LVwG-840119/12/JS/Rd

Linz, 29.08.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Jörg Steinschnack über den Antrag der D & S AG, x, x, vertreten durch S & M Rechtsanwälte, x, x, vom 18. August 2016 auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Vergabeverfahren der x GmbH betreffend das Vorhaben „Tiefenbohrung x, Abteufen einer Tiefenbohrung zur Gewinnung von Thermalwasser“

zu Recht    e r k a n n t :

I.         Dem Antrag wird gemäß §§ 1, 2, 8 und 11 Oö. Vergabe-rechtsschutzgesetz 2006 - Oö. VergRSG 2006, LGBl. Nr. 130/2006 idF LGBl. Nr. 90/2013, stattgegeben und der Auftraggeberin x GmbH die Erteilung des Zuschlags für die Dauer des Nachprüfungs­verfahrens, längstens aber bis 18. Oktober 2016, untersagt.

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Zu Punkt I.:

 

1. Mit Eingabe vom 18. August 2016 - fristgerecht verbessert mit Schriftsatz vom 19. August 2016 - hat die D & S AG (im Folgenden: Antragstellerin) einen Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung vom 8. August 2016 sowie auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, der Auftraggeberin die Zuschlagsertei­lung bis zur Entscheidung im Nachprüfungsverfahren zu untersagen, gestellt. Im Übrigen wurde die Zuerkennung der entrichteten Pauschalgebühren beantragt.

 

Begründend führte die Antragstellerin hierzu aus, dass sich der Nachprüfungs­antrag vom 18. August 2016 gegen die am 8. August 2016 übermittelte Zuschlagsentscheidung der x GmbH (weiterhin kurz „Auftraggeberin“), dem Angebot der T-T GmbH (weiterhin kurz: „T-T“) im Vergabeverfahren „Tiefenbohrung x, Abteufen einer Tiefenbohrung zur Gewinnung von Thermalwasser“ den Zuschlag erteilen zu wollen, richte.

 

Die Antragstellerin erachte sich in ihren Rechten auf

- Zuschlagsentscheidung und Zuschlagserteilung zu ihren Gunsten

- Ausscheiden des Angebots der T-T

- Gleichbehandlung bzw. Nichtdiskriminierung

- Durchführung eines fairen Vergabeverfahrens, Vergabe zu angemessenen Preisen an einen geeigneten Bieter sowie vergaberechtskonforme Ange­botsprüfung

- Mitteilung einer Zuschlagsentscheidung in entsprechender Begründungs­tiefe

verletzt.

 

Zur Zulässigkeit wurde vorgebracht, dass die Auftraggeberin ein öffentlicher Auftraggeber sei und der Nachprüfungskompetenz des Landesverwaltungsgerich­tes Oberösterreich unterliege. Gegenstand sei ein Bauauftrag im Oberschwellen­bereich. Der Nachprüfungsantrag sei rechtzeitig und sei die Antragstellerin durch die gegenständliche Zuschlagsentscheidung beschwert, da sie ein ausschrei­bungskonformes Angebot gelegt habe und laut Zuschlagsentscheidung zweit­gereiht sei.

 

Die Auftraggeberin habe im Amtsblatt der EU zu ABl./x Bohrungs- und Explorationsarbeiten für die Bohrung x als Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung im Oberschwellenbereich ausgeschrieben. Gegen­stand der Ausschreibung seien Bohr- und Verrohrungsarbeiten inkl. Serviceleis­tungen (Zementationen, geophysikalische Bohrlochmessungen, Verrohrungen, Säurestimulationen) und wasserwirtschaftliche Versuche.

 

Den Ausschreibungsbedingungen sei im Wesentlichen Folgendes zu entnehmen:

Die Ausschreibung habe das Ziel gehabt, mittels Verhandlungsverfahren die Tiefenbohrung x in der G M als gesamte Bauleistung zu vergeben. Ende der Angebotsfrist sei der 31. Mai 2016, 13.00 Uhr, gewesen. Aufgrund von Änderungen zur Ausschreibung sei von der vergebenden Stelle der Angebots­abgabetermin auf 6. Juni 2016, 11.00 Uhr, erstreckt worden.

 

Ausgeschrieben worden sei nach dem Bestbieterprinzip. Die zusätzliche Abgabe von Alternativangeboten sei zulässig. Die alleinige Abgabe eines Alternativ­angebots sei nicht zulässig gewesen.

 

Zur Eignung sei im Leistungsverzeichnis Folgendes gefordert worden: Unter der Überschrift „Angebotsbeurteilung“ in Teil 1 der Ausschreibungsunterlagen (kurz: AU) verweise die Auftraggeberin insbesondere auf Teil 2 Punkt 4. „Anforderungen an das technische Equipment“ und hier auf die dazugehörige Beilage 3 „Mindestanforderungen an technisches Equipment“ und die darin normierten KO-Kriterien. Es sei der ausdrückliche Hinweis erfolgt, dass bei Nichterfüllung von KO-Kriterien das Angebot ausgeschieden werde.

 

In den Mindestanforderungen an das technische Equipment sei in den Rand­zahlen 46-54 (Rubrik S) Nachstehendes angeführt:

 

 

 

x-Anforderungen

KO Kriterium

46

Spülungssystem

 

Type

T

ja

47

 

 

Anzahl

mind.2

ja

48

 

 

Baujahr oder letzte Überholung

nicht älter als 2 Jahre

ja

49

 

 

Nenneingangsleistung

... kW

 

50

 

Spülpumpen

hydraulische Nennleistung

mind. 1.300 HP pro Pumpe (1.600 bevorzugt)

ja

51

 

 

Pumpenausgangsdruck

mind. 5.000 psi

ja

52

 

 

Durchfluss

mind. 3.500l/min

 

53

 

 

Zirkulationssystem

komplett mit Vorlade­pumpe, S S und funktionsfähigen Pulsationsdämpfen

 

54

 

 

Pulsationsdämpfer

entsprechend Druckgeräterichtlinie od. vergleichbar

 

 

Von der Auftraggeberin seien also zwei Pumpen mit einer hydraulischen Nennleistung von mindestens 1.300 HP pro Pumpe gefordert und sei diese Anforderung als „KO Kriterium“ ausgewiesen.

 

Im Teil 6 der AU sei unter Punkt 2. „Allgemeines“ gefordert, dass der Bieter den Abschluss einer Haftpflichtversicherung mit Angabe der Deckungssummen für Sach- und Personenschäden, jedenfalls in Höhe von mind. 10 Mio Euro, nachzu­weisen habe. Alternativ sei vom Bieter eine entsprechende Bestätigung vorzu­legen, dass eine entsprechende Versicherung im Auftragsfall abgeschlossen werde.

 

Nach Informationen der Antragstellerin zufolge habe die T-T die in der Aus­schreibung geforderten Spülpumpen (Leistung mindestens 1.300 HP pro Pumpe, 1.600 HP bevorzugt) nicht angeboten und verfüge auch nicht über solche Pumpen. Darüber hinaus hätte die präsumtive Zuschlagsempfängerin nicht über den in der Aus­schreibung geforderten Versicherungsschutz verfügt und habe auch keine den Versicherungsnachweis ersetzende Bestätigung vorgelegt. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin verfüge nicht über die geforderte Eignung, die ausge­schriebene Leistung auszuführen. Auch habe sie die in der Ausschreibung gefor­derten Referenzen nicht nachweisen können.

 

Aus der am 8. August 2016 übermittelten Zuschlagsentscheidung gehe hervor, dass „die Zuschlagsentscheidung zu Gunsten Fa. T-T  in R gefallen“ sei. Begrün­det sei diese Entscheidung dahingehend worden, dass das Angebot der Antrag­stellerin mit einem relevanten Preis von 6.050.783,31 Euro (= 57,6 Punkte) wesentlich über jenem der präsumtiven Zuschlagsempfängerin (4.978.485,50 Euro = 70 Punkte) liegen würde. Die Zusagen und Bestätigungen zum Teil 4 wären maximal erfüllt worden (10 von möglichen 10 Punkten). Ebenso seien die Zusagen und Bestätigungen bzw. Abweichungen zum Teil 3 maximal erfüllt worden (20 von möglichen 20 Punkten).

 

Zum Schaden und Interesse führte die Antragstellerin aus, dass sie ein aus­schreibungskonformes Angebot gelegt und dadurch ihr Interesse an der Erbrin­gung der ausgeschriebenen Leistung dokumentiert habe.

Bisher seien ihr Kosten in Höhe von ca. 100.000 Euro entstanden, welche sich im Wesentlichen aus den Kosten für die Angebotsstellung zusammensetzen würden. Hinzu würden noch die vorprozessualen rechtlichen Beratungskosten in Höhe von ca. 3.500 Euro kommen. Bei rechtswidriger Zuschlagserteilung seien diese auf­gewendeten Kosten frustriert. Die Antragstellerin habe ein erhebliches Erfül­lungsinteresse am gegenständlichen Auftrag in Höhe von zumindest 15 % der Angebotssumme, somit von ca. 900.000 Euro. Die gegenständliche Vergabe wäre ein wichtiger Beitrag zur notwendigen Betriebsauslastung und stelle ein wichtiges Referenzprojekt für künftige Ausschreibungen dar. Das Projekt sichere ihre fort­gesetzte technische Leistungsfähigkeit in den kommenden Jahren.

 

Begründend wurde weiters ausgeführt, dass die präsumtive Zuschlagsempfän­gerin nicht über den in der Ausschreibung geforderten Versicherungsschutz ver­füge und auch keine entsprechende Bestätigung vorgelegt habe, dass sie im Fall der Auftragserteilung eine entsprechende Versicherung für Sach- und Personen­schäden eindecken werde. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin habe bis zum Ende der Angebotsfrist für ein last und final offer kein vollständiges Angebot gelegt und wäre daher gemäß § 269 Abs. 1 Z 2 und 5 BVergG 2006 auszuscheiden gewesen. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin habe die als Mindestanforderung an das technische Equipment geforderten Spülpumpen nicht angeboten und verfüge auch nicht über solche Pumpen. Die von dieser angebotene Bohranlage x verfüge nicht über derartige Pumpen. Die in der Bohranlage x verwendeten Pumpen würden bei weitem nicht die angeführte Mindestleistung von 1.300 HP erbringen. Es wäre daher das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin mangels Er­füllung der Mindestkriterien zwingend gemäß § 269 Abs. 1 Z 5 BVergG 2006 aus­zuscheiden gewesen. Es genüge bereits das Vorliegen eines Ausscheidens­grundes, um das Ausscheiden eines Angebots zu rechtfertigen (BVA 21.01.2005, 17 N-116/04-32).

 

Im Übrigen sei das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin nicht seriös kalkuliert und enthalte bei den Eventualpositionen spekulative Preise, die in die Angebotsbewertung eingeflossen seien. Entsprechend den gemeinschaftsrecht­lichen Vorgaben müsse der Auftraggeber Aufklärung über die Positionen des Angebots verlangen und eine vertiefte Angebotsprüfung vornehmen, wenn das An­gebot einen im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrigen Gesamtpreis auf­weise. Das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin weise im Verhältnis zur zu erbringenden Leistung einen ungewöhnlich niedrigen Gesamtpreis auf, weshalb die Auftraggeberin verpflichtend eine vertiefte Angebotsprüfung durch­führen hätte müssen, weil eine solche nicht im Ermessen des Auftraggebers liege.

 

Die Antragstellerin gehe weiterhin davon aus, dass zwischen dem Erst- und Letztangebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin eine erhebliche Preisdiffe­renz bestehe, die die Auftraggeberin zusätzlich zu einer Preisprüfung verpflichtet hätte. Das Preisangebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin sei nicht adä­quat zu der der Ausschreibung zugrunde liegenden Leistung und keinesfalls betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar. Vielmehr liege ein auffallendes Missverhältnis von Preis und Leistung vor.

 

Der Verstoß gegen die Verpflichtung zur vertieften Angebotsprüfung und die pflichtwidrig unterlassene Prüfung, ob auch alle ausschreibungsgemäß gefor­derten Leistungen angeboten wurden, seien relevant. Hätte die Auftraggeberin die geforderte Angebotsprüfung richtig durchgeführt, wäre die gegenständliche Zuschlagsentscheidung nicht ergangen; vielmehr wäre das Angebot der präsum­tiven Zuschlagsempfängerin gemäß § 269 Abs. 1 Z 2, Z 3 und Z 5 BVergG 2006 auszuscheiden gewesen. Die Antragstellerin hätte am Ausscheiden des Angebots der präsumtiven Zuschlagsempfängerin ein persönliches rechtliches Interesse, weil nach Ausscheidung dieses Angebots ihr Angebot den Zuschlag erhalten hätte. Im Ergebnis wäre nur ihr Angebot zur Vergabe geeignet gewesen.

 

Im Sinne des § 272 Abs. 1 BVergG 2006 lasse im Bestbieterverfahren nur die Gegenüberstellung der Angebote erkennen, aus welchen Gründen die Zuschlags­entscheidung zu Gunsten des einen und zu Lasten des anderen Bieters erfolgt sei (LVwG-840098/6/JS/FE vom 20.4.2016). Die vorliegende Zuschlagsentscheidung werde diesen rechtlichen Vorgaben nicht gerecht: Abgesehen vom Angebotspreis sei bei den übrigen Zuschlagskriterien das Angebot der Antragstellerin nicht jenem der präsumtiven Zuschlagsempfängerin gegenübergestellt worden. Bei den neben dem Angebotspreis angeführten weiteren Zuschlagskriterien sei nicht klar, ob die von der Auftraggeberin genannten Punkte sich auf das Angebot der Antragstellerin oder auf jenes der mitbeteiligten Partei beziehen. Die Auftrag­geberin hätte zumindest die von der Antragstellerin nach den einzelnen Zuschlagskriterien erreichten Punkte jenen der präsumtiven Zuschlags­empfängerin gegenüberstellen müssen. Aus der Zuschlagsentscheidung gehe nicht einmal her­vor, mit wie vielen Punkten das Angebot der Antragstellerin insgesamt bewertet worden sei. Abgesehen davon, sei auch die verbale Begründung der Zuschlags­entscheidung nicht hinreichend. Es sei zu wenig, als Grund für die Ablehnung des Angebots anzuführen, dass dieses aus „wirtschaftlichen Gründen“ nicht berück­sichtigt werden konnte. Diese Informationen wären für die Antragstellerin uner­lässliche Grundlage dafür gewesen, um eine Einschätzung treffen zu können, ob die Zuschlagsentscheidung rechtens getroffen worden sei oder nicht und dement­sprechend eine Bekämpfung aussichtsreich wäre. Die vorliegende Zuschlagsent­scheidung verfüge nicht über die geforderte Begründungstiefe, die ihr die Ein­bringung eines begründeten Nachprüfungsantrages und damit einen effektiven Rechtsschutz ermöglicht hätte. Die Zuschlagsentscheidung sei daher mit Rechts­widrigkeit behaftet.

 

Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung wurde von der Antrag­stellerin zunächst auf die Ausführungen im - verbesserten - Hauptantrag verwie­sen. Darüber hinaus wurde darauf hingewiesen, dass es sich gegenständlich um einen wesentlichen Referenzauftrag handle. Diese Interessen seien durch einen Aufwandersatz oder durch den Ersatz des entgangenen Gewinns nicht abgedeckt. Ihr ökonomisches Interesse liege bei der Erzielung der gesamten Angebots­summe für die Abwicklung des Bauauftrages.

 

Die Erlassung einer auf die Dauer des Nachprüfungsverfahrens befristeten einst­weiligen Verfügung hindere die Auftraggeberin nicht an der rechtzeitigen Aus­führung des gegenständlichen Bauauftrages. Es liege auch keine Gefahr in Ver­zug vor, wonach der Zuschlag in den nächsten Wochen geschehen müsse. Öf­fentliche Interessen würden ebenso nicht bestehen. Im Übrigen sehe die Aus­schreibung der Auftraggeberin eine Zuschlagsfrist bis 31. Dezember 2016 vor.

 

2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat zunächst die x AG x GmbH und in weiterer Folge die x GmbH als Auftraggeberin am Nachprüfungs­verfahren beteiligt.

 

In ihrer Stellungnahme vom 23. August 2016 verwies die x GmbH darauf hin, dass keine Zulässigkeit des Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung mangels Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vorliege, da die gegenständliche Ausschreibung nicht dem Anwendungsbereich des BVergG 2006 unterliege. Die Auftraggeberin sei weder Sektorenauftraggeberin im Sinne der §§ 163 ff BVergG 2006 noch öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 3 BVergG 2006. Die Antragstellerin übe keine Sektorentätigkeit aus und habe die gegenständliche Ausschreibung freiwillig unter Einhaltung der Regelungen des Sektorenregimes des BVergG 2006 durchgeführt, ohne dass sie hierzu verpflichtet gewesen wäre. Eine Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich könne damit nicht begründet werden.

 

Ausschreibungsgegenständlich sei das Abteufen der Tiefenbohrung x. Der Leistungsumfang sei wie folgt beschrieben:

 

„Die Ausschreibung hat das Ziel, mittels Verhandlungsverfahrens die Tiefbohrung x als gesamte Bauleistung zu vergeben. Das Angebot bzw. der Angebotspreis hat somit sämtliche Bauleistungen und Baukosten, die mit der Errichtung der Tiefbohrung in Zusammenhang zu bringen sind, zu enthalten [...]

 

1.1. Projektbeschreibung

Niederbringung von einer vertikalen Tiefbohrung bis auf eine Planteufe von 2.610 m (Maximalteufe 2.850 m) mit einem Bohrdurchmesser 9 ½" (R x), Durchführung von geophysikalischen Bohrlochmessungen, Verrohrungen und Zementationen, Säurestimu­lationen und wasserwirtschaftlichen Versuchen.

Bundesland: O Bezirk: R Gemeinde: M

 

1.2. Gegenstand der Ausschreibung

Bohr- und Verrohrungsarbeiten inkl. Serviceleistungen (Zementationen, geophysikalische Bohrlochmessungen, Verrohrungen, Säurestimulationen) und wasserwirtschaftliche Ver­suche“.

 

Es bestehe kein Zusammenhang zur Bereitstellung eines Netzes oder der Ein­speisung in ein Netz: Wenn, dann käme gegenständlich denkmöglich nur die Sektorentätigkeit des § 167 BVergG 2006 betreffend den Bereich Gas, Wärme und Elektrizität in Betracht. Aber auch diese scheide aus, denn die Tiefenbohrung betreffe weder eine Bereitstellung bzw. ein Betreiben fester Netze zur Versor­gung der Allgemeinheit im Zusammenhang mit der Erzeugung, der Fortleitung und der Abgabe von Gas und Wärme (§ 167 Abs. 1 Z 1 BVergG 2006), noch eine Einspeisung von Gas oder Wärme in diese Netze (Z 2 leg. cit.). Gegenstand der Ausschreibung und des Projektes sei eine Tiefenbohrung. Eine Bereitstellung von Netzinfrastruktur und/oder eine Einspeisung stehe dazu in keinem Zusammen­hang. Die Tiefenbohrung diene dem Zwecke der Durchführung wasserwirtschaft­licher Versuche (auf die sich auch die wasserrechtliche Bewilligung beschränke und von deren Ergebnissen das weitere Schicksal abhänge).

 

Die Tätigkeiten „Aufsuchen“ und „Förderung (Gewinnung)“ seien abschließend durch § 171 BVergG 2006 erfasst: Dass die gegenständliche Tiefenbohrung in keinem Zusammenhang mit den Sektorentätigkeiten „Netzbereitstellung“ bzw. „Einspeisung“ stehe, folge überdies auch aus § 171 BVergG 2006 e contrario. Wäre die Förderung (Gewinnung) von (z.B.) Gas ohnehin schon vom Sektoren­tatbestand des § 167 BVergG 2006 erfasst, wäre § 171 BVergG 2006 schlicht anwendungslos. Es gäbe keinen Grund, für diese Tätigkeiten einen gesonderten Tatbestand vorzusehen. Feststehe daher, dass die Förderung von Rohstoffen (noch) in keinem Zusammenhang zur Sektorentätigkeit Bereitstellung/Betreiben fester Netze bzw. Einspeisung in diese Netze stehe. Wenn aber nicht einmal die „Förderung“ nicht unter § 167 BVergG 2006 falle, so gelte dies für eine Tiefen­bohrung für Versuchszwecke, die der Förderung ja nochmals vorgelagert (und von einem für § 167 BVergG 2006 erforderlichen Netz- bzw. Einspeisebezug sohin umso weiter entfernt) sei, allemal.

 

Der Vollständigkeit halber sei auszuführen, dass die Antragsgegnerin keine öffentliche Auftraggeberin sei: § 3 Abs. 1 Z 2 BVergG 2006 sei nicht anwendbar, da es bereits an dem für die Einstufung als „Einrichtung des öffentlichen Rechts“ erforderlichen Gründungszweck, nämlich der bezweckten Erfüllung von im Allge­meininteresse liegenden Aufgaben, die nicht gewerblicher Art sind, mangle. Der Unternehmensgegenstand bzw. -zweck der Antragsgegnerin sei die Erkundung, Planung und Projektierung von geeigneten geothermischen Bohrstandorten für die Gewinnung von Erdwärme, die Errichtung und der Betrieb von geother­mischen Anlagen zur Gewinnung von Wärme sowie der Vertrieb von Wärme ausschließlich an die Gesellschafter oder deren Konzerngesellschaften. Die Errichtung von Fernwärmeverteilnetzen sei ausdrücklich nicht Aufgabe der Gesellschaft.

 

Unter „Allgemeininteresse“ sei ein gewisser Kernbereich an Agenden zu ver­stehen, vor allem im Bereich der Daseinsvorsorge, die im Interesse des Gemein­wohles vom Staat als Träger der Interessen der Gesamtheit durchgeführt werden (sollen). Dazu würden etwa Systeme sozialer Sicherheit, Gesundheitssystem oder der Bereich der öffentlichen Bildung zählen. Bei Betrachtung des Unter­nehmensgegenstandes der Antragsgegnerin werde evident, dass es gegen­ständlich an diesem Gemeinwohlbezug offenkundig mangle. Im Gegenteil, der Zweck der Gesellschaft bestehe in der Bedienung bloßer Einzel- bzw. Partikular­interessen (der Gesellschafter). Die vorangeführten Tätigkeiten der Antragsgeg­nerin seien überdies gewerblicher Art. Die Antragstellerin (gemeint wohl: Antragsgegnerin) sei auf Gewinnerzielung ausgerichtet, sie sei am Markt dem Wettbewerb ausgesetzt und sie trage für ihre Leistungen selbst das wirtschaft­liche Risiko.

Es werde daher die Zurückweisung des Antrages auf Erlassung einer einstwei­ligen Verfügung samt dem Begehren auf Ersatz der diesbezüglichen Pauschal­gebühr gestellt.

 

Die Stellungnahme der Auftraggeberin vom 23. August 2016 wurde der Antrag­stellerin im Rahmen des Parteiengehörs übermittelt. Mit Eingabe vom 24. August 2016 äußerte sich die Antragstellerin dahingehend, dass die x GmbH zu 95 % im Eigentum der E x GmbH stehe. Die E x GmbH gehöre zu 60 % der
E R GmbH und zu 40 % der E O W GmbH. Die E R GmbH gehöre zu 100 % der
S R. Die E O W GmbH gehöre zu 100 % der x AG. Die x AG stehe letztlich mehrheitlich im Eigentum des L O. Die Auftraggeberin stehe daher über zwischengeschaltete Gesellschaften zu einem ganz überwiegenden Anteil im Eigentum von Gebietskörperschaften, die öffentliche Auftraggeber sind. Die Auftraggeberin werde über die zwischen­geschalteten Gesellschaften kontrolliert und finanziert.

 

Die Aufgaben der Auftraggeberin würden unzweifelhaft auch im Allgemeininter­esse liegen: Zum Aufgabenbereich der Auftraggeberin gehöre die Gewinnung von Erdwärme, eine CO2-neutrale und ressourcenschonende Art der Wärme­erzeugung, die zur Verringerung der Treibhausgase beitrage. Die so gewonnene Energie habe die Auftraggeberin nach ihrem Gesellschaftszweck ausschließlich an die Gesellschafter oder deren Kon­zerngesellschaften zu vertreiben. Sie sei also dazu errichtet worden, geo­thermisch Energie zu erzeugen, um diese über ihre (Groß)Muttergesellschaften u.a. an die S R zu liefern. Zutreffend habe der EuGH die Beheizung eines städtischen Ballungsgebietes mittels umweltfreundlichen Verfahrens (EuGH 10.4.2008, Rs C-393/06, F W) als im Allgemeininteresse gelegene Aufgabe qualifi­ziert. Der Gemeinwohlbezug liege offenkundig vor, die zentrale und umweltscho­nende Wärmeerzeugung für einen städtischen Ballungsraum liege auch hier ein­deutig im Allgemeininteresse. Der Begriff des Allgemeininteresses sei als autono­mer Begriff des EU-Vergaberechts weit auszulegen. Die von der Auftraggeberin bemühten Einzel- bzw. Partikular­interessen seien im konkreten Fall also die am Gemeinwohl orientierten Interessen der S R und des L O.

Schließlich führe die Auftraggeberin ihre Tätigkeiten auch nicht unter echten Wettbewerbsbedingungen aus, es gebe, abgesehen von der Auftraggeberin, keinen Mitbewerb, der eine echte Konkurrenz für die Auftraggeberin darstellen könne. Sie liefere nach ihrem Gesellschaftszweck die erzeugte Energie nur an die Gesellschafter des Unternehmens, weshalb sie naturgemäß in keinem Wett­bewerb mit anderen Anbietern stehe.

 

Sollte die Auftraggeberin wider Erwarten keine öffentliche Einrichtung im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 2 BVergG 2006 sein, so wäre sie jedenfalls ein öffentliches Unternehmen nach der Legaldefinition des § 165 Abs. 2 BVergG 2006. Nach den oben geschilderten Beteiligungsverhältnissen handle es sich nämlich bei der Auf­traggeberin jedenfalls um ein Unternehmen, welches durch ein oder mehrere öffentliche Auftraggeber (S R, L O) beherrscht werde. Die S R halte über ihre Beteiligungen an der E R GmbH und deren Beteiligung an der E x GmbH 57 % der Gesellschaftsanteile an der Auftraggeberin, womit das Bestehen eines beherr­schenden Einflusses durch die öffentliche Hand zu vermuten sei. Bei der Auftrag­geberin handle es sich daher jedenfalls auch um ein öffentliches Unternehmen im Sinne des § 165 Abs. 2 BVergG 2006.

 

Zur Sektorentätigkeit wurde noch vorgebracht, dass die Auftraggeberin in Teil 2 der AU das Projekt wie folgt beschreibe:

 

„1.4. Projektabsicht

Es ist geplant, den Zielhorizont in den Karbonatgesteinen des M durch eine (richtig:) vertikal gerichtete Bohrung zu erschließen. Die auf der Tiefscholle des R Abbruchs gele­gene Bohrung R x ist primär als Förderbohrloch, im Bedarfsfall aber auch als Reinjektionsbohrloch vorgesehen. Bei Erfolg des Bohrvorhabens wird das geförderte Thermalwasser für die energetische Nutzung zur Fernwärmeversorgung verwendet.“

 

Die ausgeschriebene Einbringung, Verrohrung und Zementation einer vertikal gerichteten Bohrung diene also der Erschließung und Nutzung geothermaler Energie zur anschließenden Fernwärmeversorgung. Zusätzlich seien vom Auftragnehmer gewisse Serviceleistungen, wie geophysikalische Messungen und wasserwirtschaftliche Versuche, vorzunehmen. Der Auftrag habe also den zentralen Zweck, notwendige Voraussetzungen zu schaffen, geothermale Energie (mit ca. 110° C Fördertempe­ratur erwartetes Thermalwasser) zu erschließen und zu nutzen. Der gegenständ­liche Beschaffungsvorgang stehe in einem engen funktionalen Zusammenhang mit der Sektorentätigkeit der Bereitstellung und des Betreibens fester Netze zur Versorgung der Allgemeinheit im Zusammenhang mit der Erzeugung, der Fort­leitung und der Abgabe von Gas und Wärme und der Einspeisung von Gas oder Wärme in diese Netze. Die Einbringung der Bohrung sei eine unerlässliche Voraussetzung für die Gewinnung geothermaler Energie sowie deren Einspeisung in die Netze. Die Herstellung des Bohrloches und deren Zementation sei bereits ein Bestandteil des Wärmeversorgungsnetzes, konkret die Erschließung der Quelle, ohne welche das Fernwärmenetz naturgemäß nicht funktionieren könne. Bereitstellung bedeute die Schaffung, Errichtung und Instandhaltung der notwendigen Infrastruktur, wozu die Herstellung des Bohrloches gehöre.

Auch der von der Auftraggeberin aus § 171 BVergG 2006 gezogene Umkehr­schluss ziehe nicht. Dass der Gesetzgeber lediglich das Aufsuchen und die Förde­rung von Brennstoffen als Sektorentätigkeit eingeordnet habe, heiße nicht, dass die Förderung anderer Rohstoffe, die keine festen Brennstoffe sind, bei gege­benem funktionalen Zusammenhang mit einer Sektorentätigkeit trotzdem nicht unter das Sektorenregime fallen würde. Der Gesetzgeber wollte mit Fassung des § 171 BVergG 2006 das Aufsuchen und Fördern von Öl, Gas, Kohle und anderen festen Brennstoffen generell dem Sektorenregime des BVergG 2006 zuweisen. Freilich heiße dies nicht, dass Bautätigkeiten im Zusammenhang mit der Förde­rung anderer Rohstoffe (z.B. Thermalwasser) auch bei gegebenem funktionalen Zusammenhang mit einer Sektorentätigkeit nicht vom Sektorentatbestand des § 167 BVergG 2006 erfasst sein könnten. Eine geplante Regelungslücke, die Voraussetzung für einen derartigen Umkehrschluss wäre, liege nicht vor.

Zuzustimmen sei der Auftraggeberin insofern, als die Antragsvoraussetzungen im Provisorialverfahren nur einer Grobprüfung zu unterziehen seien. Diese führe dazu, dass es sich bei der Auftraggeberin vorliegend um einen öffentlichen Auf­traggeber/ein öffentliches Unternehmen handle, welcher(s) bei dieser Beschaf­fung eine Sektorentätigkeit ausgeübt habe. Hierfür spreche im Provisorialver­fahren bereits der Anschein: Wieso schreibe sonst die Auftraggeberin öffentlich EU-weit aus, behaupte, dass der gegenständliche Wettbewerb dem BVergG 2006 „Sektorenauftraggeber“ unterliegt (Punkt 3. der Beilage ./2) und erkläre in der Auftragsbekanntmachung (Beilage ./1) das Landesverwaltungsgericht Oberöster­reich für ein Nachprüfungsverfahren als zuständig? Es werde zwar eingeräumt, dass die Anwendbarkeit des BVergG 2006 und die Zuständigkeit der Vergabe­kontrollbehörden einer (bestandfesten) gestaltenden Festlegung durch die Auf­traggeberin entzogen seien (VwSlg 18514 A/2012), diese Angaben erzeugen jedoch schon in der Grobprüfung den starken Anschein, dass die Antragsvoraus­setzungen gegeben sind.

 

Es werde der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung aufrecht­erhalten.

 

3. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 1 Abs. 1 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 (Oö. VergRSG 2006) regelt dieses Landesgesetz den Rechtsschutz gegen Ent­scheidungen der Auftraggeber in Verfahren nach den bundesrechtlichen Vor­schriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens (Vergabeverfahren), die gemäß Art. 14b Abs. 2 Z 2 B-VG in den Vollzugsbereich des Landes fallen. Auch die Vergabe von Aufträgen durch Unternehmungen im Sinne des Art. 127a Abs. 3 B-VG fällt gemäß Art. 14b Abs. 2 Z 2 lit. c B-VG in den Vollzugsbereich des Landes. Diese Bestimmung erfasst Unternehmungen, an denen eine Gemeinde mit mindestens 10 000 Einwohnern allein oder gemeinsam mit anderen der Zustän­digkeit des Rechnungshofes unterliegenden Rechtsträgern mit mindestens 50 vH des Stamm-, Grund- oder Eigenkapitals beteiligt ist oder die die Gemeinde allein oder gemeinsam mit anderen solchen Rechtsträgern betreibt. Nach dem gesetzlichen Verweis auf Art. 126b Abs. 2 B-VG werden davon auch jene Unternehmungen erfasst, die die Gemeinde allein oder gemeinsam mit anderen der Zuständigkeit des Rechnungshofes unterliegenden Rechtsträgern durch finanzielle oder sonstige wirtschaftliche oder organisatorische Maßnahmen tatsächlich beherrscht. Nach Art. 14b Abs. 2 Z 2 2. Satz B-VG gelten dabei Gemeinden unabhängig von der Zahl ihrer Einwohner als Rechtsträger, die im Sinne der Z 1 lit. b und c und der Z 2 lit. b und c der Zuständigkeit des Rechnungshofes unterliegen. Die x GmbH steht zu 95 % im Eigentum der E x GmbH, welche zu 60 % der E R GmbH (Alleineigentüme­rin:
S R) und zu 40 % der E O W GmbH (Alleineigentümerin: x AG) gehört. Die x AG steht durch L GmbH (Alleingesellschafterin: L O) wirtschaftlich zu mehr als 50 % im Eigentum des L O. Die Vergabe fällt daher in den Vollzugsbereich des Landes im Sinne des Art. 14b Abs. 2 Z 2 B-VG und unterliegt daher das gegen­ständliche Nachprüfungsverfahren den Bestimmungen des Oö. VergRSG 2006.

 

3.2. Gemäß Art. 14b Abs. 3 B-VG iVm § 2 Abs. 1 Oö. VergRSG 2006 obliegt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die Gewährung von Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Auftraggeber bzw. Auftraggeberinnen im Sinne des § 1 Abs. 1 Oö. VergRSG 2006. Gemäß § 2 Abs. 3 Oö. VergRSG 2006 ist das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens zum Zweck der Beseitigung von Ver­stößen gegen die bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentli­chen Auftragswesens und die dazu ergangenen Verordnungen oder von Ver­stößen gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht zuständig zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen (§ 2 Z 16 lit. a BVergG 2006) des Auftraggebers bzw. der Auf­traggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw. von der Antragstellerin gel­tend gemachten Beschwerdepunkte.

 

Auch die x GmbH verweist in ihrer EU-weiten „Auftragsbekanntmachung - Versorgungssektoren“ auf die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich für Nachprüfungsverfahren. Ihre Haupttätigkeit beschreibt sie darin mit „Erzeugung, Fortleitung und Abgabe von Gas und Wärme“, sohin mit Sektoren­tätigkeiten im Sinne des § 167 BVergG 2006. Daher unterliege das gegenständ­liche Vergabeverfahren - nach den Bedingungen der x GmbH für die Ange­botslegung (Punkt 2. der Ausschreibungsunterlagen) - dem „BVergG 2006 „Sek­torenauftraggeber““.

 

Die nunmehrige Bestreitung ihrer (insbesondere sektoralen) Auftraggebereigen­schaft ist für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich auch deshalb verwun­derlich, da die x GmbHx selbst in dem beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich im Jahr 2010 anhängig gewesenen Nachprüfungsver­fahren (VwSen-550540) betreffend das Vergabeverfahren „Bohrungs- und Explo­rationsarbeiten, Tiefenbohrung M x und x zur Gewinnung von Thermal­wasser“ ihre Eigenschaft als Sektorenauftraggeberin ausdrücklich bejaht hat (vgl. Stellungnahme vom 14. Juli 2010 (auszugsweise):

„...

1.2. Auftraggeberin im gegenständlichen Vergabeverfahren ist die x GmbH, FN x, mit dem Sitz in R. Diese Gesellschaft wurde für das Projekt gegründet. ...

1.3. ... Gesellschafter der Auftraggeberin sind die E x GmbH mit einer Beteiligung am Stammkapital im Ausmaß von 95 % und eine Investorengruppe, bestehend aus drei Privatpersonen, mit einer Beteiligung am Stammkapital im Ausmaß von 5 %. An der E x GmbH wiederum ist die E R GmbH mit einer Beteiligung am Stammkapital von 60 % und die E  O W GmbH mit 40 % beteiligt ... Da an der E O W GmbH das L O und an der E x GmbH die S R beteiligt sind, steht die E x GmbH ihrerseits (mittelbar) mehrheitlich im Eigentum der öffentlichen Hand und ist daher als öffentliches Unternehmen im Sinne des § 165 Abs. 2 BVergG 2006 zu quali­fizieren. Aufgrund dieser Beteiligungsverhältnisse ist die Auftraggeberin x GmbH ebenfalls ein öffentliches Unternehmen gem. § 165 Abs. 2 BVergG 2006 und ist im gegenständlichen Nachprüfungsverfahren das Oö Vergaberechtschutz­gesetz 2006 (‚OÖ VergRSG‘) anwendbar.

1.4. Soweit ein öffentliches Unternehmen eine Sektorentätigkeit ausübt, ist es Sektorenauftraggeber und damit bei der Vergabe von Aufträgen im Sektoren­bereich an das Vergaberecht gebunden (§ 165 Abs. 1 BVergG 2006). Die Bereit­stellung und der Betrieb fester Netze zur Versorgung der Allgemeinheit im Zusammenhang mit der Gewinnung, Fortleitung und der Abgabe von Wärme ist eine Sektorentätigkeiten (vgl. § 167 Abs. 1 Z 1 BVergG 2006). Die x GmbH ist bei der Vergabe von Aufträgen in diesem Sektorenbereich als Sektorenauf­traggeber zu betrachten. Für das Vergabeverfahren gelten daher die Sektorenbestim­mungen des Bundesvergabegesetzes 2006 idgF (‚BVergG 2006‘).“

 

Die nunmehrige Bestreitung ihrer Sektorentätigkeit im gleichgelagerten Projekt der Tiefenbohrung M x zur Gewinnung von Thermalwasser ist nach Durch­führung der im Provisorialverfahren gebotenen Grobprüfung auch unbegründet, zumal gerichtsnotorisch bekannt ist, dass die dritte Tiefenbohrung aufgrund der großen Nachfrage zur Versorgung weiter Teile der S R und der G M mit geother­mischer Wärme erfolgen soll (vgl. Zeitungsartikel in den x vom 22.04.2016 „Weitere Bohrung für größte G Österreichs fixiert“).

 

3.2.1. Es wurde von der x GmbH nicht bestritten, dass sie ein öffentliches Unternehmen im Sinne des § 165 Abs. 1 BVergG 2006 ist und kann zur Frage der Ausübung des (mittelbar) beherrschenden Einflusses der S R bzw. des L O auf die x GmbH auf die Darstellung der Mehrheitsbeteiligungen der beiden öffent­lichen Gebietskörperschaften in der zitierten Stellungnahme der x GmbH vom
14. Oktober 2010 im Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat - welche nach wie vor Gültigkeit hat - zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden.

 

3.2.2. Nach der - gegenständlich einschlägigen - Bestimmung des § 167 Abs. 1 BVergG 2006 zählen sowohl die Bereitstellung und das Betreiben fester Wärme­ver­sorgungsnetze für die Allgemeinheit (Z 1) als auch die Einspeisung von Wärme in diese Versorgungsnetze (Z 2) zu den Sektorentätigkeiten im Bereich von Wärme. Die projektgegenständliche Tiefenbohrung M x durch die x GmbH dient nun gerade dem Zweck der Gewinnung von geothermischer Wärme zur weiteren Versor­gung von Haushalten und Unternehmen in der S R und in der G M durch ihre (de facto) Muttergesellschaft E x GmbH, welche den Geschäftszweig Fernwärmeversorgung betreibt. Nach dem Gesellschaftsvertrag der x GmbH ist ihr Unternehmens­gegenstand unter anderem der Vertrieb von Wärme ausschließlich an die Gesellschaf­ter, sohin (insbesondere) an die E x GmbH oder deren Konzerngesellschaften. Dies bedeutet damit aber auch, dass die Wärmegewinnung mittels der von ihr errichteten und betriebenen geothermischen Anlagen (de facto) ausschließlich der E x GmbH (und deren Konzerngesellschaften) zukommen soll. Dass die E x GmbH mit dem Geschäftsbereich Wärmeversorgung eine Sektorentätigkeit (zumindest in der Alterna­tivvariante Wärmeeinspeisung in Versorgungsnetze [vgl. auch die englische Textie­rung „supply of gas or heat to such networks“ der Vergabe-Richtlinie im Sekto­renbereich 2004/17/EG; engl. to supply = liefern, versorgen, bereitstellen]) ausübt, liegt für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich im Rahmen der gebotenen Grobprüfung auf der Hand. Die sohin zur Gewinnung von Erdwärme für die (de facto) E x GmbH gegründete x GmbH erbringt damit zumindest eine Sektoren­hilfstätigkeit für die E x GmbH als notwendige Vorleistung für deren Wärmeversorgung der S R und der G M. Wie bereits dargelegt, soll die gewonnene Wärme de facto ausschließlich der E x GmbH (oder deren verbundenen Konzerngesellschaften) zu Gute kommen, sodass im Rahmen einer Grobprüfung davon auszugehen ist, dass die x GmbH bei der Wärmelieferung an ihre Muttergesellschaft auch keinem Wett­bewerbsdruck ausgesetzt ist. Augenscheinlich ist auch, dass die Geschäfts­führung der x GmbH und ihrer Muttergesellschaft E x GmbH einerseits eine Personenidentität mit den Geschäftsführungen der beiden Gesellschafterinnen der E x GmbH, nämlich der
E R GmbH bzw. der E O W GmbH, aufweist. Zusätzlich ist im Gesellschaftsvertrag der x GmbH vorgesehen, dass die Generalversammlung bzw. die Gesellschafter (de facto der E x GmbH) gegenüber der Geschäftsführung weisungsberechtigt sind, weshalb die Geschäftsführer der x GmbH gemäß § 20 GmbH-Gesetz den Weisungen Folge zu leisten haben. Damit kann die (de facto) Muttergesellschaft E x GmbH maßgeblich in den Geschäftsführungsbereich der x GmbH eingreifen. Das Sektorenregime ist daher schon aus diesem Grund als Ergebnis der vorzunehmenden Grobprüfung durch das Landesverwal­tungsgericht Oberösterreich auf das gegenständliche Vorhaben der x GmbH anzuwenden (vgl. G. Zellhofer / G. Stickler in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thie­nel (Hrsg), § 173 Rz 17 f; vgl. auch Stellungnahme des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie vom 06.09.2015 zum Entwurf BVergG 2006, insbesondere Punkt 28 „Ausgegliederte Sektorenhilfstätigkeiten“, wonach das Sektorenregime daher auch auf Aufträge eines Unternehmens anzuwenden sei, das selbst kein Sektorenauftraggeber ist, wenn - wie in concreto - dieses Unternehmen ein mit einem Sektorenauftraggeber verbundenes Unternehmen ist, der konkrete Auftrag einer für die Sektorentätigkeit erforderlichen Leistung dient und das beschaffende Unternehmen diese Leistung größtenteils für den mit ihm verbundenen Sektorenauftraggeber erbringt).

 

Auf die weitere Frage der Auftraggebereigenschaft der x GmbH im Sinne des § 3 BVergG 2006 brauchte daher vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich auch im Hinblick auf die Eilbedürftigkeit des Provisorialverfahrens nicht weiter eingegangen werden.

 

Da die projektgegenständliche Tiefenbohrung x im Endergebnis der energeti­schen Nutzung von Erdwärme zur Fernwärmeversorgung der S R und der G M mittels der vom Unternehmenszweig der x GmbH erfassten geothermischen Wärmegewinnungs­anlagen samt Wärmevertrieb dienen soll (vgl. etwa Punkt 1.4. „Projektabsicht“ der Ausschreibungsunterlage), ist der Tätigkeitszweck der x GmbH auch nicht mit den eingeschränkten Sektorentätigkeiten im Sinne des
§ 171 BVergG 2006 - entgegen dem e contrario-Einwand der x GmbH - vergleichbar, sondern geht darüber hinaus.

 

3.3. Der gegenständliche Antrag ist rechtzeitig und zulässig. Nach dem
- unwidersprochen gebliebenen - Vorbringen der Antragstellerin ist im Provisorial­verfahren davon auszugehen, dass die Bestimmungen für den Oberschwellen­bereich anzuwenden sind.

 

3.4. Gemäß § 8 Abs. 1 Oö. VergRSG 2006 hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich auf Antrag durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet scheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstan­dene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin zu beseitigen oder zu verhindern.

 

Gemäß § 11 Abs. 1 leg. cit. hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vor Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu tref­fenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antrag­stellers bzw. der Antragstellerin, der sonstigen Bewerber oder Bieter bzw. Bewer­berinnen oder Bieterinnen und des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabe­verfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf ihre Erlassung abzuweisen. Andernfalls ist nach dem 2. Absatz dieser Bestimmung die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.

 

Gemäß § 11 Abs. 3 leg. cit. ist in einer einstweiligen Verfügung die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfü­gung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entschei­dung über den Antrag auf Nichtigerklärung, in dem die betreffende Rechtswidrig­keit geltend gemacht wird, außer Kraft.

 

3.5. Um im Hinblick auf die Dringlichkeit von einstweiligen Verfügungen (vgl. § 20 Abs. 2 Oö. VergRSG 2016) umfangreiche Erhebungen zu vermeiden, soll lediglich eine Grobprüfung der Voraussetzungen der Erlassung einer einstweiligen Verfügung stattfinden (vgl. G. Gruber/T. Gruber in Schramm/Aicher/Fruhmann (Hrsg), § 328 Rz 14; R. Madl in Heid/Preslmayr, Handbuch Vergaberecht4, Rz 2216 unter Hinweis auf die europarechtliche Judikatur). Aufgrund der vorge­legten Urkunden und des Vorbringens der Parteien geht das Landesverwaltungs­gericht Oberösterreich davon aus, dass im gegenständlichen Vergabeverfahren weder bereits ein Zuschlag erteilt noch eine Widerrufserklärung mitgeteilt wurde. Die Antragstellerin konnte im Rahmen ihres Antrages auch - von der x GmbH unwidersprochen - darlegen, dass die Antragstellerin als Bieterin im gegenständ­lichen Vergabeverfahren ein Interesse am Abschluss des ausgeschriebenen Bau­auftrages, insbesondere als Beitrag zur notwendigen Betriebsauslastung und zur Erlangung eines wesentlichen Referenzprojektes, hat.

 

3.6. Die im Vorbringen der Antragstellerin behaupteten Rechtswidrigkeiten sind zumindest denkmöglich. Eine Überprüfung, ob die behaupteten Rechtswidrigkei­ten auch tatsächlich vorliegen, war im Rahmen des Provisorialverfahrens nicht durchzuführen (vgl. BVA 17.9.2002, N-46/02-11; R. Madl aaO, Rz 2216). Auch der EuGH hat in seinem Urteil vom 9. April 2003, Rs C-424/01, C C, festgehalten, dass die Erfolgsaussichten in der Hauptsache nicht zu den Kriterien gehören, die eine Vergabekontrollinstanz berücksichtigen muss oder darf, wenn sie über einen Antrag auf vorläufige Maßnahme entscheidet.

 

3.7. Mit einer einstweiligen Verfügung können vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich nur solche vorläufigen Maßnahmen angeordnet werden, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern. Die einstweilige Verfügung soll lediglich verhindern, dass der Zweck des Nach­prüfungsverfahrens durch zwischenzeitige Handlungen des Auftraggebers unter­laufen wird (vgl. R. Madl in Heid/Preslmayr, Handbuch Vergaberecht4, Rz 2208 unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien EBRV 1171 BlgNR XXII. GP 141). Mit dem gegenständlichen Nachprüfungsantrag bekämpft die Antragstellerin inhalt­lich die Zuschlagsentscheidung der x GmbH als Auftraggeberin vom
8. August 2016. Dabei handelt es sich um eine gesondert anfechtbare Entscheidung der Auftraggeberin im Sinne der Bestimmung des § 163 iVm § 2
Z 16 lit. a sublit. dd BVergG 2006.

 

Die Antragstellerin hat auch denkmöglich ausgeführt, dass ihr durch die behaup­tete Rechtswidrigkeit der Zuschlagsentscheidung der Entgang des Auftrages droht, sohin ein Schaden, der nur durch die vorläufige Untersagung der Zuschlagserteilung abgewendet werden kann. Dem Erfordernis, einen drohenden oder eingetretenen Schaden darzutun, ist nach der Rechtsprechung der Vergabe­kontrollbehörden bereits dann entsprochen, wenn die entsprechende Behauptung plausibel ist; ins Einzelne gehende „genaueste“ Darlegungen sind jedoch nicht geboten (vgl. VwGH 20.04.2016, Ra 2015/04/0018; VwGH 22.06.2011, 2009/04/0128; VwGH 24.02.2006, 2004/04/ 0127; u.a.). Unter dem Schadens­begriff ist dabei nicht nur der reine Vermögensschaden zu verstehen, sondern etwa auch - wie von der Antragstellerin plausibel behauptet - der Verlust eines Referenzprojektes im Falle einer rechtswidrigen Vergabe.

 

3.8. Bereits zu der vorausgegangenen sinngemäßen Regelung des Bundesver­gabegesetzes 1997 führte Elsner, Vergaberecht (1999), auf Seite 86 aus: Die Entscheidung über den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung hängt von einer Abwägung der möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstel­lers und einem allfälligen besonderen öffentlichen Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens ab. Dabei muss es sich um ein „besonderes“ öffentliches Interesse handeln. Es wird nämlich (hoffentlich) bei jeder öffentlichen Auftrags­vergabe ein öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens und Vergabe eines Auftrages bestehen. Aber auch daran, dass Vergabeverfahren fehlerfrei ablaufen, besteht öffentliches Interesse. Eine Nichterlassung einstwei­liger Verfügungen wird daher nur bei sonstiger Gefahr für Leib und Leben und besonderer Dringlichkeit zulässig sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn besondere Interessen der Daseinsvorsorge gefährdet würden (so auch
G. Gruber/T. Gruber aaO, § 329 Rz 7f; R. Madl aaO, Rz 2223).

 

Art. 2 Abs. 4 Satz 1 (entspricht nunmehr Art. 2 Abs. 5) der Rechtsmittelrichtlinie (Richtlinie 89/665/EWG nunmehr in der Fassung der Richtlinie 2007/66/EG) darf nicht fälschlicherweise so ausgelegt werden, dass der vorläufige Rechtsschutz regelmäßig leerläuft. Mit diesem Interesse ist nicht das bei jeder Auftragsvergabe bestehende öffentliche Interesse an der zügigen Abwicklung gemeint. Nach der Beschlusspraxis des EuGH kommt es in der Interessensabwägung maßgeblich darauf an, wer durch sein Verhalten die besondere Dringlichkeit der Auftrags-vergabe verursacht hat. Für die öffentlichen Auftraggeber ergibt sich daraus eine echte Obliegenheit zu rechtzeitig geplanten und durchgeführten Beschaffungs-vorgängen. Das Rechtsschutzinteresse des diskriminierten Bieters kann insoweit nur vom vorrangigen Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter der Allgemeinheit zurückgedrängt werden (vgl. Schenk, Das neue Vergaberecht, 1. Auflage 2001, S. 172f). Auch der Verfassungsgerichtshof hat insbesondere in seiner Entschei­dung zu Zl. B 1369/01 vom 15. Oktober 2001 ein öffentliches Interesse im Hin­blick auf das Postulat effizienten Einsatzes öffentlicher Mittel in der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter gesehen, dem die Nach­prüfung des Vergabeverfahrens letztlich dienen soll.

 

In Anbetracht der Tatsache, dass es sich beim gegenständlichen Vorhaben nicht um eine vordringliche Leistungserbringung handelt, kann daraus geschlossen werden, dass eine Gefährdung von Leib und Leben nicht aktuell ist. Auch trifft die x GmbH als Auftraggeberin im Hinblick auf die Rechtsnatur des Provisorialver­fahrens und auf die allgemeine Mitwirkungspflicht der Parteien im Verwaltungs­verfahren die Behauptungslast betreffend die gegen die Erlassung einer einstwei­ligen Verfügung sprechenden Interessen. Diese hat im Verfahren keine mit der Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung drohenden Nachteile vorge­bracht, sodass schon aus diesem Grund davon auszugehen ist, dass die nachtei­ligen Folgen des vorläufigen Zuschlagsverbotes nicht überwiegen und daher dem Antrag stattzugeben ist (vgl. BVA 1.12.2000, N-56/00-9).

 

Darüber hinaus ist auch ein Auftraggeber nach der ständigen Rechtsprechung der Vergabekontrollbehörden verpflichtet, bei der Erstellung des Projektzeitplans seines Vorhabens die Möglichkeit von Nachprüfungsverfahren und die damit ein­hergehende Verzögerung ins Kalkül zu ziehen (vgl. BVA 29.10.2013,
N/0103-BVA/10/2013-EV11, uva.; vgl. auch etwa R. Madl aaO, Rz 2222 mwH; Mandl in Schwartz, BVergG 20062, Rz 3 zu § 329 (Stand: 1.1.2015, rdb.at)). Dies umso mehr bei einer Auftragsvergabe in der Größenordnung des gegenständlichen Bauauftrages. Dass auch Interessen von sonstigen Bietern des gegenständlichen Vergabeverfahrens durch die vorläufige Untersagung der Zuschlagserteilung geschädigt werden würden, wurde von der x GmbH nicht behauptet. Vielmehr ist auch von deren Interesse an der Teilnahme an einem im Sinne der Entscheidung über den Hauptantrag rechtskonformen Wettbewerb und Verhandlungsverfahren auszugehen.

 

Abgesehen von dem vorausgesetzten öffentlichen Interesse an der Vergabe des gegenständlichen Auftrages ist sohin bei Abwägung der Interessen ein beson­deres öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens weder durch die x GmbH vorgebracht worden noch dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Kenntnis gelangt. Vielmehr ist bei der Interessensabwägung im Sinne der zitierten Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu berücksichtigen, dass auch die Auftraggeberin ein Interesse an einem rechtmäßigen Vergabever­fahren haben muss. Dass sich durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung eine Verzögerung der Bedarfsdeckung und ein organisatorischer und finanzieller Mehraufwand ergeben können, liegt in der Natur der Sache, der jedoch durch die entsprechende Berücksichtigung von Verzögerungen durch die Anrufung der Ver­gabekontrollinstanz im Projektzeitplan der Auftraggeberin einkalkuliert werden kann und hat die x GmbH das Ende der Zuschlagsfrist auch entsprechend (erst) mit 31. Dezember 2016 festgesetzt.

 

Zumal die vorgenommene Interessensabwägung im Hinblick auf das vorgebrach­te Vertragsinteresse der Antragstellerin und ihrer Schadensbehauptungen einer­seits und das Interesse der x GmbH an der Vermeidung von Verzögerungen andererseits zumindest kein Überwiegen der nachteiligen Folgen der Unter­sagung der Zuschlagserteilung bis zur Entscheidung im Hauptverfahren ergab (§ 11 Abs. 1 2. Satz Oö. VergRSG 2006), war dem Antrag stattzugeben. Damit kann sichergestellt werden, dass eine dem Ausgang des Hauptverfahrens ent­sprechend angepasste Zuschlagserteilung erfolgen kann und sich das Vergabe­verfahren somit vergabekonform fortsetzen lässt, wodurch die drohende Schä­digung der Interessen der Antragstellerin während des Nachprüfungsverfahrens durch die behauptete Rechtswidrigkeit des Vergabeverfahrens hintan gehalten werden kann.

 

3.9. Bei der Untersagung der Zuschlagserteilung handelt es sich im vorliegenden Fall im Hinblick auf den derzeitigen Stand des Vergabeverfahrens auch um die gelindeste noch zum Ziel führende Maßnahme. Da aus Sicht des Provisorialver­fahrens nicht ausgeschlossen werden kann, dass die von der Antragstellerin rele­vierten Rechtswidrigkeiten der Zuschlagsentscheidung zutreffen, droht ihr auf­grund der behaupteten Rechtswidrigkeiten der Entgang des Auftrages mit den von ihr dargelegten vermögensrechtlichen Nachteilen. Mit der vorliegenden einst­weiligen Verfügung mussten daher vom Landesverwaltungsgericht Oberöster­reich Maßnahmen getroffen werden, die eine (behauptete) sodann rechtskonfor­me Zuschlagsentscheidung ermöglicht. Zur Vermeidung unumkehrbarer Tat­sachen war daher die Zuschlagserteilung zu untersagen.

 

3.10. Die Dauer der Untersagung der Zuschlagserteilung ergibt sich aus § 11 Abs. 3 Oö. VergRSG 2006 iVm § 20 Abs. 1 Oö. VergRSG 2006. Nach der zuletzt genannten Bestimmung ist über Anträge auf Nichtigerklärung von Entschei­dungen eines Auftraggebers bzw. einer Auftraggeberin unverzüglich, spätestens aber zwei Monate nach Einlangen des Antrages, zu entscheiden. Für den gegen­ständlichen Fall bedeutet dies, dass für das Landesverwaltungsgericht Oberöster­reich somit die Möglichkeit besteht, die Untersagung der Zuschlagserteilung für zwei Monate auszusprechen.

 

Die einstweilige Verfügung ist gemäß § 11 Abs. 4 Oö. VergRSG 2006 sofort vollstreckbar.

 

3.11. Der Abspruch über den Ersatz der nachweislich entrichteten Pauschal­gebühren erfolgt im Sinne des § 23 Abs. 2 und 3 Oö. VergRSG 2006 mit der Entscheidung im Nachprüfungsverfahren über den Hauptantrag.

 

 

Zu Punkt II.:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtspre­chung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die in dieser Entscheidung zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichts­hofes). Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechts­frage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichts­hof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwal­tungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwer­de bzw. einer Revision müssen  durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt oder eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240,- Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Jörg Steinschnack