LVwG-500206/6/FP

Linz, 08.08.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Pohl aus Anlass der Beschwerde von S B, geb. x, x, W, vertreten durch Dr. G L, Rechtsanwalt, x, W, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 5. Februar 2016, GZ: N96-12-2015-Gm, wegen einer Übertretung des Oö. Natur- und Land­schafts­schutz­gesetzes 2001

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde dahingehend Folge gegeben, dass das angefochtene Straferkenntnis infolge Unzustän­digkeit der belangten Behörde aufgehoben wird.

 

 

II.      Gemäß § 52 Abs. 9 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

 

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Straferkenntnis vom 5. Februar 2016 verhängte die belangte Behörde eine Geldstrafe in Höhe von 100 Euro (2 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) über den Beschwerdeführer (Bf) und warf ihm zusammengefasst vor, er habe als zur Herstellung des gesetzgemäßen Zustandes Verpflichteter zu verantworten, dass ein im Spruch bestimmt bezeichneter Bauwagen von einem dort bezeichneten Grundstück nicht entfernt worden sei, obwohl dem Bf die Entfernung aufgetragen worden sei. Er sei somit einer besonderen administrativen Verfügung zur Herstellung des gesetzgemäßen Zustandes bis zu einem bestimmten Datum nicht nachgekommen. Die belangte Behörde begründete ausführlich in der Sache.

 

I.2. Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Bf mit Schriftsatz vom 9. März 2016 rechtzeitig Beschwerde und brachte zusammengefasst vor, er habe die aufge­tragene Anordnung befolgt. Es sei unklar, wie die Behörde zu ihrer Einschätzung gelange, der Container befinde sich auf dem Grundstück und auf welche Fotos Bezug genommen werde. Der Container sei vom ursprünglichen Ort auf dem Grundstück entfernt worden.

Die Fotodokumentation mache keine Angaben hinsichtlich der Koordinaten, sodass kein Rückschluss darauf gezogen werden könne, dass sich der Container auf dem Grundstück befunden habe. Die Fotos seien angesichts fehlender Datums- und Zeitangaben zum Beweis einer Verwaltungsübertretung untauglich.

Der Bf sei zum Ortsaugenschein nicht beigezogen worden. Die bei diesem getrof­fenen Feststellungen, sowie die Echtheit der Fotos, würden bestritten. Die Beweise seien dem Bf weder zur Kenntnis gebracht, noch erläutert oder konkre­tisiert worden, sodass nicht konkret Stellung genommen werden konnte.

Tatsächlich lägen keine schlüssigen Beweismittel vor. Die Feststellungen der belangten Behörde seien nicht nachvollziehbar und nicht auf der Grundlage eines gesetzeskonformen Ermittlungsverfahrens zustande gekommen. Der Bf bean­tragte die Durchführung eines Ortsaugenscheines und seine Einvernahme.

 

I.3. Zur Vorgeschichte:

 

Mit Strafverfügung vom 29. Oktober 2015 hatte die belangte Behörde dem Bf bereits eine Strafe von 100 Euro auferlegt. Der Rückschein weist eine Zustellung am 11. November 2015 aus.

Gegen diese Strafverfügung erhob der Bf mit am 25. November 2015, 16:50 Uhr per Telefax, gesandtem anwaltlichem Schriftsatz Einspruch.

 

I.4. Die belangte Behörde legte dem Verwaltungsgericht die Beschwerde samt Verfahrensakt mit Schreiben vom 17. März 2016 zur Entscheidung vor.

Dieses entscheidet durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzel­richter (§ 2 VwGVG).   

 

I.5. Mit Schreiben vom 19. Juli 2016 übermittelte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (VwG) dem Bf-Vertreter die Bezug habende Kundmachung der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land gemäß §§ 13 und 42 Abs. 1a AVG vom
5. Juni 2013 und eine Kopie des Rückscheines und wies darauf hin, dass der Rückschein zur Strafverfügung eine Zustellung am 11. November 2015 ausweise und gegen diese am 25. November 2015, um 16:50 Uhr also am letzten Tag der Frist, außerhalb der Amtsstunden, Einspruch per Fax erhoben worden sei. Das VwG erläuterte, dass die Strafverfügung unter dieser Annahme in Rechtswirk­samkeit erwachsen wäre und es in Aussicht nehme, das angefochtene Straf­erkenntnis wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde zu beheben.

 

I.6. Binnen der ihm vom VwG gesetzten Frist nahm der Bf Stellung und führte zusammengefasst aus, er habe sich zwischen 7. und 15. November auf Urlaub und daher nicht an der Abgabestelle aufgehalten, sodass die Zustellung erst mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle nächstfolgenden Tag, nämlich dem
16. November 2015, wirksam geworden sei.

Die Sendung sei am 23. November 2015 in einer Postfiliale entgegengenommen und am folgenden Tag um 7:55 Uhr an den Bf-Vertreter übermittelt worden.

Die Strafverfügung sei daher nicht in Rechtskraft erwachsen, weil der Einspruch innerhalb offener Frist, diese habe am 30. November 2015 geendet, erhoben worden sei. Bereits im Einspruch sei auf den Zustellzeitpunkt 16. November 2015 und die Rechtzeitigkeit hingewiesen worden.

Zum Beweis seines Vorbringens legte der Bf jenes E-Mail an den Bf-Vertreter vor, mit welchem die Strafverfügung am 24. November 2015 an ihn übermittelt wurde.

 

 

II.1.      Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt, die von der belangten Behörde übersandte und dem Bf zur Stellungnahme übermittelte Kundmachung vom 5. Juni 2013 und die genannte Stellungnahme des Bf.

Die öffentliche mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG, weil  bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefoch­tene Bescheid aufzuheben ist.

 

II.2. Nachstehender entscheidungswesentlicher Sachverhalt steht fest:

 

Die belangte Behörde fertigte am 6. November 2015 eine Strafverfügung an den Bf ab, mit welcher ihm eine Geldstrafe in Höhe von 100 Euro (2 Tage Ersatz­freiheitsstrafe) auferlegt und ihm im Ergebnis vorgeworfen wurde, dass er einem behördlichen Auftrag zur Entfernung eines Bauwagens (Bescheid der Bezirks­haupt­mannschaft Wels-Land vom 26. März 2010, GZ: N10-33-1-2009; Berufungsbescheid der Oö. Landesregierung vom 12. Jänner 2012,
GZ: N-106069/10-2012-Hag/Gre) auf dem Grundstück Nr. x, KG S I, Marktgemeinde S, trotz Fristerstreckung bis 1. Juni 2015 nicht nachge­kommen sei, weil bei einem Ortsaugenschein am 2. Oktober 2015 festgestellt worden sei, dass der Bauwagen noch vorhanden war.

 

Die Strafverfügung enthielt eine Rechtsmittelbelehrung dahingehend, dass gegen sie binnen zwei Wochen nach Zustellung Einspruch erhoben werden könne.

(Strafverfügung)

 

Am 10. November 2015 fand bei der Wohnung des Bf (x) ein Zustellversuch statt. Der Bf konnte nicht angetroffen werden und legte der Postbote eine Verständigung über die Hinterlegung in die Abgabe­einrichtung ein.

Er hinterlegte das Schriftstück (Strafverfügung) sodann bei der Postdienststelle x. Die Abholfrist begann am 11. November 2015 zu laufen. (Rückschein, öffentliche Urkunde, unbestrittener Sachverhalt)       

 

Der Bf war zwischen 7. und 15. November 2015 auf Urlaub und nicht an der Abgabestelle anwesend.

Er behob die Strafverfügung am 23. November 2015 und ließ diese am
24. November 2015, um 7:55 Uhr an den Bf-Vertreter senden.

Dieser sandte am 25. November 2015, um 16:50 Uhr einen Einspruch an die belangte Behörde. (Vorbringen Bf, Faxbestätigung)

 

Der 25. November 2015 war ein Mittwoch. Die Amtsstunden der Bezirkshaupt­mannschaft Wels-Land an einem Mittwoch sind (waren) wie folgt festgelegt:
7:00 Uhr bis 13:00 Uhr.

Die zum Zeitpunkt der Einspruchserhebung gültige, im Internet veröffentlichte Kundmachung der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 5. Juni 2013 enthält folgenden Passus:

„(2)      Die Empfangsgeräte (Telefax und E-Mail) sind auch außerhalb der Amts­stunden (vgl. § 2) empfangsbereit, allerdings werden diese nur während der Amtsstunden betreut. Anbringen, die außerhalb der Amtsstunden an diese Empfangsgeräte gerichtet werden, können daher nicht entgegengenommen werden. Dies hat die Wirkung, dass Anbringen auch dann, wenn sie an sich bereits in den Verfügungsbereich des Amtes gelangt sind, erst mit Wiederbeginn der Amtsstunden als eingebracht (und eingelangt) gelten und von uns (erst) ab diesem Zeitpunkt behandelt werden.

(Kundmachung vom 5. Juni 2013)

 

II.3. Beweiswürdigung:

 

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus dem Verfahrensakt, insbesondere den in Klammern angegebenen Beweismitteln.

Zwar hat der Bf seine behauptete Ortsabwesenheit zwischen 7. und
15. November 2015 nicht im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bescheinigt (vgl. VwGH 21. Oktober 1994, 94/11/0132), es ist aber, wie in der rechtlichen Beurteilung darzustellen sein wird, auch dann nichts für ihn gewonnen, wenn man seine Angaben zu einer Ortsabwesenheit als wahr unterstellt. Was die am 23. November 2015 stattgefundene Übermittlung der Strafverfügung an den Bf-Vertreter anbelangt, vermag das Gericht keine Relevanz für das Verfahren zu erkennen, zumal diese Übermittlung in keinem Zusammenhang mit der Frage der Zustellung steht.

Die Zustellung selbst ist durch einen Rückschein ausgewiesen. Der Postrück­schein ist als Zustellnachweis eine öffentliche Urkunde, die nach § 47 AVG iVm
§ 292 ZPO die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit für sich hat (zu den rechtlichen Folgen weiter unten). Der Rückschein macht insofern vollen Beweis und führt zu einer Umkehr der Beweislast im Hinblick auf den Nachweis der Unrichtigkeit des durch die Urkunde bezeugten Vorganges (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, § 47 AVG, S 553 ff; VwGH 21. Oktober 1994, 94/11/0132). Vorbringen dazu, dass eine Hinterlegung nicht stattgefunden und die Abholfrist nicht am 11. November 2015 zu laufen begonnen hat, oder, dass Zustellmängel vorliegen, hat der Bf nicht erstattet. Vielmehr geht er in rechtlicher Hinsicht davon aus, dass eine Zustellung, infolge Ortsabwesenheit, erst am 16. November 2015 bewirkt war. Der Bf behauptet insofern keinen abweichenden Sachverhalt, sondern beurteilt diesen anders. Diese Rechtsansicht hat der Bf auch schon zum Zeitpunkt der Einspruchs­erhebung vertreten, wie sich aus seiner Stellungnahme und dem Einspruch ergibt.

 

 

III. Rechtliche Beurteilung:

 

III.1. Rechtliche Grundlagen:

 

a)   § 17 Zustellgesetz (BGBl. Nr. 200/1982 zuletzt geändert durch
BGBl. I Nr. 5/2008) lautet:

 

Hinterlegung

 

§ 17. (1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des
§ 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

 

 

 

(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verstän­digung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Haus­brieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

 

 

 

(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

 

 

 

(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde.

 

 

 

b)    § 49 Abs. 1 VStG lautet:

 

§ 49. (1) Der Beschuldigte kann gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.

 

 

 

c)     § 61 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG,
BGBl. Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013) lautet:

 

 

§ 61. (1) Die Rechtsmittelbelehrung hat anzugeben, ob gegen den Bescheid ein Rechts­mittel erhoben werden kann, bejahendenfalls welchen Inhalt und welche Form dieses Rechtsmittel haben muss und bei welcher Behörde und innerhalb welcher Frist es einzubringen ist.

 

 

 

(2) Enthält ein Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung oder fälschlich die Erklärung, daß kein Rechtsmittel zulässig sei oder ist keine oder eine kürzere als die gesetzliche Rechtsmittelfrist angegeben, so gilt das Rechtsmittel als rechtzeitig eingebracht, wenn es innerhalb der gesetzlichen Frist eingebracht wurde.

 

 

 

(3) Ist in dem Bescheid eine längere als die gesetzliche Frist angegeben, so gilt das innerhalb der angegebenen Frist eingebrachte Rechtsmittel als rechtzeitig.

 

 

 

(4) Enthält der Bescheid keine oder eine unrichtige Angabe über die Behörde, bei der das Rechtsmittel einzubringen ist, so ist das Rechtsmittel auch dann richtig eingebracht, wenn es bei der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, oder bei der angegebenen Behörde eingebracht wurde.

 

 

 

d)   § 13 Abs. 1, 2 und 5 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG, BGBl. Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2011) lauten:

 

§ 13. (1) Soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können Anträge, Gesuche, Anzeigen, Beschwerden und sonstige Mitteilungen bei der Behörde schriftlich, mündlich oder telefonisch eingebracht werden. Rechtsmittel und Anbringen, die an eine Frist gebunden sind oder durch die der Lauf einer Frist bestimmt wird, sind schriftlich einzubringen. Erscheint die telefonische Einbringung eines Anbringens der Natur der Sache nach nicht tunlich, so kann die Behörde dem Einschreiter auftragen, es innerhalb einer angemessenen Frist schriftlich oder mündlich einzubringen.

 

 

 

(2) Schriftliche Anbringen können der Behörde in jeder technisch möglichen Form übermittelt werden, mit E-Mail jedoch nur insoweit, als für den elektronischen Verkehr zwischen der Behörde und den Beteiligten nicht besondere Übermittlungsformen vorgesehen sind. Etwaige technische Voraussetzungen oder organisatorische Beschrän­kungen des elektronischen Verkehrs zwischen der Behörde und den Beteiligten sind im Internet bekanntzumachen.

 

[...]

 

 

 

(5) Die Behörde ist nur während der Amtsstunden verpflichtet, schriftliche Anbringen entgegenzunehmen oder Empfangsgeräte empfangsbereit zu halten, und, außer bei Gefahr im Verzug, nur während der für den Parteienverkehr bestimmten Zeit verpflichtet, mündliche oder telefonische Anbringen entgegenzunehmen. Die Amtsstunden und die für den Parteienverkehr bestimmte Zeit sind im Internet und an der Amtstafel bekannt­zumachen.

 

[...]

 

 

 

III.2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

III.2.1. Zur Frage der Bewirkung der Zustellung der Strafverfügung:

Die gegenständliche Strafverfügung konnte dem Bf am 10. November 2015 an seinem Wohnsitz (Abgabestelle) nicht zugestellt werden, sodass das Poststück bei der Post (x) hinterlegt wurde. Die Abholfrist begann am Folgetag
(11. November 2015) zu laufen. Dass der Zusteller davon ausging, dass sich der Bf regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, ergibt sich schon aus dem vorlie­genden Rückschein, der diesen Umstand mit der Wirkung einer öffentlichen Urkunde bescheinigt. Es gibt keine Hinweise im Akt und hat dies der Bf auch nicht vorgebracht, dass er sich im relevanten Zeitraum nicht regelmäßig an der Abgabestelle aufgehalten hätte. Vielmehr hat der Bf die Rückkehr am
15. November 2015 auch selbst vorgebracht. Der Rückschein ergibt zudem, dass der Zusteller einen Verständigungsnachweis in die Abgabeeinrichtung bei der Wohnung des Bf (Abgabestelle im Sinne des § 2 Z 4 ZustG) eingelegt hat.

Zustellmängel sind insofern nicht ersichtlich und wurden vom Bf auch nicht behauptet.

 

Auf den vom Gericht nachgeholten Verspätungsvorhalt (der belangten Behörde war eine mögliche Verspätung des Einspruchs nicht aufgefallen) hat der Bf vorgebracht, er sei zwischen 7. November 2015 und 15. November 2015 auf Urlaub und von der Abgabestelle abwesend gewesen.

Schließt der Bf nun, dass aufgrund dieses Vorbringens von einer Zustellung erst nach seiner Rückkehr, also am 16. November, auszugehen wäre, verkennt er die Rechtslage.

 

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, zuletzt etwa vom 25. Juni 2015, Ro 2014/07/0107, wird die durch den dritten Satz des § 17 Abs. 3 ZustG normierte Zustellwirkung nicht durch Abwesenheit von der Abgabestelle schlechthin, sondern nur durch eine solche Abwesenheit von der Abgabestelle ausgeschlossen, die bewirkt, dass der Empfänger wegen seiner Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte (Hinweis E vom 24. Mai 2007, 2006/07/0101, mwN).

Gleichlautende Judikatur (vgl. etwa E vom 25. April 2014, 2012/10/0060) erging zur früheren Berufung, für die, wie beim Einspruch gegen die Strafverfügung, eine Rechtsmittelfrist von 14 Tagen vorgesehen war.

 

„Rechtzeitig“ im Sinne dieser Bestimmung ist dahin zu verstehen, dass dem Empfänger noch jener Zeitraum für ein Rechtsmittel zur Verfügung stand, der ihm auch im Falle einer vom Gesetz tolerierten Ersatzzustellung üblicherweise zur Verfügung gestanden wäre. Wenn daher der Empfänger durch den Zustell­vorgang nicht erst später die Möglichkeit erlangt hat, in den Besitz der Sendung zu kommen, als dies bei einem großen Teil der Bevölkerung infolge ihrer Berufs­tätigkeit der Fall gewesen wäre, so muss die Zustellung durch Hinter­legung als ordnungsgemäß angesehen werden (vgl. dazu ausführlich VwGH 9. Juli 1992, 91/16/0091; daran anknüpfend VwGH 9. November 2004, 2004/05/0078).

In anderen Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes wurde darauf abge­stellt, ob der Partei nach den Verhältnissen des Einzelfalles noch ein ange­messener Zeitraum für die Einbringung des Rechtsmittels verblieb (vgl. etwa VwGH 24. Februar 2000, 2000/02/0027, 18. März 2004, 2001/03/0284).

 

In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wurde (wiederum zur
14-tägigen Rechtsmittelfrist bei Berufungen) noch keine unzu­lässige Verkürzung der Rechtsmittelfrist bei einer Rückkehr einen Tag nach dem Beginn der Abholfrist (VwGH 15. Juli 1998, 97/13/0104, 0168, mwN, VwGH 19. April 2001, 99/06/0049) und bei einer Behebung 3 Tage nach der Hinter­legung (VwGH 27. September 1999, 99/17/0303) sowie bei einer verbleibenden Dauer zur Ausführung eines Einspruchs von 10 Tagen angenommen (vgl. VwGH 24. Februar 2000, 2000/02/0027, 18. März 2004, 2001/03/0284).

 

Der Bf hat vorgebracht, am Sonntag, 15. November 2015 an die Abgabestelle zurückgekehrt zu sein. Er konnte also an diesem Tag von der Zustellung Kenntnis erlangen (Benachrichtigung). Ihm war demnach eine Behebung des Poststückes am Montag, 16. November 2015 möglich. Berücksichtigt man, dass es für einen Einspruch lediglich erforderlich ist, der Behörde mitzuteilen, dass Einspruch erhoben wird, ohne, dass, wie bei einer Berufung oder Beschwerde, eine Begründung erfolgen muss, reicht das Verbleiben von 10 Tagen
(16. - 25. November 2015) im Einklang mit der dargestellten Judikatur zur Erhebung des einfachen Einspruchs jedenfalls aus, sodass im Sinne der oben dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes davon auszugehen ist, dass der Bf rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte und die Zustel­lung der Strafverfügung am 11. November 2015 rechtskonform bewirkt war und die nicht verlängerbare, gesetzliche Einspruchsfrist zu laufen begann. Sie endete rechnerisch am 25. November 2015, 24:00 Uhr.

 

III.2.2. Zur Rechtzeitigkeit des per Fax übermittelten Einspruchs:

 

Gemäß dem oben dargestellten § 13 Abs. 5 AVG ist die Behörde nur während der Amtsstunden verpflichtet, schriftliche Anbringen entgegenzunehmen oder Empfangs­geräte empfangsbereit zu halten und, außer bei Gefahr im Verzug, nur während der für den Parteienverkehr bestimmten Zeit verpflichtet, mündliche oder telefonische Anbringen entgegenzunehmen. Die Amtsstunden und die für den Parteienverkehr bestimmte Zeit sind im Internet und an der Amtstafel bekanntzumachen.

 

Die belangte Behörde hat im Internet ihre Amtsstunden bekanntgemacht und endeten diese am Mittwoch, 25. November 2015 um 13:00 Uhr. Die belangte Behörde hat ihre mangelnde Bereitschaft zur Entgegennahme elektronischer Anbringen außerhalb der gemäß § 13 Abs. 5 AVG bekanntgemachten Amts­stunden durch die unter Punkt II.2. festgestellte Erklärung zum Ausdruck gebracht und zwar mit der Wirkung, dass elektronische Anbringen auch dann, wenn sie an sich bereits in ihren elektronischen Verfügungsbereich gelangt sind, erst zu einem späteren Zeitpunkt (mit Wiederbeginn der Amtsstunden) als eingebracht und eingelangt gelten (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG2 § 13 RZ 36/1 [Stand: 01.01.2014, Rdb.at] und die dort ausführlich dargestellte Judikatur).

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat dementsprechend zuletzt (E vom 31. März 2016, Ra 2016/07/0021) dargelegt, dass eine Revision, die zwar am letzten Tag der Frist, jedoch außerhalb der Amtsstunden in den elektronischen Verfügungs­bereich des VwG gelangte, als verspätet anzusehen ist.

Nichts anderes gilt vorliegend.

 

Wie dargestellt, hat der Bf seinen auf elektronischem Weg eingebrachten Einspruch (Posteinspruch wäre rechtzeitig gewesen) am letzten Tag der Frist nach Ende der Amtsstunden übersendet, sodass der Einspruch als am
26. November 2015, also verspätet, eingebracht gilt.

 

III.2.3. Es ergibt sich, dass die erlassene Strafverfügung nicht innerhalb der gesetzlichen, nicht verlängerbaren Einspruchsfrist bekämpft wurde und in Rechts­kraft erwuchs.

 

 „Ist eine Strafverfügung infolge Versäumung der Einspruchsfrist in Rechtskraft erwachsen, so steht der Durchführung eines Ermittlungsverfahrens in derselben Verwaltungsstrafsache und der Erlassung eines Straferkenntnisses in dieser als Folge der Rechtskraft das Wiederholungsverbot entgegen, welches bis zur Rechts­kraft des Straferkenntnisses in jeder Lage des Verfahrens wahrzunehmen ist (Hinweis E vom 9.4.1984, 84/10/0032, VwSlg 11394 A/1984). Erlässt die Behörde dessen ungeachtet in derselben Verwaltungsstrafsache erneut einen Bescheid, so ist dieser mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet (Hinweis E vom 6.7.1990, 87/17/0198; E vom 27.2.1990, 89/08/0200).“ (VwGH 22. April 1999; 99/07/0010)

 

„Auf dem Boden der tragenden Grundsätze des Verfahrensrechtes und der Rechtssicherheit darf über in Rechtskraft erwachsene Entscheidungen (grund­sätzlich) nicht mehr in merito entschieden werden (vgl. VwGH 24. März 2015,
Ra 2015/09/0011).“ (VwGH 24. Mai 2016; Ra 2016/03/0050)

 

Zumal die belangte Behörde die Sache demnach bereits mit ihrer Strafverfügung erledigend entschieden hat und die Strafverfügung in Rechtskraft erwuchs, stand der neuerlichen Entscheidung mittels Straferkenntnis das Hindernis der entschie­denen Sache entgegen und war die belangte Behörde zur neuerlichen Erledigung unzuständig (vgl. VwGH 25. Juni 2014, 2012/07/0075).    

Diesen Umstand hatte das VwG entsprechend der o.a. Judikatur von Amts wegen aufzugreifen und das ergangene Straferkenntnis zu beheben.

 

III.3. Angesichts des Umstandes, dass keine (weitere) Strafe über den Bf verhängt werden durfte und das Straferkenntnis aufzuheben war, entfällt ein Verfahrenskostenbeitrag zulasten des Bf.

 

 

IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des
Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Zur gegenständlichen Frage, insbesondere zur Frage der Zustellung, existiert ausreichend einheitliche Judikatur. Diese wurde unter Punkt III. wiedergegeben. Weder weicht sohin die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurtei­len. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsge­richtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsge­richtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsan­walt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240,- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzu­bringen.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

  P o h l

Beachte:

Die Behandlung der Beschwerde wurde abgelehnt.

VfGH vom 23. Februar 2017, Zl.: E 2432/2016-7

Beachte:

Die Revision wurde zurückgewiesen.

VwGH vom 29. September 2017, Zl.: Ra 2017/10/0127-3