jeweiligen Antragstellung entscheidet (vgl. z.B. VwGH vom 14. Juli 2011, Zl. 2006/10/0016); 

 

‒ bezüglich der ständigen Einwohner deren räumliche Nahebeziehung zu einer Apotheke primär anhand der Straßenentfernungen und der Erreichbarkeit (nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln, sondern) mit privaten Kraftfahrzeugen festzustellen ist (vgl. z.B. VwGH vom 20. November 2000, Zl. 2000/10/0108, und vom 26. März 2007, Zl. 2005/10/0123), wobei in diesem Zusammenhang nur ganzjährig für den mehrspurigen Kraftfahrzeugverkehr befahrbare Straßen heranzuziehen sind (vgl. z.B. VwGH vom 3. Juli 2000, Zl. 98/10/0161) und jeweils die kürzeste Wegstrecke (allenfalls in Bezug zur Straßenmitte) zu Grunde zu legen ist (vgl. z.B. VwGH vom 9. August 2006, Zl. 2003/10/0222); bei Entfernungen von wenigen hundert Metern kann allerdings demgegenüber dem Aspekt der leichteren fußwegigen Erreichbarkeit größeres Gewicht als jener mittels eines privaten Kraftfahrzeuges zukommen (vgl. z.B. VwGH vom 26. März 2007, Zl. 2005/10/0123), während andererseits bestimme Umstände – wie die Gefährlichkeit eines Weges, erhebliche Höhenunterschiede, eine Einbahnregelung, etc. – auch zu einer gegenteiligen Beurteilung führen können (vgl. z.B. VwGH vom 21. Mai 2008, Zl. 2006/10/0254); im Einzelfall ist sogar eine Aufteilung der in einem bestimmten Straßenzug oder der in einem einzelnen Haus lebenden Bevölkerung nach mehreren Apotheken geboten (vgl. z.B. VwGH vom 15. Februar 1999, Zl. 98/10/0090); eine rein mathematisch-aliquote Zuordnung (sog. "Divisionsmethode") ist als ultima-ratio-Lösung erst dann zulässig, wenn eine Aufteilung nach den Kriterien der örtlichen Nähe und Erreichbarkeit nicht möglich, zugleich aber offensichtlich ist, dass ein bestimmtes Kundenpotential zweifelsfrei von mehreren Apotheken aus versorgt wird (vgl. z.B. VwGH vom 13. November 2000, Zl. 99/10/0246);

 

‒ eine dementsprechende Separation der Wohnbevölkerung stets dann zu erfolgen hat, wenn und soweit diese im Überschneidungsbereich der 4-km-Umkreise von zwei oder mehreren bestehenden bzw. neu zu errichtenden Apotheken lebt (vgl. z.B. VwGH vom 26. April 1999, Zl. 98/10/0426); 

 

‒ im Zusammenhang mit der Bedachtnahme auf Einfluter, d.h. bloß z.B. auf Grund einer Beschäftigung, einer Inanspruchnahme von Einrichtungen (wie etwa von Krankenanstalten, Ämtern, Heimen, Schulen, Bahnhöfen oder größeren Betrieben) oder einer Inanspruchnahme des Verkehrs (wie z.B. des öffentlichen Eisenbahn- oder Busverkehrs) zweitweise im Versorgungsgebiet aufhältige Personen, die gemäß § 10 Abs. 5 ApG jeweils nach der Lage des Einzelfalles zu berücksichtigen sind, Erfahrungswerte oder allgemeine empirische Untersuchungsergebnisse her-angezogen werden können (vgl. z.B. VwGH vom 21. Oktober 2009, Zl. 2008/10/0173); hierbei sind zukünftige Entwicklungen insoweit zu berücksichtigen, als ihre Auswirkungen mit Sicherheit vorherzusehen bzw. in naher Zukunft konkret absehbar und zu erwarten sind (vgl. z.B. VwGH vom 18. April 1994, Zl. 92/10/0477);

 

‒ die Verringerung des künftigen Versorgungspotentials der bestehenden Apotheke auch nur um 1 Kunden zur Versagung der Konzession führt, wenn dieses bereits vor der Einbringung des Neuantrages unter 5.500 Personen lag (vgl. z.B. VwGH vom 29. November 2011, Zl. 2005/10/0218);

 

‒  während der sog. "Sperrfrist" von zwei Jahren gemäß § 47 Abs. 2 ApG grund-sätzlich kein weiterer Antrag auf Neuerteilung einer Konzession mehr eingebracht werden kann, es sei denn, dass eine wesentliche Veränderung in den für die frühere Entscheidung maßgebenden lokalen Verhältnissen eingetreten ist; ob dieses letztere Kriterium im konkreten Fall – insbesondere im Hinblick auf das der bestehenden Apotheke verbleibende Kundenpotential – erfüllt ist, ist von jener Behörde, die über den Konzessionsantrag zu entscheiden hat, jeweils anhand der im Zeit-punkt ihrer Entscheidung vorherrschenden Faktenlage zu beurteilen (vgl. z.B. VwGH vom 24. Februar 2011, Zl. 2010/10/0167).

 

Konkret führte diese aus einer Verbindung zwischen auf Grund weitgehend unbestimmter Begriffe offener Determinierung des Gesetzes und mangelnder Systematik der (notwendig einzelfallbezogenen) Judikatur gekennzeichnete Rechtslage – wie dies insbesondere auch mit Blick auf den Ausgangsfall deutlich wurde – in aller Regel dazu, dass

 

* ein Konzessionserteilungsverfahren schon auf Grund der Notwendigkeit der akribischen zahlenmäßigen Separation der Wohnbevölkerung nach mehreren konkurrierenden Apothekenbetreibern in Verbindung mit sich permanent ändernden faktischen Verhältnissen, der Neigung der Verfahrensparteien zur Erhebung von prozessverzögernden Einwendungen, dem Fehlen eines verfahrensrechtlichen Neuerungsverbotes und dem Abstellen auf den Zeitpunkt der Entscheidung regelmäßig eine unangemessen lange Dauer in Anspruch nimmt – was im Hinblick auf Art. 47 EGRC i.V.m. Art. 6 Abs. 1 EMRK als bedenklich erscheint;

 

* weitere Interessenten ihrerseits jedenfalls bis zur rechtskräftigen Erledigung eines schon anhängigen Verfahrens an einer eigenständigen Antragstellung in Bezug auf das betreffende Versorgungsgebiet gehindert sind, sodass das Kriterium der zeitlichen Priorität, insbesondere auch in Verbindung mit der Sperrfristregelung des § 47 Abs. 2 ApG, einen potentiellen Interessenten gleichsam zur Stellung von Anträgen "bloß auf Verdacht hin" zwingt, um sich auf diese Weise die zeitliche Erstrangigkeit zu sichern; dadurch können allerdings Interessenten, denen weder die bestehende lokale Verteilung der konzessionierten Apotheken noch der Umstand bekannt ist, bei welchen Behörden entsprechende Konzessionserteilungsverfahren bereits anhängig sind, sohin vornehmlich Angehörige anderer Mitgliedstaaten, möglicherweise unsachlich, d.h. durch nicht dem Unionsrecht – insbesondere dem Art. 49 AEUV – entsprechende Zielsetzungen benachteiligt werden;

 

* die Ermittlung der Zuordnung vor dem Hintergrund des Kriteriums der (selbst unter Heranziehung von § 10 Abs. 4 und 5 ApG – im Vergleich zur 500-Meter-Grenze [vgl. § 10 Abs. 6 ApG] – im Ergebnis absolut) starren 5.500-Personen-Grenze des § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG – die im Ausgangsfall schon deshalb nicht erfüllt wird, weil das Potential der bestehenden Apotheke, das schon seit ihrer Inbetriebnahme weit unter diesem Wert liegt, nicht einmal um 1 Person verringert werden darf (was sich allerdings grundlegend ändern würde, sobald die gegenwärtig noch bestehende Verkehrsverbindung zwischen den beiden Nachbargemeinden de facto tatsächlich aufgelassen wird) – in der Praxis vor allem deshalb nicht nur für die Behörden extrem aufwändig, sondern auch für die beteiligten (Alt- und Neu-)Apotheker völlig undurchschaubar ist, weil diesbezüglich einerseits auf den Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen ist, andererseits aber keine zweckentsprechenden verfahrensrechtlichen Möglichkeiten (wie Neuerungsverbot, verbindliche Erklärung eines "Schlusses der Verhandlung"; prozessualer Vergleich etc.) bestehen (sodass sich die Erhebung von kontradiktorischen Einwendungen durch die Verfahrensparteien sowie dadurch jeweils bedingte Gutachtensergänzungen [überspitzt formuliert] nahezu ad infinitum fortsetzen);

 

* die maßgebliche Rechtslage für den Durchschnittsbürger, insbesondere aber auch für einen durchschnittlichen – allenfalls zudem einem anderen Mitgliedstaat angehörigen – Interessenten an einer Konzessionserteilung nur mit einem überproportionalen Aufwand rekonstruierbar ist, der einem rechtsstaatlichen Standard an die Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit generell-abstrakter Normen – wie dieser von Art. 16 EGRC offenbar vorausgesetzt wird – nicht entsprechen dürfte.

 

5.3. Unionsrecht und Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH)

 

Nach Art. 49 AEUV sind Beschränkungen der freien Niederlassung – worunter auch die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten nach den Bestimmungen des Aufnahmestaates für seine eigenen Angehörigen fallen – von Staatsangehörigen im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates grundsätzlich verboten bzw. anders gewendet: im hier maßgeblichen Zusammenhang nur insoweit zulässig, als solche Beschränkungen durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sowie geeignet sind, die Erreichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten und dabei gleichzeitig nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist (vgl. z.B. EuGH vom 10. März 2009, C-169/07 [Hartlauer], RN 44).

 

5.3.1. Mit Blick auf den vorliegenden hat der EuGH davon ausgehend bereits in seinem Urteil vom 1. Juni 2010, C-570/07 und C 571/07, betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen zur Rechtslage nach dem spanischen Apothekenrecht festgestellt, dass

 

‒ unter den vom AEUV geschützten Gütern und Interessen das Leben und die Gesundheit von Menschen den höchsten Rang einnimmt, es allerdings Sache der einzelnen Mitgliedstaaten ist, das Niveau, auf dem dieser Schutz eingeräumt werden soll, jeweils selbst zu bestimmen, wobei ihnen in diesem Zusammenhang ein Wertungsspielraum zukommt (RN 44);

 

‒ das Unionsrecht, insbesondere Art. 168 Abs. 7 AEUV i.V.m. der Richtlinie 2005/36, zwar die Befugnis der Mitgliedstaaten zur Ausgestaltung der Organisation sozialer Dienste grundsätzlich unberührt lässt, diese jedoch hierbei die Grundfreiheiten insoweit beachten müssen, als ungerechtfertigte Beschränkungen derselben unzulässig sind (RN 43);

 

‒ sich die Übergangsvorschrift des Art. 45 Abs. 5 der Richtlinie 2005/36 ihrem Inhalt nach nicht auf die Frage der territorialen Verteilung von Apotheken bezieht, sodass dieser Aspekt in vollem Umfang den allgemein aus dem AEUV resultierenden Geboten und Beschränkungen unterliegt (RN 46 bis 51);

 

‒ Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit, wie diese im spanischen Recht vorgesehen sind (Konzessionssystem, Begrenzung auf 1 Dienstleister pro 2.800 Einwohner und Mindestentfernung von 250 Metern), durch das Ziel einer sicheren und qualitativ hochwertigen Heilmittelversorgung grundsätzlich gerechtfertigt sind (RN 63 bis 66);

 

‒ dass angesichts des konstatierten Wertungsspielraumes (RN 44) das spanische Konzessionssystem auch nicht a priori ungeeignet ist, dieses Ziel zu erreichen (RN 68 f);

 

‒ dass es der Judikatur des EuGH entspricht, dass Gesundheitseinrichtungen Gegenstand von Planungen derart sein können, dass neue Leistungserbringer an die Erteilung einer vorangehenden Erlaubnis gebunden werden, sofern sich ein derartiges System zur Lückenschließung bzw. Regulierung dahin, eine Konzentration in Ballungsgebieten ebenso wie eine Unterversorgung ländlicher Regionen zu vermeiden, als unerlässlich erweist (RN 70 bis 76), und dass sich davon ausgehend das spanische System als zur Zielerreichung grundsätzlich geeignet darstellt (RN 78 und 84), insbesondere, wenn man berücksichtigt, dass mindestens einmal jährlich ein Verfahren zur Erteilung von Neukonzessionen durchgeführt wird (RN 91) und hierbei bisher konzessionslose Apotheker den Vorrang genießen (RN 92 f);

 

‒ dass hinsichtlich der Frage, ob durch dieses System die Zielerreichung nicht bloß punktuell, sondern auch kohärent und systematisch gewährleistet ist, darauf hinzuweisen ist, dass die spanische Regelung auch entsprechende Anpassungsmaßnahmen vorsieht, um die Auswirkungen der 2.800-Einwohner- und der 250-Meter-Grundregel jeweils entsprechend abzumildern (RN 98 bis 101);

 

‒ dass ein bloßes "Mindestzahlensystem" zwar weniger einschneidend wäre, es allerdings noch innerhalb des Wertungsspielraumes des jeweiligen Mitgliedsstaates liege, sich für oder gegen ein solches System zu entscheiden (RN 105 ff); 

 

‒ dass allerdings Art. 49 AEUV einer nationalen Regelung entgegensteht, die sich faktisch dahin auswirkt, dass die Errichtung einer hinreichenden Anzahl von Apotheken zur Garantie eines angemessenen pharmazeutischen Dienstes nicht gewährleistet ist (RN 114); sowie

 

‒ dass darin, dass durch die Normierung persönlicher Zugangsvoraussetzungen solche Apotheker, die ihre Tätigkeit bisher im Gebiet des Mitgliedsstaates ausgeübt haben, de facto begünstigt werden, eine Diskriminierung von Angehörigen anderer Mitgliedstaaten liegt, die auch nicht dadurch gerechtfertigt werden kann, dass Apotheker stets sofort einsetzbar sein müssen (RN 119 bis 125).

 

5.3.2. Darüber hinaus hat der EuGH in diesem Urteil in verfahrensrechtlicher Hinsicht insbesondere betont, dass

 

ein Antrag auf Vorabentscheidung auch dann zulässig ist, wenn zwar ausschließlich Angehörige des Mitgliedsstaates als Prozessparteien des Ausgangsverfahrens fungieren, sodass damit de facto kein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliegt, davon abgesehen aber die erbetene Auslegung des Unionsrechts in einem Zusammenhang mit der Realität bzw. dem Gegenstand des Ausgangsrechts-streits steht (also nicht rein hypothetischer Natur ist) – wie dies z.B. zutrifft, wenn die Rechtmäßigkeit der nationalen Regelung von der Auslegung des Art. 49 AEUV durch den EuGH abhängt –, und die Antwort des EuGH dem nationalen Gericht entweder deshalb von Nutzen ist, weil einem Inländer kraft nationalem Recht dieselbe Position wie dem Angehörigen eines anderen Mitgliedsstaates kraft Unionsrechts zukommt oder weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass auch die Mitglieder anderer Mitgliedsstaaten ein Interesse an der Erlangung der entsprechenden nationalen Bewilligung (konkret: zum Betrieb einer Apotheke) haben (RN 34 bis 41).

 

6. Davon ausgehend hat der Oö. Verwaltungssenat (nunmehr: Landesverwaltungsgericht Oberösterreich) am 24. Juli 2012, Zlen. VwSen-590223/145/Gf/Rt u.a., gemäß Art. 267 AEUV einen Antrag auf Vorabentscheidung an den EuGH gestellt und diesen u.a. wie folgt begründet:

 

„1. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des EuGH sowie angesichts des Umstandes, dass es keineswegs ausgeschlossen erscheint, dass auch Angehörige anderer Mitgliedstaaten ein Interesse an der Erteilung einer Neukonzession haben könnten – vorausgesetzt, die nationale Rechtslage und faktische Bedarfssituation wäre für diese jeweils durchschaubar –, erhebt sich damit in den beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich anhängigen Ausgangsfällen die Frage, ob die dem österreichischen Apothekengesetz zu Grunde liegende Systematik generell bzw. hinsichtlich ihrer konkreten Ausgestaltung mit den Grundsätzen des Unionsrechts vereinbar ist.

 

1.1. Bedenken ergeben sich in diesem Zusammenhang, wie bereits zuvor angesprochen (s.o., III.), zunächst dahin, ob der Umstand, dass eine Konkretisierung des im Zuge der Entscheidung über einen Antrag auf Neuerteilung einer Konzession in erster Linie essentiellen Kriteriums des Bedarfes nicht im Gesetz (nämlich dem § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG – allenfalls i.V.m. § 10 Abs. 4 und 5 ApG) selbst erfolgt, sondern einer höchst kasuistischen und zudem ex ante nur schwer vorhersehbaren höchstgerichtlichen Rechtsprechung überlassen wird, sowohl mit den demokratisch-rechtsstaatlichen Anforderungen, wie sie dem Art. 16 EGRC offensichtlich zu Grunde liegen, als auch mit dem unionsrechtlichen Transparenzgebot des Art. 49 AEUV (vgl. dazu z.B. EuGH vom 9. September 2010, C-64/08 [Engelmann], RN 49) vereinbar ist.

 

1.2. Selbst wenn dies zu bejahen wäre, erhebt sich davon ausgehend dennoch die Frage, ob die für diese Bedarfsprüfung in § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG konkret festgelegte starre Grenze von 5.500 Personen, hinsichtlich der (im Gegensatz zum Kriterium der 500-Meter-Grenze des § 10 Abs. 2 Z. 2 ApG) keine Möglichkeit des Abweichens von der Grundregel gesetzlich vorgesehen ist, in der Praxis auch tatsächlich eine kohärente Zielerreichung i.S.d. RN 98 bis 101 des EuGH-Urteils vom 1. Juni 2010, C-570/07, gewährleistet.

 

1.3. Schließlich bleibt nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich zu klären, ob dann, wenn die Bestimmung des § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG zwar dem Grunde nach mit Art. 49 AEUV vereinbar wäre, angesichts der aus dieser Regelung infolge der Judikatur der nationalen Höchstgerichte resultierenden weiteren Detailkriterien – wie zeitliche Priorität der Antrag-stellung; Präklusion späterer Interessenten durch das laufende Verfahren; zweijährige Sperrfrist bei Antragsabweisung; Kriterien zur Ermittlung der "ständigen Einwohner" einerseits und der "Einfluter" andererseits sowie zur Separation des Kundenpotentials bei Überschneidung des 4-km-Umkreises von zwei oder mehr Apotheken; etc. – in der Praxis regelmäßig noch eine vorhersehbare und berechenbare Vollziehung dieser Bestimmung innerhalb angemessener Frist (Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 47 EGRC) möglich und damit auch deren konkrete Eignung im Hinblick auf die Notwendigkeit der Kohärenz der Zielerreichung gegeben oder de facto nicht vielmehr ein angemessener pharmazeutischer Dienst nicht gewährleistet ist oder eine Diskriminierung zwischen Inländern und Angehöriger anderer Mitgliedstaaten vorliegt (vgl. EuGH vom 1. Juni 2010, C-570/07, RN 98 bis 101 sowie 114 bis 125).

 

2. Weil diese Problemfelder bislang – soweit ersichtlich – inhaltlich noch nicht geklärt wurden und prozessuale Hindernisse (insbesondere im Hinblick auf die RN 34 bis 41 des EuGH-Urteils vom 1. Juni 2010, C 570/07) aus h. Sicht nicht entgegen stehen dürften (zur grundsätzlichen innerstaatlichen Anerkennung des Verbotes der Diskriminierung im Zuge der Umsetzung von Gemeinschaftsrecht vgl. jüngst auch VfGH vom 6. Oktober 2011, G 41/10, m.w.N.), erlaubt sich daher der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, im Wege seines nach der Geschäftsverteilung hierfür zuständigen Mitgliedes dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

 

2.1. Steht das Legalitätsgebot des Art. 16 EGRC und/oder das Transparenzgebot des Art. 49 AEUV einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren fraglichen Bestimmung des § 10 Abs. 2 Z. 3 Apothekengesetz, die das Kriterium des Bedarfes an der Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke nicht zumindest in den essentiellen Grundzügen schon im Gesetz selbst regelt, sondern die Konkretisierung maßgeblicher Teile ihres Inhalts der innerstaatlichen Judikatur überlässt, entgegen, weil dadurch nicht ausgeschlossen werden kann, dass bestimmten inländischen Interessenten sowie diesen insgesamt gegenüber den Angehörigen anderer Mitgliedstaaten ein maßgeblicher Wettbewerbsvorteil entsteht?

 

2.2. Für den Fall, dass diese erste Frage zu verneinen ist: Steht Art. 49 AEUV einer nationalen Regelung wie § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG, die für das essentielle Kriterium der Bedarfsprüfung eine starre Grenze von 5.500 Personen festlegt, hinsichtlich der im Gesetz keine Möglichkeit eines Abweichens von dieser Grundregel vorgesehen ist, entgegen, weil dadurch de facto eine kohärente Zielerreichung i.S.d. RN 98 bis 101 des EuGH-Urteils vom 1. Juni 2010, C-570/07, nicht (ohne Weiteres) gewährleistet erscheint?

 

2.3. Für den Fall, dass auch die zweite Frage zu verneinen ist: Steht Art. 49 AEUV und/oder Art. 47 EGRC einer Regelung wie § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG, aus der infolge der Judikatur der nationalen Höchstgerichte zur Frage der Bedarfsprüfung weitere Detailkriterien – wie zeitliche Priorität der Antragstellung; Sperrwirkung des laufenden Verfahrens für spätere Interessenten; zweijährige Sperrfrist bei Antragsabweisung; Kriterien zur Ermittlung der "ständigen Einwohner" einerseits und der "Einfluter" andererseits sowie zur Separation des Kundenpotentials bei Überschneidung des 4-km-Umkreises von zwei oder mehr Apotheken; etc. – resultieren, entgegen, weil dadurch eine vorhersehbare und berechenbare Vollziehung dieser Bestimmung innerhalb angemessener Frist nicht als Regelfall ermöglicht wird und deshalb (vgl. EuGH vom 1. Juni 2010, C 570/07, RN 98 bis 101 sowie 114 bis 125) deren konkrete Eignung im Hinblick auf die Notwendigkeit der Kohärenz der Zielerreichung als nicht gegeben und/oder ein angemessener pharmazeutischer Dienst als de facto nicht gewährleistet und/oder eine tendenzielle Diskriminierung von inländischen Interessenten untereinander oder zwischen diesen und anderen Mitgliedstaaten angehörenden Interessenten konstatiert werden kann?“

 

7. Mit Urteil vom 13. Februar 2013, C 367/12, hat der EuGH entschieden, dass

 

Art. 49 AEUV, insbesondere das Gebot der Kohärenz bei der Verfolgung des angestrebten Ziels, ..... dahin auszulegen [ist], dass er einer mitgliedstaatlichen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen, die als essentielles Kriterium bei der Prüfung des Bedarfs an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke eine starre Grenze von ‚weiterhin zu versorgenden Personen‘ festlegt, entgegensteht, weil die zuständigen nationalen Behörden keine Möglichkeit haben, von dieser Grenze abzuweichen, um örtliche Besonderheiten zu berücksichtigen.

 

Begründend hat der Gerichtshof dazu u.a. ausgeführt, dass

 

– er deshalb, weil sich die Vorlagefragen des LVwG nur auf die Niederlassungsfreiheit beziehen und Art. 16 EGRC insoweit auf Art. 49 AEUV verweist, § 10 ApG nur an Art. 49 AEUV (und hier nicht auch an Art. 16 EGRC) zu messen hat (RN 23);

 

– ein System der vorangehenden behördlichen Genehmigung der Zulassung neuer Leistungserbringer im Gesundheitswesen dann mit Art. 49 AEUV vereinbar ist, wenn a) dadurch Lücken im Zugang zu solchen Leistungen geschlossen und Doppelversorgungsstrukturen vermieden werden, b) dadurch die Gesundheitsversorgung den Bedürfnissen der Bevölkerung angepasst ist, c) diese Versorgung das gesamte Hoheitsgebiet abdeckt und d) auch geographisch isolierte oder sonst benachteiligte Regionen mit einbezogen sind (RN 24);

 

– die in § 10 ApG normierten Kriterien zur Ermittlung, ob es an einem Bedarf für einen zusätzlichen Leistungserbringer fehlt – nämlich: die Zahl der bereits bestehenden Apotheken, die Entfernungen zwischen diesen und der neu zu errichtenden Apotheke sowie die von den bestehenden Apotheken weiterhin zu versorgenden ständigen Einwohner oder Personen, die einen bestimmten Bezug zu diesem Gebiet aufweisen –, hinreichend objektiv sind (RN 29 bis 32); denn sie können von Interessierten im Vorhinein ermittelt werden (RN 34) und sind auch nicht als diskriminierend anzusehen (RN 35 ff), da das Vorliegen eines Bedarfes grundsätzlich vermutet wird und daher nicht vom Bewerber nachgewiesen werden muss (RN 36);

 

– es grundsätzlich Sache des nationalen Gerichts ist, zu beurteilen, ob die nationale Regelung geeignet ist, das mit dem System der Zugangsbeschränkung verfolgte Ziel auch tatsächlich in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen (RN 40), wobei darauf Bedacht zu nehmen ist, dass bei Voraussetzungen wie „Bevölkerungsdichte“ und „Mindestentfernung“ in dünn besiedelten Regionen unter Umständen bestimmten Personen ein angemessener Zugang zu pharmazeutischen Diensten vorenthalten werden könnte (RN 41 u. 42);

 

– § 10 ApG jedoch einerseits Personen nicht angemessen berücksichtigt, die nicht im Versorgungsgebiet einer bereits bestehenden Apotheke wohnen, sondern bloß durch ihre Beschäftigung oder Benützung eines Verkehrsmittels in dieses Gebiet „einfluten“ (RN 45), denn unter diesen Personen können sich auch solche mit einer eingeschränkten Mobilität befinden, die aber gerade dringend und häufig Arzneimittel benötigen (RN 46); gleichzeitig würde aber durch die im Interesse solcher Personen gelegene Neuerrichtung einer Apotheke die Zahl der von der bereits bestehenden Apotheke aus zu versorgenden Personen zwangsläufig – allenfalls sogar unter 5.500 – sinken; damit kommt es bei der Bedarfsprüfung im Ergebnis aber nicht auf die Möglichkeit des Zugangs zu Apothekendienstleistungen, sondern in Wirklichkeit darauf an, ob die Zahl der verbleibenden Einfluter dazu ausreicht, um für die bestehende Apotheke den durch die Neuerrichtung resultierenden Abgang auszugleichen (RN 47 bis 49);

 

– die Anwendung des in § 10 ApG normierten Kriteriums der „weiterhin zu versorgenden Personen“ sohin nicht zu gewährleisten vermag, dass auch für jene Menschen, die in abgelegenen oder ländlichen Regionen wohnen, ein gleicher und angemessener Zugang zu Apothekendienstleistungen sichergestellt ist (RN 50);

 

Art. 49 AEUV daher einer Regelung wie § 10 ApG, die als essentielles Kriterium für die Bedarfsprüfung eine starre Grenze von weiterhin zu versorgenden Personen festlegt, entgegensteht, weil die Behörden unter Bindung an eine derartige Rechtsgrundlage örtliche Besonderheiten nicht adäquat berücksichtigen können (RN 51).

 

8. Mit Erkenntnis vom 21. Februar 2014, LVwG-050006/8/Gf/Rt, hat das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich der oben unter I.2. angeführten Beschwerde der Rechtsmittelwerberin gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und den angefochtenen Bescheid aufgehoben; unter einem wurde der Beschwerdeführerin die beantragte Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke in P erteilt und ihr hierfür gemäß § 11 Abs. 2 ApG die Entrichtung einer Taxe an die Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich in Höhe von 1.077,75 Euro binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Erkenntnisses auferlegt; zudem hatte die Beschwerdeführerin gemäß § 78 AVG i.V.m. § 34 GebG eine Bundesverwaltungsabgabe in Höhe von 327,00 Euro sowie Stempelgebühren in einer Höhe von insgesamt 158,20 Euro zu entrichten.

 

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass (zumindest bislang) gesetzlich nicht normiert ist, wie von einem Gericht im fortgesetzten Verfahren vorzugehen ist, wenn der EuGH auf dessen Vorlageantrag hin eine nationale Rechtsvorschrift als unionsrechtswidrig erklärt hat.

 

8.1. Auf Basis dieser Regelungslücke hat der VfGH in einer ähnlich gelagerten Konstellation wie der hier vorliegenden in seiner Entscheidung vom 6. Oktober 2011, G 41,42/10 u.a. (die in der Folge mit dem Erkenntnis vom 15. Dezember 2011, G 61/10 u.a., bestätigt wurde), die Meinung vertreten, dass sich

 

„die Annahme des Verfassungsgerichtshofes, dass hinsichtlich der Bedarfsprüfung für Ambulatorien aufgrund der in Prüfung gezogenen Bestimmung des KAKuG bis zum In-Kraft-Treten der Neuregelung am 19. August 2010 eine Rechtslage vorlag, die dazu führte, dass inländische Bewilligungssachverhalte in unsachlicher Weise schlechter behandelt werden als in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallende Sachverhalte, ..... angesichts der begrenzten zeitlichen Geltungsdauer dieser Rechtslage im Ergebnis als nicht zutreffend“

 

erwiesen hat. Zwar hätten

 

„Urteile des EuGH, die aussprechen, dass unmittelbar anwendbares Unionsrecht einer innerstaatlichen Norm entgegensteht, ..... die Wirkung, dass die betreffenden Teile der nationalen Rechtsordnung wegen Verstoßes gegen unionsrechtliche Bestimmungen künftig unangewendet zu bleiben haben, sodass eine nach innerstaatlichen Maßstäben an sich verfassungskonforme Rechtslage im Gefolge des Urteils des EuGH nur mehr auf Sachverhalte, die nicht vom Vorrang des Unionsrechtes betroffen sind, weiterhin anzuwenden ist. Ein solches Urteil des EuGH kann daher mit seiner Erlassung in diesem Restanwendungsbereich im Ergebnis eine sogenannte 'Inländerdiskriminierung' bewirken. ..... Ein Urteil des EuGH kann also auf jedwedem Rechtsgebiet eine ..... beachtliche Anzahl von rein inlandsbezogenen Folgefällen provozieren, die im Falle der erfolgreichen Geltendmachung einer nunmehr eingetretenen Verfassungswidrigkeit der Norm dazu führen können, dass aufgrund der Anlassfallwirkung eines das Gesetz aufhebenden Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes gemäß Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG Bewilligungen ohne die Berücksichtigung von im öffentlichen Interesse bestehenden Schranken des Gesetzes erlangt werden können, die bei Fortbestehen der früheren Rechtslage nicht hätten erteilt werden dürfen.“

 

Allerdings könne

 

„dieser Effekt ..... den öffentlichen Interessen zuwiderlaufen, wenn – wie hier – der in der Norm vorgesehene Erlaubnisvorbehalt zur Errichtung von Krankenanstalten an sich unionsrechtlich zulässig ist, aber nur in seiner konkreten Ausgestaltung als unionsrechtswidrig festgestellt wurde. In einem solchen Fall stehen dem Gesetzgeber nämlich im Allgemeinen mehrere Reaktionsmöglichkeiten unionsrechtskonformer Neuregelungen offen, einschließlich der Möglichkeit, den strittigen Erlaubnisvorbehalt – vorbehaltlich der unionsrechtlich erforderlichen Begleitmaßnahmen – beizubehalten. Eine geordnete Krankenanstaltenplanung dient der Aufrechterhaltung einer qualitativ hochwertigen, ausgewogenen und allgemein zugänglichen medizinischen Versorgung und der Vermeidung einer erheblichen Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit, wie der EuGH in der Entscheidung 'Hartlauer Handelsgesellschaft mbH' (10.3.2009, Rs. C-169/07, .....) erneut ausdrücklich anerkannt hat (.....), und damit dem wichtigen öffentlichen Interesse an einem funktionierenden Gesundheitswesen. In dieser Konstellation widerspricht ein zwischen der Verkündung des Urteils des EuGH und dem Zeitpunkt der Neuregelung durch den Gesetzgeber als Folge der Anlassfallwirkung einer Gesetzesaufhebung durch den Verfassungsgerichtshof entstehendes gesetzliches Vakuum dem jeweils der Norm zugrundeliegenden öffentlichen Interesse an einer geordneten Krankenanstaltenplanung, weil dadurch der Zugang zu Bewilligungen eröffnet werden kann, die weder nach alter Rechtslage noch nach einer (möglichen) unionsrechtskonformen neuen Rechtslage erteilt werden dürfen. Es besteht in einer Konstellation wie der hier vorliegenden daher ein erhebliches öffentliches Interesse an der grundsätzlichen Aufrechterhaltung des nationalen Regelungsregimes zumindest im überwiegend innerstaatlichen Restanwendungsbereich für jenen Zeitraum, der vom Gesetzgeber für eine (unionsrechtlich zulässige) Neuregelung benötigt wird. Dieses öffentliche Interesse vermag daher die aus (allein) unionsrechtlicher Ursache entstandene 'inländerdiskriminierende' Wirkung einer Norm vorübergehend, nämlich für die Dauer einer für die Neuregelung erforderlichen Übergangszeit, sachlich zu rechtfertigen. Was die Dauer eines solchen Zeitraums betrifft, so ist der in Art. 140 Abs. 5 B-VG zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke auch hier sinngemäß zu berücksichtigen. Im Interesse eines geordneten Gesetzgebungsprozesses ist daher – in einem Fall wie dem vorliegenden – die diskriminierende Wirkung einer Norm aus den genannten Gründen bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber vorübergehend für einen angemessenen Zeitraum hinzunehmen.“

 

Eine solcherart entstandene Inländerdiskriminierung würde sich daher während des angemessenen Übergangszeitraumes aus innerstaatlicher Sicht nicht als verfassungswidrig erweisen (vgl. auch VfGH vom 15. Dezember 2011, G 290/09).

 

8.2. Der VwGH hat sich dieser Rechtsansicht zunächst für Fallkonstellationen, in denen ein Gesetzesprüfungsverfahren beim VfGH anhängig war, angeschlossen (vgl. z.B. VwGH vom 20. März 2013, Zl. 2012/11/0046) und sie in der Folge (allerdings ohne nähere eigenständige Begründung, sondern unter bloßem Hinweis auf das vorzitierte VfGH-Erkenntnis vom 15. Dezember 2011, G 61/10) dahin verallgemeinert, dass die unionsrechtswidrigen Bestimmungen bei rein inlandsbezogenen Sachverhalten weiterhin anzuwenden sind (vgl. z.B. VwGH vom 23. Mai 2013, Zl. 2011/11/0029, und vom 24. Juli 2013, Zl. 2010/11/0195), nachdem dieser Gerichtshof schon zuvor unter Hinweis auf eine deutsche Literaturstelle gemeint hatte (vgl. VwGH vom 17. April 2008, Zl. 2008/15/0064), dass

 

„die Verdrängung von nationalem Recht durch Gemeinschaftsrecht ..... bloß jenes Ausmaß umfassen [darf], das gerade noch hinreicht, um einen gemeinschaftsrechtskonformen Zustand herbeizuführen. Dabei sind die gemeinschaftsrechtlichen Erfordernisse in das nationale Gesetz ‚hineinzulesen‘ (vgl. Gosch, ....., DStR 2007, 1553 [1555], der in diesem Zusammenhang auch von der ‚geltungserhaltenden Reduktion nationaler Normen spricht).“

 

8.3. Ungeachtet der Frage, ob diese eher restriktive Sichtweise der nationalen Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts bezüglich des Grundsatzes des Vorranges des Unionsrechts ihrerseits unionsrechtskonform erscheint, ist für das gegenständliche Verfahren zunächst darauf hinzuweisen, dass dieses – bei grundsätzlich identischer Problemlage – von jenen Fallkonstellationen, die den vorerwähnten Entscheidungen des VfGH und des VwGH zu Grunde lagen, hinsichtlich maßgeblicher Parameter divergiert:

 

·         Denn zum einen hat der EuGH – im Unterschied zu seinem (vom VfGH und vom VwGH jeweils zentral zur Begründung ihrer Ansicht herangezogenen) Urteil vom 10. März 2009, C-169/07 (Hartlauer) – hier unmissverständlich  klargestellt, dass das in § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG normierte Bedarfsprüfungskriterium der „weiterhin zu versorgenden Personen“ als solches (arg.: „Art. 49 AEUV ..... ist dahin auszulegen, dass er ..... entgegensteht“) und nicht bloß hinsichtlich spezifischer Aspekte – und sohin nicht nur unter bestimmen Vorbehalten – dem Art. 49 AEUV widerspricht, wobei sich die hierfür vom EuGH gegebene Begründung nicht primär auf das Anlassverfahren bezieht, sondern vorrangig für den Gesetzgeber im Zuge der Erlassung einer Neuregelung von Interesse ist;

 

·         In der Sache betrifft die vom EuGH konstatierte Unionsrechtswidrigkeit im gegenständlichen Fall zudem nicht bloß einen peripheren (vgl. dagegen VfGH vom 15. Dezember 2011, G 61/10, Pkt. I.2.5.: „nur in seiner konkreten Ausgestaltung als unionsrechtswidrig festgestellt“), sondern vielmehr geradezu den zentralen Aspekt des in § 10 ApG normierten Bedarfsprüfungsverfahrens, nämlich den Bestandsschutz für bereits bestehende Apotheken;

 

·         Schließlich ist im vorliegenden Fall in prozessualer Hinsicht auch kein Gesetzesprüfungsverfahren gemäß Art. 140 B‑VG anhängig (und wäre ein solcher, auf das Argument der Inländerdiskriminierung gegründeter Antrag im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes – vgl. wiederum VfGH vom 15. Dezember 2011, G 61/10 – überdies auch wenig erfolgversprechend), sodass auch – jedenfalls formal – keine bloß vorübergehende Unionsrechtswidrigkeit i.S.d. Art. 140 Abs. 5 und 7 B-VG vorliegt.

 

8.4. Ist aber vor dem Hintergrund, dass der EuGH die Unionsrechtswidrigkeit des § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG, der eine zentrale Voraussetzung der Marktzulassung in Form einer Bedarfsprüfung normiert, vorbehaltslos – und damit auch mit unmittelbarer sowie sofortiger Wirkung – festgestellt hat, zu konstatieren, dass eine entsprechende gesetzliche Regelung im österreichischen Recht für Fallkonstellationen wie die hier vorliegende nicht besteht, so verbleibt im öffentlichen Interesse an einem geordneten Gesundheitswesen daher nur die Möglichkeit, die der Sache nach am ehesten adäquate verfahrensrechtliche Norm, nämlich Art. 140 B-VG, analog heranzuziehen.

 

8.4.1. Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass öffentliche Interessen weder einseitig noch exklusiv bevorzugt werden, sondern – im Sinne einer möglichst effizienten Unionsrechtskonformität und eines möglichst effektiven Grundrechtsschutzes – auch auf die konträren Interessen der Konzessionswerber ausreichend Bedacht genommen wird; beispielsweise kann daher – anders als in den vom VfGH zu führenden Gesetzesprüfungsverfahren – die in Art. 140 Abs. 5 letzter Satz B‑VG mit 18 Monaten objektiv besehen bereits extensiv festgelegte Frist schon im Hinblick auf eine angemessene Verfahrensdauer i.S.d. Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 EGRC nicht verabsolutierend als ein jedenfalls „vorübergehend angemessener Zeitraum“ (vgl. VfGH vom 15. Dezember 2011, G 61/10, Pkt. I.2.7.3.) erscheinen. Denn im Hinblick auf die für Vollzugsorgane grundsätzlich maßgebliche Entscheidungsfrist von 6 Monaten (vgl. z.B. § 73 AVG; § 34 VwGVG; § 284 BAO) ist vielmehr vorläufig kein zwingender Grund ersichtlich, weshalb diese für den Gesetzgeber wesentlich länger sein sollte, zumal in gewissen Konstellationen eine Unionsrechtswidrigkeitserklärung durch den EuGH nicht ganz unabsehbar ist.

 

8.4.2. Vor diesem Hintergrund kommt im gegenständlichen Fall insbesondere dem Prinzip der Anlassfallwirkung maßgebliche Bedeutung zu:

 

Denn nach Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG ist ein vom VfGH als verfassungswidrig erkanntes Gesetz zwar auf alle vor dessen Aufhebung verwirklichten Tatbestände, nicht jedoch auch auf den Anlassfall weiterhin anzuwenden; durch diesen Grundsatz wird der Betreiber des Ausgangsverfahrens u.a. vor einer ineffizienten Prozessführung geschützt.

 

Auf den vorliegenden Fall analog übertragen bedeutet dies, dass die Feststellung der Unionsrechtswidrigkeit des Bedarfsprüfungskriteriums des § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG hier jedenfalls – und entgegen der von der mitbeteiligten Partei in ihrem Schriftsatz vom 18. Februar 2014 vertretenen Ansicht – unmittelbare Wirksamkeit entfaltet.

 

8.4.3. Lässt man sohin davon ausgehend die Bestimmung des § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG (und damit auch die darauf aufbauenden Absätze 4, 5 und 7 des § 10 ApG) auf Grund des Vorranges des Unionsrechts (hier: des Art. 49 AEUV) außer Acht, so ist einerseits zu konstatieren, dass die Beschwerdeführerin auf Grund der von der belangten Behörde getroffenen – und insoweit auch von der Mitbeteiligten Partei unbestritten gebliebenen – Feststellungen die persönlichen Voraussetzungen des § 3 ApG und die sachliche Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 1 ApG (ständiger Berufssitz eines Arztes in der Gemeinde P) erfüllt sowie die Ausschlussgründe des § 10 Abs. 2 Z. 1 ApG (und damit auch jene des § 10 Abs. 3, Abs. 3a und Abs. 3b ApG: ärztliche Hausapotheke) und des § 10 Abs. 2 Z. 2 ApG (Entfernung zur nächstgelegenen öffentlichen Apotheke weniger als 500 Meter) nicht vorliegen (vgl. S. 3 und 4 des angefochtenen Bescheides).

 

Insgesamt besehen kommt daher hier die gesetzliche Vermutung des ApG, dass an der Neuerrichtung einer Apotheke prinzipiell – und so auch durch die Rechtsmittelwerberin – ein entsprechender Bedarf besteht (so explizit der EuGH in seinem Urteil vom 13. Februar 2014, C 367/12, RN 28 u. 36), zum Tragen (sodass es darauf, ob die Straßenverbindung zwischen den Gemeinden P und A tatsächlich „Anfang Juli 2014“ – wie in der von der Rechtsmittelwerberin vorgelegten Verhandlungsschrift des Amtes der Oö. Landesregierung vom 28. Jänner 2014, Zl. Verk-720985/7-2013-Aum/Stc, angeführt [vgl. S. 5] – geschlossen werden wird, was wiederum einen maßgeblichen Einfluss auf den Umfang des der bereits bestehenden Apotheke der Mitbeteiligten Partei verbleibenden Kundenpotentials hätte [so die gutachterliche Stellungnahme des Vertreters der Apothekerkammer; vgl. oben, I.1.3.], nicht mehr ankommt).

 

8.4.4. Davon ausgehend war daher der vorliegenden Beschwerde gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben; unter einem war der Rechtsmittelwerberin die beantragte Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke in P mit der voraussichtlichen Betriebsstätte „G-Straße, P“ und dem Standort „Gemeindegebiet von P“ zu erteilen.

 

9. Gegen dieses Erkenntnis hat die Mitbeteiligte Partei eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben.

 

10. Mit Erkenntnis vom 30. September 2015, Ro 2014/10/0081, hat der VwGH dieser Revision stattgegeben und das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich vom 21. Februar 2014, LVwG-050006/8/Gf/Rt, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

 

Begründend hat der VwGH dazu unter Hinweis auf sein Erkenntnis vom 27. März 2014, 2013/10/0209, im Wesentlichen ausgeführt, dass das Urteil des EuGH vom 13. Februar 2014, C-367/12, so zu verstehen sei, dass § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG lediglich dann unangewendet zu lassen und die Konzession ohne Rücksicht auf eine allfällige Einschränkung des Kundenpotentials der benachbarten Apotheken auf unter 5.500 zu versorgende Personen zu erteilen ist, wenn die neu beantragte Apotheke dazu erforderlich ist, um für die in bestimmten ländlichen und abgelegenen Gebieten wohnhafte Bevölkerung die zumutbare Erreichbarkeit einer Arzneimittelabgabestelle zu gewährleisten; ist aber die Erteilung der beantragten Konzession nicht bereits aus diesen Gründen unionsrechtlich geboten, so sei § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG – der in diesem Fall nach den Ausführungen des EuGH nicht unionsrechtswidrig sei – weiterhin anzuwenden.

 

Im Übrigen sei anzumerken, dass auf Grund der bisherigen Verfahrensergebnisse einerseits keinerlei Anhaltspunkte für eine Auswirkung der von der Konzessionswerberin beantragten Neuerrichtung einer Apotheke auf die Versorgungslage einer in ländlichen und abgelegenen Gebieten wohnhaften Bevölkerung bestünden; zudem sei andererseits von Vornherein auszuschließen, dass die Neuerrichtung der beantragten Apotheke zum Zweck der Gewährleistung eines zumutbaren Anfahrtsweges für die Bevölkerung eines bestimmten abgelegenen ländlichen Gebietes erforderlich ist.

 

11. Zwischenzeitlich hatte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich in einer anderen Apothekenrechtssache mit Schriftsatz vom 8. Dezember 2014, LVwG-050013/35/Gf/Rt, beim EuGH einen Antrag gemäß Art. 267 AEUV mit folgender Vorlagefrage eingebracht:

 

„Ist eine nationale Rechtslage, nach der einerseits innerstaatliche Verfahrensbestim-mungen zur Regelung der Frage, wie ein Gericht in jenen bereits bei ihm anhängigen Fällen vorzugehen hat, die unter Bedachtnahme auf eine vom Gerichtshof der Europäischen Union als unionsrechtswidrig festgestellte Rechtsgrundlage abzuschließen sind, fehlen, andererseits jedoch eine vorbehaltslose Bindung dieses Gerichts an die Auslegung des Unionsrechts durch ein anderes nationales Gericht vorgesehen ist, mit Art. 267 AEUV und/oder allgemein mit dem Grundsatz des Vorranges des Unionsrechts (vgl. jüngst EuGH vom 11. September 2014, C-112/13 [ECLI:EU:C:2014:2195], RN 29) vereinbar?“

 

12. Diesbezüglich hat der EuGH mit Beschluss vom 15. Oktober 2015, C-581/14 (ECLI:EU:C:2015:707 – „Naderhirn“), für Recht erkannt:

 

Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass es einer nationalen Rechtslage entgegensteht, die zum einen dadurch gekennzeichnet ist, dass innerstaatliche Vorschriften zur Regelung der Frage fehlen, wie ein nationales Gericht in den bei ihm anhängigen Rechtssachen dem Umstand Rechnung zu tragen hat, dass nach einem Urteil des Gerichtshofs eine nationale Vorschrift als unionsrechtswidrig anzusehen ist, und zum anderen durch das Vorliegen innerstaatlicher Vorschriften, nach denen das fragliche Gericht vorbehaltlos an die Auslegung des Unionsrechts durch ein anderes nationales Gericht gebunden ist, sofern das fragliche nationale Gericht aufgrund einer solchen innerstaatlichen Rechtsvorschrift daran gehindert wäre, sicherzustellen, dass der Vorrang des Unionsrechts ordnungsgemäß gewährleistet wird, indem es im Rahmen seiner Zuständigkeiten alle hierfür erforderlichen Maßnahmen ergreift.

 

Begründend wurde dazu u.a. ausgeführt,

 

− dass die nationalen Gerichte an die vom Gerichtshof nach Art. 267 AEUV vorgenommene Auslegung gebunden sind; es kommt ihnen jedoch zu, zu beurteilen, ob die Vorabentscheidung hinreichende Klarheit geschaffen hat oder ob eine erneute Befassung des Gerichtshofs notwendig ist (RN 28);

 

− dass sich aus dem Vorlageantrag ergibt, dass zwischen dem vorlegenden Verwaltungsgericht und dem Verwaltungsgerichtshof eine Meinungsverschiedenheit hinsichtlich der Tragweite des Urteils Sokoll-Seebacher (C367/12, EU:C:2014:68) besteht, das vorlegende Gericht jedoch den Gerichtshof nicht zu dessen Tragweite befragt hat (RN 29);

 

− dass hinsichtlich des Fehlens innerstaatlicher Vorschriften zur Regelung der Frage, wie ein nationales Gericht in den bei ihm anhängigen Rechtssachen dem Umstand Rechnung zu tragen hat, dass nach einem Urteil des Gerichtshofs eine nationale Vorschrift als unionsrechtswidrig anzusehen ist, aus der ständigen Rechtsprechung des EuGH hervorgeht, dass die Mitgliedstaaten nach dem in Art. 4 Abs. 3 EUV niedergelegten Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit verpflichtet sind, die rechtswidrigen Folgen eines Verstoßes gegen das Unionsrecht zu beheben und dass diese Verpflichtung jedem Organ des betreffenden Mitgliedstaats im Rahmen seiner Zuständigkeiten obliegt, woraus folgt, dass die Gerichte eines Mitgliedstaats im Rahmen ihrer Zuständigkeiten alle erforderlichen allgemeinen oder besonderen Maßnahmen zu ergreifen haben, damit die Unvereinbarkeit einer nationalen Vorschrift mit dem Unionsrecht behoben wird, und zwar auch dann, wenn es keine innerstaatlichen Vorschriften gibt, die regeln, wie ein nationales Gericht dieser Verpflichtung nachzukommen hat; nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist das nationale Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit die Bestimmungen des Unionsrechts anzuwenden hat, gehalten, für die volle Wirksamkeit dieser Normen Sorge zu tragen, indem es erforderlichenfalls jede – auch spätere – entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Bestimmung auf gesetzgeberischem Wege oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste (RN 30 bis 33); sowie

 

− dass der EuGH hinsichtlich des Vorliegens innerstaatlicher Vorschriften, nach denen ein nationales Gericht vorbehaltlos an die Auslegung des Unionsrechts durch ein anderes nationales Gericht gebunden ist, bereits entschieden hat, dass es mit dem Unionsrecht nicht vereinbar ist, dass ein nationales Gericht nach einer nationalen Vorschrift an die rechtliche Beurteilung eines übergeordneten nationalen Gerichts gebunden ist, wenn diese Beurteilung des übergeordneten Gerichts nicht dem Unionsrecht in seiner Auslegung durch den Gerichtshof entspricht (RN 34); entspricht also die Beurteilung eines nationalen Gerichts nicht dem Unionsrecht, ist ein anderes nationales Gericht, das nach dem innerstaatlichen Recht vorbehaltlos an die Auslegung des Unionsrechts durch das erstgenannte Gericht gebunden ist, nach dem Unionsrecht verpflichtet, aus eigener Entscheidungsbefugnis die innerstaatliche Rechtsvorschrift unangewendet zu lassen, die von ihm verlangt, sich an die vom erstgenannten Gericht herangezogene Auslegung des Unionsrechts zu halten (RN 35), was u. a. dann der Fall wäre, wenn ein nationales Gericht aufgrund einer solchen innerstaatlichen Rechtsvorschrift, an die es gebunden ist, daran gehindert wäre, in den bei ihm anhängigen Rechtssachen dem Umstand, dass eine nationale Vorschrift nach einem Urteil des Gerichtshofs als unionsrechtswidrig anzusehen ist, angemessen Rechnung zu tragen und sicherzustellen, dass der Vorrang des Unionsrechts ordnungsgemäß gewährleistet wird, indem es alle hierfür erforderlichen Maßnahmen ergreift (RN 36).

 

13. Davon ausgehend hat das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich mit Schriftsatz vom 24. November 2015, LVwG-050006/29/Gf/JE/Mu, einen weiteren Antrag gemäß Art. 267 AEUV eingebracht und mit diesem folgende Frage(n) gestellt:

 

„Ist Art. 49 AEUV, insbesondere das Gebot der Kohärenz bei der Verfolgung des angestrebten Ziels, im Hinblick auf die bzw. unter Zugrundelegung der vom Gerichtshof der Europäischen Union in dessen Urteil vom 13. Februar 2014, C-367/12 (ECLI:EU:C:2014:68 – „Sokoll-Seebacher“), im Tenor (bzw. in RN 51) getroffene Feststellung, dass eine mitgliedstaatlichen Regelung wie § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG, die als essenzielles Kriterium bei der Prüfung des Bedarfs an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke eine starre Grenze von weiterhin zu versorgenden (konkret: in einem Ausmaß von 5.500) Personen festlegt, entgegensteht,

 

a) dahin zu verstehen, dass der Umstand der Festlegung nicht bloß eines flexiblen Richt-, sondern eines exakten (d.h. eines ziffernmäßig bestimmten und somit im Wege der Auslegung nicht flexibilisierbaren) Grenzwertes diese Regelung gesamthaft besehen inkohärent und damit unionsrechtswidrig macht, weil die zuständigen nationalen Behörden damit generell keine Möglichkeit haben, von diesem Grenzwert abzuweichen, um örtliche Besonderheiten zu berücksichtigen (zumal ja die in RN 24 des vorangeführten Urteils aufgestellten Kriterien für eine kohärente und systematische Zielerreichung jeweils kumulativ vorliegen müssen) – mit der Folge, dass jenes Bedarfsprüfungskriterium innerstaatlich so lange nicht anzuwenden ist, bis dieses vom nationalen Gesetzgeber durch eine unionsrechtskonforme, flexiblere Regelung (etwa analog zu § 10 Abs. 6 ApG hinsichtlich der in § 10 Abs. 2 Z. 2 ApG festgelegten 500-Meter-Grenze) ersetzt wird?

 

oder

 

b) dahin zu verstehen, dass die in § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG normierte Festlegung nicht bloß eines flexiblen Richt-, sondern eines exakten (d.h. eines ziffernmäßig bestimmten und somit im Wege der Auslegung nicht flexibilisierbaren) Grenzwertes lediglich dann und insoweit unionsrechtswidrig ist, wenn bzw. als diese in einem konkreten Fall auf eine Sachverhaltskonstellation anzuwenden ist, in der auf Grund örtlicher Besonderheiten oder sonstiger faktischer Gegebenheiten tatsächlich deshalb ein Bedarf an der Neuerrichtung einer Apotheke besteht, weil anders für bestimmte Personen (insbesondere für sog. „Einfluter“, Neuzugezogene etc.) kein angemessener Zugang zu Arzneimitteln gewährleistet ist (vgl. RN 45 i.V.m. RN 50 des vorangeführten Urteils), selbst wenn dadurch das Versorgungspotential für eine oder mehrere bereits bestehende(n) Apotheke(n) künftig tatsächlich unter 5.500 Personen sinken sollte – mit der Folge, dass jenes Bedarfsprüfungskriterium bis zu einer klarstellenden Neuregelung durch den nationalen Gesetzgeber nur in solchen Konstellationen, jedoch gleichermaßen für ländliche, städtische oder sonstige Gebiete, nicht anzuwenden ist?

 

oder

 

c) dahin zu verstehen, dass die in § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG normierte Festlegung nicht bloß eines flexiblen Richt-, sondern eines exakten (d.h. eines ziffernmäßig bestimmten und somit im Wege der Auslegung nicht flexibilisierbaren) Grenzwertes nur dann und insoweit unionsrechtswidrig ist, wenn bzw. als diese in einem konkreten Fall auf eine Sachverhaltskonstellation anzuwenden ist, die sich auf eine ländliche und abgelegene Gegend bezieht, selbst wenn dadurch das Versorgungspotential für eine oder mehrere bereits bestehende(n) Apotheke(n) künftig tatsächlich unter 5.500 Personen sinken sollte – mit der Folge, dass jenes Bedarfsprüfungskriterium bis zu einer klarstellenden Neuregelung durch den nationalen Gesetzgeber nur dann nicht anzuwenden ist, wenn dies Auswirkungen auf die Bevölkerung in einem ländlichen und/oder abgelegenen Gebiet hat?“

 

13.1. Begründend wurde dazu ausgeführt, dass die vom EuGH in dessen Urteil vom 13. Februar 2014, C-367/12 (ECLI:EU:C:2014:68 – „Sokoll-Seebacher I“) getroffenen Feststellungen nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich dahin zu verstehen sind, dass die Regelung der Bedarfsprüfung in der Form, wie diese – derzeit immer noch – in § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG festgelegt ist, nicht bloß in Sonderkonstellationen wie der beabsichtigten Neuerrichtung einer Apotheke in dünn besiedelten ländlichen Gebieten (dort freilich besonders!), sondern vielmehr ganz grundsätzlich dem Art. 49 AEUV widerspricht, weil sie es infolge des darin normierten starren Grenzwertes von 5.500 Personen der Behörde (bspw. im Gegensatz zu § 10 Abs. 6 ApG, der im Interesse einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung ein ausnahmsweises Unterschreiten der prinzipiell fixen 500-Meter-Entfernung durchaus zulässt!) nicht ermöglicht, Spezifika des konkreten Einzelfalles angemessen, nämlich zu Gunsten des kohärent anzustrebenden Primärzieles einer optimalen Heilmittelversorgung der Bevölkerung bzw. desgleichen und angemessenen Zuganges zu Apothekendienstleistungen (dem gegenüber das Ziel des Bestandsschutzes bereits bestehender Apotheken wohl in den Hintergrund zu treten hat), zu berücksichtigen.

 

Nach Auffassung des LVwG Oberösterreich hat der EuGH mit dem Abstellen auf ländliche und abgelegene Gegenden im „Sokoll-Seebacher I“-Urteil bloß eine besonders illustrative Beispielskonstellation zur Begründung seiner Feststellung, dass die Festlegung eines starren, nicht interpretativ flexibilisierbaren Grenzwertes eine adäquate Reaktion auf eine neu entstandene Bedarfslage nicht ermöglicht, gewählt, damit aber wohl nicht ausgeschlossen, dass das Ziel einer optimalen Heilmittelversorgung der Bevölkerung auch im städtischen Bereich eine gleichermaßen adäquate Flexibilität erfordert, selbst wenn dadurch der Bestandsschutz bestehender Apotheken (in aller Regel ohnehin nur geringfügig) beeinträchtigt werden sollte.

 

Eine solche Anpassungsmöglichkeit dürfte nämlich weder im ländlichen noch im städtischen Raum gegeben sein, wenn in § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG – nicht in Form eines bloßen Richt-, sondern eines fixen Grenzwertes – eine explizite – und damit im Wege der Auslegung schon a priori nicht variierbare – Personenzahl festgelegt ist: Indem auf diese Weise jede solche Verringerung des Kundenstocks bestehender Apotheken, aus der ein unter der 5.500-Personen-Grenze liegendes Quantum resultiert – und somit im Extremfall auch ein verbleibendes Kundenpotential von bloß 5.499 Personen –, ex lege zur Verneinung des Bedarfes führen muss (arg. „besteht nicht“ in § 10 Abs. 2 ApG), können spezifische tatsächliche Gegebenheiten wie etwa ein dringendes öffentliche Interesse an einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung i.S.d. § 10 Abs. 6 ApG schon von vornherein nicht in eine solche Bedarfsbeurteilung einfließen. Dies kann vornehmlich in ländlichen und abgelegenen Gebieten zu einer verfälschten Bedarfsbeurteilung führen. In gleicher Weise ist aber auch in dichter besiedelten Gegenden keineswegs ausgeschlossen, dass faktisch selbst dann ein dringender Bedarf besteht, wenn sich der Kundenstock bestehender Apotheken auf weniger als 5.500 Personen verringert; konkret müsste etwa die beantragte Konzession für eine Neuapotheke z.B. versagt werden, wenn im Zuge der Neugestaltung eines Stadtviertels (Errichtung von Hochhäusern, Bahnhöfen, Einkaufszentren, etc.) für eine solche wegen der damit verbundenen Neuansiedlung, Einflutung usw. weiterer Personen zwar objektiv besehen durchaus ein zusätzlicher Versorgungsbedarf entsteht, dadurch jedoch gleichzeitig der Kundenstock von einer oder von mehreren bereits bestehenden Apotheke(n) auf (knapp) unter 5.500 Personen absinken würde.

 

Dass im Urteil vom 13. Februar 2014, C-367/12 (ECLI:EU:C:2014:68 – „Sokoll-Seebacher I), die Hervorhebung von „dünn besiedelten ländlichen Regionen“ (bzw. eigentlich: von „Menschen mit eingeschränkter Mobilität“) – zudem in nahe liegender Anlehnung an das einschlägige EuGH-Vorjudikat vom 1. Juni 2010, C‑570/07 (ECLI:EU:C:2010:300 – „Blanco Pérez und Chao Gómez“) – bloß paradigmatisch, nämlich zur Verdeutlichung der mit einer starren Grenze verbundenen Auswirkungen, erfolgte, dürfte sich schließlich auch daraus ergeben, dass im Tenor eine entsprechende Hervorhebung – wohl nicht zufällig – weggelassen wurde (vgl. nach RN 53):

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

 

Art. 49 AEUV, insbesondere das Gebot der Kohärenz bei der Verfolgung des angestrebten Ziels, ist dahin auszulegen, dass er einer mitgliedstaatlichen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen, die als essenzielles Kriterium bei der Prüfung des Bedarfs an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke eine starre Grenze von ‚weiterhin zu versorgenden Personen‘ festlegt, entgegensteht, weil die zuständigen nationalen Behörden keine Möglichkeit haben, von dieser Grenze abzuweichen, um örtliche Besonderheiten zu berücksichtigen.“ (Hervorhebung im Original)

 

Im Urteilsspruch ist also offenbar bewusst keine Bezugnahme auf „dünn besiedelte ländliche Gebiete“, auf „Menschen mit eingeschränkter Mobilität“ o.Ä. enthalten.

 

13.2. Dem gegenüber scheint der Verwaltungsgerichtshof – beginnend mit seinem Erkenntnis vom 27. März 2014, Zl. 2013/10/0209, bis zu seiner im vorliegenden Fall maßgeblichen Entscheidung vom 30. September 2015, Ro 2014/10/0081 (m.w.N.) – davon auszugehen, dass das in § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG festgelegte Bedarfskriterium der „weiterhin zu versorgenden Personen“ nach dem Urteil des EuGH vom 13. Februar 2014, C-367/12 (ECLI:EU:C:2014:68 – „Sokoll-Seebacher“), lediglich dann und insoweit als unionsrechtswidrig anzusehen ist, als dieses in Sachverhaltskonstellationen heranzuziehen wäre, in denen die Versorgungssituation, d.h. die Erreichbarkeit einer Arzneimittelabgabestelle, für die in bestimmten ländlichen und abgelegenen Gebieten wohnhafte Bevölkerung zu prüfen ist; im Übrigen stehe § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG jedoch nicht im Widerspruch zu Art. 49 AEUV, weshalb diese Bestimmung in Verfahren zur Erteilung einer Neukonzession bzw. in Verfahren, in denen die Erweiterung des Standortes der Betriebsstätte jeweils einer im städtischen Raum gelegenen Apotheke zu beurteilen ist, uneingeschränkt zum Tragen kommt. (Im Besonderen gilt dies sogar dann, wenn jene Mitbeteiligte, hinsichtlich der im Gutachten der Apothekerkammer ausschließlich festgestellt wurde, dass ihr Kundenpotential im Falle der Bewilligung der beantragten Standorterweiterung unter 5.500 Personen sinken wird, selbst gar nicht Partei im Verfahren vor dem VwGH ist.)

 

14. Mit Beschluss vom 30. Juni 2016, C-634/15 (Sokoll-Seebacher II), hat der EuGH für Recht erkannt:

 

Das Urteil vom 13. Februar 2014, Sokoll-Seebacher (C-367/12, EU:C:2014:68), ist so zu verstehen, dass das in der im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Regelung festgelegte Kriterium einer starren Grenze der Zahl der ‚weiterhin zu versorgenden Personen‘ bei der Prüfung des Bedarfs an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke allgemein in keiner konkreten Situation, die einer Prüfung unterzogen wird, Anwendung finden darf.

 

14.1. Begründend wurde dazu ausgeführt, dass zunächst darauf zu verweisen ist, dass es die Bindungswirkung eines im Vorabentscheidungsverfahren ergangenen Urteils nicht ausschließt, dass das nationale Gericht, an das dieses Urteil gerichtet ist, vor der Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits eine erneute Anrufung des Gerichtshofs für erforderlich hält. Eine solche Vorlage ist gerechtfertigt, wenn das nationale Gericht beim Verständnis oder bei der Anwendung des Urteils Schwierigkeiten hat, wenn es dem Gerichtshof eine neue Rechtsfrage stellt oder wenn es ihm neue Gesichtspunkte unterbreitet, die ihn dazu veranlassen könnten, eine bereits gestellte Frage abweichend zu beantworten (Beschluss vom 5. März 1986, Wünsche, C‑69/85, EU:C:1986:104, RN 15; Urteile vom 11. Juni 1987, X, C‑14/86, EU:C:1987:275, RN 12, und vom 6. März 2003, Kaba, C‑466/00, EU:C:2003:127, RN 39). Dies ist hier insofern der Fall, als das vorlegende Gericht wissen möchte, ob aus dem Urteil vom 13. Februar 2014, Sokoll-Seebacher (C-367/12, EU:C:2014:68), hervorgeht, dass von der Anwendung des Kriteriums einer starren Grenze der Zahl der "weiterhin zu versorgenden Personen" in jedem Fall abzusehen ist oder nur in Rechtssachen, die bestimmte Gebiete oder besondere Situationen betreffen (RN 19 und 20).

 

14.2. Gemäß Art. 99 seiner Verfahrensordnung kann der Gerichtshof, wenn die Beantwortung der zur Vorabentscheidung vorgelegten Frage keinen Raum für vernünftige Zweifel lässt oder wenn die Antwort auf eine solche Frage klar aus seiner Rechtsprechung abgeleitet werden kann, auf Vorschlag des Berichterstatters und nach Anhörung des Generalanwalts jederzeit die Entscheidung treffen, durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden. Genau dies ist hier der Fall, da die Antwort auf die Vorlagefrage klar aus dem Urteil vom 13. Februar 2014, Sokoll-Seebacher (C-367/12, EU:C:2014:68), abgeleitet werden kann (RN 21 und 22).

 

14.3. Nach der im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Regelung wird eine Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke nur dann erteilt, wenn ein "Bedarf' besteht. Dieser Bedarf wird vermutet, es sei denn, mindestens

einer der in dieser Regelung genannten konkreten Umstände steht dem entgegen (Urteil vom 13. Februar 2014, Sokoll-Seebacher, C-367/12, EU:C:2014:68, RN 28).

 

Zu diesen Umständen gehört die Zahl der von der Betriebsstätte einer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus "weiterhin zu versorgenden Personen", d.h. der ständigen Einwohner aus einem Umkreis von vier Straßenkilometern um diese Betriebsstätte (Urteil vom 13. Februar 2014, Sokoll-Seebacher, C-367/12, EU:C:2014:68, RN 43).

 

So ist nach dieser Regelung das Bestehen eines Bedarfs an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke dann ausgeschlossen, wenn die Zahl der "weiterhin zu versorgenden Personen", d.h. der ständigen Einwohner aus einem Umkreis von vier Straßenkilometern um diese Betriebsstätte, sich infolge der Neuerrichtung verringert und weniger als 5.500 betragen wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Februar 2014, Sokoll-Seebacher, C-367/12, EU:C:2014:68, RN 29 und 43). Diese Regelung sieht jedoch eine Anpassungsmaßnahme vor, wonach dann, wenn die Zahl der ständigen Einwohner weniger als 5.500 beträgt, die aufgrund der Beschäftigung, der Inanspruchnahme von Einrichtungen und des Verkehrs von dieser Apotheke in diesem Gebiet zu versorgenden Personen bei der Bedarfsfeststellung zu berücksichtigen sind (Urteil vom 13. Februar 2014, Sokoll-Seebacher, C-367/12, EU:C:2014:68, RN 43). Es ist sachdienlich, das vorlegende Gericht darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs eine nationale Regelung nur dann geeignet ist, die Erreichung des angestrebten Ziels zu gewährleisten, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, es in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. März 2009, Hartlauer, C-169/07, EU:C:2009:141, RN 55; vom 19. Mai 2009, Apothekerkammer des Saarlandes u.a., C-171/07 und C-172/07, EU:C:2009:316, RN 42; und vom 1. Juni 2010, Blanco Pérez und Chao Gómez, C-570/07 und C-571107, EU:C:2010:300, RN 94). Hierzu hat der Gerichtshof im Urteil vom 13. Februar 2014, Sokoll-Seebacher (C-367/12, EU:C:2014:68, RN 45 und 46), zum einen festgestellt, dass nach der im Ausgangsverfahren fraglichen Regelung sich für bestimmte, insbesondere in ländlichen Regionen wohnende Personen, erst recht, wenn sie wie z. B. ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen und Kranke zeitweilig oder längerfristig über eine eingeschränkte Mobilität verfügen, der Zugang zu Arzneimitteln als kaum angemessen erweisen kann. Es gibt nämlich Personen, die nicht im Umkreis von vier Straßenkilometern um die Betriebsstätte der nächstgelegenen öffentlichen Apotheke wohnen und daher

weder in deren Versorgungsgebiet noch in einem anderen bestehenden Gebiet als ständige Einwohner berücksichtigt werden. Diese Personen können zwar allenfalls als „Einfluter" berücksichtigt werden. Jedoch hängt ihr Zugang zu Apothekendienstleistungen in jedem Fall von Umständen ab, die ihnen grundsätzlich keinen dauerhaften und kontinuierlichen Zugang gewähren, da dieser an der Beschäftigung in einem bestimmten Gebiet oder einem dort benutzten Verkehrsmittel anknüpft (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Februar 2014, Sokoll-Seebacher, C-367/12, EU:C:2014:68, RN 45). Zum anderen hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass in ländlichen und abgelegenen Gebieten, in die nur wenige einfluten, die Zahl der weiterhin zu versorgenden Personen wegen der niedrigen Bevölkerungsdichte ohne Weiteres unter 5.500 liegen kann, so dass der Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke niemals als zureichend angesehen werden könnte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Februar 2014, Sokoll-Seebacher, C-367/12, EU:C:2014:68, RN 47 bis 49).

 

Daraus folgt, dass bei der Anwendung des Kriteriums der Zahl der "weiterhin zu versorgenden Personen" trotz der von der nationalen Regelung vorgesehenen Anpassungsmaßnahme die Gefahr besteht, dass für bestimmte Personen, die in Gebieten mit gewissen örtlichen Besonderheiten, wie ländlichen und abgelegenen

Regionen außerhalb der Versorgungsgebiete bestehender Apotheken, wohnen, insbesondere für Menschen mit eingeschränkter Mobilität, kein gleicher und angemessener Zugang zu Apothekendienstleistungen sichergestellt ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Februar 2014, Sokoll-Seebacher, C-367/12, EU:C:2014:68, RN 50).

 

Durch die Bezugnahme auf ländliche oder abgelegene Regionen sowie auf Menschen mit eingeschränkter Mobilität wollte der Gerichtshof die Tragweite seiner Beurteilung der Kohärenz der im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Regelung jedoch keineswegs auf diese Art von Regionen und auf diese Kategorie von Personen begrenzen.

 

Aufgrund der von ihr festgelegten starren Grenze der Zahl der "weiterhin zu versorgenden Personen" ermöglicht die im Ausgangsverfahren fragliche nationale Regelung es der zuständigen Behörde nämlich nicht, die Besonderheiten jeder einzelnen geprüften Situation gehörig zu berücksichtigen und auf diese Weise die kohärente und systematische Erreichung des mit dieser Regelung angestrebten Hauptziels zu gewährleisten, das, wie der Gerichtshof in RN 25 seines Urteils vom 13. Februar 2014, Sokoll-Seebacher (C-367/12, EU:C:2014:68), angemerkt hat, darin besteht, eine sichere und qualitativ hochwertige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln zu gewährleisten.

 

Vor diesem Hintergrund ist der Gerichtshof zu dem Ergebnis gelangt, dass eine mitgliedstaatliche Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche, die als essenzielles Kriterium bei der Prüfung des Bedarfs an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke eine starre Grenze der Zahl der "weiterhin zu versorgenden Personen" festlegt, im Widerspruch zu Art. 49 AEUV, insbesondere zum Gebot der Kohärenz bei der Verfolgung des angestrebten Ziels, steht, weil die zuständigen nationalen Behörden keine Möglichkeit haben, von dieser Grenze abzuweichen, um örtliche Besonderheiten, d.h. im Endeffekt Besonderheiten der verschiedenen konkreten Situationen, wobei jede einzelne zu prüfen ist, zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Februar 2014, Sokoll-Seebacher, C-367/12, EU:C:2014:68, RN 51).

 

Daraus folgt, dass die mit der Anwendung des Kriteriums einer starren Grenze der Zahl der "weiterhin zu versorgenden Personen" verbundene Inkohärenz systemimmanent ist. Daher können sich die Gefahren, die mit einer derartigen Anwendung einhergehen, auf die Beurteilung jeder einzelnen Situation auswirken (RN 35).

 

Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass das Urteil vom 13. Februar 2014, Sokoll-Seebacher (C-367/12, EU:C:2014:68), so zu verstehen ist, dass das in der im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Regelung festgelegte Kriterium einer starren Grenze der Zahl der "weiterhin zu versorgenden Personen" bei der Prüfung des Bedarfs an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke allgemein in keiner konkreten Situation, die einer Prüfung unterzogen wird, Anwendung finden darf (RN 36).

 

 

 

II.

 

Fortgesetztes Verfahren

 

 

1. Gemäß § 63 Abs. 1 VwGG sind die Verwaltungsgerichte dann, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision stattgegeben hat, dazu verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des VwGH entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

 

Wie aus dem oben unter I.12. zitierten Beschluss des EuGH vom 15. Oktober 2015, C-581/14 (ECLI:EU:C:2015:707 – „Naderhirn“), hervorgeht, gilt dies jedoch nicht, wenn diese Rechtsauffassung dem Unionsrecht widerspricht.

 

2. Im vorliegenden Zusammenhang hat der EuGH im oben unter I.14. angeführten Beschluss vom 30. Juni 2016, C-634/15 („Sokoll-Seebacher II“), im Ergebnis festgestellt, dass die vom VwGH in dessen Erkenntnis vom 30. September 2015, Ro 2014/10/0081, mit dem das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich vom 21. Februar 2014, LVwG-050006/8/Gf/Rt, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben wurde, vertretene Rechtsmeinung dem Unionsrecht widerspricht (vgl. RN 13 i.V.m. RN 36 dieses Beschlusses).

 

Daher kommt die in § 63 Abs. 1 VwGG normierte Bindungswirkung im vorliegenden, zur Erlassung eines Ersatzerkenntnisses fortzusetzenden Verfahren nicht zum Tragen.

 

3. Weiters ist in inhaltlicher Hinsicht zu beachten, dass nach dem Beschluss des EuGH vom 30. Juni 2016, C-634/15 („Sokoll-Seebacher II“), das in § 10 Abs. 2 Z. 3 i.V.m. § 10 Abs. 4 ApG festgelegte Kriterium einer starren Grenze der Zahl der "weiterhin zu versorgenden Personen" – zumal auch die jüngst erfolgte Einfügung eines Abs. 6a in § 10 ApG durch die Novelle des ApG durch BGBl I 30/2016 infolge seines explizit eingeschränkten Abstellens auf „ländliche und abgelegene Regionen“ ebenfalls keine Unionsrechtskonformität dieser Regelung bewirkt – bei der Prüfung des Bedarfs an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke allgemein in keiner konkreten Situation, die einer Prüfung unterzogen wird, Anwendung finden darf.

 

4. Davon ausgehend stellt sich die um ihren unionsrechtswidrigen materiellen Gehalt bereinigte Rechtslage nunmehr wie folgt dar:

 

§ 10. (1) Die Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke ist zu erteilen, wenn

1. in der Gemeinde des Standortes der öffentlichen Apotheke ein Arzt seinen ständigen Berufssitz hat und

2. ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke besteht.

 

(2) Ein Bedarf besteht nicht, wenn

1. sich zum Zeitpunkt der Antragstellung in der Gemeinde der in Aussicht genommenen Betriebsstätte eine ärztliche Hausapotheke befindet und weniger als zwei Vertragsstellen nach § 342 Abs. 1 ASVG (volle Planstellen) von Ärzten für Allgemeinmedizin besetzt sind, oder

2. die Entfernung zwischen der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke und der Betriebsstätte der nächstgelegenen bestehenden öffentlichen Apotheke weniger als 500 m beträgt.“

 

5. Wie sich aus RN 23 des Beschlusses des EuGH vom 30. Juni 2016, C-634/15 („Sokoll-Seebacher II“ – EU:C:2016:510), ergibt, ist nach der Konzeption des § 10 ApG das Vorliegen eines Bedarfes als prinzipiell gegeben anzunehmen, es sei denn, dass dieser Vermutung mindestens einer der in dieser Regelung genannten konkreten Umstände entgegensteht (s.a. das Urteil des EuGH vom 13. Februar 2014, C‑367/12 [„Sokoll-Seebacher I“ – EU:C:2014:68], RN 28).

 

Demgemäß ist gleichsam eine „Negativprüfung“ vorzunehmen, d.h., dass nach der bereinigten Rechtslage ein Bedarf als jedenfalls gegeben zu erachten und damit die Anforderung des § 10 Abs. 1 Z. 2 ApG bereits dann als erfüllt anzusehen ist, wenn (nur mehr) weder der Ausschlussgrund des § 10 Abs. 2 Z. 1 ApG noch jener des § 10 Abs. 2 Z. 2 ApG vorliegt.

 

5.1. Diesbezüglich wurde bereits im erstbehördlichen Verfahren allseits unbestritten festgestellt, dass in der Gemeinde des von der Beschwerdeführerin beabsichtigten Standortes mehrere Ärzte ihren ständigen Berufssitz haben, dass sich innerhalb eines 4-km-Umkreises um den beabsichtigten Standort nachweislich keine Arztordination mit einer Hausapothekenbewilligung befindet und dass die Entfernung der geplanten zu den nächstgelegenen bereits bestehenden öffentlichen Apotheken unstrittig jeweils mehr als 500 Meter beträgt.

 

Zudem ergibt sich all dies auch aus dem Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer vom 12. April 2011, Zl. III-5/2/2-220/1/11 (s.o., I.1. und I.3.).

 

5.2. Da sohin weder der Ausschlussgrund des § 10 Abs. 2 Z. 1 ApG noch jener des § 10 Abs. 2 Z. 2 APG vorliegt und somit sowohl die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 1 ApG als auch jene des § 10 Abs. 1 Z. 2 ApG erfüllt ist, kommt der Beschwerdeführerin, die im Übrigen auch alle persönlichen Voraussetzungen erfüllt (vgl. schon oben, I.8.3.4) im Ergebnis nach dem Einleitungshalbsatz des § 10 Abs. 1 ApG ein subjektiv-öffentliches Recht auf Konzessionserteilung zu.

 

5.2.1. Als nicht tragfähig erweist sich in diesem Zusammenhang hingegen die von der Österreichischen Apothekerkammer in einer unmittelbaren Reaktion auf den Beschluss des EuGH vom 30. Juni 2016, C-634/15 („Sokoll-Seebacher II“ – EU:C:2016:510) in einer Presseaussendung vom 7. Juli 2016 vertretene reduktionistische Rechtsauffassung, dass „die Bedarfsprüfung für Apotheken ..... weiterhin aufrecht“ bleibe, die Behörden „aber nun mehr Flexibilität darin“ hätten, „in bestimmten Fällen Ausnahmen zuzulassen, wenn dies der Versorgung der Bevölkerung dienlich ist.[1].

 

Denn diese Meinung steht sowohl im eindeutigen Widerspruch zum gegenwärtigen bestehenden Gesetzestext des § 10 ApG, der den Behörden keinerlei Ermessen einräumt, als auch in Opposition zum insoweit völlig klaren Tenor des vorzitierten Beschlusses des EuGH.

 

5.2.2. Außerdem lässt sich auch nicht einwenden, dass im gegenständlichen Fall das Unionsrecht mangels Auslandsbezug nicht zum Tragen kommt:

 

Denn der EuGH hat etwa schon in seinem Urteil vom 19. Juli 2012, C‑470/11 („Garkalns“ – EU:C:2012:505) betont, dass das Unionsrecht auch für rein innerstaatliche Konstellationen, die außerhalb des Anwendungsbereiches der Grundfreiheiten bzw. der EGRC liegen, insbesondere dann maßgeblich ist, wenn das nationale Recht vorschreibt, dass einem inländischen Staatsangehörigen die gleichen Rechte zukommen, die einem Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats in der gleichen Lage kraft Unionsrecht zustünden (vgl. RN 20).

 

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Art. 7 Abs, 1 erster Satz B-VG einen verfassungsmäßigen Gleichheitsgrundsatz für sämtliche österreichischen Staatsbürger normiert. Daraus leitet der VfGH in ständiger Judikatur ein Inländerdiskriminierungsverbot ab (vgl. z.B. VfGH vom 6. Oktober 2011, G 41/10 [= VfSlg 19529/2011], Pkt. III.2.1., m.w.N.).

 

Um also eine darin bestehende Inländerdiskriminierung, dass ein Ausländer in einer vergleichbaren Situation dadurch bessergestellt wäre, dass für diesen § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG direkt unanwendbar ist, hintanzuhalten, gebietet eine verfassungskonforme Interpretation dieser Bestimmung, sie auch bei Sachverhalten ohne Auslandsbezug unionsrechtskonform auszulegen, d.h., deren unionsrechtswidrigen Inhalt nicht anzuwenden.

 

5.3. Aus allen diesen Gründen war daher der gegenständlichen Beschwerde gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

 

Unter einem war der Rechtsmittelwerberin die beantragte Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke in P mit der voraussichtlichen Betriebsstätte „G-Straße, P“ und dem Standort „Gemeindegebiet von P“ zu erteilen und ihr hierfür gemäß § 11 Abs. 2 ApG die Entrichtung einer Taxe an die Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich für die Konzessionserteilung in Höhe von 1.104 Euro (§ 11 Abs. 2 ApG i.V.m. § 9 des Bundesgesetzes über die Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich, BGBl I 154/2001 i.d.F. BGBl I 9/2016, und i.V.m. der Kundmachung des Beschlusses des Vorstandes des Pharmazeutischen Gehaltskasse vom 12. Jänner 2016[2]) binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Erkenntnisses aufzuerlegen.

 

Bei diesem Verfahrensergebnis war der Beschwerdeführerin nach § 78 AVG i.V.m. § 1 Abs. 1 der Bundesverwaltungsabgabenverordnung, BGBl 24/1983 i.d.g.F. BGBl I 5/2008 (im Folgenden: BVwAbgV), bzw. i.V.m. § 34 Gebührengesetz, BGBl 267/1957 i.d.g.F. BGBl I 163/2015 (im Folgenden: GebG), weiters die Entrichtung

 

einer Bundesverwaltungsabgabe (BVwAbgV, TP 71) in Höhe von 327,00 Euro

sowie von Stempelgebühren in Höhe von insgesamt 158,20 Euro,

nämlich

– für die Erkenntnisausfertigung (§ 14 GebG, TP 2 Abs. 1 Z. 1)   83,60 Euro,

– für das Ansuchen (§ 14 GebG, TP 6 Abs. 2 Z. 1)   47,30 Euro und

– für Beilagen (§ 14 GebG, TP 5 Abs. 1)   27,30 Euro,

 

vorzuschreiben.

 

 


 

III.

 

Revision an den Verwaltungsgerichtshof

 

 

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsge-richtshof unzulässig, weil im Zuge des vorliegenden Verfahrens keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

 

Weder weicht nämlich die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen, unter I. und II. ausführlich dargestellten Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union ab noch fehlt es an einer solchen Judikatur; zudem ist diese auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

 

Schließlich liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung von sonst zu lösenden Rechtsfragen vor.

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

 

 

Gegen dieses Erkenntnis kann eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Eine solche Beschwerde ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

Gegen dieses Erkenntnis kann innerhalb derselben Frist auch eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden, die durch einen bevollmächtigen Rechtsanwalt abzufassen und beim Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich einzubringen ist; die Eingabegebühr von 240 Euro ist hingegen unmittelbar an den Verwaltungsgerichtshof zu entrichten.

 

 

 

 

 

Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich

 

 

 

Dr.  G r o f

 


 

 

 

Rechtssatz:

 

LVwG-050006/37/Gf/Mu vom 11. Juli 2016

 

Erkenntnis

 

Normen:

Art. 49 AEUV

Art. 267 AEUV

Art. 140 B-VG

§ 10 ApG

§ 63 VwGG

 

Rechtssätze:

 

* Gemäß § 63 Abs. 1 VwGG sind die VwG zwar dann, wenn der VwGH einer Revision stattgegeben hat, dazu verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des VwGH entsprechenden Rechtszustand herzustellen; wie aus dem Beschluss des EuGH vom 15.10.2015, C-581/14 („Naderhirn“), hervorgeht, gilt dies jedoch nicht, wenn eine solche Rechtsauffassung dem Unionsrecht widerspricht;

 

* Im Beschluss vom 30.6.2016, C-634/15 („Sokoll-Seebacher II“), hat der EuGH im Ergebnis festgestellt, dass die vom VwGH in dessen Erkenntnis vom 30.9.2015, Ro 2014/10/0081, mit dem das Erkenntnis des LVwG vom 21.2.2014, LVwG-050006/8/Gf/Rt, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben wurde, vertretene Rechtsmeinung dem Unionsrecht widerspricht (vgl. RN 13 iVm RN 36 dieses Beschlusses); daher kommt die in § 63 Abs. 1 VwGG normierte Bindungswirkung im vorliegenden, zur Erlassung eines Ersatzerkenntnisses fortzusetzenden Verfahrens nicht zum Tragen;

 

* Weiters ist in inhaltlicher Hinsicht zu beachten, dass nach dem Beschluss des EuGH vom 30.6.2016, C-634/15 („Sokoll-Seebacher II“), das in § 10 Abs. 2 Z. 3 i.V.m. § 10 Abs. 4 ApG festgelegte Kriterium einer starren Grenze der Zahl der "weiterhin zu versorgenden Personen" – zumal auch die jüngst erfolgte Einfügung eines Abs. 6a in § 10 ApG durch die Novelle des ApG durch BGBl I 30/2016 keine Unionsrechtskonformität dieser Regelung bewirkt – bei der Prüfung des Bedarfs an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke allgemein in keiner konkreten Situation, die einer Prüfung unterzogen wird, Anwendung finden darf; davon ausgehend stellt sich die um ihren unionsrechtswidrigen materiellen Gehalt bereinigte Rechtslage nunmehr wie folgt dar:

 

§ 10. (1) Die Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke ist zu erteilen, wenn

1. in der Gemeinde des Standortes der öffentlichen Apotheke ein Arzt seinen ständigen Berufssitz hat und

2. ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke besteht.

 

(2) Ein Bedarf besteht nicht, wenn

1. sich zum Zeitpunkt der Antragstellung in der Gemeinde der in Aussicht genommenen Betriebsstätte eine ärztliche Hausapotheke befindet und weniger als zwei Vertragsstellen nach § 342 Abs. 1 ASVG (volle Planstellen) von Ärzten für Allgemeinmedizin besetzt sind, oder

2. die Entfernung zwischen der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke und der Betriebsstätte der nächstgelegenen bestehenden öffentlichen Apotheke weniger als 500 m beträgt.“

 

* Wie sich aus RN 23 des Beschlusses des EuGH vom 30.6.2016, C-634/15 („Sokoll-Seebacher II“), ergibt, ist nach der Konzeption des § 10 ApG das Vorliegen eines Bedarfes als prinzipiell gegeben anzunehmen, es sei denn, dass dieser Vermutung mindestens einer der in dieser Regelung genannten konkreten Umstände entgegensteht (s.a. das Urteil des EuGH vom 13.2.2014, C 367/12 [„Sokoll-Seebacher I“], RN 28); demgemäß ist gleichsam eine „Negativprüfung“ vorzunehmen, d.h., dass nach der bereinigten Rechtslage ein Bedarf als jedenfalls gegeben zu erachten und damit die Anforderung des § 10 Abs. 1 Z. 2 ApG bereits dann als erfüllt anzusehen ist, wenn (nur mehr) weder der Ausschlussgrund des § 10 Abs. 2 Z. 1 ApG noch jener des § 10 Abs. 2 Z. 2 ApG vorliegt;

 

* Als nicht tragfähig erweist sich hingegen die von der Österreichischen Apothekerkammer in einer unmittelbaren Reaktion auf den vorzitierten Beschluss des EuGH in einer Presseaussendung vertretene reduktionistische Rechtsauffassung, dass „die Bedarfsprüfung für Apotheken ..... weiterhin aufrecht“ bleibe, die Behörden „aber nun mehr Flexibilität darin“ hätten, „in bestimmten Fällen Ausnahmen zuzulassen, wenn dies der Versorgung der Bevölkerung dienlich ist.“; denn diese Meinung steht sowohl im eindeutigen Widerspruch zum Gesetzestext des § 10 ApG, der den Behörden keinerlei Ermessen einräumt, als auch in Opposition zum insoweit völlig klaren Tenor des EuGH-Beschlusses;

 

* Schließlich lässt sich auch nicht einwenden, dass im gegenständlichen Fall das Unionsrecht mangels Auslandsbezug nicht zum Tragen kommt: Denn der EuGH hat etwa schon in seinem Urteil vom 19. Juli 2012, C 470/11 („Garkalns“ – EU:C:2012:505) betont, dass das Unionsrecht auch für rein innerstaatliche Konstellationen, die außerhalb des Anwendungsbereiches der Grundfreiheiten bzw. der EGRC liegen, insbesondere dann maßgeblich ist, wenn das nationale Recht vorschreibt, dass einem inländischen Staatsangehörigen die gleichen Rechte zukommen, die einem Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats in der gleichen Lage kraft Unionsrecht zustünden (vgl. RN 20). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Art. 7 Abs, 1 erster Satz B-VG einen verfassungsmäßigen Gleichheitsgrundsatz für sämtliche österreichischen Staatsbürger normiert. Daraus leitet der VfGH in ständiger Judikatur ein Inländerdiskriminierungsverbot ab (vgl. z.B. VfGH vom 6. Oktober 2011, G 41/10 [= VfSlg 19529/2011], Pkt. III.2.1., m.w.N.). Um also eine darin bestehende Inländerdiskriminierung, dass ein Ausländer in einer vergleichbaren Situation dadurch bessergestellt wäre, dass für diesen § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG direkt unanwendbar ist, hintanzuhalten, gebietet eine verfassungskonforme Interpretation dieser Bestimmung, sie auch bei Sachverhalten ohne Auslandsbezug unionsrechtskonform auszulegen, d.h., deren unionsrechtswidrigen Inhalt nicht anzuwenden;

 

* Aus allen diesen Gründen war daher der gegenständlichen Beschwerde gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben; unter einem war der Rechtsmittelwerberin die beantragte Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke zu erteilen.

 

 

 

Beschlagwortung:

 

Apotheken; Bedarfsprüfung; starre Grenzen; Ermessen, keines; EuGH; VwGH

 

 

 



[1] Vgl. „EuGH-Entscheid: Zulassung von Apotheken neu interpretiert“, abrufbar unter: www.ots.at/presseaussendung/OTS_20160707_OTS0171/eugh-entscheid-zulassung-von-apotheken-neu-interpretiert-bild.

[2] abrufbar unter: www.gehaltskasse.at/