LVwG-700086/22/MB/HG

Linz, 25.07.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Markus Brandstetter über die Beschwerde von Frau M C, geb. x, vertreten durch Dr. P L, Dr. M S, Rechtsanwälte, S gegen das Straf­erkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 16. Februar 2015, GZ: Sich96-7386-2014,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.          Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, der Bescheid der Behörde behoben und das Verfahren eingestellt.

 

II.         Gemäß § 52 VwGVG hat die Beschwerdeführerin keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn (im Folgenden: belangte Behörde) vom 16. Februar 2015, GZ: Sich96-7386-2014, wurden über Frau M C (Beschwerdeführerin, im Folgenden: Bf), geb. x, mit nachfolgendem Spruch wegen Verletzung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes  (im Folgenden NAG) eine Geldstrafe idHv. 1.000,- Euro bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe  über 4 Tage, sowie ein Kostenbeitrag idHv. 100,- Euro verhängt:

 

"Sie haben im Verfahren „Antrag“ auf Erteilung einer „Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" für C M am 07.07.2014 eine Haftungserklärung bei Notar
Mag. A H abgegeben obwohl sie wissen mussten, dass Ihre Leistungsfähigkeit zum Tragen der in Betracht kommenden Kosten nicht ausreicht und Sie daher Ihrer Verpflichtung aus der Haftungserklärung nicht nachkommen können. Dies deshalb, weil Sie sich verpflichten für seinen Unterhalt sowie eine Krankenversicherung zu haften, im diesbezüglichen Verfahren hat sich herausgestellt, dass Sie der eingegangenen Verpflichtung nicht nachkommen können und die Haftungserklärung nicht tragfähig ist, da Sie nur über ein durchschnittliches Monatseinkommen von ca. 570,- Euro verfügen. Dazu ist ferner noch anzufügen, dass Sie laut Beiblatt zur Haftungserklärung auch noch Miete von 360,-- Euro sowie Strom in der Höhe von 56,- Euro zu bezahlen haben. Im Übrigen ist die letzte vorgelegte Gehaltsabrechnung Ihres Gatten, August 2014, mit einer Exekution belastet, sodass ihm nur 438,56 Euro ausbezahlt wurden. Diese Verpflichtungserklärung wurde am 27.06.2014 bei der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vorgelegt."

 

Als verletzte Rechtsvorschrift führt die belangte Behörde § 77 Abs.2 Z 2 NAG an.

 

Begründend führt die belangte Behörde Folgendes aus:

 

"Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 13.11.2014 wurden Sie aufgefordert, zum gegenständlichen Verfahren eine Stellungnahme abzugeben. Sie haben die Frist ungenützt verstreichen lassen und sich zum Verfahren nicht geäußert.

 

Gemäß § 77 abs. 2 Ziffer 2 NAG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer eine Haftungserklärung oder Patenschaftserklärung (§2 Abs. 1 Ziffer 15 oder 18) abgibt, obwohl er weiß oder wissen müsste, dass seine Leistungsfähigkeit zum Tragen der in Betracht kommenden Kosten nicht ausreicht und er daher seiner Verpflichtung aus der Haftungserklärung oder Patenschaftserklärung nicht nachkommen kann oder nicht nachkommen wird können.

 

Um eine tragfähige Haftungserklärung abgeben zu können ist ein entsprechendes Einkommen oder sind finanzielle eigene Mittel erforderlich. Über diese Nachweise verfügen Sie nicht, da Sie lediglich durchschnittlich über 570,- Euro verfügen. Auch wenn Ihr Ehegatte über ein durchschnittliches Monatseinkommen von ca. 1.767,- Euro verfügt, sind die finanziellen Mittel nicht ausreichend vorhanden, um im vollen Umfang für Ihren Sohn M eine tragfähige Haftungserklärung abgeben zu können. Es wäre nach den zur Berechnung heran zu ziehenden Richtsätzen nach § 293 ASVG für das Jahr 2014 ein Einkommen in der Höhe von 2.836,74 Euro erforderlich. Einberechnet ist dabei Ihre Familie sowie die Familie Ihres Sohnes. Tatsächlich nachgewiesen ist jedoch nur ein durchschnittliches Monatseinkommen in der Höhe von ca. 2.336,71 Euro. Wenn auch Ihr Gatte für Sie eine Haftungserklärung am 10.0.72014 abgegeben hat, so war diese entbehrlich, da er von Gesetzes wegen für Sie unterhaltspflichtig ist. Festgesellt wurde im gegenständlichen Verfahren auch, dass sowohl Sie als auch Ihr Gatte bereits ein Privatkonkursverfahren hatten, Bezirksgericht Mattighofen, 3 S 23/06w und 3 S 24/06t, welches zwar den Verfahrensstand „Restschuldbefreiung nach Ablauf von 7 Jahren" aufweist, doch lassen die ausgewiesenen Passiva von 34.604,- und 52.434,- Euro darauf schließen, dass Sie eingegangenen finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen.

 

Aus den vorliegenden Berechnungen sowie des vorliegenden Sachverhaltes liegt keine tragfähige Haftungserklärung vor und waren Sie mit einer Verwaltungsstrafe nach
§ 77 Abs. 2 Ziffer NAG zu bestrafen.

 

Bei der Strafbemessung wurde auf Ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse entsprechend Bedacht genommen. Straferschwerende Umstände lagen nicht vor. Ebenso liegen keine strafmildernden Umstände vor. Es wurde somit die Mindeststrafe verhängt."

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis erhob die Bf durch ihren ausgewiesenen Vertreter binnen offener Frist die Beschwerde vom 12. März 2015 beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich.

 

In der Beschwerde wird Folgendes ausgeführt:

 

"A. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin M C ist österreichische Staatsangehörige und hat am 07.07.2014 eine Haftungserklärung bei Notar Mag. A H abgegeben. Die belangte Behörde hat dazu festgestellt, dass die Beschwerdeführerin nur ein durchschnittliches monatliches Einkommen in Höhe von € 570,00 bezieht, daher die Haftungserklärung nicht tragfähig sei. Des weiteren hat die Behörde festgestellt, dass die

 

Beschwerdeführerin angegeben hat, eine Miete von € 340,00 zu zahlen sowie Strom in Höhe von € 56,00. Letztlich hat die belangte Behörde festgestellt, dass die Verpflichtungserklärung am 27.06.2014 bei der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vorgelegt worden ist.

 

B. Beschwerdepunkte und Anträge

Durch das angefochtene Straferkenntnis der belangten Behörde erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem gesetzlich gewährleisteten Recht verletzt, dass das trotz Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 77 Abs.2 Ziff.2 NAG eine Strafe verhängt worden ist. Die Beschwerdeführerin erhebt daher durch ihre ausgewiesenen Vertreter die

 

Beschwerde

 

an das Landesverwaltungsgericht und stellt folgende Anträge: Das Landesverwaltungsgericht möge:

 

1.         In der Sache selbst entscheiden und das angefochtene Straferkenntnis

dahingehend abändern, dass dem Antrag vollinhaltlich stattgegeben werde;

oder

2.         das angefochtene Straferkenntnis mit Beschluss aufheben und die

Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Erkenntnisses an die Behörde

zurückverweisen.

 

C. Beschwerdegründe

Als Beschwerdegründe werden geltend gemacht:

-   inhaltliche Rechtswidrigkeit,

-   Verfahrensmängel,

 

D. Ausführung der Beschwerdegründe

 Die gestellten Anträge werden im Einzelnen wie folgt begründet:

 

1. Die Beschwerde ist jedenfalls zulässig, da sie fristgerecht erhoben wurde und das Landesverwaltungsgericht als übergeordnete Instanz zuständig ist.

 

2. Die belangte Behörde begründet ihr Straferkenntnis insbesondere damit, dass

die Beschwerdeführerin am 07.07.2014 eine Haftungserklärung unterschrieben

hat, obwohl sie wissen musste, dass diese Verpflichtungserklärung nicht tragfähig sei.

 

Dem ist wie folgt zu entgegnen:

Davon abgesehen, dass es nicht möglich ist, dass die Beschwerdeführerin am 27.06.2014 eine Verpflichtungserklärung bei der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vorgelegt habe, die am 07.07.2014 unterschrieben worden ist, ist festzustellen, dass gemäß
§ 2 Abs.1 Ziff. 15 NAG eine gültige Haftungserklärung für mindestens fünf Jahre definiert ist. Es handelt sich um eine von einem österreichischen Notar oder einem inländischen Gericht beglaubigte Erklärung von einem Dritten, dass dieser für die Kosten, die den Gebietskörperschaften der Republik Österreich durch den Fremden entstehen, aufkommt und dafür haftet. Dem Dritten muss das Haftungsrisiko bewusst sein. Gemäß § 77 Abs.2

Ziff.2 NAG geht ein Dritter, der eine Haftungserklärung abgegeben hat, ob er wusste oder wissen musste, dass er seiner Verpflichtung aus der Haftungserklärung nicht nachkommen kann, eine Verwaltungsübertretung.

 

Diese Voraussetzungen sind jedoch in dem speziellen Fall nicht erfüllt, da nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung voraussetzt - neben der Abgabe einer Haftungserklärung, die erst vorliegt, wenn die Leistungsfähigkeit des Dritten zur Kostendeckung nachgewiesen wird, was eine Prüfpflicht der Aufenthaltsbehörde impliziert -, dass der Erklärende dieser „nicht nachkommen kann". Schon aus der Verwendung des Indikativs ist somit als Erfordernis der Strafbarkeit abzuleiten, dass der Erklärende eine konkret an ihn herangetragene Zahlungspflicht nicht erfüllen konnte. Dazu ist es jedoch in diesem Fall unstrittig nicht gekommen. Darüber hinaus ist festzustellen, dass der Gesetzeswortlaut keinen Hinweis darauf gibt, dass die genannte Strafbestimmung einer erweiterten Interpretation im Sinn hypothetischer Überlegungen zur Vorhersehbarkeit derartiger Inanspruchnahmen und dann voraussichtlich nicht gegebenen Leistungsfähigkeit bereits bei Abgabe der Haftungserklärung zugänglich wäre. (vgl. in Bichl/Schmidt/Szeymanski, Das neue Recht der Arbeitsmigration, K4 zu § 77 NAG,
vgl. VwSlg 17622a/2009) Es steht daher fest, dass die Voraussetzungen, die eine solche Strafe impliziert, nicht vorliegend ist.

 

Des weiteren ist festzustellen, dass die Behörde zum Zeitpunkt der Erlassung des Straferkenntnisses am 16.02.2015 bekannt war, dass die Beschwerdeführerin netto monatlich € 945,00 ins Verdienen gebracht hat. Weiters ist dazu auszuführen, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin über ein monatliches durchschnittliches Einkommen in Höhe von € 1.767,00 verfügt. Da der Ehemann der Beschwerdeführerin auf jeden Fall zur Unterhaltszahlung verpflichtet ist, ist das Familiengesamteinkommen zu werten, so dass zum Zeitpunkt der Erlassung des Straferkenntnisses der Behörde auf jeden Fall klar war, dass die Beschwerdeführerin über ein Familiengesamteinkommen in Höhe von

€ 2.670,70 verfügt hat

Da somit weder das objektive noch das subjektive Tatbild erfüllt ist, ist die Tat nicht unter Strafe zu stellen.

 

Die Beschwerdeführerin stellt daher nachstehenden

BESCHWERDEANTRAG

Das Landesverwaltungsgericht möge:

1. eine mündliche Verhandlung durchführen

und

2. das Verwaltungsstrafverfahren einstellen, in eventu

3. das Straferkenntnis aufheben und zur neuerlichen Entscheidung an die erstinstanzliche Behörde zurückverweisen."

 

3. Mit Schreiben vom 16. März 2015 legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. Eine Beschwerdevor­entscheidung wurde nicht erlassen.

 

4. Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 8. Juli 2015, LVwG-700086/3/MB/SPE, wurde der Beschwerde stattgegeben, der Bescheid der belangten Behörde behoben und das Verfahren eingestellt.

 

5. Gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts erhob die belangte Behörde am 7. September 2015 eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof und führte begründend wie folgt aus:

 

" II. Zulässigkeit der Revision:

 

1.  Zur Legitimation zur Erhebung der Revision

Die Revisionswerberin ist belangte Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht und daher gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG befugt, gegen die Entscheidung des LVwG Oö Revision zu erheben.

 

2.  Zur Rechtzeitigkeit der außerordentlichen Revision

Das angefochtene Erkenntnis des LVwG Oö wurde der belangten Behörde am 27.7.2015 zugestellt. Die vorliegende Revision wurde sohin innerhalb der sechswöchigen Frist gemäß § 26 VwGG eingebracht und ist daher rechtzeitig.

 

3.  Zum Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung

Eine Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

 

Die vorliegende Revision ist aus folgenden Gründen zulässig:

 

Unter Spruchpunkt III. des Erkenntnisses spricht das LVwG Oö gemäß § 25a VwGG aus, dass eine ordentliche Revision gegen vorliegendes Erkenntnis an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei und rechtfertigt dies bloß unter Wiedergabe des Wortlautes des Art. 133 Abs. 4 B-VG damit, dass keine Rechtsfrage im Sinne der genannten Norm zu beurteilen gewesen sei, der grundsätzliche Bedeutung zukäme.

 

Diese Rechtsansicht teilt die Revisionswerberin nicht, sondern ist vielmehr der Auffassung, dass aus nachstehenden Gründen eine Revision doch für zulässig zu erachten ist:

 

Aufgrund der Tatsache, dass - wie weiter unten in Punkt III. näher ausgeführt - zur Frage der Auslegung des § 77 Abs. 2 Z 2 NAG im gegenständlichen Umfang lediglich ein Erkenntnis des VwGH ergangen ist, welches sich auf eine ältere Fassung des NAG (Fassung vor dem FrÄG 2009) bezieht, daher auch nicht zur Frage der Auslegung der geltenden Fassung des § 77 Abs. 2 Z 2 NAG herangezogen werden kann und somit jegliche, die geltende Fassung betreffende Rechtsprechung des VwGH fehlt, liegt entgegen den Ausführungen des LVwG Oö eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor.

 

Aus diesem Grund gilt es einer fehlgeleiteten Judikaturentwicklung - die sich auf ein Erkenntnis des VwGH stützt, das sich auf die Rechtslage vor Erlassung des FrÄG 2009 bezieht - entgegen zu wirken.

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hätte daher aufgrund der obigen Ausführungen eine ordentliche Revision an den VwGH zulassen müssen.

 

III. Erklärung über den Umfang der Anfechtung und Revisionsgründe:

 

Vorliegende außerordentliche Revision richtet sich gegen Spruchpunkt I. des Erkenntnisses des LVwG Oö vom 8.7.2015, mit welchem gemäß § 50 VwGVG der Beschwerde stattgegeben, der angefochtene Bescheid behoben und das Verfahren eingestellt wurde.

 

Das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich verstößt - wie nachstehend ausgeführt - gegen § 77 Abs. 2 Z. 2 NAG und ist daher mit Rechtswidrigkeit im Sinne des § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG belastet.

 

Gemäß § 77 Abs. 2 Z 2 NAG idgF begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 1 000 Euro bis zu 5 000 Euro, im Falle einer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen, zu bestrafen, wer eine Haftungserklärung abgibt, obwohl er weiß oder wissen müsste, dass seine Leistungsfähigkeit zum Tragen der in Betracht kommenden Kosten nicht ausreicht und er daher seiner Verpflichtung aus der Haftungserklärung nicht nachkommen kann oder nicht nachkommen wird können.

 

Bei der rechtlichen Beurteilung bzw. der Subsumption stützte sich das LVwG Oö auf ein Erkenntnis des VwGH, in welchem dieser festhält, dass § 77 Abs. 2 Z 2 NAG „[...] nach seinem klaren [...] Wortlaut - neben der Abgabe einer Haftungserklärung, die erst vorliegt, wenn die Leistungsfähigkeit des Dritten zur Kostentragung nachgewiesen wird, was eine Prüfpflicht der Behörde impliziert [...] -voraussetzt], dass der Erklärende dieser [Haftungserklärung] "nicht nachkommen kann". Schon aus der Verwendung des Indikativs ist somit als Erfordernis der Strafbarkeit abzuleiten, dass der Erklärende eine konkret an ihn herangetragene Zahlungspflicht nicht erfüllen konnte. [...]" (vgl. VwGH 18.2.2009, 2007/21/0563).

 

Zu dem Zeitpunkt, in welchem die im Erkenntnis des LVwG zitierte Entscheidung des VwGH erlassen wurde, lautete § 77 Abs. 2 Z 2 NAG jedoch noch folgendermaßen:

„[Wer] eine Haftungserklärung gemäß § 2 Abs. 1 Z 15 abgegeben hat, obwohl er wusste oder wissen musste, dass er seiner Verpflichtung aus der Haftungserklärung nicht nachkommen kann".

 

In dieser alten Fassung fehlte daher genau der „Zukunfts"-Tatbestand des "nicht nachkommen wird können", der im Zuge des FrÄG 2009 eingefügt wurde. Dieses trat mit 1.1.2010 in Kraft, das Erkenntnis des VwGH stammt jedoch vom 18.2.2009 und fand daher bei der besagten Entscheidung des VwGH (noch) keine Berücksichtigung.

 

In den Materialien zum FrÄG 2009 findet sich folgende Formulierung:

"[...] Abs. 2 wird inhaltlich adaptiert und erweitert. Die Z 2 wird sprachlich angepasst und soll damit klarstellen, dass, wer eine Haftungserklärung oder Patenschaftserklärung abgibt, obwohl er weiß oder wissen müsste, dass die Leistungsfähigkeit nicht ausreicht und er daher seiner Verpflichtung nicht nachkommen kann oder nicht nachkommen wird können, den Verwaltungsstraftatbestand erfüllt, unabhängig davon, ob die Verpflichtung zur Haftung eingetreten ist oder künftig eintreten wird. [...]"

Daraus kann abgeleitet werden, dass der Gesetzgeber Fälle, bei denen noch keine konkrete Zahlungspflicht vorliegt, explizit in die Strafbarkeit des § 77 Abs. 2 Z 2 NAG mitaufnehmen wollte. Die Strafbarkeit würde demnach bereits in dem Zeitpunkt eintreten, in dem eine Haftungserklärung abgegeben wird und der/die Betroffene weiß oder wissen müsste, dass er/sie ihr (zukünftig) nicht entsprechen kann und nicht - wie im Erkenntnis des LVwG Oö angenommen - erst ab dem Zeitpunkt, ab dem die Verpflichtung konkret an den/die Betroffene(n) herangetragen wird.

 

Eine anderweitige Auslegung - wie vom LVwG Oö in seinem Erkenntnis vorgenommen - würde dem Gesetzgeber unzulässigerweise unterstellen, diesen Passus "nicht nachkommen [...] wird können" sinnloser Weise eingeführt zu haben, wenn damit keine Konsequenzen verbunden wären.

 

Zusammenfassend irrt das LVwG Oö daher mit der Ansicht, die zitierte Entscheidung des VwGH vom 18.2.2009 sei auf den gegenständlichen Fall anwendbar. Vielmehr wurde mit der Novelle (FrÄG 2009) entsprechend den Gesetzesmaterialien explizit festgehalten, dass der Tatbestand der Verwaltungsübertretung gemäß § 77 Abs. 2 Z 2 NAG idgF unabhängig davon als erfüllt gilt, ob die Verpflichtung zur Haftung eingetreten ist oder erst künftig eintreten wird."

 

6. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Mai 2016, Ra 2015/22/0136, wurde das Erkenntnis des Landesverwaltungsgericht Oberösterreich wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben, was zu einer neuerlichen Entscheidung durch das Landesverwaltungsgericht führt. Zusammenfassend stellte der Verwaltungsgerichtshof fest, dass die in Rede stehende Strafnorm im Sinne der Ausführungen der belangten Behörde zu verstehen sei und es daher nicht darauf ankommt, ob eine konkrete Zahlungs­pflicht gegeben sei. Im Einzelnen führt der Verwaltungsgerichtshof folgendes aus:

 

"[…] Davon ausgehend ist es für die Erfüllung des Tatbestands des § 77 Abs. 2 Z 2 NAG keineswegs erforderlich, dass der Erklärende seiner Verpflichtung deshalb nicht nachkommen kann, weil er eine konkret an ihn herangetragene Zahlungspflicht nicht erfüllen konnte, wie das Verwaltungsgericht - in Anlehnung an die Rechtslage vor dem FrÄG 2009 und das hierzu ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs VwSlg. 17622 A/2009 - irrig vertritt.

 

Vielmehr ergibt eine Auslegung der Bestimmung des § 77 Abs. 2 Z 2 NAG (in der Fassung des FrÄG 2009) nach dem klaren Wortlaut und den Gesetzesmaterialien, dass es - anders als nach der früheren Rechtslage - unerheblich ist, ob der Erklärende der übernommenen Verpflichtung bereits in der Gegenwart nicht entsprechen kann oder erst in der Zukunft nicht wird entsprechen können, sowie ob eine zu erfüllende Verpflichtung bereits eingetreten ist oder erst in der Zukunft eintreten wird.

 

Vom Tatbestand des § 77 Abs. 2 Z 2 NAG sind somit auch Fälle erfasst, in denen noch keine konkrete Zahlungspflicht bzw. keine Nichterfüllung einer solchen Pflicht gegeben ist. Für den Eintritt der Strafbarkeit reicht es daher aus, dass der Dritte eine Haftungserklärung abgibt und dabei weiß oder wissen müsste, dass er dieser - jetzt oder auch in Hinkunft - nicht entsprechen kann. […]"

 

4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat bei seiner neuerlichen Entscheidung Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt, das Beschwerdevorbringen, der Amtsrevision der belangten Behörde, dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Mai 2016 und der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 5. Juli 2016.

 

5. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von folgendem entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus:

 

Herr M C, geb. x, der Sohn der Bf, stellte am 27. Juni 2014 einen Antrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung – Angehöriger" gemäß § 47 NAG.

 

Im Zuge dieses Verfahrens wurde von der Bf im Sinne des § 47 Abs. 3 NAG als zusammenführende Person eine Haftungserklärung gemäß § 2 Abs. 1 Z 15 NAG abgegeben. Diese Haftungserklärung wurde von der Bf am 14. Mai 2014 unterfertigt und am 7. Juli 2014 notariell beurkundet.

 

Am 10. Juli 2014 unterzeichnete Herr A C, der Ehegatte der Bf, eine notariell beurkundete Haftungserklärung gemäß § 2 Abs. 1 Z 15 NAG für die Bf.

 

Die Bf verfügte zu diesem Zeitpunkt über ein monatliches Nettoeinkommen von etwa 570,- Euro. Der Ehegatte der Bf verfügte über ein monatliches Netto­einkommen von etwa 1.767,- Euro. Der monatliche Aufwand für Miete und Strom betrug 416,- Euro. Aufgrund eines Privatkonkurses mit einer Restschuldbefreiung per 15. April 2014 bzw. 15. Mai 2014 bestanden keine regelmäßigen Aufwendungen für einen Kredit.

 

Mit Straferkenntnis der belangte Behörde vom 16. Februar 2015, GZ: Sich96-7386-2014, wurde über die Bf eine Strafe idHv. 1.000,- Euro verhängt, weil die von ihr für ihren Sohn abgegebene Haftungserklärung nicht als tragfähig anzusehen war.

 

Der Sohn der Bf hat eine Ehefrau oder Ehepartnerin und 2 Kinder.

 

 

II.

 

Der unter Punkt I dargestellte Verfahrensgang und Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus dem vorgelegten Verwaltungsakt.

 

Die Familienverhältnisse des Sohnes der Bf konnten lediglich aus einer Formulierung im Straferkenntnis ("[…] Ihre Familie sowie die Familie Ihres Sohnes") und einem Berechnungsblatt zu den Richtsätzen gemäß § 293 ASVG entnommen werden. Detaillierte Angaben sind dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich nicht bekannt, wurden im gegenständlichen Verfahren auch nicht weiter erörtert und sind für die Leistungsfähigkeit der gegenständlichen Haftungserklärung nicht von Relevanz.

 

 

III.

 

1. Gemäß § 3 Abs. 2 iVm § 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl I Nr. 100/2005, NAG idF BGBl I 144/2013 ist das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung in dieser Angelegenheit zuständig. Die Entscheidung hat gemäß § 2 VwGVG durch den Einzelrichter zu erfolgen.

 

2. Gemäß § 2 Abs. 1 Z 15 NAG, idF zum Tatzeitpunkt, ist eine Haftungserklärung die von einem österreichischen Notar oder einem inländischen Gericht beglaubigte Erklärung Dritter mit mindestens fünfjähriger Gültigkeitsdauer, dass sie für die Erfordernisse einer alle Risken abdeckenden Krankenversicherung, einer Unterkunft und entsprechender Unterhaltsmittel aufkommen und für den Ersatz jener Kosten haften, die einer Gebietskörperschaft bei der Durchsetzung einer Rückkehrentscheidung, eines Aufenthaltsverbotes, einer Ausweisung, einer Zurückschiebung, der Vollziehung der Schubhaft oder als Aufwendung für den Einsatz gelinderer Mittel, sowie aus dem Titel der Sozialhilfe oder eines Bundes- oder Landesgesetzes, das die Grundversorgungsvereinbarung nach Art. 15a B-VG, BGBl. I Nr. 80/2004, umsetzt, entstehen, und die Leistungsfähigkeit des Dritten zum Tragen der Kosten zum Zeitpunkt der Erklärung nachgewiesen wird.

 

Gemäß § 2 Abs. 6 NAG, idF zum Tatzeitpunkt, ist für einen Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels die Vorlage nur jeweils einer Haftungserklärung (Abs. 2 Z 15) oder Patenschaftserklärung (Abs. 2 Z 18) zulässig. Treten mehrere Personen als Verpflichtete in einer Erklärung auf, dann haftet jeder von ihnen für den vollen Haftungsbetrag zur ungeteilten Hand.

 

Gemäß § 11 Abs. 5 NAG, idF zum Tatzeitpunkt, führt der Aufenthalt eines Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) oder durch eine Haftungserklärung oder Patenschaftserklärung (Abs. 2 Z 15 oder 18), ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. In Verfahren bei Erstanträgen sind soziale Leistungen nicht zu berücksichtigen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen würde, insbesondere Sozialhilfeleistungen oder die Ausgleichszulage.

 

Gemäß § 77 Abs. 2 NAG, idF zum Tatzeitpunkt, begeht jemand eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 1.000,- Euro bis zu 5.000,- Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen, zu bestrafen wer

1.   der Meldeverpflichtung gemäß § 70 Abs. 4 oder § 71 Abs. 4 nicht nachkommt;

2.   eine Haftungserklärung oder Patenschaftserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 15 oder 18) abgibt, obwohl er weiß oder wissen müsste, dass seine Leistungsfähigkeit zum Tragen der in Betracht kommenden Kosten nicht ausreicht und er daher seiner Verpflichtung aus der Haftungserklärung oder Patenschaftserklärung nicht nachkommen kann oder nicht nachkommen wird können;

3.   während einer aufrechten Haftungserklärung oder Patenschaftserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 15 oder 18) Handlungen setzt, von denen er weiß oder wissen müsste, dass sie zum Verlust seiner Leistungsfähigkeit führen;

4.   Sprachdiplome oder Kurszeugnisse gemäß § 21a ausstellt, obwohl er weiß oder wissen müsste, dass der Drittstaatsangehörige nicht über die erforderlichen Kenntnisse verfügt;

5.   Nachweise gemäß § 14a Abs. 4 Z 1 oder 2 oder § 14b Abs. 2 Z 1 oder 2 ausstellt, obwohl er weiß oder wissen müsste, dass der Drittstaatsangehörige nicht über die erforderlichen Kenntnisse verfügt oder

6.   eine Aufnahmevereinbarung (§ 68) abschließt, ohne im Einzelfall die erforderliche Qualifikation des Forschers ausreichend festgestellt zu haben.

 

3. Für die Feststellung der Tragfähigkeit der Haftungserklärung ist der notwendige Unterhalt für den Sohn der Bf heranzuziehen. Hierfür ist auf die Haushaltsrichtsätze gemäß § 293 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) zum Tatzeitpunkt abzustellen. Die relevanten Richtsätze für das Jahr 2014 lauten:

 

 

Euro

Für Einzelpersonen:

857,73

Für Ehegatten:

1.286,03

Für Kinder:

132,34

Freie Station:

274,06

 

Die Bf hat eine Haftungserklärung für ihren volljährigen Sohn abgegeben. Es ist daher zur Berechnung des notwendigen Unterhalts der Betrag für eine Einzelperson, also 857,73 Euro, anzunehmen. Es handelt sich im gegen­ständlichen Verfahren schließlich nur um hypothetische Überlegungen, ob die Bf den Verpflichtungen aus der Haftungserklärung gegebenenfalls nachkommen wird können. Weitere zu bestreitende Kosten für den Begünstigten der Haftungserklärung liegen dem erkennenden Gericht nicht vor und wurden auch in der mündlichen Verhandlung nicht ins Treffen geführt. Auch die belangte Behörde hat für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit in ihrem Straferkenntnis vom 16. Februar 2015 ausschließlich auf die ASVG-Richtsätze abgestellt und keine weiteren Kosten hinzugerechnet. Auf Grund des Zusammenhangs der in Rede stehenden Haftungserklärung mit dem Antrag des Sohnes der Bf auf einen Aufenthaltstitel gemäß § 47 NAG, ist es mit Hinblick auf den vorliegenden Sachverhalt für das erkennende Gericht ausreichend, auf den Unterhalt für eine einzelne Person abzustellen und die sonstigen Familienverhältnisse des Sohnes unberücksichtigt zu lassen.

 

Die Bf verfügte über ein eigenes Nettoeinkommen von etwa 570,- Euro pro Monat. Gemäß § 11 Abs. 5 NAG ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit der Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. Mit ihrem eigenen Einkommen ist die Leistungsfähigkeit daher grundsätzlich nicht gegeben.

 

Im Hinblick auf eine "Niederlassungsbewilligung – Angehöriger" gemäß § 47 NAG ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedoch nicht nur der das Existenzminimum übersteigende Teil des Einkommens zu berücksichtigen, sondern es ist von der Tragfähigkeit der Haftungserklärung der zusammen­führenden Person auch dann auszugehen, wenn der Zusammenführenden und ihrem Ehepartner der Haushaltsrichtsatz gemäß § 293 ASVG zur Verfügung steht und das restliche Haushaltseinkommen für die Deckung des Unterhalts des Nachziehenden ausreicht. Diese Überlegungen können nur dann nicht Platz greifen, wenn die familiären Verhältnisse den Schluss zulassen, dass kein Konsens der Ehepartner darüber besteht, mit dem den "Haushaltsrichtsatz" übersteigenden Einkommen den Nachziehenden zu unterstützen (VwGH vom 18.03.2010, 2008/22/0637).

 

Die vom Ehegatten der Bf abgegebene Haftungserklärung ist gemäß § 2 Abs. 6 NAG nicht zu berücksichtigen, weil für einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels die Vorlage von nur einer Haftungserklärung zulässig ist und überdies eine Haftungserklärung für die Bf und nicht für den Sohn abgegeben wurde. Sie lässt aber im Sinne des oben zitierten hg. Erkenntnisses den Schluss zu, dass ein Konsens darüber besteht, den Nachziehenden zu unterstützen.

 

Für das gegenständliche Verfahren ist daher auch das Einkommen des Ehegatten der Bf zu berücksichtigen und es ergibt sich ausgehend von der Einkommens­berechnung der belangten Behörde folgende überschlagsmäßige Rechnung:

 

 

Euro

Einkommen Bf:

570,00

Einkommen Ehegatte der Bf:

1.767,00

abzgl. Haushaltsrichtsatz für Ehegatten:

-1.286,03

abzgl. Miete und Strom:

-416,00

Berücksichtigung der freien Station:

274,06

Verfügbare Mittel:

909,03

 

Bei einer Gegenüberstellung der Unterhaltsmittel für eine einzelne Person nach den Haushaltsrichtsätzen gemäß § 293 ASVG von 2014 und den berechneten verfügbaren Mitteln ergibt sich eine Differenz von 51,30 Euro zu Gunsten der Bf.

 

Da keine weiteren Kosten zu berücksichtigen waren, ist somit bei ausschließlicher Heranziehung der Haushaltsrichtsätze gemäß § 293 ASVG die Leistungsfähigkeit der Haftungserklärung gegeben.

 

3.1. Abgesehen von diesen Ausführungen ist zudem zu erkennen, dass seitens der belangten Behörde auch keine dem zweiten Fall des Tatbildes des § 77 Abs. 2 Z 2 NAG entsprechende Tatanlastung erfolgte. Es wird der Bf lediglich zur Last gelegt, dass sie der Verpflichtung nicht nachkommen kann – dieser innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist alleine dargelegte Tatvorwurf entspricht auch der (deshalb!) vom Landesverwaltungsgericht herangezogenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur nicht novellierten Fassung des § 77 Abs. 2 Z 2 NAG. Dass die Bf der Verpflichtung nicht nachkommen wird können, findet sich nicht (s Aufforderung zur Rechtfertigung, Spruch des Straferkenntnisses).

 

4. Es war somit im Ergebnis der Beschwerde gemäß § 50 VwGVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 38 VwGVG i.V.m. § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einzustellen.

 

Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hatte die Bf keinen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht zu leisten.

 

 

IV.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Insbesondere ist auf die in Punkt III. zitierten Erkenntnis des Verwaltungs­gerichtshofes vom 18.03.2010, 2008/22/0637, sowie vom 10.05.2016, Ra 2015/22/0136, zu verweisen.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Markus Brandstetter