LVwG-850606/4/Wg

Linz, 11.08.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Wolfgang Weigl über die Beschwerde der E P, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. R S, x, L, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 21. April 2016, GZ: Ge20-185-2015-RE, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Akteneinsicht

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

I.         Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

 

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.            Sachverhalt:

 

Die Beschwerdeführerin (Bf) wandte sich mit Eingabe vom 8. April 2016 an die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land (im Folgenden: belangte Behörde) und führte aus: „In umseits bezeichneter Verwaltungssache begehrt die Einschreiterin Einsicht in den Behördenakt Ge20-185-2015. Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Einschreiterin mit ihren Grundstücken x und x der EZ x KG x S direkt an die Liegenschaft EZ x x S mit dem dort vorgetragenen Grundstück der x angrenzt. Auf den Grundstücken der EZ x KG x S wurden insbesondere im Jahr 2015 Abbrucharbeiten durchgeführt. Diese führten zu enormen Staubbelastungen und Erschütterungen der Nachbarliegenschaften, insbesondere auch der Liegenschaft der Frau E P. Diese Staub-, Erschütterungs- und Lärmbelastungen wurden dadurch verstärkt, dass auf der Liegenschaft EZ x KG x S neben den Abbrucharbeiten auch - ohne vorerst vorliegende Bewilligung – Shredder­arbeiten durchgeführt wurden. Frau E P beabsichtigt gemäß §§ 364 und 364a ABGB Schadenersatz bzw. Entschädigungsansprüche gegenüber dem Liegenschaftseigentümer der EZ x KG x S, die Firma Gx G H u Bx sowie der von dieser beauftragten A-firma geltend zu machen. Zur Vorbereitung der Anspruchstellung ist die vorherige Einsicht­nahme in den Behördenakt erforderlich, um abzuklären, inwieweit die vom Liegenschafts­eigentümer der EZ x KG x S beauftragten Abrissmaßnahmen bzw. die von der beauf­tragten A-firma durchgeführten Abrissmaßnahmen überhaupt bescheidmäßig erfolgt sind und inwieweit diese Ansprüche daher auf die Bestimmungen des § 364 bzw. auf die Bestimmung des § 364a ABGB zu stützen sind.“

 

Die belangte Behörde wies diesen Antrag mit Bescheid vom 21. April 2016, GZ: Ge20-185-2015-RE, gemäß § 17 AVG zurück und argumentierte - nach aus­zugsweiser Wiedergabe der im Antrag enthaltenen Ausführungen -, dass es sich beim gegenständlichen Verfahren um ein amtswegig eingeleitetes Verfahren nach § 84 GewO handle und Nachbarn in einem solchen Verfahren keine Parteistellung zukomme.

 

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Bf beantragt, der Beschwerde Folge zu geben und den angefochtenen Bescheid dahingehend abzu­ändern, dass dem Ansuchen auf Einsicht in den Akt GZ: Ge20-185-2015 stattgegeben werde. Begründend führte die Bf aus, die Behörde übersehe, dass sie sich nicht auf eine ihr zukommende Parteistellung stütze, sondern vielmehr ein rechtliches Interesse an der Einsichtnahme in den Akt geltend mache. Dieses rechtliche Interesse werde von der Behörde im bekämpften Bescheid - im Ergebnis - auch festgestellt, indem das diesbezügliche Vorbringen aus dem Schriftsatz vom 8. April 2016 in der Sachverhaltsfeststellung des bekämpften Bescheides festgestellt werde.

 

Die Behörde legte dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich den Ver­fahrensakt zur Entscheidung vor.

 

 

II.         Beweiswürdigung:

 

Der Sachverhalt (I.) beschränkt sich auf die Wiedergabe des Verfahrensablaufes und des Parteivorbringens.

 

 

III.       Rechtliche Beurteilung:

 

Soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können die Parteien gemäß § 17 Abs. 1 AVG bei der Behörde in die ihre Sache betreffenden Akten Einsicht nehmen und sich von Akten oder Aktenteilen an Ort und Stelle Abschriften selbst anfertigen oder auf ihre Kosten Kopien oder Ausdrucke erstel­len lassen. Soweit die Behörde die die Sache betreffenden Akten elektronisch führt, kann der Partei auf Verlangen die Akteneinsicht in jeder technisch mögli­chen Form gewährt werden.

 

Die Verweigerung der Akteneinsicht gegenüber der Partei eines anhängigen Ver­fahrens erfolgt gemäß § 17 Abs. 4 AVG durch Verfahrensanordnung.

 

Werden gewerbliche Arbeiten außerhalb der Betriebsanlage (§ 74 Abs. 1) ausge­führt, so hat die Behörde gemäß § 84 GewO erforderlichenfalls von Amts wegen dem Gewerbetreibenden die für die Ausführung dieser Arbeiten notwendigen Vor­kehrungen zur Vorbeugung gegen oder zur Abstellung von Gefährdungen von Menschen oder unzumutbaren Belästigungen der Nachbarn mit Bescheid aufzu­tragen.

 

Was die Parteistellung der Nachbarn in einem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren nach § 84 GewO 1994 betrifft, so ist schon bisher davon ausgegangen worden, dass Nachbarn keine Parteistellung haben. Die Vorschreibung der not­wendigen Vorkehrungen ist von den Verwaltungsbehörden im Rahmen ihrer gesetzlichen Verpflichtungen von Amts wegen wahrzunehmen. Diese Rechtslage lässt subjektiv-öffentliche Rechte der Nachbarn nicht erkennen, zumal § 84 GewO 1994 - anders als § 81 Abs. 1 GewO - nicht auf § 74 Abs. 2 verweist. Der Gesetzgeber wollte mit § 84 GewO 1994 offensichtlich einen differenzierten eige­nen Tatbestand schaffen (aA Grabler/Stolzlechner/Wendl, GewO Kommentar2, Rz 11 zu § 84). Unter diesen Umständen hat der Nachbar auch kein subjektives Recht auf Akteneinsicht nach § 17 AVG (vgl. Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze2, Wien 1998, Anm. 3 zu §17 AVG; VfSlg 8959/1980, 14089/1995). Die Behörde unterstellte das Antragsvorbringen betreffend die Abrisstätigkeiten als wahr. Konkrete - durch Beweismittel unter­mauerte - Feststellungen waren dazu nicht erforderlich, zumal der Einwand, Ansprüche nach den Bestimmungen des § 364 bzw. auf die Bestimmung des § 364a ABGB prüfen zu wollen, keinen Anspruch auf Akteneinsicht im Sinne des § 17 Abs. 1 AVG begründet.

 

Nach dem eindeutigen Wortlaut der Eingabe vom 8. April 2016 macht die rechtsanwaltlich vertretende Bf mit dem gegenständlichen „Antrag auf Akten­einsicht“ - auch wenn in der Eingabe keine gesetzliche Bestimmung zitiert wird - (nur) ein in § 17 Abs. 1 AVG geregeltes subjektives öffentliches Recht geltend. Ein Recht auf Akteneinsicht im Sinne des § 17 AVG kommt nur einer Partei im Sinne des § 8 AVG zu. Der Antrag wurde zu Recht mangels Parteistellung zurück­gewiesen.

 

Eine mündliche Verhandlung war gemäß § 24 VwGVG nicht erforderlich, da der relevante Sachverhalt (I.) - im gegenständlichen Fall der Verfahrensablauf und der Wortlaut der angeführten Eingaben - unstrittig ist und kein Verhandlungs­antrag gestellt wurde. Unionsrecht oder EMRK sind vom Verfahrensgegenstand nicht betroffen.

 

 

IV.        Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtspre­chung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösen­den Rechtsfrage vor.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die Nach­weise zu dieser Rechtsprechung bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrens­gesetze I, 2. Auflage, 1998, S. 336 bis 340) kommt es bei der Auslegung von Parteianbringen auf das aus diesem erkenn- und erschließbare Ziel des Einschrei­ters an; Parteierklärungen und damit auch Anbringen sind ausschließlich nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen. Bei einem eindeutigen Inhalt eines Anbringens ist es der Behörde verwehrt, diesem eine abweichende, eigene Deu­tung zu geben, selbst wenn das Begehren, so wie es gestellt worden ist, von vornherein aussichtslos oder gar unzulässig wäre. Wenn jedoch der Inhalt eines von einer Partei gestellten Anbringens unklar ist, ist die Behörde entsprechend den ihr gemäß § 37 iVm § 39 AVG obliegenden Aufgaben verpflichtet, den Antragsteller zu einer Präzisierung seines Begehrens aufzufordern (VwGH vom 16. März 2016, 2013/17/0705).

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass die in vertretbarer Weise vorgenommene einzelfallbezogene Auslegung von Parteierklärungen oder Ausschreibungsunterlagen nicht revisibel ist bzw. dass einer vertretbaren Auslegung keine über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (Hinweis Beschlüsse vom 11. November 2015, Ra 2015/04/0077, mwN, vom 14. Oktober 2015, Ra 2015/04/0055, und vom 18. März 2015, Ra 2015/04/0017, mwN). Die Auslegung einer Erklärung im Einzelfall wäre nur dann als revisibel anzusehen, wenn dem Verwaltungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (VwGH vom 16. März 2016, Ra 2016/04/0024).

 

Da das Begehren eindeutig auf Akteneinsicht abzielt und damit ein subjektives Recht nach § 17 AVG geltend gemacht wird, sind die Auslegung der Behörde und die darauf gestützte Zurückweisung des Antrages nicht zu beanstanden.

 

Die Rechtslage ist durch die angeführte Rechtsprechung geklärt.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsge­richtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichts­hof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwal­tungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwer­de bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240,- Euro zu entrichten.

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzu­bringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Wolfgang Weigl