LVwG-650676/10/MZ

Linz, 06.09.2016

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter          Mag. Dr. Markus Zeinhofer über die Beschwerde des C A, geb x, vertreten durch RA Dr. J P, S, M, gegen den mündlich verkündeten Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 10.5.2016, GZ. VerkR21-742-2014, den

B E S C H L U S S

gefasst:

 

I.          Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

 

II.         Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. Mit mündlich verkündetem und niederschriftlich festgehaltenem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 10.5.2016, GZ. VerkR21-742-2014, wurde die Lenkberechtigung des Beschwerdeführers (in Folge: Bf) für die Gruppen 1 und 2 bis 10.5.2018 befristet und begleitende Maßnahmen bzw Auflagen vorgeschrieben.

 

Die vom Bf unterfertigte Niederschrift enthält folgenden Passus:

„Ich akzeptiere diese führerscheinrechtliche Maßnahme, nehme den hiermit mündlich verkündeten Bescheid an und verzichte auf ein Rechtsmittel.“

 

II. Gegen den og Bescheid erhob der Bf rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde.

 

Mangels weiterer Verfahrensrelevanz erübrigt sich die Wiedergabe des Beschwerdevorbringens.

 

III.a.) Die belangte Behörde hat die Beschwerde unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsaktes, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art 130 Abs 1 Z 1 iVm 131 Abs 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art 135 Abs 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

 

b) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt und die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, an welcher der Bf und die Zeugin Ulrike Ploier-Niederschick teilgenommen haben.

 

c.1) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht von folgendem Sachverhalt aus:

 

Am 10.5.2016 hatte der Bf einen Termin bei der Amtsärztin der belangten Behörde betreffend die Verlängerung seiner befristeten Lenkberechtigung. Die Amtsärztin verfasste ein Gutachten, wonach wiederum eine Befristung der Lenkberechtigung des Bf sowie diverse Auflagen notwendig seien. Der Bf verstand nach eigenen Angaben die Notwendigkeit dieser Vorschreibungen nicht, begab sich jedoch mit dem Gutachten der Amtsärztin zur Führerscheinbehörde. Die dortige Bearbeiterin – die im Verfahren vernommene Zeugin – besprach mit dem Bf das ärztliche Gutachten, woraufhin der Bf das ärztliche Gutachten akzeptierte. Die Zeugin verkündete daraufhin den hier verfahrensgegenständlichen Bescheid und verfasste die in Punkt I. genannte Niederschrift, welche folgenden Passus enthält: „Ich akzeptiere diese führerscheinrechtliche Maßnahme, nehme den hiermit mündlich verkündeten Bescheid an und verzichte auf ein Rechtsmittel.“ Der Bf unterfertigte die Niederschrift.

 

Am Nachmittag des 10.5.2016 teilte der Bf erst der Amtsärztin und in Folge der Zeugin telefonisch mit, nunmehr doch nicht mit dem Ergebnis der vormittäglichen Amtshandlung einverstanden zu sein und erklärte, nachdem die Zeugin auf das abgeschlossene Verfahren hinwies, einen Rechtsanwalt einzuschalten.

 

c.2) Soweit der Sachverhalt klärungsbedürftig war ergibt er sich aufgrund folgender Überlegungen:

 

Das bei der öffentlichen mündlichen Verhandlung als Zeugin einvernommene Behördenorgan, welches den in Rede stehenden Bescheid erlassen hat, gab auf Befragung durch den Verhandlungsleiter nach dem üblichen Prozedere in derartigen Fällen an, dass die Parteien mit dem ärztlichen Gutachten vom Sanitätsdienst zu ihr kommen würden. Im Anschluss bespreche man das ärztliche Gutachten. Wenn die Partei das Gutachten akzeptiert, ergeht in Folge ein mündlicher, niederschriftlich festgehaltener Bescheid, bei welchem nach Belehrung auch ein Rechtsmittelverzicht abgegeben wird. Andernfalls werde ein schriftlicher Bescheid erlassen.

 

Befragt zum vorliegenden Fall gab die Zeugin unter Verweis auf die Vielzahl der zwischenzeitlich abgeführten Verfahren an, keine umfassende Erinnerung mehr zu haben. Sie gehe aber davon aus, nach dem dargestellten „Standardprozedere“ vorgegangen zu sein. Sie erinnere sich zudem daran, dass ihr aufgefallen war, dass die Amtsärztin nunmehr eine weitere Auflage (0,0 Promille) vorgeschrieben hatte, dass der Bf dies aber offenbar akzeptierte.

 

In diesem Zusammenhang gab der Bf auf Befragung durch den Verhandlungsleiter an, mit der Gesamtsituation überfordert gewesen zu sein und die ihm zur Unterschrift vorgelegten Schriftstücke nur überflogen zu haben.

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich sieht keinen Grund, an den im Wesentlichen übereinstimmenden Aussagen der Verhandlungsteilnehmer zu zweifeln; aus diesen lässt sich der in vorigem Punkt dargestellte Sachverhalt ableiten.

 

 

 

 

IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

a) Die einschlägige Bestimmung des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes – VwGVG, BGBl I 2013/33 idF BGBl I 2015/82 (VfGH), lautet:

 

„Beschwerderecht und Beschwerdefrist

§ 7. (1) …

(2) Eine Beschwerde ist nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach der Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat.

(3) …“

 

b) Gem § 7 Abs 2 VwGVG ist eine Beschwerde nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach der Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat. Aufgrund des gleichen Wortlauts des § 63 Abs 4 AVG kann die zum Verzicht auf eine Berufung ergangene höchstgerichtliche Rechtsprechung dienlich gemacht werden (siehe dazu Hengstschläger/Leeb, AVG IV [2009] § 71 Rz 74ff).

 

Beim Berufungsverzicht handelt es sich demnach, wie auch bei der dem Wesen nach vergleichbaren Zurückziehung einer Berufung, um eine von der Partei vorzunehmende Prozesshandlung, die bewirkt, dass eine von der Partei nachträglich dennoch eingebrachte Berufung einer meritorischen Erledigung nicht mehr zugeführt werden darf. Mit dem Einlangen des Verzichts erwächst der (angefochtene) Bescheid somit in formelle Rechtskraft. Ein einmal wirksam ausgesprochener Verzicht ist als Prozesshandlung unwiderruflich und kann daher nicht mehr zurückgenommen werden, weshalb sein Vorliegen besonders streng zu prüfen ist (VwGH 25.10.2006, 2003/21/0037). Eine dennoch eingebrachte Berufung ist (unabhängig davon, ob im Zeitpunkt des Verzichts bzw der Zurücknahme der Berufung die Rechtsmittelfrist noch offen war oder ist) wegen des endgültigen Verlusts der Berufungslegitimation als unzulässig zurückzuweisen (VwSlg 4466 F/1972; VwGH 29.3.1995, 90/10/0041; 13.8.2003, 2001/11/0202).

 

Vor diesem Hintergrund verlangt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung gemäß dem im Prozessrecht herrschenden Grundsatz der Eindeutigkeit von Parteihandlungen, dass der Berufungsverzicht sowie die Zurückziehung der Berufung ausdrücklich und zweifelsfrei auszusprechen sind (vgl VwGH 11.7.2003, 2000/06/0173). Der Berufungsverzicht sowie die Zurückziehung der Berufung müssen zudem als öffentlich-rechtliche Willenserklärungen frei von Willensmängeln sein, um Rechtswirkungen zu entfalten. Der Verwaltungsgerichtshof zieht zum Teil für die Beurteilung von Willensmängeln die einschlägigen Regelungen des bürgerlichen Rechts über den Irrtum, insb § 871 ABGB, heran (VwGH 21.2.1996, 92/14/0057). Danach kommt eine rechtsverbindliche Willenserklärung der verzichtenden bzw zurückziehenden Partei ua dann nicht zustande, wenn sie in einem wesentlichen Irrtum befangen und dieser „durch den anderen Teil“, dh durch Organwalter der Behörde, „veranlasst war“. „Veranlassen“ umfasst in diesem Zusammenhang jedes für die Entstehung des Irrtums ursächliche Verhalten des anderen, dh des Organwalters, wobei nicht gefordert ist, dass die Irreführung schuldhaft (vorsätzlich oder fahrlässig) herbeigeführt wurde (VwGH 23.6.1993, 89/12/0200).

 

Ein Willensmangel liegt aber beispielsweise auch dann vor, wenn die Partei durch eine irreführende bzw unvollständige Rechtsbelehrung falsche Vorstellungen über die Folgen und Möglichkeiten einer Berufung bekommen hat, zB wenn die Behörde prognostiziert, dass die Berufung in keinem Fall Erfolg haben könnte (VwGH 25.10.2006, 2003/21/0037). Voraussetzung für eine(n) gültige(n) Berufungszurückziehung(-verzicht) ist neben der Kenntnis ihrer (seiner) Rechtsfolgen auch, dass die Partei nicht von der Behörde in rechtswidriger Weise (vgl VwGH 12.11.1992, 92/18/0160) durch Druck (VwGH 12.5.2005, 2005/02/0049), durch Zwang oder Drohung zur Abgabe bestimmt wurde (vgl VwGH 17. 12. 2004, 2004/03/0063). Abgesehen davon sind aber ansonsten die Motive für die Erklärung, die Berufung zurückzuziehen (auf sie zu verzichten), unerheblich (VfGH 27.11.2006, B 299/06).

 

Im Übrigen ist allerdings nur das von der Partei (klar und eindeutig) Erklärte, die Erklärung des Willens, nicht der Wille selbst maßgeblich, dh die Prozesshandlung wirkt, weil sie gesetzt, nicht weil sie gewollt ist (VwGH 30.9.1981, 81/03/0077; VwSlg 12.616 A/1988). Auf die Absichten, Motive und Beweggründe, welche die Partei zum Verzicht bzw zur Zurückziehung veranlasst haben, kommt es nicht an, solange keine Anhaltspunkte vorliegen, dass die Partei dazu von der Behörde durch Druck, Zwang oder Drohung bewogen wurde (VwSlg 12.616 A/1988; VwGH 12.11.1992, 92/18/0160; 17.12.2004, 2004/03/0063).

 

c) Der Bf hat in der mündlichen Verhandlung zwar ausgesagt, das Gutachten der Amtsärztin nicht nachvollziehen haben zu können und mit dieser keinen Konsens gefunden zu haben. Die Zeugin hat allerdings im Verfahren glaubwürdig dargelegt, dass sie mit dem Bf das amtsärztliche Gutachten besprochen und nur deshalb einen mündlichen Bescheid erlassen hat, weil der Bf das Gutachten schließlich akzeptiert hat. In Folge hat der Bf trotz einer entsprechenden Belehrung auch den genannten Beschwerdeverzicht unterschrieben.

 

Dass der Bf die Unterschrift nicht irrtümlich geleistet hat geht schon daraus hervor, als er noch am Nachmittag desselben Tages bei der Behörde anrief um seine nunmehrige Meinungsänderung mitzuteilen. Indizien, dass auf den Bf von Seiten der Behörde Zwang, Druck oä ausgeübt wurde, liegen nicht vor.

 

Vor diesem Hintergrund ist im Sinne der oben wiedergegebenen Judikatur von einem im Zeitpunkt der Abgabe nicht mit Willensmängeln behafteten Beschwerdeverzicht auszugehen, der nicht zurückgezogen werden kann.

 

Dem Bf fehlt es daher an der Rechtsmittellegitimation, weshalb die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen ist.

 

V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da es sich bei der Frage, ob konkret der Bf einen von Willensmängeln freien Beschwerdeverzicht abgegeben hat, nicht der Verallgemeinerung fähig ist und die Entscheidung zudem der oben zitierten, nicht uneinheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entspricht.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Dr. Markus Zeinhofer