LVwG-150967/3/EW – 150968/2

Linz, 21.07.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Elisabeth Wiesbauer über die Beschwerde von 1. K M und
2. G M, beide vertreten durch x, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Eitzing, vom 25.03.2016, GZ: 031/2016,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

 

I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Eitzing vom 25. März 2016, GZ: 031/2016, mit der Maßgabe bestätigt, dass die Frist zur Umsetzung des baupolizeilichen Auftrages mit drei Monaten ab Rechtskraft dieses Erkenntnisses festgesetzt wird.

 

 

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I.             Verfahrensgang:

 

I.1. Mit Schriftsatz vom 06.12.2006 zeigten die Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) die Errichtung eines Carports bei der Baubehörde erster Instanz an. Der Anzeige wurde eine planliche Darstellung angeschlossen, auf der neben dem Carport eine Steinmauer mit Maßangaben auf den Grundstücken Nr. x1 und x2, je KG E, (Grundeigentümer sind die Bf) eingezeichnet ist.

 

Am 17.06.2015 wurde die Stützmauer baubehördlich besichtigt und der bautechnische Amtssachverständige ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die gegenständliche Stützmauer eine Höhe von mehr als 1 m über dem Gelände aufweise und daher eine Absturzsicherung nach der OIB erforderlich sei. Für die Absturzsicherung der Stützmauer genüge eine Holzkonstruktion mit Handlauf und Mittelwehr mit mindestens einer Höhe von 1 m.

 

Dieses Ermittlungsergebnis wurde den Bf mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme innerhalb einer zweiwöchigen Frist mit Schreiben vom 06.08.2015 mitgeteilt. Auf Ersuchen der Bf wurde die Frist durch den Bürgermeister bis 25.09.2015 verlängert.

 

 

I.2. Die Bf nahmen mit Schreiben vom 24.09.2015 im Wege ihrer rechtsfreundlichen Vertretung zu der genannten Mitteilung des Bürgermeisters Stellung und führten im Wesentlichen aus, dass sie am 06.12.2006 die Errichtung des Carports sowie die Errichtung der Steinmauer („sonstige Bauvorhaben“) gemäß § 25 Abs 1 Z 9 b Oö. BauO 1994 angezeigt hätten.

Die Anzeige sei am 07.12.2006 bei der Gemeinde eingelangt und das Bauvorhaben sei in der Frist von 8 Wochen nicht untersagt worden, weshalb mit der Bauausführung begonnen werden durfte.

Dieses Verfahren sei rechtlich abgeschlossen, weshalb im Jahre 2015 nicht einfach „eingegriffen“ werden dürfe. Wäre die Gemeinde im Jahre 2006 an die Bf herangetreten, hätten auch andere Ausführungsvarianten in Betracht kommen können. Weiters befinde sich ein Grundstücksstreifen von ca. einem halben Meter zwischen Steinmauer und Straße, weshalb die Stützmauer nicht unmittelbar an das öffentliche Gut grenze. Die Stützmauer sei auch nicht öffentlich zugänglich. Die OIB-Richtlinie 4 sehe eine Absturzsicherung für alle im gewöhnlichen Gebrauch zugänglichen Stellen eines Gebäudes vor. Der Carport stelle kein Gebäude sondern einen pultdachartigen Anbau dar.

 

I.3. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Eitzing vom 22.10.2015, GZ: 031/2015, wurde den Bf die Errichtung einer Absturzsicherung an der straßenseitig liegenden Stützmauer des Hauses A x, x E, Grundstück Nr. x3, KG E, über jene Länge, die eine Fallhöhe von mehr als 100 cm aufweist, vorgeschrieben. Diese habe den Punkten 4.1.2. bis 4.1.5 der OIB-Richtlinie 4 (2011) zu entsprechen. Als Frist für die Umsetzung wurde der 31. Dezember 2015 festgelegt.

Begründend wird im Wesentlichen ausgeführt, die Gemeinde Eitzing habe im Zuge der am 17.06.2015 durchgeführten Besichtigung der Stützmauer mit dem bautechnischen Amtssachverständigen festgestellt, dass die Mauer eine Höhe von mehr als 1 m aufweise und somit gemäß der OIB-Richtlinie 4.1.1 eine Absturzsicherung zu errichten sei. Die zur Herstellung eines baurechtskonformen Zustands erforderliche Absturzsicherung sei gem. §§ 47 Abs 2, 49 Abs 6 und 50 Oö. BauO 1994 vorzuschreiben. Der Grünstreifen zwischen dem öffentlichen Gut und der Mauer sei nach den gesetzlichen Vorschriften irrelevant. Die Ausführung der Absturzsicherung könne in Holzbauweise mit einem Handlauf und einer Mittelwehr erfolgen und habe eine Mindesthöhe von 100 cm aufzuweisen.

 

I.4. Mit Schreiben vom 10.11.2015 legten die Bf gegen den Bescheid des Bürgermeisters fristgerecht Berufung an den Gemeinderat ein. Begründend wird im Wesentlichen ausgeführt, dass der Bescheid inhaltlich falsch sei, da die OIB-Richtlinie aus dem Jahr 2011 herangezogen worden sei. In der Richtlinie aus dem Jahr 2015 würde sich die Absturzsicherung auf ein Gebäude beziehen, welches hier nicht vorliege. Außerdem sei die Verfahrensvorschrift des § 60 AVG verletzt worden, weil der Bescheid in seiner Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage nicht klar und übersichtlich erläutere. Es befinde sich ein Grundstücksstreifen von ca einem halben Meter zwischen der Steinmauer und der Straße. Die Mauer reiche daher nicht unmittelbar an das öffentliche Gut und sei nicht öffentlich zugänglich. Von der am 6.12.2006 erstatteten Bauanzeige sei auch die Steinmauer umfasst, weil sich dies aus der Skizze eindeutig ergebe. Im Zuge dieses Verfahrens hätten andere Ausführungsvarianten gewählt werden können. Die Bauanzeige sei jedoch von der Behörde zur Kenntnis genommen worden.

 

I.5. Der Gemeinderat der Gemeinde Eitzing wies die Berufung der Bf mit Bescheid vom 25.03.2016 als unbegründet ab. Begründend wird im Wesentlichen ausgeführt, die Stützmauer auf dem Grundstück der Bf, Nr. x1 und x2, KG. E, weise in Teilbereichen eine Höhe von mehr als 1 m auf, weshalb gemäß § 27 Oö. BauTG 2013 idgF als Schutz vor Absturzunfällen eine Absturzsicherung zu errichten sei. § 4 Abs 1 Oö. BauTV 2013 normiere, dass die Richtlinie 4 des Österreichischen Instituts für Bautechnik „Nutzungssicherheit und Barrierefreiheit“ vom Oktober 2011 eingehalten werde. Die OIB-Richtlinien aus dem Jahr 2015 seien in Oberösterreich noch nicht gültig. Außerdem bringe Pkt. 4.1.1. der OIB-Richtlinie 2015 keine inhaltliche Änderung. Es sei sowohl nach den Vorgaben des § 27 als auch nach den OIB-Richtlinien unerheblich, dass die Mauer nicht öffentlich begehbar sei und ein Grünstreifen zwischen der Mauer und dem öffentlichen Gut liege. Die Stützmauer könne vom Garten aus von den Bewohnern und Besuchern ohne Hindernis betreten werden. Die Baubehörde habe jedenfalls gemäß § 46 Abs 1 Oö. BauO 1994 die Möglichkeit und Verpflichtung zusätzliche Auflagen vorzuschreiben, wenn eine Gefährdung für das Leben und die körperliche Sicherheit von Menschen bestehe, soweit dies zur Beseitigung der Gefährdung erforderlich sei. Das gelte gemäß § 25a Abs 5
Oö BauO 1994 idgF sinngemäß auch für anzeigepflichtige Bauvorhaben nach § 25 Abs 1 Oö. BauO 1994 idgF. Da durch die Stützmauer eine Absturzgefahr von mehr als 1 m auf das darunter liegende Gelände bestehe, sei die Absicherung vorzuschreiben gewesen.

 

I.6. Gegen diesen am 31.03.2016 zugestellten Bescheid richtet sich die vorliegende rechtzeitige Beschwerde vom 21.04.2016 gegen den Bescheid des Gemeindeamtes der Gemeinde Eitzing (Anmerkung: wohl gemeint Gemeinderat der Gemeinde Eitzing!) Darin wird begründend im Wesentlichen ausgeführt, dass mit der Bauanzeige vom 06.12.2006 auch die Steinmauer angezeigt worden sei und die Behörde nicht binnen 8 Wochen das Bauvorhaben untersagt habe, weshalb mit der Bauausführung begonnen worden sei und andere Ausführungsvarianten nicht bedacht worden seien. Es handle sich dabei um ein rechtlich abgeschlossenes Verfahren, in welches im Jahr 2015/16 nicht eingegriffen werden könne. Außerdem sei der Bescheid unvollständig begründet. Es sei nicht dargelegt worden, warum eine Absturzsicherung nötig sei, es handle sich um ein privates Grundstück bei dem die Mauer nicht direkt an das öffentliche Gut grenze. Fremden Personen sei auf dem privaten Grundstück prinzipiell der Zutritt verboten. Es könne nicht sein, dass nur deshalb weil jeder auf das Grundstück gelangen kann, eine Absturzsicherung errichtet werden müsse. Die Stützmauer sei durch einen Grundstücksstreifen vom öffentlichen Gut getrennt. Es werde lediglich angeführt, dass die Stützmauer durch den Bausachverständigen besichtigt und die Notwendigkeit einer Absturzsicherung festgestellt worden sei. Eine inhaltliche Erörterung, warum der Bausachverständige zu dieser Ansicht komme, sei nicht erfolgt. Der angefochtene Bescheid sei daher mit Rechtswidrigkeit in Folge der Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.

Beantragt wird die gänzliche Aufhebung des angefochtenen Bescheides und die Einstellung des Verfahrens, in eventu die Aufhebung und Zurückverweisung an die Behörde sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

 

I.7. Mit Schreiben vom 25.04.2016 legte die belangte Behörde die Beschwerde und den dazugehörigen Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung vor.

 

 

 

 

II.            Beweiswürdigung

 

II.1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Baubehörde. Der für diese Entscheidung maßgebliche, unter Punkt I. angeführte Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus dem Verwaltungsakt.

 

II.2. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt war bereits nach der Aktenlage hinreichend geklärt. Es ergaben sich keine strittigen Rechtsfragen, welche nicht durch die bestehende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gelöst werden konnten. Aus diesen Gründen konnte gemäß § 24 Verwaltungs-gerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) trotz Parteienantrags von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden (vgl. VwGH 06.11.2013, 2011/05/0007; 15.05.2014, 2012/05/0089; 26.11.2015, Ra 2015/07/0118 mwN).

 

 

III.      Maßgebliche Rechtslage

 

III.1. Gem. Art 130 Abs 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Gem. Art 131 Abs 1 B-VG erkennen soweit sich aus Art 131 Abs 2 und 3 B-VG nicht anderes ergibt – über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG die Verwaltungsgerichte der Länder. Wer durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, kann gemäß Art 132 Abs 1 Z 1 B-VG gegen den Bescheid wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben. Gemäß Art 132 Abs 6 B-VG kann in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches erst nach Erschöpfung des Instanzenzuges Beschwerde beim Verwaltungsgericht erhoben werden. Gemäß § 7 Abs 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG vier Wochen. Gem. § 12 VwGVG sind die Schriftsätze bis zur Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht bei der belangten Behörde einzubringen. Die Beschwerde der Bf ist somit zulässig.

 

III.2. Die relevanten Bestimmungen der Oö. Bauordnung 1994 (Oö. BauO 1994), LGBl. Nr. 66/1994 idF LGBl. Nr. 90/2013, lauten auszugsweise:

 

§ 25

Anzeigepflichtige Bauvorhaben

 

(1) Folgende Bauvorhaben sind der Baubehörde vor Beginn der Bauausführung anzuzeigen (Bauanzeige), soweit § 26 nichts anderes bestimmt:

[...]

 

14. Stützmauern und freistehende Mauern mit einer Höhe von mehr als 1,50 Meter über dem jeweils tiefer gelegenen Gelände, sowie Stützmauern mit einer aufgesetzten Einfriedung mit einer Gesamthöhe von mehr als 2,50 Meter über dem jeweils tiefer gelegenen Gelände;

[...]

 

§ 25a

Anzeigeverfahren

[...]

(5) Im Übrigen gilt für anzeigepflichtige Bauvorhaben Folgendes:

1. für Bauvorhaben gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 und 2 gelten alle Vorschriften über vergleichbare bewilligungspflichtige Bauvorhaben sinngemäß, ausgenommen die §§ 32 bis 35,

2. für alle anderen Bauvorhaben nach § 25 Abs. 1 gelten die Vorschriften der §§ 36, 38, 39, 41 und 45 bis 49 sinngemäß, für Bauvorhaben nach § 25 Abs. 1 Z 3 lit. b zusätzlich § 40;

3. für Bauvorhaben nach § 25 Abs. 1 Z 1 und 2 gelten die §§ 19 bis 21 über den Verkehrsflächenbeitrag sinngemäß mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Baubewilligung der Vermerk über die Baufreistellung auf dem Bauplan tritt.

 

§ 46

Nachträgliche Vorschreibung von Auflagen und Bedingungen

 

(1) Ergibt sich nach Erteilung der Baubewilligung, daß das ausgeführte Bauvorhaben den dafür geltenden baurechtlichen Vorschriften trotz Einhaltung der im Baubewilligungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen und Bedingungen nicht hinreichend entspricht und tritt dadurch eine Gefährdung für das Leben und die körperliche Sicherheit von Menschen oder eine unzumutbare Belästigung der Nachbarschaft ein, kann die Baubehörde andere oder zusätzliche Auflagen und Bedingungen vorschreiben, soweit dies zur Beseitigung der Gefährdung oder unzumutbaren Belästigung erforderlich ist.

[...]“

 

III.3. Die relevante Bestimmung des Oö. Bautechnikgesetz 2013 (Oö. BauTG 2013), LGBl.Nr. 35/2013 idF LGBl.Nr. 38/2016, lauten auszugswiese:

 

§ 27

Schutz vor Absturzunfällen

 

(1) An entsprechend dem Verwendungszweck zugänglichen Stellen des Bauwerks, bei denen Absturzgefahr besteht, müssen geeignete Schutzvorrichtungen gegen ein Abstürzen von Personen (zB Geländer, Brüstungen, absturzsichernde Verglasungen) angebracht werden, außer eine Absicherung widerspräche dem Verwendungszweck (zB bei Laderampen, Schwimmbecken).

[...]“

 

III.4. Die relevante Bestimmung der Oö. Bautechnikverordnung 2013 (Oö. BauTV 2013), LGBl.Nr. 36/2013 idF LGBl.Nr. 153/2015 lautet auszugsweise:

 

§ 4

Nutzungssicherheit und Barrierefreiheit

 

(1) Den in den §§ 24 bis 31 Oö. Bautechnikgesetz 2013 festgelegten Anforderungen wird entsprochen, wenn – vorbehaltlich des Abs. 2 – die Richtlinie 4 des Österreichischen Instituts für Bautechnik „Nutzungssicherheit und Barrierefreiheit“ vom Oktober 2011 eingehalten wird.

[...]“

 

III.5. Die relevanten Bestimmungen der Richtlinie 4 des Österreichischen Instituts für Bautechnik (OIB-Rl 4), OIB-330.4-032/11, lauten auszugsweise:

 

4 Schutz vor Absturzunfällen

4.1 Absturzsicherungen

4.1.1 Alle im gewöhnlichen Gebrauch zugänglichen Stellen eines Bauwerkes mit einer Fallhöhe von 60 cm oder mehr, bei denen die Gefahr eines Absturzes besteht, jedenfalls aber ab einer Fallhöhe von 100 cm, sind mit einer Absturzsicherung mit Brust- und Mittelwehr oder mit einer anderen geeigneten

Vorrichtung zu sichern. Eine Absturzsicherung ist nicht notwendig, wenn diese dem Verwendungszweck (z.B. bei Laderampen, Schwimmbecken) widerspricht.

4.1.2 Die Höhe der Absturzsicherung hat mindestens 100 cm, ab einer Absturzhöhe von mehr als 12 m, gemessen von der Standfläche, mindestens 110 cm zu betragen. Abweichend davon genügt bei Wohnungstreppen eine Höhe der Absturzsicherung von 90 cm. Bei Absturzsicherungen mit einer oberen Tiefe von mindestens 20 cm (z.B. Brüstungen, Fensterparapete) darf die erforderliche Höhe um die halbe Brüstungstiefe abgemindert, jedoch ein Mindestmaß von 85 cm nicht unterschritten werden.

[...]“

 

 

IV.        Erwägungen

 

IV.1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat gemäß Art 135 Abs 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG durch seine nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelrichterin im Rahmen des durch §§ 27 und 9 Abs 1 Z 3 und 4 VwGVG normierten Prüfungsumfang erwogen:

 

IV.2. Die Bf erachten sich durch den angefochtenen Bescheid zunächst insofern verletzt, als ein Auftrag zur Errichtung einer Absturzsicherung nicht erfolgen hätte dürfen, da es sich bei der im Jahr 2006 erstatteten Bauanzeige um ein „rechtlich abgeschlossenes Verfahren“ handle. Den Bf ist zwar insofern Recht zu geben als mit der Anzeige eine planliche Darstellung des Carports und der Stützmauer mit Maßangaben der Baubehörde vorgelegt wurde und somit die Steinmauer von der Anzeige mitumfasst war. Nicht gefolgt kann jedoch der Rechtsauffassung werden, dass eine Vorschreibung nachträglicher Auflagen oder Bedingungen unzulässig sei.

 

Die auf dem Grundstück der Bf befindliche Stützmauer ist gem. § 25 Abs 1 Z 14 Oö. BauO 1994 anzeigepflichtig, da sie unbestritten in Teilbereichen eine Höhe von 2 m über dem tiefer gelegenen Gelände aufweist. Aufgrund der Anordnung des § 25a Abs 5 Z 2 Oö. BauO 1994 gelten für anzeigepflichtige Bauvorhaben nach § 25 Abs 1 Oö. BauO 1994 sinngemäß unter anderem auch die §§ 45 bis 49 leg cit. Gemäß § 46 Abs 1 Oö. BauO 1994 kann die Baubehörde nach Erteilung der Baubewilligung, wenn sich ergibt, dass das bereits ausgeführte Bauvorhaben (trotz Einhaltung der im Baubewilligungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen und Bedingungen) den dafür geltenden baurechtlichen Vorschriften nicht entspricht und dadurch eine Gefährdung für das Leben und die körperliche Sicherheit von Menschen eintritt, nachträgliche Auflagen vorschreiben, soweit dies zur Beseitigung der Gefährdung erforderlich ist. Das bedeutet für anzeigepflichtige Bauvorhaben, dass – unter der Voraussetzungen, dass die Voraussetzungen des § 46 Abs 1 Oö. BauO 1994 erfüllt sind – die Baubehörde auch nach dem Einlangen der vollständigen und ordnungsgemäß belegten Bauanzeige und der Untersagungsfrist gemäß § 25a Oö. BauO 1994 Auflagen und Bedingungen vorschreiben kann. Daher kann der Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie trotz erfolgter Bauanzeige nachträglich Auflagen vorschreibt.

 

IV.3. Nach dem § 27 Oö. BauTG 2013 ist an entsprechend dem Verwendungszweck zugänglichen Stellen eines Bauwerks bei Bestehen einer Absturzgefahr eine geeignete Schutzvorrichtung anzubringen. Diesen Anforderungen wird laut § 4 Oö. BauTV 2013 entsprochen, wenn die OIB-Richtlinie 4 „Nutzungssicherheit und Barrierefreiheit“ vom Oktober 2011 eingehalten wird. Diese legt unter Punkt 4 (Schutz vor Absturzunfällen) konkret in Unterpunkt 4.1.1. fest, dass alle im gewöhnlichen Gebrauch zugänglichen Stellen eines Bauwerks mit einer Fallhöhe von 100 cm jedenfalls mit einer Absturzsicherung mit Brust- oder Mittelwehr oder mit einer anderen geeigneten Vorrichtung zu sichern sind.

 

Im Rahmen der Beurteilung der Gefährdung für das Leben und die körperliche Sicherheit kommt es auf die Gefährdung aller die Gefahrenstelle benutzenden Personen – auch der Hausbewohner – an (vgl. Erkenntnis vom 12. Oktober 1993, Zl 93/05/0045 zur vergleichbaren Bestimmung des § 58a Oö. BauO, LGBl. Nr. 35/1976). Eine Gefährdung für das Leben und die körperliche Sicherheit von Menschen im Sinne des § 46 Abs 1 Oö. BauO 1994 ist schon dann zu bejahen, wenn man davon ausgehen kann, dass im Hinblick auf die nicht vorhandene Schutzeinrichtung typischerweise und zwangsläufig mit solchen Gefährdungen -auch wenn es von einem unberechenbaren Ereignis abhängt - zu rechnen ist. Die Gefahrenzone ist generell im Hinblick auf eine ungehinderte, sichere und alltagstaugliche Benützung zu beurteilen (vgl. VwGH 15.6.2004, 2003/05/0008).

 

Die gegenständliche Stützmauer ist in Teilbereichen unstrittig bis zu 2 m hoch. Es handelt sich um eine im gewöhnlichen Gebrauch des Bauwerks zugängliche Stelle, an der die Gefahr des Absturzes für Bewohner und Besucher gegeben ist. Bei der Gefahr des Absturzes aus einer Höhe von 2 m handelt es sich um eine Gefährdung des Lebens und der körperlichen Sicherheit von Personen im Sinne der entscheidungsrelevanten Bestimmungen. Entgegen dem Vorbringen der Bf ist es für die Beurteilung der vom Bauwerk ausgehenden Gefahr nicht von Relevanz, ob es sich um ein privates Grundstück handelt, auf welchem der Zutritt fremder Personen verboten ist. Auch das Vorbringen der Bf, dass die Mauer nicht direkt an das öffentliche Gut grenze, weil sich ein Grundstücksstreifen von ca. einem halben Meter zwischen Steinmauer und Straße befinde, ist nicht von Bedeutung.

 

Der von der Stützmauer ausgehenden Gefahr ist gemäß Pkt 4.1.2 der OIB-Richtlinie 4 durch eine Absturzsicherung mit einer Mindesthöhe von 100 cm, wie im Beschwerdefall von der Baubehörde mittels der hier bekämpften Auflage vorgeschrieben, zu begegnen (vgl. VwGH v 15.6.2004, Zl 2003/05/0008). Eine solche Absturzsicherung ist zum Schutz der körperlichen Sicherheit der Bewohner und anderer Benützer des Gartens vor einem Absturz auf den bis zu 2 m darunter liegenden Grundstücksstreifen als erforderlich zu beurteilen.

 

IV.4. Wie soeben dargelegt, ist es für ein Vorgehen nach § 46 Oö. BauO 1994 ausreichend, festzustellen, dass die gegenständliche Stützmauer nicht den für sie geltenden baurechtlichen Vorschriften entspricht und die darin liegende Gefährdung des Lebens bzw. der körperlichen Sicherheit zu begründen sowie darzulegen, dass die vorzuschreibende Auflage erforderlich ist, um die Gefährdung zu beseitigen. Entgegen den Ausführungen der Bf liegen die Voraussetzungen des § 46 Oö. BauO 1994 vor. Da die belangte Behörde im bekämpften Bescheid unter Nennung aller gesetzlichen Grundlagen ausführlich dargelegt hat, warum eine Absturzsicherung vorzuschreiben ist, kann das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich eine unzureichende Begründung durch die belangte Behörde im bekämpften Bescheid nicht feststellen.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

 

V.           Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Elisabeth Wiesbauer