LVwG-150950/16/AL/CH - 150952/2

Linz, 17.08.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Dr. Astrid Lukas über die Beschwerde 1. der B. S., 2. des S. S. und 3. des A. S., alle vertreten durch Rechtsanwalt Mag. W. K., B x, x L, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Pasching vom 16.11.2015, Z: Bau-4258-2015, betreffend einen Beseitigungsauftrag nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 20.7.2016

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG wird der Beschwerde insofern stattgegeben, als der Spruch des angefochtenen Bescheides vom 16.11.2015 wie folgt zu lauten hat:

 

Gemäß § 49 Abs 1 Oö. BauO 1994 wird Ihnen aufgetragen, für den Zubau des Abstellraumes (etwa 4,60m x 5,20m) an der süd-westlichen Grundgrenze des Grundstückes Nr. x, EZ x, KG P, als bewilligungslos errichteter baulicher Anlage die Baubewilligung binnen 2 Monaten nach Zustellung dieses Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich zu beantragen oder die bauliche Anlage binnen einer Frist von weiteren 4 Monaten zu beseitigen.

Gemäß § 49 Abs 1 Oö. BauO 1994 wird Ihnen aufgetragen, binnen einer Frist von 4 Monaten ab Zustellung dieses Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich die Terrasse (etwa 4,60m x 5,40m) auf dem Dach des an der süd-westlichen Grundgrenze des Grundstückes Nr. x, EZ x, KG P, befindlichen Abstellraumes als bewilligungslos errichtete bauliche Anlage zu beseitigen.“

 

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.             Verfahrensgang:

 

1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Pasching vom 22.7.2015, Z: Bau-4258-2015, wurde den Beschwerdeführern (in der Folge: Bf) aufgetragen, binnen einer Frist von 4 Monaten nach Rechtskraft des Bescheides die bewilligungslos errichtete bauliche Anlage, Zubau eines Abstellraumes mit darauf befindlicher Terrasse im OG, an der westlichen Nachbargrundgrenze, zu beseitigen“.

 

2. Den dagegen erhobenen Berufungen der Bf gab der Gemeinderat der Gemeinde Pasching (in der Folge: belangte Behörde) mit Bescheid vom 16.11.2015, Z: Bau-4258-2015, keine Folge.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Abstellraum im Ausmaß von 19,84 m2 stelle ein konsensloses Bauvorhaben gemäß § 24 Abs 1 lit. 2 Oö. BauO 1994, LGBl. 66/1994 dar. Die Möglichkeit, nachträglich die Bau­bewilligung für eine konsenslos errichtete bauliche Anlage zu beantragen, sei dann nicht einzuräumen, wenn nach der maßgeblichen Rechtslage eine Bau­bewilligung nicht erteilt werden kann. Der rechtsgültige Bebauungsplan Nr. x sei im Gemeinderat am 11.11.2010 beschlossen worden. Er enthalte hinsichtlich der Zulässigkeit von Bauten im seitlichen Bauwich folgende Verbalfestlegung: „so2 ... zu den seitlichen Bauplatzgrenzen sind die Mindestabstände gem Oö. Bautechnikgesetz einzuhalten.“ In der ständigen Judikatur gehe der Verwaltungs­gerichtshof davon aus, dass der Inhalt von Bebauungsplänen nach den maßgeblichen Normen im Zeitpunkt der Beschlussfassung zu beurteilen ist, soweit nicht gesetzliche Bestimmungen Abweichendes anordnen.

In Ermangelung einer abweichenden Regelung im (neuen) Oö. BauTG 2013 könne sich der hier zu beurteilende Verweis im Bebauungsplan daher nur auf die zum Zeitpunkt seiner Beschlussfassung (11.11.2010) geltenden baurechtlichen Bestimmungen über die Zulässigkeit von Bauten im Seitenabstand beziehen. Das seien die Vorschriften in § 6 Oö. BauTG 1994. Danach wären im Seitenabstand – lediglich – die in § 6 Abs 1 leg cit genannten Gebäude zulässig.

Für den gegenständlichen „Abstellraum“ käme nur der Ausnahmetatbestand der Z 4 in Betracht, was aber zunächst voraussetzen würde, dass es sich nicht um einen Zubau zum Hauptgebäude handelt, sondern um ein angebautes Neben­gebäude. Allerdings werde selbst bei Zutreffen dieser Voraussetzung die im Seitenabstand maximal zulässige bebaute Fläche von 12 m2 überschritten. Abgesehen davon entspreche auch die im Obergeschoß eingezeichnete Terrasse nicht den Abstandsbestimmungen des § 6 Abs 2 Z 3 Oö. BauTG (1994). Somit stelle sich aufgrund dieses Widerspruchs die Frage, ob für das gegenständliche Bauwerk die in § 6 Abs 1 Z 3 lit c Oö. BauTG (1994) geregelte maximale Seiten­länge von 10m maßgeblich ist, nicht mehr. Im gegenständliche Fall widerspreche der Abstellraum im EG sowie die darauf befindliche Terrasse im OG den Abstandsbestimmungen des § 6 Abs 2 Z 3 Oö. BauTG (1994).

Nach dem der Behörde vorliegenden Bestandsplan vom 19.3.2015 würden die Gebäude an der westlichen Nachbargrundgrenze eine Gesamtlänge von 22,36m aufweisen. Somit wäre auch unter Anwendung der Abstandsbestimmungen des Oö. BauTG 2013 die darin genannte maximale Summe aller Gebäudelängen je Grundstücksgrenze von 15m bei weitem überschritten.

Da nach der maßgeblichen Rechtslage eine Baubewilligung nicht erteilt werden könne, sei auch die Möglichkeit, nachträglich die Baubewilligung zu beantragen, zu Recht nicht einzuräumen gewesen.

 

3. Gegen diesen Bescheid erhoben die Bf (im Wege ihrer rechtsfreundlichen Vertretung) mit Schriftsatz vom 17.12.2015 Beschwerde und stellten die Anträge, das Landesverwaltungsgericht möge gemäß Art. 130 Abs 4 B-VG und § 28 Abs 2 VwGVG den angefochtenen Bescheid aufheben und das Verwaltungs­verfahren einstellen; in eventu, den angefochtenen Bescheid dergestalt abändern, dass die Frist zur Beseitigung der konsenslos errichteten Gebäude auf 12 Monate ab Rechtskraft verlängert und gemäß § 24 Abs 1 VwGVG eine mündliche Verhandlung durchgeführt werde.

Begründend brachten die Bf im Wesentlichen vor, sie würden einen Antrag auf Erteilung der Baubewilligung nach den Bestimmungen der Oö. Bauordnung einbringen. Das bedeute, dass das Oö. Bautechnikgesetz 2013 zur Anwendung zu kommen habe. Die Behörde gehe u.a. auch aufgrund der vom Land Oberösterreich erteilten Rechtsauskunft rechtsirrig davon aus, dass die Abstandsbestimmungen des § 6 Abs 2 Z 3 Oö. BauTG 1994 anzuwenden seien. Es seien richtigerweise jedoch die Abstandsbestimmungen des § 41 Oö. BauTG 2013 anzuwenden, die eine weitreichendere Möglichkeit bieten würden, Gebäude an die Grundstücksgrenze zu bauen. Beim gegenständlichen Bauteil im Ausmaß von 19,84 m2 handle es sich um einen Abstellraum, sohin ein Nebengebäude, welches nicht als Wohnfläche diene. Die Bf würden die Erklärung abgeben, den Abstellraum nicht gewerblich zu nutzen. Es werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass im gültigen Bebauungsplan Nr. x dieses Gebäude als Bestand im derzeitigen Umfang ausgewiesen sei und daher davon auszugehen sei, dass das Objekt bewilligungsfähig ist. Wäre das Objekt nicht bewilligungsfähig, hätte es nicht in den Bebauungsplan Nr. x aufgenommen werden dürfen. Da der Bebauungsplan mit Bescheid der Oö. Landesregierung vom 29.11.2010 gemäß § 34 Oö. ROG 1994 aufsichtsbehördlich genehmigt worden sei, habe die Behörde bereits damals Kenntnis von einer allfällig konsenslosen Bauführung erhalten.

Die drei Bf hätten die Liegenschaft im Jahr 2014 käuflich erworben und hätten die Liegenschaft parifizieren wollen und diesbezüglich bei der Gemeinde Pasching vorgesprochen, woraufhin das gegenständliche Verwaltungsverfahren eingeleitet worden sei. Weiters liege eine Ungleichbehandlung dergestalt vor, dass bei Grundstücken, die über einen Bebauungsplan verfügen, das alte Bautechnik­gesetz anwendbar sei. Bei Grundstücken, die über keinen Bebauungsplan verfügen, das neue Bautechnikgesetz. Dadurch werde das verfassungsgesetzlich gewährleistete subjektive Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz gemäß Art 7 B-VG verletzt. Durch die Novelle zum Oö. Bautechnikgesetz würden die Abstands­bestimmungen insofern begünstigt, als nunmehr ein Heranbauen – wenn auch bei Nebengebäuden – erheblich erleichtert werde. Da für die gegenständliche Liegenschaft ein Bebauungsplan vorhanden sei, die alte Rechtslage anzuwenden sei und somit die Situation zu Lasten der Bf verschlechtert sei, sei der Abbruchbescheid sachlich nicht gerechtfertigt. Die Rechtsansicht der Gemeinde Pasching, aber auch des Landes Oberösterreich als Aufsichtsbehörde, sei unrichtig. Es sei jedenfalls nach dem Günstigkeitsprinzip vorzugehen. Das bedeute, dass die neue Rechtslage nach § 41 Oö. Bautechnikgesetz 2013 anzuwenden sei. Es sei festzuhalten, dass manche Nachbarn ebenfalls Zubauten – wie im gegenständlichen Objekt – errichtet hätten und diese von der Erst­behörde bewilligt worden seien. Es liege eine Ungleichbehandlung vor. Es lägen Divergenzen in der Auslegung der Bestimmungen vor.

In der Berufung vom 6.8.2015 sei festgehalten worden, dass die Frist zum Abbruch auf 12 Monate nach Rechtskraft des Berufungsbescheides verlängert werde. Die belangte Behörde habe sich mit dem Berufungsvorbringen und dem Antrag in keinster Weise auseinandergesetzt. Im Hinblick darauf, dass die gegenständliche Terrasse bereits seit mehr als einem halben Jahrzehnt konsenslos errichtet sei, werde beantragt, für den Fall, dass der Beschwerde nicht Folge gegeben werde, die Frist auf 12 Monate zu verlängern. Die Bf hätten das Objekt käuflich erworben und es seien auch noch Schadenersatz- und Gewährleistungsansprüche mit der Voreigentümerin zu klären. Es könne sein, dass ein Gerichtsverfahren längere Zeit in Anspruch nehme und sohin eine Frist von einem Jahr durchaus als angemessen erscheine. Es gehe von dem Zubau keine Gefahr aus, sodass auch Gefahr in Verzug nicht vorliege. Daher werde beantragt, der Beschwerde Folge zu geben und die Frist zur Beseitigung der konsenslos errichteten Gebäudeteile auf 12 Monate ab Rechtskraft bzw. Beschwerdeerteilung zu verlängern.

 

4. Mit Schreiben vom 2.3.2016 legte die belangte Behörde die Beschwerde der Bf dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung vor.

 

5. Am 20.7.2016 wurde eine öffentliche mündliche Verhandlung am Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich durchgeführt.

 

 

II.            Feststellungen, Beweiswürdigung:

 

1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsicht in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt (inklusive den darin enthaltenen Planunterlagen) sowie den für das betreffende Grundstück geltenden Bebauungsplanes Nr. x „A“ der Gemeinde Pasching vom 11.11.2010, einen aktuellen Grundbuchsauszug (ON 15), Einholung einer Auskunft des Planverfassers des im Behördenakt befindlichen Bestandsplans der x Ges.m.b.H vom 19.3.2015, Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 20.7.2016 und Einsichtnahme in das im Rahmen der mündlichen Verhandlung von den Bf beigebrachte Foto betreffend die derzeitige Bestandssituation (Beilage 3). Weiters wurde Einsicht in die von der Gemeinde Pasching vorgelegten Protokolle des Ausschusses für Raumplanung, Umwelt und Natur, Wirtschaft der Gemeinde Pasching, in denen der in Rede stehende Bebauungsplan Nr. x „A“ behandelt wurde, und Protokoll­auszüge zu den diesen Bebauungsplan betreffenden Gemeinderatssitzungen genommen.

 

 

2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von folgendem relevanten Sachverhalt aus:

 

Die Bf sind (zu je einem Drittel) grundbücherliche Eigentümer des Grundstücks mit der Grundstücksnummer x, EZ x, KG P, das sie mit Kaufvertrag vom 19.12.2014 samt dem darauf befindlichen Baubestand (Hauptgebäude, Abstellraum, Garage) erworben haben.

 

Auf dem Grundstück der Bf befindet sich unmittelbar im Anschluss an das Wohnhaus (Hauptgebäude) an der süd-westlichen Grundstücksgrenze dem im Akt der belangten Behörde befindlichen Bestandsplan zufolge ein Abstellraum mit Außenmaßen von etwa 4,60m x 5,20m und am Dach (in etwa 2,81m Höhe über dem Boden des Abstellraumes) eine Terrasse mit Ausmaßen von etwa 4,60m x 5,40m. Der Abstellraum ist allseits umschlossen und weist an der süd-westlichen und an der nord-westlichen Außenmauer weder eine Tür noch ein Fenster auf. Die auf dem Dach des Abstellraums befindliche, die gesamte Fläche des Abstell­raums einnehmende, Terrasse ist durch ein Holzgeländer umgrenzt und kann nur aus dem ersten Stock des Hauptgebäudes heraus durch eine Balkontür betreten werden. Eine Baubewilligung liegt für diese bauliche Anlage, wie auch von den Bf unbestritten ist, nicht vor.

 

Das Hauptgebäude weist an der süd-westlichen Grundgrenze dem im Akt befindlichen Bestandsplan zufolge eine Länge von ungefähr 12m auf. An dieser Grundgrenze befindet sich weiters baulich getrennt eine Garage, deren Außenmauer an der Grenze laut Bestandsplan eine Länge von 5,90m aufweist.

 

Für die Fläche, auf der sich der gegenständliche Abstellraum befindet, wird im Bebauungsplan beinahe zur Gänze die Sonderwidmung „so2“ – „Sonstige Bauweise – Sonderform einer offenen Bauweise“ festgelegt. Lediglich für einen schmalen Bereich an der Längsseite zum Hauptgebäude hin ist „so1“ – „Sonstige Bauweise“ festgelegt.

 

3. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus dem erstbehördlichen Akt und den Schriftsätzen der Bf. Betreffend den im Akt der Erstbehörde befindlichen Bestandsplan ist festzuhalten, dass – wie sich der vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich eingeholten Auskunft des von den Bf beauftragten Planverfassers entnehmen lässt – Naturmaße genommen wurden und die Baufluchtlinie des geltenden Bebauungsplanes entsprechend übernommen wurde.

 

 

III.           Maßgebliche Rechtslage:

 

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid […] auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z. 3 und 4) […] zu überprüfen.

 

Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

 

Die hier maßgeblichen Bestimmungen der Oö. Bauordnung 1994 (Oö. BauO 1994), LGBl. Nr. 66/1994, zuletzt geändert durch LGBl. Nr. 90/2013, lauten auszugsweise wie folgt:

 

㤠24

Bewilligungspflichtige Bauvorhaben

(1) Folgende Bauvorhaben bedürfen einer Bewilligung der Baubehörde (Baubewilligung), soweit die §§ 25 und 26 nichts anderes bestimmen:

1. der Neu-, Zu- oder Umbau von Gebäuden;

2. die Errichtung oder wesentliche (umbaugleiche) Änderung sonstiger Bauwerke über oder unter der Erde, die auf Grund ihrer Verwendung, Größe, Lage, Art oder Umgebung geeignet sind, eine erhebliche Gefahr oder eine wesentliche Belästigung für Menschen herbeizuführen oder das Orts- und Landschaftsbild zu stören;

[...]“

 

„§ 49
Bewilligungslose bauliche Anlagen

(1) Stellt die Baubehörde fest, daß eine bewilligungspflichtige bauliche Anlage ohne Baubewilligung ausgeführt wird oder bereits ausgeführt wurde, hat sie - unabhängig von § 41 - dem Eigentümer der baulichen Anlage mit Bescheid aufzutragen, entweder nachträglich innerhalb einer angemessen festzusetzenden Frist die Baubewilligung zu beantragen oder die bauliche Anlage innerhalb einer weiters festzusetzenden angemessenen Frist zu beseitigen und gegebenenfalls den vorigen Zustand wiederherzustellen. Die Möglichkeit, nachträglich die Baubewilligung zu beantragen, ist dann nicht einzuräumen, wenn nach der maßgeblichen Rechtslage eine Baubewilligung nicht erteilt werden kann.

[...]“

 

 

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Landesgesetzes über die bautechnischen Anforderungen an Bauwerke und Bauprodukte (Oö. Bautechnik­gesetz 2013 - Oö. BauTG 2013), LGBl. Nr. 35/2013 idF LGBl. Nr. 38/2016, lauten auszugsweise wie folgt:

 

„§ 40
Abstandsbestimmungen für Gebäude und Schutzdächer

Soweit der Bebauungsplan nichts anderes festlegt, gilt für die Lage und Höhe von Gebäuden und Schutzdächern:

1. Beim Neu- und Zubau von Gebäuden ist, sofern sich aus den folgenden Ziffern nichts anderes ergibt, zu den Bauplatz- oder Nachbargrundgrenzen ein Mindestabstand, gemessen von der fertigen Außenwand, von 3 m einzuhalten. Bei Gebäudeteilen, die höher als 9 m sind, muss der Abstand wenigstens ein Drittel ihrer Höhe betragen.

2. [...]“

 

„§ 41
Ausnahmen von den Abstandsbestimmungen

(1) Soweit der Bebauungsplan nichts anderes festlegt, gelten die Abstandsbestimmungen zu den Bauplatz- oder Nachbargrundgrenzen nicht für:

1. [...]

5. Gebäude und Schutzdächer sowie Teile davon, auch wenn sie unterkellert sind, unter folgenden Voraussetzungen:

a) die im Abstand gelegenen Räume und Teile von Schutzdächern dürfen nicht für betriebliche Zwecke oder zur Haltung von Tieren genutzt werden;

b) soweit die den Nachbargrundgrenzen zugewandten Außenwände einen Abstand von weniger als 2 m zur Nachbargrundgrenze aufweisen, sind in diesen Türen und Fenster unzulässig; in Außenwänden, die an solche Außenwände anschließen, müssen Türen und Fenster von der Nachbargrundgrenze einen Abstand von mindestens 1 m aufweisen, soweit es sich nicht um Einfahrten, Garagentore, Loggien und dergleichen handelt;

c) die Summe aller im jeweiligen Abstand gelegenen, den Nachbargrundstücken zugewandten Längen der Bauwerke einschließlich allfälliger Dachvorsprünge darf 15 m nicht überschreiten;

d) die Traufenhöhe von im Abstand gelegenen Bauwerksteilen darf 3 m über dem Erdgeschoßfußboden nicht überschreiten; reicht der einzige Fußboden unter das künftige Gelände, ist die Traufenhöhe über dem höchsten angeschnittenen künftigen Gelände zu messen;

e) die Gesamthöhe von im Abstand gelegenen Bauwerksteilen (wie Dachgiebeln) darf 7 m nicht überschreiten; § 40 Z 6 gilt sinngemäß; Mansarddächer sind in diesem Bereich unzulässig;

f) bei Pultdächern mit einem dem Nachbargrundstück zugewandten First darf dessen Höhe 3 m über dem Erdgeschoßniveau nicht überschreiten;

[...]

(2) Die Mindestabstände zu den Bauplatz- oder Nachbargrundgrenzen können unterschritten werden mit:

[...]

3. das künftige Gelände überragenden Terrassen und Treppen im Freien, Balkonen, üblichen Dachvorsprüngen und angebauten Werbeeinrichtungen um 2 m; ein Mindestabstand von 2 m gegen die Bauplatz- oder Nachbargrundgrenzen darf jedoch nicht unterschritten werden;

[...]“

 

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des normativen Inhalts des Bebauungs­planes Nr. x „A“ vom 11.11.2010, kundgemacht am 20.12.2010, der Gemeinde Pasching lauten auszugsweise wie folgt:

 

„so1 SONSTIGE BAUWEISE: innerhalb des durch die Baufluchtlinien abgegrenzten Bereiches ist unabhängig von den Bauplatzgrenzen zur Gänze eine Bebauung zulässig. Bei Neuerrichtung von Gebäuden sind bei Bauplätzen mit angrenzender überwiegender Wohnnutzung zu den seitlichen Grundstücksgrenzen die Abstandsbestimmungen gem. Oö. BauTG einzuhalten. [...]

 

so2 SONSTIGE BAUWEISE – SONDERFORM EINER OFFENEN BAUWEISE: zu den seitlichen Bauplatzgrenzen sind die Mindestabstände gem. Oö. Bautechnikgesetz einzuhalten. Zur hinteren durch die Baufluchtlinie festgelegten Grenze ist unabhängig von den Bauplatzgrenzen zur Gänze eine Bebauung zulässig.“

 

 

IV.          Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat über die rechtzeitige und zulässige Beschwerde durch seine zuständige Einzelrichterin erwogen:

 

1. Vorweg ist festzustellen, dass Gegenstand der vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zu beurteilenden Beschwerde der von der belangten Behörde erteilte Beseitigungsauftrag des Abstellraumes samt Terrasse gemäß § 49 Abs 1 Oö. BauO 1994 ist.

 

1.1. Gemäß § 49 Abs 1 Oö. BauO 1994 hat die Baubehörde dann, wenn sie feststellt, dass eine bewilligungspflichtige bauliche Anlage ohne Baubewilligung ausgeführt wird oder wurde, dem Eigentümer aufzutragen, entweder die Baubewilligung zu beantragen oder die bauliche Anlage innerhalb einer weiters festzusetzenden angemessenen Frist zu beseitigen. Vor der Erteilung eines baupolizeilichen Auftrags nach § 49 Abs 1 Oö. BauO 1994 ist somit grundsätzlich die Möglichkeit zu gewähren, ein Bewilligungsansuchen zu stellen. Allerdings gilt dies dem letzten Satz des § 49 Abs 1 leg cit zufolge lediglich dann, wenn die betreffende bauliche Anlage grundsätzlich überhaupt bewilligungsfähig ist.

 

Nicht bewilligungsfähig ist gemäß § 30 Abs 6 iVm § 25a Abs 1 Z 1 Oö. BauO 1994 etwa ein Bauvorhaben, das einem Flächenwidmungsplan oder Bebauungs­plan widerspricht. Die Erlassung eines Beseitigungsauftrages ohne Einräumung der Möglichkeit ein Bewilligungsansuchen zu stellen, wäre daher etwa dann gerechtfertigt, wenn die bauliche Anlage den Bestimmungen des Flächenwidmungsplanes oder des Bebauungsplanes widerspricht (VwGH 4.10.1983, 83/05/0104).

 

1.2. Im vorliegenden Fall ist daher vorweg zu prüfen, ob die durch den gegenständlichen baupolizeilichen Bescheid zu beseitigenden baulichen Anlagen grundsätzlich bewilligungsfähig iSd § 49 Abs 1 Oö. BauO 1994 sind: Der vom Beseitigungsauftrag erfasste Abstellraum stellt eine bewilligungspflichtige bauliche Anlage iSd § 24 Abs 1 Oö. BauO 1994 dar. Die darauf befindliche Terrasse ist ebenfalls ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben im Sinne des § 24 Abs 1 Z 2 Oö. BauO 1994. Unstrittig ist, dass eine Bewilligung weder für den Abstellraum noch für die darauf befindliche Terrasse besteht.

 

2. Gemäß § 40 Satz 1 und § 41 Abs 1 Oö. BauTG 2013 sind die darin normierten Abstandsbestimmungen anzuwenden, soweit der Bebauungsplan nichts anderes festlegt. Der für das gegenständliche Grundstück der Bf geltende Bebauungsplan Nr. x der Gemeinde Pasching legt für die Fläche „so2 – Sonstige Bauweise – Sonderform einer offenen Bauweise“, auf der sich der Abstellraum im weit überwiegenden Ausmaß befindet, fest: „zu den seitlichen Bauplatzgrenzen sind die Mindestabstände gem. Oö. Bautechnikgesetz einzuhalten. Zur hinteren durch die Baufluchtlinie festgelegten Grenze ist unabhängig von den Bauplatzgrenzen zur Gänze eine Bebauung zulässig.“ Der geltende Bebauungsplan verweist damit hinsichtlich der einzuhaltenden Abstände an der süd-westlichen Grundgrenze auf die Abstandsbestimmungen des „Oö. Bautechnikgesetzes“.

 

2.1. Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung des Bebauungsplans Nr. x „A“ geht dabei jedoch nicht ausdrücklich hervor, ob auf das jeweils in Geltung stehende Oö. BauTG verwiesen wird oder damit etwa ein Verweis auf eine bestimmte Fassung des Oö. BauTG erfolgt, ob es sich also bei dem Verweis auf das „Oö. Bautechnikgesetz“ um einen statischen oder um einen dynamischen Verweis handelt. Eine allein am Wortlaut des Bebauungsplans orientierte Auslegung des Verweises führt daher zu keinem eindeutigen Ergebnis. Auch lässt sich der historische Wille des den Bebauungsplan erlassenden Gemeinderates aus den Materialien nicht entnehmen. Betrachtet man die in Rede stehende Bestimmung des Bebauungsplanes aber unter teleologisch-systematischen Gesichtspunkten, wird deutlich, dass sie im konkreten Fall im Rahmen einer Gesamtbetrachtung sämtlicher maßgeblicher Umstände – entgegen der im bekämpften Bescheid vertretenen Auffassung – als dynamischer Verweis auf die Abstandsbestimmungen des jeweils geltenden Oö. BauTG zu verstehen ist:

 

Der Bebauungsplan teilt die bebaubaren Flächen durch Baufluchtlinien in zwei verschiedene Bereiche. Für den hier gegenständlichen Bereich legt „so2“ – „Sonstige Bauweise – Sonderform einer offenen Bauweise“ fest, dass „zu den seitlichen Bauplatzgrenzen (...) die Mindestabstände gem. Oö. Bautechnikgesetz einzuhalten“ sind. Dagegen ist jedoch zur „hinteren durch die Baufluchtlinie festgelegten Grenze (...) unabhängig von den Bauplatzgrenzen zur Gänze eine Bebauung zulässig“. Auch für jenen Teil der Grundstücke, der zur süd-östlichen Grundstücksgrenze an die Bx x grenzt und für den „so1“- „Sonstige Bauweise“ festgelegt ist, gilt grundsätzlich, dass „innerhalb des durch die Baufluchtlinien abgegrenzten Bereiches (...) unabhängig von den Bauplatzgrenzen zur Gänze eine Bebauung zulässig“ ist. Dagegen sind bei der „Neuerrichtung von Gebäuden (...) bei Bauplätzen mit angrenzender Wohnnutzung zu den seitlichen Grundstücksgrenzen die Abstandsbestimmungen gem. Oö. BauTG“ einzuhalten.

Daraus wird deutlich, dass für die beiden Bereiche jeweils eine besondere Vorgabe getroffen wird, nach der Abstandsbestimmungen in bestimmten Fällen nicht eingehalten werden müssen (zu den seitlichen Bauplatzgrenzen im Falle von bestehenden Gebäuden im Bereich „so1“ bzw zu den hinteren Bauplatz­grenzen im Bereich „so2“). Im Übrigen wird aber in beiden Bereichen die Anwendung der allgemeinen Abstandsbestimmungen, wie sie im „Oö. Bautechnikgesetz/Oö. BauTG“ normiert sind, bestimmt.

 

Für beide Bereiche werden damit Ausnahmen von den allgemein geltenden gesetzlichen Abstandsbestimmungen getroffen und für den Regelfall wird auf die im Allgemeinen anwendbaren gesetzlich normierten Abstandsbestimmungen verwiesen. Es wurde damit eine Regel-Ausnahme-Konstruktion geschaffen, aus der sich systematisch betrachtet folgern lässt, dass mit dem Verweis auf das „Oö. Bautechnikgesetz/Oö. BauTG“ auf den Regelfall der grundsätzlich anzuwendenden gesetzlich normierten Abstandsbestimmungen in der jeweils geltenden Fassung verwiesen werden sollte. Der Verordnungsgeber wollte daher nach Auffassung der erkennenden Richterin des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich grundsätzlich die jeweils geltenden gesetzlichen Vorgaben angewendet wissen und nur für gewisse näher definierte Ausnahmen davon losgelöst eigenständige Regelungen treffen. Grundsätzlich sollten aber die im Gesetz festgeschriebenen Abstandsbestimmungen in ihrer jeweils geltenden Fassung zur Anwendung kommen. Wenn auch einzuräumen ist, dass die im gegenständlichen Bebauungs­plan festgeschriebenen Regelungen für den Rechtsanwender leichter verständlich formuliert hätten werden können, so lässt das bestehende Regelungskonstrukt nach der hier vertretenen Auffassung nur diese Auslegung zu. Die erkennende Richterin geht daher im konkreten Fall unter Bedachtnahme auf die besondere Regelungstechnik des vorliegenden Bebauungsplanes von einem dynamischen Verweis auf das jeweils geltende Oö. Bautechnikgesetz aus. Im vorliegenden Fall sind daher im Bereich „so2“ die Abstandsbestimmungen des Oö. BauTG 2013 idgF anzuwenden.

 

Angemerkt werden darf in diesem Zusammenhang, dass eine entsprechende Klarstellung im in Rede stehenden Bebauungsplan die Rechtsanwendung für den einzelnen Rechtsunterworfenen erleichtern würde und daher jedenfalls zu begrüßen wäre.

 

2.2. § 40 Z 1 Oö. BauTG 2013 normiert für die Lage und Höhe von Gebäuden und Schutzdächern einen grundsätzlichen Mindestabstand zu den Bauplatz- und Nachbargrundgrenzen von 3m. In § 41 leg cit finden sich Ausnahmen für diese Abstandsbestimmungen. So gelten etwa die Abstandsbestimmungen gemäß § 41 Abs 1 Z 5 Oö. BauTG 2013 nicht für Gebäude und Schutzdächer sowie Teile davon, auch wenn sie unterkellert sind, unter bestimmten, in den lit a bis f näher genannten Voraussetzungen. Weiters kann mit das künftige Gelände überragenden Terrassen gemäß § 41 Abs 2 Z 3 leg cit der Mindestabstand um 2m unterschritten werden; ein Mindestabstand von 2m gegen die Bauplatz- oder Nachbargrundgrenzen darf jedoch nicht unterschritten werden.

 

2.3. Der im gegenständlichen Fall fragliche Abstellraum sowie die am Dach des Abstellraums befindliche Terrasse wurden unmittelbar an der süd-westlichen Grundstücksgrenze ausgeführt. Es wird damit der in § 40 Z 1 Oö. BauTG 2013 gesetzlich normierte Mindestabstand von 3m unterschritten.

 

Die in § 41 Abs 1 Z 5 lit a, b, d, e und f Oö. BauTG 2013 genannten Voraus­setzungen sind beim in Rede stehenden Abstellraum unzweifelhaft gegeben: Es handelt sich um ein Gebäude, das weder für betriebliche Zwecke noch zur Haltung von Tieren genutzt wird. In der der Nachbargrundgrenze zugewandten Außenwand (süd-westliche Außenwand) und der an diese anschließenden (nord-westlichen) Außenwand befinden sich keine Fenster oder Türen. Die Traufenhöhe überschreitet 3m über dem Erdgeschoßfußboden nicht, da die am Dach gelegene Terrasse mit 2,81m Höhe deutlich darunter liegt. Darüber hinaus überschreitet auch die Gesamthöhe der im Abstand gelegenen Bauwerksteile 7m nicht.

 

Gemäß § 41 Abs 1 Z 5 lit c Oö. BauTG 2013 darf außerdem die Summe aller im jeweiligen Abstand gelegenen, den Nachbargrundstücken zugewandten Längen der Bauwerke einschließlich allfälliger Dachvorsprünge 15m nicht überschreiten. Im 3m Abstand zur süd-westlichen Grundgrenze befinden sich neben dem Abstellraum mit einer Länge von etwa 4,60m auch eine Garage mit einer Länge von etwa 5,90m und das Hauptgebäude mit einer Länge von etwa 12m.

 

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass der Gesetzgeber – wie sich aus den einschlägigen Erläuternden Bemerkungen unzweifelhaft ergibt – im Interesse des Nachbarschutzes die in § 41 Abs 1 Z 5 lit c leg cit normierten 15m als „vorgesehene Maximallänge aller im jeweiligen Seitenabstand zulässigen Bauwerke“ – dh somit ohne Unterschied, ob es sich dabei um ein Haupt- oder Nebengebäude handelt – verstanden wissen wollte (AB 846/2013, 27. GP, S 17). Diese Bestimmung zielt daher auf einen entsprechenden Nachbarschutz ab. Es sollte damit ganz offensichtlich verhindert werden, dass unmittelbar angrenzende Nachbarn durch über 15m lange Bauwerksfronten in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt werden. Vor diesem Hintergrund des vom Gesetzgeber verfolgten Nachbarschutzes ist die gegenständlich vorliegende Situation – die sich aus der besonderen Regelung des Bebauungsplans durch die Ausweisung des „so1“-Bereichs ergibt – zu betrachten: So sieht der anzuwendende Bebauungsplan in „so1“ für bestehende Bauwerke die Zulässigkeit einer geschlossenen Bauweise vor; dementsprechend ist das Hauptgebäude der Bf im „Reihenhausstil“ mit dem auf dem süd-westlich angrenzenden Grundstück befindlichen Gebäude verbunden. Nachbarliche Schutzinteressen iSd § 41 Abs 1 Z 5 lit c leg cit können daher durch das bestehende Hauptgebäude der Bf naturgemäß nicht beeinträchtigt sein.

 

Fraglich ist daher, ob auch in der vorliegenden Sonderkonstellation das Haupt­gebäude der Bf in die 15m Längenregelung einzurechnen ist oder ob die Sonder­festlegung des Bebauungsplans betreffend bestehende Gebäude im „so1“-Bereich zu einer abweichenden Auslegung der gesetzlich vorgesehenen Maximallänge von 15m führt. Den Vorgaben des Bebauungsplans zufolge kommt § 41 Abs 1 Z 5 Oö. BauTG 2013 wie in Punkt IV.2.1. dargestellt, gerade in jenem Bereich in dem sich das Hauptgebäude befindet, nicht zur Anwendung. Wie bereits dargestellt wird vielmehr ausdrücklich eine Ausnahme normiert, nach der bestehende Gebäude ohne Einhaltung von Abständen direkt an der Grundgrenze liegen dürfen. Ob in einem solchen Fall auch jene Längen von Gebäuden an der fraglichen Grundstücksgrenze, für die durch die Festlegung einer Sonder­bauweise gerade nicht die Abstandsbestimmungen des Oö. BauTG 2013 gelten sollen – wie eben gegenständlich dem Hauptgebäude –, bei der 15m-Maximallängenberechnung einzurechnen sind, lässt sich dem anzuwendenden Bebauungsplan und auch dem Oö. BauTG 2013 nicht eindeutig entnehmen.

 

Ganz grundsätzlich ist zu bedenken, dass das Baurecht vom aus dem  Grundrecht auf Eigentum erfließenden Grundsatz der Baufreiheit geprägt ist.  Demnach sind baurechtliche Bestimmungen im Zweifel im Sinne der Baufreiheit auszulegen (vgl etwa VwGH 19.12.2005, 2005/06/0095; VwGH 17.8.2010, 2007/06/0236). In der vorliegenden Sonderkonstellation ist im Lichte dieser Baufreiheit daher nach Auffassung der erkennenden Richterin des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich davon auszugehen, dass das Hauptgebäude mit einer Länge von etwa 12m nicht bei der Berechnung der Längen der im Abstand gelegenen Gebäudeteile zu berücksichtigen ist. Für eine solche Auslegung sprechen auch die bereits dargelegten teleologischen Erörterungen bezüglich der grundsätzlichen Intention des Gesetzgebers hinsichtlich des Nachbarschutzes. Im Übrigen ist in diesem Zusammenhang auch noch auf die besondere Grundstückskonfiguration der sehr schmal konzipierten Grundstücke Bedacht zu nehmen. So wird selbst von der belangten Behörde, wie sich aus ihrem Schreiben vom 31.3.2015 ausdrücklich ergibt (ON 14), die Nicht-Einrechnung des in „so1“ befindlichen Hauptgebäudeteils in die in § 41 Abs 1 Z 5 lit c leg cit normierte 15m-Länge „auf Grund der Grundstückskonfiguration (schmale Grundstücke) als vorteilhaft“ gewertet. Im Lichte einer Gesamtbetrachtung unter der durch den Bebauungsplan geschaffenen Sonderkonstellation ist daher im vorliegenden Fall die in § 41 Abs 1 Z 5 lit c Oö. BauTG 2013 festgelegte Maximallänge von 15m nach der hier vertretenen Auffassung ohne die im Sonderbereich „so1“ liegenden Bauwerke bzw. Bauwerksteile zu berechnen.

 

Im Ergebnis bleibt daher im konkreten Einzelfall die Summe der im Abstand gelegenen den Nachbargrundstücken zugewandten Längen mit etwa 10,50m deutlich hinter den zulässigen 15m zurück. Damit ist der vorwiegend im „so2“-Bereich befindliche bewilligungslos errichtete Abstellraum grundsätzlich bewilligungsfähig.

 

2.4. Anders verhält es sich hinsichtlich der am Dach des Abstellraumes ausgeführten Terrasse. Hinsichtlich dieser Terrasse greift die Ausnahme­bestimmung des § 41 Abs 2 Z 3 Oö. BauTG 2013 nicht. Auch der Ausnahme­bestimmung zufolge ist jedenfalls ein Mindestabstand von 2m einzuhalten. Die zu beurteilende Terrasse liegt jedoch unmittelbar an der Grundgrenze wodurch der einzuhaltende Mindestabstand von 2m nicht eingehalten wird. Die Terrasse ist daher in ihrer derzeitigen Ausführung ohne Einhaltung des gesetzlich normierten Mindestabstandes von 2m nicht bewilligungsfähig.

 

3. Im Ergebnis ist daher der bewilligungslos errichtete Zubau zum Abstellraum bewilligungsfähig und die Erlassung eines Beseitigungsauftrags gemäß § 49 Abs 1 Oö. BauTG 1994 ohne die Einräumung der Möglichkeit, nachträglich die Baubewilligung zu beantragen, nicht zulässig. Die Terrasse am Dach des Abstellraumes in ihrer derzeitigen Ausführung ist demgegenüber nicht bewilligungsfähig, weshalb die Möglichkeit, nachträglich die Baubewilligung zu beantragen, diesbezüglich nicht einzuräumen ist.

 

4. Vor dem Hintergrund erübrigt sich ein Eingehen auf das Vorbringen der Bf, dass von der Bewilligungsfähigkeit auszugehen sei, weil der Abstellraum als Bestand in den von der Aufsichtsbehörde genehmigten Bebauungsplan aufgenommen worden sei. Dasselbe gilt für die durch Geltung eines Bebauungs­plans mit abweichenden Abstandsvorschriften erfolgende behauptete Ungleich­behandlung und die Behauptung der Bf, dass in der Nachbarschaft dem gegenständlichen Gebäude ähnliche Zubauten von der Behörde bewilligt worden wären, wodurch es ebenfalls zu einer Ungleichbehandlung der Bf komme.

 

5. Die Erstbehörde setzte zur Umsetzung des baupolizeilichen Auftrages eine Frist von 4 Monaten ab Rechtskraft des Bescheides fest - die belangte Behörde bestätigte diese Entscheidung vollinhaltlich.

 

Eine Erfüllungsfrist von 4 Monaten ab Zustellung des vorliegenden Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich zur Beseitigung der bewilligungslos errichteten Terrasse ist angemessen, da die Frist geeignet ist, den Bf als Leistungspflichtigen unter Anspannung aller ihrer Kräfte die Erfüllung dieser Leistung zu ermöglichen (vgl. VwGH 27.5.2004, 2003/07/0074 ua). Auch eine Frist von 2 Monaten, um für den bewilligungslos errichteten Abstellraum eine Baubewilligung zu beantragen, ist jedenfalls angemessen. Für den Fall, dass von der Stellung eines Ansuchens um Baubewilligung abgesehen wird, erscheint eine Erfüllungsfrist von insgesamt 6 Monaten ab Zustellung dieses Erkenntnisses für die Beseitigung des Abstellraumes als angemessen, da im konkreten Fall eine Lösung für die ebenfalls auf dem Dach des Abstellraumes mit Stützen befestigte Balkonkonstruktion des zweiten Obergeschoßes gefunden werden müsste.

 

 

V.            Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Dr. Astrid Lukas