LVwG-350225/2/Py/TK

Linz, 31.08.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr.in Andrea Panny über die Beschwerde des minderjährigen M. L. E., x, L., vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft A., x, A., gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 13. Jänner 2016, GZ: SJF, wegen Übernahme der Kranken- und Zahnbehandlung nach dem Oö. BMSG

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

 

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1.       Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz (in der Folge: belangte Behörde) vom 13. Jänner 2016, GZ: SJF, wurde der Antrag des Beschwerdeführers (in der Folge: Bf) vom 14. Oktober 2015 auf Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs nach dem Oö. Mindest­sicherungsgesetz (Oö. BMSG) durch Einbeziehung in die Krankenversicherung gemäß § 17 Abs. 3 Oö. BMSG abgewiesen. Begründend wird zusammengefasst ausgeführt, dass der Bf seit 27. Juli 2015 im Rahmen der Vollen Erziehung in der S. in L. untergebracht ist. Die Bezirkshauptmannschaft A. hat die Obsorge für den minder­jährigen M. L. E. Eine soziale Notlage gemäß § 6 und 7 Oö. BMSG liege daher nicht vor, zumal für die Obsorge berechtigte Bezirkshauptmannschaft gemäß § 16 Abs. 1 ASVG die Möglichkeit zur Selbstversicherung besteht und sich der Bf in einer sozialpädagogischen Einrichtung in Voller Erziehung befindet und somit als versorgt gilt.

 

I.2.       Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde vom 10.2.2016. Darin wird zusammengefasst vorgebracht, dass aus der Übertragung der in § 209 ABGB geregelten Obsorge durch das Pflegschaftsgericht an die Bezirkshauptmannschaft A. keine sozial(versicherungs-)rechtlichen oder sonstigen finanziellen Ansprüche des Minderjährigen resultieren. Es ist vielmehr Aufgabe des Obsorgeinhabers, die gesetzmäßigen Ansprüche des Minderjährigen geltend zu machen und zu verfolgen.

 

Der Anspruch auf eine gesetzliche Krankenversicherung zur Absicherung im Krankheitsfall könnte aus der Mitversicherung mit den gesetzlich unterhalts­verpflichteten Personen abgeleitet werden. Die Mutter des Minderjährigen verweigert jedoch schon sehr lange den Kontakt zur Kinder- und Jugendhilfe wie auch zu ihrem Kind und ist selbst nicht versichert, weshalb eine Mitversicherung nicht möglich ist. Da ein Vater von der Mutter nie angegeben wurde, scheidet auch diese Möglichkeit der Mitversicherung aus.

 

Die Krankenversicherungsmöglichkeit gemäß § 16 ASVG erfordert einerseits die Leistung eines monatlichen Beitrages in Höhe von 397,35 Euro und eröffnet andererseits erst nach einer Wartezeit von 6 Monaten den Zugang zu medizinischen und ärztlichen Leistungen. Die Bezahlung eines (auch herab­gesetzten) Beitrages ist dem mittellosen Minderjährigen nicht möglich. Sein existenznotwendiger Bedarf an Schutz bei Krankheit ist daher derzeit nicht gedeckt und wird auch von der sozialpädagogischen Einrichtung S. I. im Rahmen des Leistungsbereiches Volle Erziehung nicht erbracht. Für die Leistung von Krankenhilfe durch den Kinder- und Jugendhilfeträger finden sich weder im unmittelbar anzuwendenden Bundesrecht des B-KJHG, noch im NÖ Kinder- und Jugendhilfegesetz entsprechende Bestimmungen. Demnach handelt es sich um die Pflege und Erziehung eines Minderjährigen außerhalb der Familie oder sonstigen bisherigen Lebenswelt. Ein Anspruch auf sozial(versicherungs-) rechtliche Leistungen, insbesondere Leistungen der Krankenhilfe, ist aus der Gewährung der Vollen Erziehung nicht ableitbar. Der existenznotwendige Bedarf an Schutz bei Krankheit wurde vielmehr in Art. 3 der Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG über eine bundesweite bedarfsorientierte Mindestsicherung, BGBl. I Nr. 96/2010, aufgenommen. Die Umsetzung dieses Bedarfs erfolgt in den einzelnen Mindestsicherungsgesetzen der Bundesländer. Da der minderjährige Beschwerdeführer seinen Hauptwohnsitz seit 12. März 2013 in O. hat, ist der Bezirkshauptmannschaft A. als Mindestsicherungsbehörde eine Entscheidung über dessen Mindestsicherungs­ansprüche mangels örtlicher Zuständigkeit verwehrt. Demnach liegt sehr wohl eine Notlage im Sinn des Oö. BMSG beim Beschwerdeführer vor, welche auf keinem anderen Weg als durch Leistung von Krankenhilfe gemäß § 17 Oö. BMSG beseitigt werden kann.

 

I.3.       Mit Schreiben vom 3. März 2016, beim Oö. Landesverwaltungsgericht eingelangt am 7. März 2016, legte die belangte Behörde die Beschwerde samt bezughabenden Verwaltungsakt dem Oö. Landesverwaltungsgericht vor. Dieses ist gemäß § 2 VwGVG zur Entscheidung durch seine nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelrichterin berufen.

 

I.4.       Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Aktenein­sicht. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG unterbleiben, zumal sich der entscheidungsrelevante Sachverhalt aus dem Verfahrensakt ergibt, ausschließlich eine Rechtsfrage zu beantworten ist und die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtslage nicht erwarten lässt. Zudem wurde kein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt.

 

I.4.1.    Das Landesverwaltungsgericht geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

 

Der zum Antragszeitpunkt minderjährige Bf, geb. x, r. Staatsangehöriger, wurde im Rahmen der Vollen Erziehung nach dem NÖ. Kinder- und Jugendhilfegesetz in der S. in L. untergebracht. Durch das Pflegschaftsgericht wurde die Obsorge über den Minderjährigen an die Bezirkshauptmannschaft A. übertragen.

 

Eine Mitversicherung in der Krankenversicherung der Eltern ist nicht möglich, da die Mutter des Beschwerdeführers den Kontakt zur obsorgeberechtigten Kinder- und Jugendhilfe sowie zum Beschwerdeführer verweigert und selbst keine Sozialversicherung aufweist und ein Vater von der Mutter nie angegeben wurde.

 

Für die Tragung der Kosten für die erforderlichen Kranken- und Zahn­behandlungen des Bf beantragte die obsorgeberechtigte Bezirksverwaltungs­behörde am 14. Oktober 2015 die Einbeziehung des Bf in die Kranken­versicherung nach dem Oö. BMSG gemäß § 17 Abs. 3 Oö. BMSG, diesem Antrag wurde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid von der belangten Behörde keine Folge gegeben.

 

I.4.2.    Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt und ist in dieser Form unbestritten.

 

I.5.       Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

I.5.1.    Gemäß § 2 Abs. 5 Oö. Mindestsicherungsgesetz (Oö. BMSG), LGBl. Nr. 74/2011 idgF, sind Leistungen bedarfsorientierter Mindestsicherung subsidiär (Subsidiaritätsprinzip).

 

Gemäß § 5 Oö. Mindestsicherungsgesetz – Oö. BMSG, LGBl. Nr. 74/2011 idgF, ist Voraussetzung für die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung, dass eine Person im Sinn des § 4

1.  von einer sozialen Notlage (§ 6) betroffen ist

2.  bereit ist, sich um die Abwendung, Milderung bzw. Überwindung der sozialen             Notlage zu bemühen (§ 7).

 

Gemäß § 6 Abs. 1 Oö. BMSG liegt eine soziale Notlage bei Personen vor, die

1.  ihren eigenen Lebensunterhalt und Wohnbedarf oder

2.  den Lebensunterhalt und Wohnbedarf von unterhaltsberechtigten        Angehörigen, die mit ihnen in Hausgemeinschaft leben,

nicht decken können oder im Zusammenhang damit den erforderlichen Schutz bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung nicht gewährleisten können.

 

Gemäß § 6 Abs. 2 leg.cit. umfasst der Lebensunterhalt den Aufwand für die regelmäßig wiederkehrenden Bedürfnisse zur Führung eines menschenwürdigen Lebens, insbesondere für Nahrung, Bekleidung, Körperpflege, Hausrat, Beheizung und Strom sowie andere persönliche Bedürfnisse für die angemessene soziale und kulturelle Teilhabe.

 

Gemäß § 6 Abs. 5 leg.cit. gelten nicht als soziale Notlage Situationen, für die bereits auf der Basis anderer gesetzlicher Grundlagen ausreichend Vorsorge getroffen wurde.

 

Gemäß § 17 Abs. 1 Oö. BMSG ist für die Dauer der Leistungszuerkennung vom Träger bedarfsorientierter Mindestsicherung bei leistungsbeziehenden Personen nach § 13, die über keine gesetzliche Krankenversicherung verfügen, für die Dauer der Leistungszuerkennung bei der Oö. Gebietskrankenkasse für die Versicherung Sorge zu tragen.

 

Gemäß § 17 Abs. 2 Oö. BMSG sind Leistungen nach Abs. 1 durch die Übernahme der Beiträge für die gesetzliche Krankenversicherung nach § 9 ASVG sicherzu­stellen.

 

Gemäß § 17 Abs. 3 leg.cit. sind die Kosten für alle erforderlichen Leistungen, wie sie Versicherte der Oö. Gebietskrankenkasse für Sachleistungen und Begünsti­gungen bei Krankheit (einschließlich Zahnbehandlung und Zahnersatz), Schwangerschaft und Entbindung beanspruchen können, soweit eine Einbeziehung der hilfesuchenden Personen in die gesetzliche Kranken­versicherung im Einzelfall nicht möglich ist, zu übernehmen.

 

Gemäß § 209 erster Satz ABGB hat das Gericht die Obsorge dem Jugendwohlfahrtsträger zu übertragen, wenn eine andere Person mit der Obsorge für einen Minderjährigen ganz oder teilweise zu betrauen ist und sich dafür Verwandte oder andere nahestehende oder sonst besonders geeignete Personen nicht finden.

 

Gemäß § 158 Abs. 1 ABGB hat, wer mit der Obsorge für ein minderjähriges Kind betraut ist, es zu pflegen und zu erziehen, sein Vermögen zu verwalten und es in diesen sowie in allen anderen Angelegenheiten zu vertreten; Pflege und Erziehung sowie die Vermögensverwaltung umfassen auch die gesetzliche Vertretung in diesem Bereichen.

 

Gemäß § 160 Abs. 1 ABGB umfasst die Pflege des minderjährigen Kindes, besonders die Wahrnehmung des körperlichen Wohles und der Gesundheit sowie die unmittelbare Aufsicht, die Erziehung, besonders die Entfaltung der körperlichen, geistigen, seelischen und sittlichen Kräfte, die Förderung der Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes sowie dessen Ausbildung in Schule und Beruf.

 

Gemäß § 4 Z 5 NÖ Kinder- und Jugendhilfegesetz (NÖ KJHG), LGBl. Nr. 9270-0 idgF ist es Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe, unter Berücksichtigung der Grundsätze des Übereinkommens über die Rechte des Kindes im erforderlichen Ausmaß die Übernahme und Ausübung der Obsorge, wenn die Erziehungs­berechtigten dazu nicht in der Lage sind, zu besorgen.

 

I.5.2.    Voraussetzung für die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung ist u.a., dass eine Person von einer sozialen Notlage betroffen ist. Eine soziale Notlage liegt u.a. bei Personen vor, die ihren eigenen Lebensunterhalt und Wohnbedarf nicht decken oder im Zusammenhang damit den erforderlichen Schutz bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung nicht gewährleisten können. Nicht als soziale Notlage gelten Situationen, für die bereits auf Basis anderer gesetzlicher Grundlagen ausreichend Vorsorge getroffen wurde (§ 6 Abs. 5 Oö. BMSG).

 

Für den zum Antragszeitpunkt minderjährigen Beschwerdeführer wurde – wie im Verfahren unbestritten blieb – gemäß § 209 ABGB die Obsorge durch das Pflegschaftsgericht an die Bezirkshauptmannschaft A. als regionale Organisationseinheit des Kinder- und Jugendhilfeträgers Land N. übertragen. Aus dieser Übertragung resultiert auch die Verpflichtung, für die Wahrnehmung des körperlichen Wohls und der Gesundheit des Minderjährigen Sorge zu tragen. Sofern nicht ausdrücklich abweichende gesetzliche Regelungen anderes bestimmen, obliegt es daher dem mit der Obsorge betrauten Jugendwohlfahrtsträger nicht nur, für die Bereitstellung allenfalls erforderlicher medizinischer Maßnahmen zu sorgen, sondern hat dieser im Rahmen der ihm übertragenen Aufgabe der Wahrnehmung der Obsorge auch für die Kostentragung dieser Maßnahmen die erforderlichen Aufwendungen zu leisten.

 

Da die Bezirkshauptmannschaft A. im Rahmen der ihr vom zuständigen Pflegschaftsgericht übertragenen Obsorge für den Antragsteller für die Wahrnehmung des körperlichen Wohls und der Gesundheit des Minderjährigen zu sorgen hat (vgl. § 160 ABGB), ist für die beantragte Leistung bereits ausreichend aufgrund anderer gesetzlicher Bestimmungen Vorsorge getroffen und liegt eine soziale Notlage nicht vor. Der Bescheid der belangten Behörde, mit dem der Antrag vom 14. Oktober 2015 auf Leistungen nach dem Oö. BMSG für den Minderjährigen abgewiesen wurde, kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.      

 

 

II.          Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzu­bringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr.in Andrea Panny